Seit Ende Februar liegt der Abschlussbericht, wiederum als Vorstudie qualifiziert, zu islamischen Kindergärten in Wien vor. Nachdem auch diese Fassung öffentlich stark rezipiert wird und im politischen Diskurs verwendet wird, lohnt sich ein Blick auf die Qualität des Berichts. Spannend dabei ist vor allem die Frage, ob nun methodisch korrekt vorgegangen wurde und der Abschlussbericht damit fundierte Aussagen über das Feld der islamischen Kindergärten treffen kann.
Dieser Text hier ist die Basis meiner Analyse, d.h. die Langfassung der Auseinandersetzung mit der methodischen Qualität des Abschlussberichts. Da es dazu Nachfragen gab: Der Text kann gerne in Lehrveranstaltungen als Beispiel verwendet werden. Ich freue mich über eine kurze Info dazu. 🙂
Da mir klar ist, dass sich nur einschlägig Interessierte durch mehrere Seiten Analysetext durcharbeiten werden, habe ich eine Kurzversion verfasst. Zum Artikel auf science.orf.at führt dieser – noch kürzere – Beitrag.
Vorab zur Benennung: Der Filename ist „Abschlussbericht__Vorstudie_Islamische_Kindergarten_Wien_final“, am Deckblatt steht „Projektbericht. Evaluierung ausgewählter Islamischer Kindergärten und –gruppen in Wien. Tendenzen und Empfehlungen.“ Im Vorwort schreibt Ednan Aslan: „Diese innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne als Pilotprojekt durchgeführte Vorstudie weist vorerst auf Tendenzen in den muslimischen Kindergärten und Kindergruppen hin. Um diese Tendenzen vertiefend analysieren bzw. verstehen zu können, sind sicherlich weitere Untersuchungen erforderlich.“ (S. 1 Projektbericht) Die Benennung ist dem folgend inkonsistent, ich bleibe im Weiteren beim Terminus Abschlussbericht, wie in der Filebenennung. In meiner Kritik der Erstfassung der Vorstudie habe ich umfassend ausgeführt, dass egal welcher Art eine wissenschaftliche Arbeit ist, die Kriterien und Standards einzuhalten sind und führe das deshalb an dieser Stelle nicht nochmals aus. Der Begriff Vorstudie ist und bleibt kein Freibrief zu wissenschaftlicher Beliebigkeit, die sich in mangelnder Nachvollziehbarkeit und z.B. auch einem unzureichenden Sampling zeigt.
Beim ersten Ansehen des Abschlussberichts sticht zuallererst das Positive ins Auge: Das Paper erfüllt jene formale Kriterien, die an wissenschaftliche Arbeiten gestellt werden. Das Layout ist im passenden Format gestaltet. Das Inhaltsverzeichnis verrät, dass alle relevanten Elemente enthalten sind. Die darin enthaltene Strukturierung ist sinnvoll und logisch, die Feld- und Methodenbeschreibung ebenso enthalten, wie der Anhang und ein Abbildungs- und Quellenverzeichnis. Warum ist das wichtig – und keine kleinkarierte Nebensächlichkeit, wie manchmal angemerkt wird? Diese Standards sind ein Aspekt dessen Reliabilität, d.h. Vergleichbarkeit, herzustellen. Diese Form gewährleistet den Fokus auf den Inhalt, darum geht es bei solchen Studien, das Layout soll durch ein unauffälliges Layout bewusst in den Hintergrund treten. Die angeführten Quellen, Anhänge wie Interviewleitfäden oder Abbildungen gewährleisten die Überprüfbarkeit und Nachvollziehbarkeit der Aussagen.
Nicht im Anhang enthalten sind eine Übersicht über die Anzahl und Art der geführten Interviews oder Interviewtranskripte. Im Abschlussbericht selbst sind Transkriptstellen enthalten. Die Interviews verfügen über eine Codierung – auf S. 75 im Abschlussbericht wird die erste Transkriptstelle mit „KiGaJEl01“ angegeben – über die Bedeutung dieser Codierung gibt es aber im Bericht keine Aufklärung. Relevant ist dies, da die im Abschlussbericht getroffenen Aussagen nur überprüft werden könn(t)en, wenn Transkriptstellen zugänglich sind. Wobei hier anführt werden muss, dass dies in den Disziplinen unterschiedlich gehandhabt wird. Die Spannbreite reicht von vollständigen Transkripten im Anhang bis zu relevanten Transkriptteilen im Fließtext oder Anhang plus einer zusätzlichen Übersicht im Anhang. Grundsätzlich ist aber wichtig, dass die empirische Arbeit nachvollziehbar wird. (Vgl. dazu z.B. den Projektbericht zu Radio Orange) Im Abschlussbericht zu den islamischen Kindergärten fehlt eine Übersicht über die geführten Interviews und die Codierungen sind für LeserInnen nicht nachvollziehbar. Auch wenn also Transkriptstellen im Fließtext vorhanden sind, ist der Forschungsprozess objektiv für Dritte nicht nachvollziehbar. Dies wird in weiterer Folge auch bzgl. des Samplings relevant.
Als Autor wird allein Ednan Aslan angeführt, auch auf der Homepage findet sich kein Hinweis auf eine Mitarbeit von anderen Personen. Demzufolge müsste er das Projekt alleine durchgeführt und umgesetzt haben. Davon ist nicht auszugehen, aber die Praxis weitere Mitarbeitende nicht anzuführen ist an Universitäten (leider immer noch) weit verbreitet.
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