Ich liebe die Moore in den Wäldern Norddeutschlands. Blickt man von Usadel von der Endmoräne hinab auf die sumpfige Lieps, dann kann man sich vorstellen wie dort vor ein paar hundert Jahren die widerständigen Lutizen-Slawen am Wasser ihren Fisch aus den Netzen gepult haben und wenn man Glück hat sieht man einen Fischadler kreisen.
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Damit bin ich mitten im Metier von Robert Blackbourns “Die Eroberung der Natur”, ein Buch, dass ich gelesen habe, weil mich interessiert woher mein oftmals so romantisierender Blick auf die Moore, Seen und Flüsse kommt. Ich bin ja nicht der Einzige dem es so geht.

Ich weiß nicht ob dieser Blick auf die Natur etwas spezifisch Deutsches ist. Es gibt auf jedenfall in Deutschland einen ganz eigenen Diskurs um unsere “Blühenden Landschaften”, den “Sauren Regen”, und den Wald, und es gibt eine lange konservative Tradition der Öko-Bewegung in Deutschland – vielleicht liegt dort sogar ihr Ursprung – die sich auf das Naturschöne beruft.

Ich habe das Buch auf diesen Problemkreis hin gelesen und sicherlich kreist das Buch auch immer wieder um dieses Thema. Eindeutige Antworten auf die Frage, was das spezifisch Deutsche sei, oder woher der romantisierende Blick kommt, liefert Blackbourn jedoch nicht, das will er ganz offenbar aber auch nicht. Er erzählt mäandrierend die komplexe Geschichte der Urbarmachung der Moore in Preußen und der Begradigung des Rheins in Baden und später in Deutschland. Er erzählt von dem Hunger nach Urbarmachung und Einverleibung von Land in Staat und Ökonomie und der stets auf die Einverleibung folgenden Sehnsucht nach den vergangenen, “unberührten” Welten.

Die drastischen Veränderungen der Landschaft durch die Industrialisierung erzeugen Sehnsucht nach dem Vergangenem und laden dazu ein das Alte als das Urtümliche zu sehen. Auch wenn es hierzuland keinen Fleck Landschaft gibt, der unberührt ist. Blackbourn zeigt das manchmal mit Humor. Wenn er zum Beispiel den Maler Otto Modersohn zu Wort kommen lässt, der bei dem schönen Anblick einer Brücke über einen Kanal im Moor im Oldenburgischen, verzückt in sein Tagebuch schreibt, dass die Natur doch unserer Lehrerin sei. Diese Sehnsuchtsgefühle sind vielleicht je stärker, je drastischer die Veränderungen sind die wir erfahren. Die ganze Widersprüchlichkeit dieses Mischmaschs an Gefühlen gegenüber einer unberührten Landschaft, wird besonders deutlich in der NS-Zeit, wo einerseits die wilden naturverbunden Germanen romantisiert werden, die an Karl May’s Indianer erinnern, und andererseits das Bild des passiven in den Mooren lebenden Wilden bemüht wird um Ausrottung und Vertreibung zu rechtfertigen.

Das gut 600 Seiten starke Buch liesst sich wie ein Krimi der einen Bogen spannt von der Kolonisation des Oderbruchs vo 250 Jahren bis zur Oderflut vom Sommer 1997. Es gibt auch ein paar Abbildungen und Karten. Leider wurde jedoch oft versäumt jene Orte und Landschaften in die Karten einzuzeichnen, um die es im Text geht. Es ist also ratsam einen Atlas zur Hand zu haben wenn man beispielsweise wissen möchte wo genau die Pripjetsümpfe liegen. Leider gibt es auch eine ganze Reihe unnötiger Schreibfehler, die ganz offensichtlich auf ein laxes Lektorat zurückgehen. Aber das ist natürlich kein Grund, der davon abhalten sollte das Buch zu lesen.