Apple hat mal wieder zugeschlagen und verklagt Samsung, Ideen gestohlen zu haben; unter anderem die Idee, ein Gerät über das längere Drücken eines Buttons steuern zu können. Wer jetzt denkt, dass sich so etwas doch gar nicht patentieren ließe, der irrt: es geht in der Tat.
Es gibt auch viele ähnlich kuriose Patente im Softwarebereich. So hatte sich etwa IBM einen Fortschrittsbalken in Software patentieren lassen, Amazon das One-Click-Shopping und Sun sogar den virtuellen Einkaufswagen. Weitere kuriose Patente finden sich hier und hier.


Einige der Patente haben praktisch keine Auswirkungen, andere werden jedoch für weitreichende Klagen in Millionenhöhe genutzt, bevorzugt von den Computer-Riesen wie Apple, Google, Oracle und Microsoft (oder auch gegen sie). Ganz spontan würde ich ja vermuten, dass das gegenseitige Verklagen am Ende zu einem Ausgleich der Schadenersatzzahlungen führt und nur die Anwaltskosten verloren gehen.

Unabhängig davon: wie denken die Leser über den Sinn und Unsinn von Softwarepatenten, also die Patentierung insbesondere auch von Mechaniken und Techniken, die in Software zum Einsatz kommen? Sind sie unsinnig oder wichtig, um seine Ideen zu schützen und die Wettbewerbsfähigkeit zu garantieren? Hemmen sie den Fortschritt oder kurbeln sie ihn an, weil jeder gezwungen ist, eigene Techniken zu entwickeln? Ich würde mich über eine rege Diskussion freuen.

Zusatz:
Hier gleich noch der Link zu einem weiteren Artikel zum Thema Softwarepatente. Er bestätigt ja so ein wenig meine eigene Meinung…

Kommentare (38)

  1. #1 Wurgl
    Juni 25, 2011

    Ein Patent soll ja dazu da sein um etwas Neuartiges zu schützen. Etwas total neues, etwas das die Welt noch nicht gesehen hat. Etwas das sich von bisherigem unterscheidet.

    Soweit okay.

    Softwarepatente aber schützen so triviale Dinge wie den Pinselstrich eines Malers, nur eben nicht der Kunstmaler sondern der Maler der deine Zimmer ausmalt. Das was da geschützt wird ist der Pinselstrich und nicht mehr.

    Solange sich die Großen bekriegen juckt das nicht. Das eine oder andere Prozentchen das man wegen dieser Patente als Endkunde mehr zahlt ist zu verkraften. Aber als kleiner Softwareentwickler arbeitet man unter dem Damoklesschwert. Ich weiß gar nicht wie viele dieser Patente ich im Laufe meiner jahrelangen Programmiererfahrung ich schon verletzt hab. Wahrscheinlich sind das wohl tausende. Und ich hab einfach keine Chance diese Patente zu umgehen, ich müsste so einige Anwälte beschäftigen die die von mir ausgelieferten Programme untersuchen und mit der schier unendlich langen Liste von Patenten abgleichen und das zahlt mich einfach kein Auftraggeber.

    Ich finde überhaupt, dass Patente viel zu lasch vergeben werden. Die ursprüngliche Idee der Neuheit einer Erfindung wurde verwässert und das was oft patentiert wird ist einfach so etwas wie der Schrei “ERSTER!!!”

    Ich kann nur darauf hoffen, dass sich die großen Firmen zu Tode bekriegen. Ich kann nur hoffen, dass genug Patenttrolle den Großen die Arbeit unmöglich machen. Erst dadurch wird sich was ändern.

  2. #2 Michi
    Juni 25, 2011

    Ich halte Softwarepatente, genauso wie auch Biopatente (Patente auf Lebewesen) für extrem gefährlich, schädlich und unsinnig. Die Gründe dafür sind zahlreich und lange bekannt, daher werde ich mir die Zeit sparten sie alle noch einmal herunter zu predigen. 😉
    Aber solange es ein paar wenige Firmen gibt, die davon profitieren (und zwar massiv) ist es schwer etwas dagegen zu machen – was nicht heißt das wir es nicht versuchen sollten, ganz im Gegenteil! Last uns dieses Übel endlich ausrotten.

  3. #3 Mark Müller
    Juni 25, 2011

    Apple erweitert die Klage gegen Samsung, schon richtig. Blöd nur, dass bei der ganzen Klage kein einziges eigentliches Softwarepatent vorkommt. Auch die Geschichte mit dem Button ist nicht etwa ein Patent auf Software, sondern ganz konkret auf Hardware: https://patft.uspto.gov/netacgi/nph-Parser?Sect1=PTO1&Sect2=HITOFF&d=PALL&p=1&u=%2Fnetahtml%2FPTO%2Fsrchnum.htm&r=1&f=G&l=50&s1=7863533.PN.&OS=PN/7863533&RS=PN/7863533
    Technische Lösungen und Erfindugen – Hardware – sind in jedem Land der Welt patentierbar. Genau so wie Design geschützt werden kann. Darum geht es in der Klage.
    Ich muss schon sagen, eine Klage bei der Softwarepatente keine Rolle spielen als großen Aufhänger für einen Beitrag zu Softwarepatenten aufmachen, das ist … nicht recherchiert.

  4. #4 Mark Müller
    Juni 25, 2011

    Wurgl, Michi: Ihr tut ja gerade so als ob Softwarepatente in Deutschland existieren würden. Dabei sind Software und insbesondere Algorithmen in Deutschland überhaupt nicht patentierbar. Bei Softwarepatenten handelt es sich primär um ein US-amerikanisches Problem.

  5. #5 Wurgl
    Juni 25, 2011

    @Mark Müller

    Du fällst auf den alten Trick herein. Natürlich ist bei jedem Softwarepatent eine Hardware einbezogen. Eben ein Display wo der erscheint, oder ein Computer der auf irgendwas reagiert. Aber das was neu ist, ist nicht das Display, nicht der Computer sondern eben der Knopp wo der User mit seinen (un)gewaschenen Fingern drauftapst und die Reaktion des Rechners darauf.

  6. #6 André
    Juni 25, 2011

    Meine Meinung ist: Patente sollte es nur auf “anfassbare” Erfindungen geben. Patente auf Software oder Programmcode, Verfahrensweisen oder gar Entdeckungen (Beispiel: Gene) braucht es nicht und verhindern meines Erachtens nur den Fortschritt.
    Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter und würde fordern, dass Patente, die nicht innerhalb einer gewissen Zeit (z.B. 3 Jahre) auch genutzt werden, verfallen sollten. “Nutzen” heißt für mich, dass entsprechende Produkte auf den Markt kommen, entweder durch den Patentinhaber selbst oder durch lizensierte Produkte anderer Unternehmen.

  7. #7 rolak
    Juni 25, 2011

    Ganz besonders mag ich ja diese ultrapräzise formulierten Patenttexte á la “irgendwie eine Bewegung des Eingabegerätes in die eines Zeiger auf dem Bildschirm umsetzen”. Ist nicht fiktiv, sondern sinngemäß zitiert aus einem MS-Patent (finde ich auf die Schnelle nicht, immerhin eine Firma, die sich z.B. auch den Doppelklick patentieren ließ) und verhinderte seinerzeit effektiv die unbedarfte USA-Vermarktung eines von mir geschriebenen Maustreibers.

    Doch auch generell empfinde ich SW-Patente (Bsp) hohl und ausschließlich lästig. Sinnvoll fände ich eher einen Umsetzungsschutz wie “Sie implementieren zumindest teilweise <Protokoll /api /..>? Dann aber auch komplett!”.

  8. #8 CK42
    Juni 25, 2011

    Natürlich schaden diese Trivialpatente oder Softwarepatente der Allgemeinheit und nutzen Patentanwälten und Patentverwaltern. Ich tippe aber mal, dass den Unternehmensleitungen von ihren Patentverwaltern erzählt wird, dass das nützlich ist. Wen sollen die denn sonst fragen? Das ganze ist also eine Variante von Wegezoll, GEZ-Gebühren oder Kohlephennig, die gibt es, weil eine gewachsene gesunde Lobby ihr Territorium verteidigen kann.

  9. #9 pseudonymus
    Juni 25, 2011

    @Wurgl:
    Das Fortschrittsbalkenpatent galt auch in Europa, und das ist nur die Spitze des Eisberges. Im Patentgesetz sind ja eigentlich Patente auf Programme oder mathematische Verfahren ausgeschlossen, und sie waren es lange Zeit auch tatsächlich. Leider hat es in den letzten zwei Jahrzehnten einen Wandel in der europäischen und deutschen Rechtsprechung gegeben. Vor allem die europäische Rechtsprechung interpretiert das mittlerweile so, dass der Gesetzgeber damit nur den Quellcode gemeint hätte. Dahinter stehende Konzepte sieht sie nicht mehr ausgeschlossen, es genügt, wenn sie in irgendeinem weiten Sinn “technische” Überlegungen einbeziehen. Zum Beispiel, Computerressourcen effizienter zu nutzen (schnellerer Algorithmus, Form der Datenspeicherung, andere Anordnung von Elementen auf dem Bildschirm usw.).

    @Marcus:

    Wie denken die Leser über den Sinn und Unsinn von Softwarepatenten,

    Patente sind aus meiner Sicht zuallererst ein ökonomisches Instrument. Sie bieten für eine begrenzte Zeit ein Monopol als Innovationsanreiz. Dementsprechend sollte man Softwarepatente beurteilen: Überwiegen die ökonomischen Vor- oder Nachteile für eine Gesellschaft? Wie auch Dein Zusatz zeigt, sehen viele Ökonomen da Softwarepatente skeptisch. Ich erinnere mich da speziell für Deutschland auch an eine skeptische Stellungnahme eines Beirates des BMWi, unter Leitung von Prof. Harhoff, LMU Münschen, die vor einer Ausdehnung warnt.

    Der für mich gravierendste Nachteil ist, dass man eigentlich kein Softwareprogramm mehr schreiben dürfte ohne für jede Routine eine ausführliche Patentrecherche durchzuführen. Was natürlich mit prohibitiven Kosten einherginge und ich als Einschränkung von Freiheitsrechten empfinde. Man ist praktisch gezwungen, das Risiko von Patentverletzungen einzugehen. Zum Glück scheint es ja noch extrem selten zu sein, dass kleine Firmen, Open Source Projekte und einzelne Entwickler von Patentinhabern angegangen werden.

    Ein Damoklesschwert ist es aber schon.

  10. #10 Mark Müller
    Juni 25, 2011

    @Wurgl: Bei Softwarepatenten (Scrollbalken, Einkaufswagen, Ein-Klick-Einkäufe, automatisches Starten von Videos, …) ist per Definition keine Hardware einbezogen, sonst wären sie keine Softwarepatente. Dass du glaubst, man könne mit einem darstellenden Bildschirm selbigen mitschützen lassen hast du dir in deiner Naivität zwar süß ausgedacht. Es hat aber leider nichts mit der Realität zu tun. Auch beim fraglichen Apple-Patent spielt Software überhaupt keine Rolle. Das Patent habe ich verlinkt, du hättest es nachlesen können. Es geht dort um die Konstruktion einer Taste, die je nach Druckpunkt andere elektrische Kontakte schließt. Die geschützte Erfindung ist dabei das Vorgehen, wie die Taste konstruiert werden muss, damit sie zwar einerseits aus festen Materialien (z. B. Metall) konstruiert sein kann, sie aber andererseits durch Drücken einer Seite und schließen des entsprechenden Kontakts nicht auf der anderen Seite hervorgehoben wird (was Apple im Patent als unästhetisch bezeichnet). Dazu sind ein paar Kniffe nötig und die schützt das Patent. Wer mal ein iPhone oder iPad in der Hand hielt, braucht sich nur die illustrierenden Zeichnungen im Patent ansehen, um zu wissen, welche Konstruktion damit geschützt wird: Die Lautstärke-Taste an der Seite der Geräte. Um es noch mal in aller Deutlichkeit zu sagen: Wer das für ein Softwarepatent hält, der hat noch weniger Ahnung von Softwarepatenten als mein Bonsai-Bäumchen auf der Fensterbank.

  11. #11 Logiker
    Juni 25, 2011

    @ michi: “Die Gründe dafür sind zahlreich und lange bekannt, daher werde ich mir die Zeit sparten sie alle noch einmal herunter zu predigen. ;)”

    Nö, sind sie nicht. Mit dieser Nichtsaussage beanspruchen Sie nur das allmächtige Recht und sprechen jedem Diskussionspartner jegliche Glaubwürdigkeit ab. schlussendlich diskreditieren Sie sich selbst als Gläubigen, also als einen Nicht-Wissenden.

    Bitte her mit Ihren Gründen, damit man die angeblichen Gründe schön zerpflücken kann.

  12. #12 pseudonymus
    Juni 25, 2011

    Sorry, oben habe ich @Wurgl geschrieben, meinte aber @Mark Müller.

    @Mark Müller:
    Marcus hat doch oben das Fortschrittsbalkenpatent verlinkt. Schau mal rein.

    Hauptanspruch: (jedes) Computersystem mit Fortschrittsbalken. Damit ist faktisch die Fortschrittsbalkenidee und jedes Programm, das sie implementiert, monopolisiert. Man darf es ohne Lizenz auf keinem Computersystem mehr ausführen.

    @Logiker:
    Gründe: Dann zerpflücken Sie doch die ökonomischen. Siehe den Zusatz von Marc oben oder mein Verweis auf das Gutachten des BMWi Beirats. Übersehen?

  13. #13 Michi
    Juni 25, 2011

    @Logiker
    Nur weil man nicht die Zeit und Lust hat ständig alle Gründe neu zu erläutern, heißt das nicht das man keine hat. Wer auf Google Softwarepatente eingibt, findet hunderte kritischer Seiten, mit Argumenten…
    https://www.google.de/search?q=Softwarepatente

  14. #14 pseudonymus
    Juni 25, 2011

    @Mark Müller:
    Es geht bei Apple vs. Samsung wohl auch um Softwarepatente. Hier ein Artikel, der sieben betroffene Patente angibt:
    https://fosspatents.blogspot.com/2011/04/apple-sues-samsung-over-android-based.html

    Hier zum Beispiel der Hauptanspruch von einem:

    1. A method to display a user interface window for a digital processing system, the method comprising: displaying a first window in response to receiving a first input from a user input device of the digital processing system which is capable of displaying at least a portion of a second window concurrently with the first window on a screen; starting a timer; and closing the first window in response to a determination that the timer expired; wherein the first window does not close in response to any input from a user input device of the digital processing system, wherein the first window has been displayed independently from a position of a cursor on the screen.

    Auf Deutsch grob: Programm, das auf einen Userinput hin unabhängig von der Cursorposition ein Fenster öffnet und nach einer bestimmten, fixen Zeit automatisch schließt.

  15. #15 Marcus Frenkel
    Juni 26, 2011

    Bitte auch einmal hier lesen. Der Artikel ist zwar schon älter, aber beschreibt das “Problem” recht gut. Ein (triviales) Patent wird erteilt, niemand kümmert sich drum, eine Firma kauft es auch und macht dann das große Geld damit machen; dem eigentlichen “Erfinder” einer Technologie bringt das relativ wenig. Kann man da wirklich noch von Schutz geistigen Eigentums reden?

    Was wäre, wenn das Patent-Recht so umgebaut wird, dass wirklich nur der Erfinder ein Patent finanziell verwerten darf? Das würde derartigen Unternehmen die Grundlage entziehen.

    Und dann gibt es natürlich immer noch das Problem, wer denn als Erfinder einer Technologie gilt. Insbesondere im Software-Markt ist das ja ziemlich schwierig zu beweisen, da viel parallel geschieht und viele Dinge auch früher schon einmal da waren oder von kleinen Software-Entwicklern erstmalig eingesetzt und von den “Großen” dann nur kopiert werden.

  16. #16 pseudonymus
    Juni 26, 2011

    @Marcus:
    Was meinst Du mit finanziell verwerten? Warum sollte ein Erfinder (wenn man ihn denn eindeutig bestimmen kann), nicht sein Patent verkaufen dürfen. Vielleicht ist er, zum Beispiel als Hochschullehrer, nicht in der Lage oder interessiert, die Erfindung zu einem echten Produkt zu machen und seine Patentansprüche durchzusetzen. Das würde den Innovationsanreiz doch ganz schön schwächen.

    Mir hat mal ein anderer Vorschlag gut gefallen: Polluter pays.

    Viele erteilte Softwarepatente sind doch vermutlich wegen Trivialität (mangelnde Erfindungshöhe), Prior-Art (war längst bekannt) oder mangelnder Technizität eigentlich nichtig. Aber niemand kümmert sich drum, denn ohne Grund solche Patente gründlich zu prüfen oder gegen sie anzugehen ist erst einmal einfach nur teuer. Sie werden also erteilt, schlummern, erhöhen die Recherchelast, werden verkauft, werden wohlmöglich irgendwie in Standards eingeschleust oder nach Jahren plötzlich gegen längst etablierte Produkte geltend gemacht oder einfach einem Patentwaffenarsenal hinzugefügt. Und mit der Zeit wird es immer schwerer, zum Beispiel Prior-Art nachzuweisen.

    Man müsste also positive Anreize schaffen, schon vor der Erteilung und auch danach Patente gründlich zu prüfen und gegen zweifelhafte anzugehen, und negative Anreize, zweifelhafte Patente gar nicht erst anzumelden. Ganz einfach, indem derjenige, der Patente hält, die sich als nichtig erweisen, die vollen Kosten trägt. Also denjenigen, der die Nichtigkeit nachweist, für seinen Aufwand und seine Kosten voll entschädigen muss.

    Ich wette, wir hätten eine Super-Patentprüfung und das Problem zweifelhafter Patente, zu denen die meisten Software-Patente gehören, hätte sich weit gehend erledigt.

  17. #17 Dr. Webbaer
    Juni 26, 2011

    Unabhängig davon: wie denken die Leser über den Sinn und Unsinn von Softwarepatenten, also die Patentierung insbesondere auch von Mechaniken und Techniken, die in Software zum Einsatz kommen?

    Grundsätzlich gut, wie auch der Urheberschutz allgemein, dummerweise werden so oft an die Rechtspflege so hohe Anforderungen, dass das Vorhaben abstrus wird und scheitert. – Man behilft sich dann oft mit Vergleichen, die einen üblen Nachgeschmack haben, es kommt auch zu Fehlurteilen und zum politischen Missbrauch, bspw. wenn europäische Institutionen Feldzüge gegen große Unternehmen wie M$ oder Google führen.

    Das Thema ist aber schon weitgehend totgequatscht; philosophisch interessant, fürwahr!, das Web bedingt eine neue Rechtsphilosophie, hat auch deutliche anarchistische Tendenzen, aber die gemeinen Kenntnisse wie die Kenntnisse der Mandatsträger sind unzureichend zum jetzigen Zeitpunkt vernünftige Lösungen zu finden. Man muss abwarten.

    MFG
    Dr. Webbaer

  18. #18 Marcus Frenkel
    Juni 26, 2011

    @pseudonymus
    Unter “finanziell verwerten” habe ich jetzt schon auch verstanden, die Technologie zu verkaufen – aber eben explizit und nicht so, wie es im Moment ist, dass in den Schubladen hunderte von (Trivial-)Patenten schlummern, die keiner kennt und um die sich keiner kümmert – bis ein Patenttroll (der praktisch nichts mit dem Patent an sich zu tun hat) aufkauft und damit anderen Firmen “erpresst” (siehe Link).

    Der “polluter pays”-Ansatz klingt nett, aber ich weiß nicht, ob er sich durchsetzen würde, da die Widerlegung einer Patent-Forderung auch sehr viel Geld verschlingt, welches man ja erst einmal haben muss. Wenn ein Patenttroll z.B. vor allem kleinere Firmen angeht, muss er da nicht viel befürchten.

    Und dann bleibt ja immer noch der Sinn von Software-Patenten – ab wann gilt ein solches Patent als “nichtig”? Streng genommen hätte z.B. Opera zahlreiche Features seines Browsers patentieren lassen können, um jetzt damit gegen FF, IE und Co. ankämpfen zu können. Aber ist nun z.B. das Tabbed Browsing (als Beispiel) schützenswert oder nicht?

  19. #19 Dr. Webbaer
    Juni 26, 2011

    Aber ist nun z.B. das Tabbed Browsing (als Beispiel) schützenswert oder nicht?

    Sowas wäre wegen “geringer Schöpfungshöhe” nicht schützenswert. – Aber erklären Sie das mal dem Patentamt und der dieses umgebende Rechtspflege.

  20. #20 pseudonymus
    Juni 26, 2011

    Der “polluter pays”-Ansatz klingt nett, aber ich weiß nicht, ob er sich durchsetzen würde, da die Widerlegung einer Patent-Forderung auch sehr viel Geld verschlingt, welches man ja erst einmal haben muss. Wenn ein Patenttroll z.B. vor allem kleinere Firmen angeht, muss er da nicht viel befürchten.

    Der Ansatz würde vor allem dann Sinn machen, wenn es sich für Firmen (auch für solche, die von keiner Klage bedroht sind) lohnen würde, alle erteilten Patente oder solche in der Einspruchsphase nach Nichtigkeitskandidaten zu durchforsten und gegen diese anzugehen. Der Ansatz würde also ein neues Geschäftsmodell begründen, quasi den vom Polluter verursachten Dreck zu finden und auf seine Kosten wegzuräumen, ehe er Schaden anrichtet.

    Und dann bleibt ja immer noch der Sinn von Software-Patenten – ab wann gilt ein solches Patent als “nichtig”? Streng genommen hätte z.B. Opera zahlreiche Features seines Browsers patentieren lassen können, um jetzt damit gegen FF, IE und Co. ankämpfen zu können. Aber ist nun z.B. das Tabbed Browsing (als Beispiel) schützenswert oder nicht?

    Ich habe persönlich noch nie erlebt, dass Patente in der (nicht-hardwarenahen, nur die kenne ich) Softwarebranche als Innovationsanreiz eine Rolle gespielt hätten. Ich kenne sie nur als abschreckende Markteintrittsbarriere. Insofern machen sie aus meiner Sicht ökonomisch keinen Sinn, sondern richten nur Schaden an. Ich bin daher dafür, dass der Gesetzgeber die Rechtsprechung wieder auf eine sehr enge Auslegung von “Technizität” zurückführt, wie sie bis in die 80er in Deutschland üblich war, und einen echten Ausschluss der Patientierbarkeit von “Programmen auf Datenverarbeitungsanlagen” zurückzwingt. “Polluter pays” wäre so oder so ergänzend sinnvoll.

  21. #21 HinrichD
    Juni 27, 2011

    Ein reines Patent auf Software macht m. E. keinen Sinn. Der pure Source ist durch das Urheberrecht wie ein Gedicht geschützt, so dass Abschreiben nicht gilt. Für Portierungen von beispielsweise C zu C# würde sich der übliche Umgang für Übersetzungen von Literatur eigentlich auch anbieten. Aber Hello, World! ließe sich wegen der mangelnden Schöpfungshöhe nicht patentieren, zu Recht.

    Patente nach der Methodik Drücke Knopf, Funktion A, drücke Knopf lange, Funktion B sind innovationshemmend, weil niemand mehr einen derartigen Knopf implementieren könnte (egal ob real oder virtuell), ohne Lizenzgebühren zahlen zu müssen.

    Wenn aber jemand etwas entwickelt, was innovativ ist (beispielsweise ein Gerät, dass die Gravitation aufhebt, so dass der Koffer wie ein Federgewicht über die Flughafenlobby geschoben werden kann), dann sollte es patentierbar sein, und zwar einschließlich der notwendigen Software, die das Gerät steuert. Die Software wäre dann ja nur eine virtuelle Hardware.

    Ein Aspekt fehlt aber noch: Die Softwareindustrie steht kurz vor dem Punkt, ein Oligopol zu werden. In diesem Status ist es hilfreich, kleine Unternehmen mit Gerichtsverfahren aus dem Markt zu drängen (bei vielen Klagen ist das Ergebnis ja offen, aber allein die Klage treibt das kleine Unternehmen in den Ruin), um das Oligopol zu manifestieren. Laxe Rechtsschutzsysteme (mein Apfel ist angebissen und deshalb darfst Du ihn nicht mal auf Dein T-Shirt drucken) führen dazu, dass sich auch eigentlich funktionierende Märkte zu Oligipolen und somit letztlich zu Monopolen führen. Derartige Marktstrukturen sind aber ineffizient und damit schädlich.

    Von daher geht es eigentlich nicht nur um Software-Patente sondern um Patente insgesamt. Hier müsste grundsätzlich eine Schöpfungshöhe wie beim Urheberrecht definiert werden, um das System überhaupt marktgerecht zu gestalten. Eine 95ig-eckige Schraube am Rad gehört für mich eben so wenig dazu wie die Frage, ob ich einen Knopf einmal, zweimal, lange oder kurz oder in Morsezeichen drücke.

  22. #22 Dr. Webbaer
    Juni 27, 2011

    Es gibt auch im Patentwesen eine Erfindungshöhe (vgl. Schöpfungshöhe), btw: dieser nette Begriff darf sicherlich dieser kleinen Erörterung beigefügt werden:
    https://en.wikipedia.org/wiki/Patent_troll

  23. #23 Mike Macke
    Juni 28, 2011

    Für die Firmen, die aktive Forschung betreiben, sind Patente ein Segen. Es darf einfach nicht jeder alles “nachmachen” (wie Microsoft z.B. mit “Windows” legal die – nicht geschützte – Apple-Betriebsystemoberfläche nachäffte). Das ist in der Chemie, im Maschinen- und Automobilbau, kurz: in der gesamten Industrie mit Ausnahme der Softwarebranche bekannt und akzeptiert. All diese Industrien scheinen mir nicht weniger innovativ als letztere zu sein, aber ein Nachweis der “höheren” Innovation entweder bei Software oder bei (z.B.) Chemie dürfte nur schwer zu führen sein.

    Auch die Gesamtheit eines Landes (und insbesondere der interessierte Wettbewerb) profitiert von (“guten”) Patenten: Wenn nämlich einmal beschrieben ist, wie ein Problem zu lösen ist, muss das “Rad” nicht jedesmal neu erfunden werden. Für diese (“neue und erfinderische”) Problemlösung wird ein Patent erteilt.

    Was ich nicht begreife: Weshalb soll ein derartiges gut eingeführtes und in allen Bereichen die Innovation förderndes Instrument plötzlich in einem Bereich diese unterbinden ? Wenn man in die einschlägigen Foren sieht, scheinen Patente die Softwareindustrie zum Untergang zu bringen, obwohl viele anderen Industrien (s.o.) davon profitieren…

    Auch den (angeblichen) Unterschied zwischen “Soft-” und “Hardwarepatenten” kann ich nicht nachvollziehen. Denn: Beispielsweise ein verbessertes ABS- System, das ein z.B. Auto schneller zum stehen bringt, basiert ebenso auf einer (veränderten) Software wie ein Textverarbeitungsprogramm, das – meinetwegen – eine genauere Rechtschreibprüfung durchführt. Nur: Das eine darf in Deutschland patentiert werden (und D spielt auf diesem Gebiet in der Weltspitze mit), das andere nur in den USA, die zufällig auf welchem (fast einzigen) technischen Gebiet nochmal führend sind? Ach so, Software – vermutlich weil man seine (als Software realisierten) Ideen dort im Gegensatz zum “Rest der Welt” auch schützen (lassen) kann.

    Natürlich würde es bei einer Einführung von Patenten auf “reine” Software Verwerfungen geben: Die weniger Innovativen kämen eventuell unter die Räder (und müßten dann vielleicht für diejenigen arbeiten, die gute Ideen haben).

    Man müsste sich den Kopf darüber zerbrechen, wo etwas bereits erfunden wurde, statt das Problem jedesmal neu zu lösen (das “wo” kann ja auch “OpenSource” sein, es müssen nicht Patente sein). Um dieses “Kopfzerbrechen” (vor allem den Patentprüfern) zu erleichtern, gibt es für Patente ausgefeilte Klassifikationssysteme. Dadurch spart man sich also in innovativen Gebieten wie Chemie und Maschinenbau Arbeit – sobald man begriffen hat, wie es geht, was nicht allzu schwierig ist.

    Keiner konnte mir bis jetzt sagen, worin sich “Software” von “sonstiger Technik” unterscheidet. Darin, dass das “Werkzeug” zur Problemlösung nicht “irgendwas-Säure” oder “Zahnrad”, sondern “Computerprogramm” heißt? Oder eher darin, dass man sich in einer Welt eingerichtet hat, die Innovation gerne kostenlos übernimmt (oder anders gesagt: klaut)? Vielleicht werde ich ja hier etwas klüger?

  24. #24 Marcus Frenkel
    Juni 28, 2011

    @Mike Macke
    Ich könnte mir vorstellen, dass Ihre Argumentation, bezogen auf größere Software-Aspekte wie Algorithmen durchaus Anhänger findet. Aber ehrlich: sollte es möglich sein, die Art und Weise, wie ein Knopf gedrückt wird, wie eine Information angezeigt wird oder wie ein Vorgang gestartet wird (z.B. bei Button-Klick, siehe One-Click-Shopping), patentieren zu lassen? Also Dinge, deren einzige “Innovation” darin besteht, neu zu sein, deren “erfinderischer Neuwert” (darüber definieren sich ja Patente) praktisch gegen Null geht, da meistens lediglich vorhandene Technologien kombiniert wurden?

    Ich bringe wieder das Browser-Tab-Beispiel: stellen Sie sich vor, jemand hätte sich das patentieren lassen. Wäre das wirklich wünschenswert gewesen?

    Software hat zu herkömmlichen Technologien den Unterschied, dass es hier viel mehr davon gibt, dass viele Dinge viel schneller entwickelt werden können und vor allem die Entwicklung viel einfacher ist (nicht alles – komplexe Anwendungen und Algorithmen natürlich nicht). Sollte das wirklich alles patentierbar sein? Wo zieht man die Grenze?
    Ich kann schließlich auch nicht einen Kuli “entwickeln”, der eine blaue-rosa Kappe besitzt und mir dann “blaue-rosa Kappe auf Kulis” patentieren lassen. Aber genau so etwas wird teilweise im Software-Umfeld getan.

  25. #25 Dr. Webbaer
    Juni 28, 2011

    Ich bringe wieder das Browser-Tab-Beispiel: stellen Sie sich vor, jemand hätte sich das patentieren lassen. Wäre das wirklich wünschenswert gewesen?

    Bestände ein Patent, wären Browserhersteller zu Lizenzkosten gezwungen oder müssten Ihre Browser so anlegen, dass es zumindest so ausschaut als wären sie in zweiter Instanz gestartet. Das wäre idiotisch.

    Hier behilft man sich dann eben idealerweise – ein dementsprechend gut ausgebildetes Rechtsystem vorausgesetzt, hier muss es aber -wie oben ausgeführt- bis auf weiteres immer leiden – mit der Schöpfungs- oder Erfindungshöhe.

    Es ist schwierig die herkömmliche Höhenfeststellung auf Software zu übertragen, aber nicht undenkbar, denn, wie Sie richtigerweise feststellen, kann die Bereitstellung eines neuen in IT gegossenen Objekts und deren Patentierung so naheliegend sein, dass eine patentrechtliche Unterbindung von Nach- oder Ähnlichbauten zivilisatorisch ungünstig behindert wird. Was keiner wollen kann und prohibitiv und hemmend wirkt.

    Gibt es denn I.E. sinnvolle Patentanwendungen im Bereich der Software?

    MFG
    Dr. Webbaer

  26. #26 pseudonymus
    Juni 28, 2011

    @Mike:
    Ich sehe einen wesentlichen Unterschied zwischen Softwarebranche und zum Beispiel Chemie, Maschinenbau usw. In letzteren muss man experimentieren, herausfinden, wie man “Naturkräfte” einsetzt, um planmäßig ein bestimmtes Ziel zu erreichen. In ersterer genügt ein handelsüblicher PC und man kann loslegen – außer man müsste für jedes Programm wochenlang recherchieren und wäre doch nicht sicher, vielleicht ein Patent zu verletzen. D.h. in der Softwarebranche wirken Patente viel stärker als Abschreckung und Eintrittsbarriere.

    Es scheint auch so zu sein, dass im Softwarebereich gerade die patentieren, die nicht innovativ sind.

    Das man die Patentdatenbanken als “Ideenspeicher” bei der Softwareentwicklung benutzen könnte ist abwegig. Kein Entwickler könnte sinnvoll nach so etwas wie oben (25.06.11 · 14:17 Uhr) gezielt finden, das Kauderwelsch verstehen und daraus etwas machen – in der Zeit hat er’s schon zehnmal implementiert.

    Das heißt, der Beweis wäre umzudrehen: Wenn die Softwarebranche auch ohne Patente innovativ ist, dann sollte man doch erst einmal den überzeugenden ökonomischen Nachweis führen, das Innovationsanreiz- und Monpol-Instrument “Patente” einen gesellschaftlichen Mehrwert bringen statt eher Innovationen abzuwürgen. Dass es für letzteres Indizien gibt, ist doch oben mehrfach ausgeführt worden.

  27. #27 Mike Macke
    Juni 29, 2011

    @ Marcus Frenkel:
    Es ist richtig, dass die sogenannte “Erfindungshöhe”, bei der ein Patent erteilt wird, eher gering ist. Das kommt vor allem daher, dass ein nachvollziehbares “Fassen” der Erfindungshöhe stets schwierig ist. Natürlich kann man oft “im Nachhinein” sagen: “Da wäre ich auch drauf gekommen!” Im Patentrecht behilft man sich damit, zu sagen, dass alles, was nicht nur neu ist, sondern auch nicht durch “naheliegende Kombination” (im Prinzip Übertragen der Erkenntnisse einer Veröffentlichung auf eine andere) gefunden werden kann, als “erfinderisch” und damit patentierbar. Die Kombination bereits vorhandener Technologien (ohen einen “Mehrwert” zu schaffen) führt dagegen nie zu einem Patent (oder höchstens – wenn das Amt ‘mal schläft – zu einem relativ leicht wieder zu beseitigenden). Das könnte (ich kenne die Fälle nicht im Einzelnen) für “One-Click Shopping”, “Browser-Tabs” oder ähnliche “Trivialitäten” der Fall sein. Auf alle Fälle hat wohl keiner vor Amazon daran gedacht; erst als Amazon “One-Click” patentierte, schrien viele “TRIVIAL!” Wäre es trivial gewesen, könnte man sicherlich frühere Anwendungsbeispiele finden und damit das Patent leicht zu Fall bringen. Die Probleme des Patentwesens gibt es zweifellos – sie sind m.E. nur bei Software keine anderen als bei sonstigen Techniken.
    Die Frage bei Ihrer Argumentation ist: Wann ist ein Algorhitmus “komplex genug”, um patentwürdig zu sein? Im (Maschinenbau/Chemie- etc.) Patentwesen gibt es dafür eher geringe Anforderungen, mit Gründen nachzulesen in der BGH-Entscheidung “Demonstrationsschrank” z.B. auf http://www.bundesgerichtshof.de unter “Entscheidungen”.

    @ Dr. Webbaer:
    Sinnvolle Patentanwendungen im Bereich der Software:
    Zur Zeit wird Software bereits patentiert – weil in der Regel (wie beim genannten “ABS”-Beispiel) nicht die “Zahnräder” geändert werden, sondern die Programmierung der Steuerung. Es ist für mich schwer nachzuvollziehen, warum Software, die keine Maschinen steuert, sondern für Menschen verwertbare Daten “ausspuckt”, anders als die Software für Maschinen zu behandeln ist.

    @pseudonymus:
    Für das “Loslegen” im Maschinenbau genügt ein Stift und ein Blatt Papier – damit lassen sich wunderbar Ideen skizzieren. Die Umsetzung kann man dann mit Modellen testen, wenn man will. Man kann aber durchaus schon eine Patent- oder Gebrauchsmusteranmeldung einreichen, ohne mehr als das Papier zu haben. Im Falle des Gebrauchsmusters wird diese noch nicht einmal geprüft. (Siehe zum Beispiel die Patentierung des Rads als “circular transportation facilitation device” 2001 in Ausstralien.) Nochmals die Frage: Weshalb ist ein (patentierbares) Programm für (z.B.) ABS Ihrer Ansicht nach grundverschieden von einem (derzeit nicht patentierbaren) für eine Rechtschreibprüfung?

    Weshalb in der Softwarebranche die Abschreckung durch Patente wie behauptet stärker als anderswo sein soll, ist mir auch nicht klar. Eine “wochenlange” Recherche führt heutzutage auch in anderen Branchen niemand durch – zum einen sind die Recherchemöglichkeiten ausgefeilt, zum anderen bringen die meisten Recherchen abgelaufene und damit “öffentlich gewordene” Problemlösungen zum Vorschein.

    Dass Sie IBM (die meisten Softwarepatente), Apple oder Samsung (beide oben genannt) als “nicht innovativ” bezeichnen, scheint mir eher einem Vorurteil zu entspringen. Oder gibt es Belege für die Behauptung, dass nicht patentierende Unternehmen erfolgreicher (oder auch nur “innovativer”, wie immer das gemessen werden soll) sind?

    Patentdatenbanken sind die besten Innovationsspeicher für technisches Wissen, die die Menschheit bisher geschaffen hat. Zugegeben sind Patentansprüche wie oben verlinkt möglichst abstrakt gefasst, das gilt aber nicht für das gesamte Patent. Im Gegenteil müssen Patente so abgefasst sein, dass Fachleute sie verstehen können (und nach der “Grobübersetzung” haben Sie das ja sogar mit dem “Kauderwelsch” der Ansprüche geschafft…).

    Es dürfte (beispielsweise) für einen “C++”-Programmierer schwierig sein, den OpenSource-Quelltext eines Programms zu verstehen, das dummerweise in “FORTRAN” o.ä. geschrieben wurde. Daher muss er zwangsläufig “das Rad neu erfinden”. Beim Patent wird dagegen ausführlich erläutert, welches Problem wie gelöst wird – unabhängig von (z.B.) der Programmiersprache. Zusätzlich gibt es von Patenten oft “Familien” in verschiedenen Sprachen und es werden sogar Maschinenübersetzungen angeboten, anhand derer man zumindest ungefähr denZweck der beschriebenen Erfindung feststellen kann.

    Ein Nachweis, ob das wirtschaftliche Gesamtsystem ohne Patente “besser” oder “schlechter” gestelltwäre, ist zugegebenermaßen in beide Richtungen schwierig. Es bleibt festzuhalten, dass sich viele (fast alle) innovative Branchen mit Patenten eingerichtet haben und diese offensichtlich für zweckmäßig halten, seit in Venedig erstmals eine derartiges ausschließliches Recht vergeben wurde (was vermutlich mit zur damailgen Blüte der Stadt beitrug, diese jedenfalls nicht verhindert hat).

    Historisch hat man Software einen geringeren Wert (und daher “nur” Urheberrechtsschutz) als anderer Technik zugestanden, da man offensichtlich bei der Schaffung der Patentsysteme nicht vorausgesehen hat, dass sie zu enem zentralen technischen Element werden würde (“Die Welt wird nur fünf Computer brauchen”, Thomas Watson, IBM-Chef 1943).

    Ob dies heute noch wünschenswert ist, ist eine politische Frage; was mir jedoch nach wie vor verschlossen bleibt, ist die logische Abgrenzung (und die dadurch teilweise notwendigen Kapriolen der Patentgesetze und -formulierungen) zwischen “Software” und “Hardware”. Anders gesagt: Man kann Patente allgemein ablehnen. Man kann auch Patente allgemein befürworten. Warum aber ein Unterschied zwischen “Softwarepatenten” und “Hardwarepatenten”? Weshalb sollte ein technisches Gebiet von allen anderen technischen Gebieten so grundverschieden sein, dass das bekannte und bewährte Instrumentarium völlig falsch ist? Mein Eindruck aus der Softwarebranche ist eher der: “Ham wa nicht, hatten wer nie, wer’n wer auch niemals nie nich’ brauchen…”

  28. #28 Dr. Webbaer
    Juni 29, 2011

    Es ist für mich schwer nachzuvollziehen, warum Software, die keine Maschinen steuert, sondern für Menschen verwertbare Daten “ausspuckt”, anders als die Software für Maschinen zu behandeln ist.

    Das eine kapselt die (in SW-gegossene) Idee, das andere die physikalisch erfolgte )SW-unterstützte) Umsetzung. Wir haben hier zwei Welten. – Hier besteht ein Unterschied. – Darum nagt man ja auch allgemein …

    MFG
    Dr. Webbaer

  29. #29 pseudonymus
    Juni 29, 2011

    @Mike:

    Nochmals die Frage: Weshalb ist ein (patentierbares) Programm für (z.B.) ABS Ihrer Ansicht nach grundverschieden von einem (derzeit nicht patentierbaren) für eine Rechtschreibprüfung?

    Nach meiner Auffassung sollte nur ein ABS patentierbar sein (in dem auch ein steuerndes Programm stecken kann). Dazu müsste das, was neu und erfinderisch ist, in der speziellen Steuerung des ABS liegen. Also zum Beispiel ein neuartiges Stotterbremsen mit bestimmten Intervallen, die sich experimentell oder meinetwegen auch durch physikalische Überlegungen mit Papier und Stift als gut geeignet erwiesen haben. Ein Programm, dass, sagen wir mal, besonders speichersparend implementiert ist, sollte nicht deshalb patentierbar sein, weil man “ABS” im Anspruch dazuschreibt.

    Dagegen gibt es bei der Rechtschreibprüfung eher algorithmische oder linguistische Probleme zu lösen, zum Beispiel geeignete Datenstrukturen finden. Der wichtige Unterschied ist, welches Problem man löst: ein rein logisches / algorithmisches /mathematisches oder ein technisches, bei dem man physikalische oder chemische Naturkräfte einsetzen muss, um es zu lösen.

    Noch einmal zum angeblichen “Innovationsspeicher” Patentdatenbank. Als jemand, der Jahrzehnte Erfahrung in diversen Firmen, KMU und großen Konzernen, in der (nicht-hardwarenahen) Softwarebranche hat, kann ich nur sagen: Ein Open-Source Programm in einer Programmiersprache, die ich nicht kenne, ist für mich (und alle, mit denen ich mal darüber gesprochen habe) viel, viel nützlicher, als eine Patentdatenbank. Ich kenne keinen, der angesichts der existierenden Patentdatenbanken gesagt hat: Super, da schaue ich in Zukunft rein. Alle, die sich mal mit dem Thema beschäftigt haben, sagen: Meine Güte, davon verletze ich Dutzende und ich habe keine Chance, jemals sicherzustellen, dass ich es nicht tue. Patente spielen als Innovationsanreiz keine Rolle, ich kenne einen Konzern, bei dem in Software nachträglich auf Patentfähiges gesucht wird, wobei es dort ganz offen darum geht, einfach ein Waffenarsenal für solche Schlachten wie Samsung / Apple aufzubauen, also völlig unproduktiv.

    Wollen wir mal einen Test machen? Ich poste hier ein kurzes Programm und Du findest innerhalb von 24 Stunden heraus, ob und welche Patente es wahrscheinlich auf welchem Markt verletzt? Inklusive der Patente, die noch nicht erteilt sind, auch die muss man ja beachten.

    Zum Thema “Die Innovativen patentieren eher nicht”: Google ist ohne Patente groß geworden. Die haben erst angefangen zu patentieren (jedenfalls in Europa), als sie schon groß drin waren. Oder hier ein Zitat aus einer finnischen Studie, die ich eben gegoogelt habe:

    Palmberg et al. observed, while comparing Finnish patents in 1990-1998 and the Sfinno database, that almost none of the software innovative firms reported in Sfinno would have been identified in a patent-based study. (Palmberg et al. 2000, 14). This is also observable in recent Finnish patent statistics, which do not address the software sector. (Statistics Finland 1999).
    Also, angesichts der Warnungen, die zum Beispiel der Beirat am BMWi oder Nobelpreisträger und Ökonomen wie Maskin (“[In bestimmten Märkten] patents might serve as a wall that inhibited innovation rather than stimulating progress”), Stiglitz (“Intellectual Property Regime Stifles Science and Innovation”) und andere erheben. Ist “Ham wa nicht, hatten wer nie, wer’n wer auch niemals nie nich’ brauchen…” da nicht völlig berechtigt?

    Ich kenne übrigens auch Leute aus der Optik und Lasertechnik, die über die Patentschwemme klagen.

  30. #30 pseudonymus
    Juni 29, 2011

    @Mike
    P.S.: Ich bin auch mit Ihrer Aussage “bekannte und bewährte Instrumentarium” nicht so ganz einverstanden. Man könnte auch argumentieren: Warum soll man das, was woanders auch nicht gut funktioniert, auf eine Branche übertragen, wo der Erfolg noch viel fraglicher ist?

    Zu dem von mir schon oben erwähnten BMWi Gutachten, dass ja auch andere Branchen miteinbezieht, noch ein argument ad autoritas:
    Sir John Sulston (Medizinnobelpreisträger): In reality, patents often suppress invention rather than promote it. Ich finde jedenfalls das Attribut “bewährt” zweifelhaft.

  31. #31 Mike Macke
    Juli 1, 2011

    Manchmal dauert’s etwas länger… Inzwischen habe ich zumindest das BMWi-Gutachten besorgt und durchgelesen. Wenig überraschend – es überzeugt mich nicht. Aber im Einzelnen:
    Ihre (pseudonymus) Auffassung deckt sich mit der derzeit geltenden Rechtsprechung, mit der man durchaus leben kann. Ich meine dagegen, dass man zwar natürlich andere Probleme (Datenstrukturen etc.) lösen muss, aber ein Chemiker steht ebenfalls eher dumm da, wenn er das beispielhafte “ABS”-Patent verstehen soll (und ebenso umgekehrt). Deswegen richten sich Patente ja an den jeweiligen “Fachmann”.
    Übrigens ist ein Programm zur besseren Nutzung des Speichers eines Computers m.W. patentierbar, weil unter “Nutzung beherschbarer Naturkräfte” (nämlich elektrischer Ströme) ein “technischer Effekt” (eine effizientere Ausnutzung eines Computers) erzielt wird…

    Dass Google ein Quasimonopol aufgebaut hat, ohne zu patentieren, ist möglicherweise richtig. Die Frage dabei ist: Was ist der gesamtwirtschaftliche Nutzen? Google musste die Details seiner Suchalgorithmen geheim halten, sonst hätte ja jeder (Yahoo, Altavista) einfach “abkupfern” können, wie es Microsoft mit Apples (schlecht “versteckbarer”) Benutzeroberfläche vorexerziert hat.

    Hypothetisch gefragt: Wäre eine Veröffentlichung (wie in der OpenSource-Gemeinde) nicht zumindest dafür zielführender, dass auch andere den Algorithmus weiterentwickeln können? Und falls man diese Frage bejaht: Welchen Anreiz gibt es für Leute, die Geld verdienen wollen, ihre Problemlösungen zu veröffentlichen?
    In den “klassischen” Gebieten lautet die Antwort: Der Anreiz ist das Ausschließlichkeitsrecht (Eventuell verbunden mit den auch vom BMWi erwähnten und zur Zeit tatsächlich kaum genutzten Konzept der Zwangslizenzierung) des Patents.

    Die Tatsache, dass (kleine finnische) Softwarefirmen nicht patentieren, ist sicher auch dem Ausschluss von Software “als solcher” vom Patentschutz geschuldet. Jedenfalls kenne ich einige kleine deutsche (Nicht-Software-) Firmen, die selbstverständlich patentieren und damit auch erfolgreich sind.

    Nun aber zum zitierten BMWi-Gutachten und meiner Kritik daran: Es wird dort festgestellt, dass sich die Frage nach der Leistung von Patenten nicht abschließend lösen lässt (was wir auch hier erleben). Das Gutachten wendet sich speziell der “missbräuchlichen Nutzung” von Patenten zu, ohne die Vorteile zu beleuchten (weil die nach Ansicht der Gutachter sowieso schon berücksichtigt werden). Somit wird das Gutachten (gewünscht) einseitig.

    Es wird festgestellt, dass “die Notwendigkeit, Patentrecherchen durchzuführen, […] die Kosten der Wettbewerber [erhöht]”. Dass bei solchen Recherchen auch oft festgestellt wird, dass und wie das vorliegende Problem bereits gelöst wurde, so dass Entwicklungskosten durch eine vernünftige Recherche gespart werden können, erwähnt die Studie (aus ihrer Sicht zurecht) nicht.

    Neben dem in der Studie erwähnten Einspruchsverfahren gibt es auch noch “Einwendungen Dritter” im Prüfungsverfahren, die den Einwendenden nur die Zeit zur Erstellung der Einwendung kosten. Die Studie erwähnt das nicht einmal…
    Dass nur “wichtige” Patente im Einspruchsverfahren (und in späteren Nichtigkeitsverfahren) angegriffen werden, ist doch selbstverständlich. “Unwichtige” Patente kosten nur denjenigen Geld, der sie anmeldet und aufrechterhält, nicht den Wettbewerber. Dass die Kosten der Einsprechenden durch “Patentportfolios” erhöht werden, mag zutreffen, noch mehr werden jedoch die Kosten der Inhaber erhöht.

    Dass die “EPO die Kriterien für eine Patenterteilung sehr abstrakt” formuliert, ist schlicht ein Witz: Das EP-Recht ist in dieser Beziehung dem deutschen praktisch identisch. Genauso intelligent wäre der Text: ‘Das BGB formuliert den Abschluss eines Kaufvertrags sehr abstrakt.’

    Völlig absurd wird es, wenn festgestellt wird, dass “die Qualität der im Patentamt ankommenden Anmeldungen […] also stetig schlechter geworden [sei].” Die zugehörige Abbildung zeigt, dass die Anzahl der relevanten Entgegenhaltungen zwischen 1982 und 1999 pro Anmeldung gestiegen ist. Selbstverständlich hatten alle Patentämter (insbesondere das EPA) 1982 erstens die gleichen Recherchecomputer wie 1999 und zweitens hat sich auch die Anzahl der vorhandenen (und digital recherchierbaren) Anmeldungen offensichtlich nicht geändert. Stattdessen ist “die Qualität der Anmeldungen schlechter” geworden. Man kann darüber sinnieren, ob intellektuelle Unfähigkeit (was ich den Massen an Unterzeichnern nicht unterstellen will) oder nur Unredlichkeit zu solch absurden Formulierungen führt. Kurz: Ein Gefälligkeitsgutachten mit teilweise bösen Fehlern, dessen Schlussfolgerungen daher auch nicht ernstzunehmen sind.
    Zugegeben: Hinsichtlich der anderen Warnungen kann ich mich nicht kompetent äußern. Bereits das Durchsehen des BMWi-Gutachtens nahm (Arbeits-)Zeit in Anspruch, die ich für andere Dinge verwenden sollte.

    Und “ad autoritas” zitiere ich Tucholsky: “Lass dir von keinem Fachmann imponieren, der dir sagt: ‘Das mache ich schon seit zwanzig Jahren so!’ Man kann eine Sache auch zwanzig Jahre lang falsch machen…” Im Übrigen sehe ich – trotz oder wegen “Medizinnobelpreis” die fachliche Qualifikation des (sicherlich sehr klugen) Sir Sulston weder im Patentwesen noch im Softwarebereich…

    Es mag “Warnungen” geben, dass Patente die Innovation behindern. Es gibt Anzeichen dafür, dass Patente die Innovation stützen (fallls dies bestritten wird, ein derartiges Anzeichen: Die wirtschaftlich erfolgreichsten Unternehmen sind häufig auch die Unternehmen, die die meisten Patente haben und anmelden).

    Meine Zielfrage ist aber eine (ganz) andere und wurde hier noch nicht klar beantwortet:

    Wieso unterscheidet sich ein bestimmtes Gebiet (Software), das hier in den Scienceblogs interessanterweise in die Kategorie “Technik” fällt, nach Meinung der Softwarebranche grundsätzlich von der (patentierbaren) “Technik” ?

    Müsste die Diskussion nicht eher lauten:
    Welche Belohnung sollte man (der Staat, der Staatenverbund, …) einem Erfinder – egal auf welchem Gebiet, m.E. insbesondere egal, ob einem Programmierer, Chemiker oder “Schrauber” – bieten, um einerseits Innovationen bestmöglich zu verbreiten/ veröffentlichen und andererseits auch genügend Anreiz zu geben, solche Innovationen zu machen? Daher auch meine Frage: Wenn man “Kreativität messen” und belohnen kann und will, setze ich die Kreativität eines “Informatikers” nicht “höher” oder “niedriger” als die eines “Technikers” an, sondern nur “anders” (‘Datenstrukturen’ statt ‘Zahnräder’) – aber in gleicher Weise belohnenswert

    Das Patentsystem leistet die Belohnung und die Verbreitung/Veröffentlichung (wenn auch vielleicht nicht im gewünschten Maß). OpenSource (als “Konkurrenzmodell” auf dem Softwaresektor) leistet zumindest das “Veröffentlichen”, vermutlich – aber das ist reine Spekulation – nicht ganz so fein durchsuchbar wie im Patentwesen. “Belohnt” werden Erfinder dadurch aber eher nicht bzw. nicht so gut wie durch Patente.

    Ich habe den Eindruck, dass diese Belohnung des (früheren) Erfinders bei Software nicht von allen gewünscht wird (weil zumindest im Patentsystem dadurch der zu spät gekommene höhere Kosten haben kann).

    Wenn also ein anderes System wünschenswert ist: Welches ? Worin ist dieses System besser? Und weshalb soll es nur für Software gelten ?

  32. #32 W-
    Juli 1, 2011

    @Mike Macke
    “Wieso unterscheidet sich ein bestimmtes Gebiet (Software), das hier in den Scienceblogs interessanterweise in die Kategorie “Technik” fällt, nach Meinung der Softwarebranche grundsätzlich von der (patentierbaren) “Technik” ? ”

    Ich glaube Sie haben völlig recht, grundlegende Unterschiede sind nicht in der Sache selbst ersichtlich. Der Unterschied wird erst in der Anwendung offensichtlich.

    Bei rein technischen Patenten sind in der Regel recht hohe Investitionen (Geld, Zeit, etc.) notwendig, bis eine (juristische) Personen überhaupt in der Lage ist, so ein Patent zu verletzten. Investitionen, die der überwiegende Teil der Bevölkerung nicht stemmen kann oder will. Der Kreis der Betroffenen bleibt somit übersichtlich.

    Ganz anders hingegen verhält es sich bei Software. Programmcode zu erzeugen und zur Ausführung zu bringen erfordert im 21. Jahrhundert weder abschreckend hohe Kosten noch wird enormes Fachwissen, geschweige denn Geschicklichkeit verlangt. Somit ist es nicht verwunderlich, dass es mehr Jugendliche gibt, die (in der Lage sind) Software gewerblich, zB über den App-Store(tm), zu verkaufen, als Jugendliche, die (in der Lage sind) zB. Solarzellen herzustellen.

    Dadurch also, dass viel mehr Menschen davon betroffen sind, werden Software Patente viel kritischer betrachtet als technische Patente. Wenn darüber hinaus die Schöpfungshöhe bei Software Patenten weniger eine Rolle zu spielen scheint, wird die Kritik nur mehr entfacht.

  33. #33 pseudonymus
    Juli 2, 2011

    @Mike Macke:

    Ihre (pseudonymus) Auffassung deckt sich mit der derzeit geltenden Rechtsprechung, mit der man durchaus leben kann.

    Leider nicht, wie zum Beispiel die von Ihnen im nächsten Absatz erwähnte Patentierbarkeit effizienter Algorithmen zeigt.

    Übrigens ist ein Programm zur besseren Nutzung des Speichers eines Computers m.W. patentierbar, weil unter “Nutzung beherschbarer Naturkräfte” (nämlich elektrischer Ströme) ein “technischer Effekt” (eine effizientere Ausnutzung eines Computers) erzielt wird…

    Das scheint in den Patentämtern eine gängige Auffassung zu sein, ist aber irrig. Denn die Überlegungen zielen in der Regel auf effiziente Nutzungen von Ressourcen, die schon in mathematischen Abstraktionen wie der Turing-Maschine gegeben sind. Man kommt duch rein mathematisch-algorithmische Überlegungen zur Problemlösung, also zu einem Speicher- oder Rechen-effizienterem Algorithmus oder eine bestimmte Bildschirmdarstellung. Sie lässt sich dem Gebiet der Komplexitätstheorie oder zum Beispiel Ergonomie zuordnen. Das zu lösende Problem besteht nicht darin, durch Überlegungen über Naturkräfte zu einer Lösung zu kommen, der “elektrische Strom” kommt in den Überlegungen überhaupt nicht vor.

    Die Tatsache, dass (kleine finnische) Softwarefirmen nicht patentieren, ist sicher auch dem Ausschluss von Software “als solcher” vom Patentschutz geschuldet.

    Es zeigt vor allem, dass sie auch ohne Patente innovativ sind.

    Hypothetisch gefragt: Wäre eine Veröffentlichung (wie in der OpenSource-Gemeinde) nicht zumindest dafür zielführender, dass auch andere den Algorithmus weiterentwickeln können? Und falls man diese Frage bejaht: Welchen Anreiz gibt es für Leute, die Geld verdienen wollen, ihre Problemlösungen zu veröffentlichen? In den “klassischen” Gebieten lautet die Antwort: Der Anreiz ist das Ausschließlichkeitsrecht (Eventuell verbunden mit den auch vom BMWi erwähnten und zur Zeit tatsächlich kaum genutzten Konzept der Zwangslizenzierung) des Patents.

    Als Fachmann kann ich nur wiederholen, der Wert der Patentveröffentlichungen, die ich kenne, ist für mich und mir bekannte Entwickler Null. Dagegen ist es für gewinnorientierte Firmen durchaus üblich, Quellcode zu veröffentlichen. Zum Beispiel, weil Kunden es zur Investitionssicherung fordern, weil sie sich eine Community versprechen, die Bugs lokalisiert oder die Software weiterentwickelt oder hoffen, dass andere komplementäre Produkte entwickeln (Stichwort Netzeffekte). Und andere tun es, trotz Patentierbarkeit in den USA und teilweise in Europa, nicht. Die Anreize, es zu tun oder nicht zu tun, sind sehr vielfältig, und Ausschließlichkeitsrechte durch Patente spielen nach meiner Einschätzung, zumindest in Europa und oft auch in den USA, keine Rolle.

    Es mag “Warnungen” geben, dass Patente die Innovation behindern. Es gibt Anzeichen dafür, dass Patente die Innovation stützen (fallls dies bestritten wird, ein derartiges Anzeichen: Die wirtschaftlich erfolgreichsten Unternehmen sind häufig auch die Unternehmen, die die meisten Patente haben und anmelden).

    Wenn dem so ist, stellt sich immer noch die Frage, ob der wirtschaftliche Erfolg in diesen Fällen wirklich auf Innovationen beruht oder eher darauf, bestehende, vielleicht auch auf Patenten beruhende Marktmacht auszunutzen und den Markt dadurch gegen Konkurrenten zu sperren.
    Auf Ihre Kritik am BMWi-Gutachten, die ich nicht so ganz teile, gehe ich erst einmal nicht ein, vielleicht später. Statt dessen zu Ihrer Zielfrage.

    Meine Zielfrage ist aber eine (ganz) andere und wurde hier noch nicht klar beantwortet: Wieso unterscheidet sich ein bestimmtes Gebiet (Software), das hier in den Scienceblogs interessanterweise in die Kategorie “Technik” fällt, nach Meinung der Softwarebranche grundsätzlich von der (patentierbaren) “Technik” ?

    Eine praktikable Unterscheidung zum Test der Patentfähigkeit, die bis in die Neunziger Jahre wohl ganz gut funktioniert hat, ist eben der des planmäßigen Einsatz von Naturkräften zur Erzielung eines kausal übersehbaren Erfolgs.
    Das wesentliche Argument ist aber ökonomisch. Er steckt im Kern auch in der Arbeit des oben erwähnten Maskin: Softwareentwicklung ist kumulativ und inkrementell. Es gibt viele kleine Schritte, die schnell aufeinander aufbauend und – jeden einzelnen Schritt betreffend – ohne große Investition zu neuer Software führen. Patentrecherchen und -lizensierungen, würden, nähme man sie ernst, zu prohibitiven Kosten führen.
    Um diesen entscheidenden Punkt klar zu machen, noch einmal der Vorschlag: Sie suchen sich eine gängige imperative Programmiersprache aus (Java, C, Pascal, Modula, Cobol, ….), ich poste einen kleinen, kommentierten Programmausschnitt. Dann führen Sie innerhalb einer bestimmten Zeit (24h? Das müsste ja, Ihren Worten zufolge, recht einfach sein.) eine Patentrecherche durch und teilen mit:

    • Wie lange sie gedauert hat.
    • Ob und wenn ja, welche Patente und laufenden -anmeldungen in welchen Ländern wahrscheinlich verletzt werden. Wie beschränken uns auf die bei Espacenet findbaren Patente.
    • Wie hoch sie das Risiko einschätzen, nicht alle gefunden zu haben.

    Dann schauen wir mal, wie hoch die Kosten für die Entwicklung waren (wir verfünffachen die Zeit, um auch Analyse, Design und QS miteinzubeziehen) und wie sehr Patente die Entwicklung verteuern würden (Recherchekosten und Restrisiko, für die Schadenshöhe können wir uns zum Beispiel hier orientieren: “The average patent lawsuit costs each side $3.5 M in legal fees and expenses to litigate through trial, not including damages and/or settlements.”).

    Hier übrigens noch zu den Kosten von Patentversicherungen. Vielleicht ein Indiz für die zusätzlichen Kosten, die Firmen (ohne das Patentwesen aktiv zu nutzen) durch die rein passive Beachtung von Patenten entstehen können. Von der in meiner Praxis gar nicht mehr wegzudenkenden FOSS mal gar nicht zu reden:
    https://www.inventionstatistics.com/Patent_Infringement_Insurance.html

  34. #34 pseudonymus
    Juli 2, 2011

    (In zwei Teilen, irgendwie verschluckt Scienceblogs den ganzen Beitrag.)

    @Mike Macke:

    Ihre (pseudonymus) Auffassung deckt sich mit der derzeit geltenden Rechtsprechung, mit der man durchaus leben kann.

    Leider nicht, wie zum Beispiel die von Ihnen im nächsten Absatz erwähnte Patentierbarkeit effizienter Algorithmen zeigt.

    Übrigens ist ein Programm zur besseren Nutzung des Speichers eines Computers m.W. patentierbar, weil unter “Nutzung beherschbarer Naturkräfte” (nämlich elektrischer Ströme) ein “technischer Effekt” (eine effizientere Ausnutzung eines Computers) erzielt wird…

    Das scheint in den Patentämtern eine gängige Auffassung zu sein, ist aber irrig. Denn die Überlegungen zielen in der Regel auf effiziente Nutzungen von Ressourcen, die schon in mathematischen Abstraktionen wie der Turing-Maschine gegeben sind. Man kommt duch rein mathematisch-algorithmische Überlegungen zur Problemlösung, also zu einem Speicher- oder Rechen-effizienterem Algorithmus oder eine bestimmte Bildschirmdarstellung. Sie lässt sich dem Gebiet der Komplexitätstheorie oder zum Beispiel Ergonomie zuordnen. Das zu lösende Problem besteht nicht darin, durch Überlegungen über Naturkräfte zu einer Lösung zu kommen, der “elektrische Strom” kommt in den Überlegungen überhaupt nicht vor.

    Die Tatsache, dass (kleine finnische) Softwarefirmen nicht patentieren, ist sicher auch dem Ausschluss von Software “als solcher” vom Patentschutz geschuldet.

    Es zeigt vor allem, dass sie auch ohne Patente innovativ sind.

    Hypothetisch gefragt: Wäre eine Veröffentlichung (wie in der OpenSource-Gemeinde) nicht zumindest dafür zielführender, dass auch andere den Algorithmus weiterentwickeln können? Und falls man diese Frage bejaht: Welchen Anreiz gibt es für Leute, die Geld verdienen wollen, ihre Problemlösungen zu veröffentlichen? In den “klassischen” Gebieten lautet die Antwort: Der Anreiz ist das Ausschließlichkeitsrecht (Eventuell verbunden mit den auch vom BMWi erwähnten und zur Zeit tatsächlich kaum genutzten Konzept der Zwangslizenzierung) des Patents.

    Als Fachmann kann ich nur wiederholen, der Wert der Patentveröffentlichungen, die ich kenne, ist für mich und mir bekannte Entwickler Null. Dagegen ist es für gewinnorientierte Firmen durchaus üblich, Quellcode zu veröffentlichen. Zum Beispiel, weil Kunden es zur Investitionssicherung fordern, weil sie sich eine Community versprechen, die Bugs lokalisiert oder die Software weiterentwickelt oder hoffen, dass andere komplementäre Produkte entwickeln (Stichwort Netzeffekte). Und andere tun es, trotz Patentierbarkeit in den USA und teilweise in Europa, nicht. Die Anreize, es zu tun oder nicht zu tun, sind sehr vielfältig, und Ausschließlichkeitsrechte durch Patente spielen nach meiner Einschätzung, zumindest in Europa und oft auch in den USA, keine Rolle.

    Es mag “Warnungen” geben, dass Patente die Innovation behindern. Es gibt Anzeichen dafür, dass Patente die Innovation stützen (fallls dies bestritten wird, ein derartiges Anzeichen: Die wirtschaftlich erfolgreichsten Unternehmen sind häufig auch die Unternehmen, die die meisten Patente haben und anmelden).

    Wenn dem so ist, stellt sich immer noch die Frage, ob der wirtschaftliche Erfolg in diesen Fällen wirklich auf Innovationen beruht oder eher darauf, bestehende, vielleicht auch auf Patenten beruhende Marktmacht auszunutzen und den Markt dadurch gegen Konkurrenten zu sperren.
    Auf Ihre Kritik am BMWi-Gutachten, die ich nicht so ganz teile, gehe ich erst einmal nicht ein, vielleicht später. Statt dessen zu Ihrer Zielfrage.

  35. #35 pseudonymus
    Juli 2, 2011

    (Zweiter Teil)
    @Mike Macke:

    Meine Zielfrage ist aber eine (ganz) andere und wurde hier noch nicht klar beantwortet: Wieso unterscheidet sich ein bestimmtes Gebiet (Software), das hier in den Scienceblogs interessanterweise in die Kategorie “Technik” fällt, nach Meinung der Softwarebranche grundsätzlich von der (patentierbaren) “Technik” ?

    Eine praktikable Unterscheidung zum Test der Patentfähigkeit, die bis in die Neunziger Jahre wohl ganz gut funktioniert hat, ist eben der des planmäßigen Einsatz von Naturkräften zur Erzielung eines kausal übersehbaren Erfolgs.
    Das wesentliche Argument ist aber ökonomisch. Er steckt im Kern auch in der Arbeit des oben erwähnten Maskin: Softwareentwicklung ist kumulativ und inkrementell. Es gibt viele kleine Schritte, die schnell aufeinander aufbauend und – jeden einzelnen Schritt betreffend – ohne große Investition zu neuer Software führen. Patentrecherchen und -lizensierungen zur Vermeidung unbeabsichtigter Patentverletzungen, würden, nähme man sie ernst, zu prohibitiven Kosten führen.
    Um diesen entscheidenden Punkt klar zu machen, noch einmal der Vorschlag: Sie suchen sich eine gängige imperative Programmiersprache aus (Java, C, Pascal, Modula, Cobol, ….), ich poste einen kleinen, kommentierten Programmausschnitt. Dann führen Sie innerhalb einer bestimmten Zeit (24h? Das müsste ja, Ihren Worten zufolge, recht einfach sein.) eine Patentrecherche durch und teilen mit:

    • Wie lange sie gedauert hat.
    • Ob und wenn ja, welche Patente und laufenden -anmeldungen in welchen Ländern wahrscheinlich verletzt werden. Wie beschränken uns auf die bei Espacenet findbaren Patente.
    • Wie hoch sie das Risiko einschätzen, nicht alle gefunden zu haben.

    Dann schauen wir mal, wie hoch die Kosten für die Entwicklung waren (wir verfünffachen die Zeit, um auch Analyse, Design und QS miteinzubeziehen) und wie sehr Patente die Entwicklung verteuern würden durch Recherchekosten und Restrisiko * erwartete Schadenshöhe. Für die erwartete Schadenshöhe können wir uns zum Beispiel hier orientieren: “The average patent lawsuit costs each side $3.5 M in legal fees and expenses to litigate through trial, not including damages and/or settlements.”

    Hier übrigens noch zu den Kosten von Patentversicherungen. Vielleicht unabhängig von dem vorgeschlagenen Test ein Indiz für die zusätzlichen Kosten, die Firmen (ohne das Patentwesen aktiv zu nutzen) durch die rein passive Beachtung von Patenten entstehen können. Von der in meiner Praxis gar nicht mehr wegzudenkenden FOSS mal gar nicht zu reden:
    https://www.inventionstatistics.com/Patent_Infringement_Insurance.html

  36. #36 Dr. Webbaer
    Juli 2, 2011

    @pseudonymus
    Ihre Argumente sind teilweise bekannt und als Ganzes zK genommen, aber was halten Sie bspw. von gerätenaher Software, die zur Wartung dient, nehmen Sie bspw. Wartungssoftware für PKW? Patentierung legitim oder nicht?

  37. #37 Mike Macke
    Juli 4, 2011

    (wie immer) @pseudonymus:
    Die (immer noch gern) zitierte “Rote Taube”-Entscheidung (die Sie in Wikipedia verlinkt haben) fordert den planmäßigen Einsatz von Naturkräften. Letztendlich wird jedes Programm auf einem (herkömmlichen) Computer in elektrische Ströme (“Naturkräfte”) übersetzt, die dann irgendeine definierte Auswirkung (=einen “kausal übersehbaren Erfolg”) haben. Genau dieser Erfolg war aber bei der “Roten Taube” nicht gegeben – mit Glück konnte man mit dem zugrundeliegenden Zuchtverfahren vielleicht “rote Tauben” erhalten, das war jedoch eben kein “kausal übersehbarer Erfolg” (Merke: Es gab kein entsprechendes Gen, und die Gentechnik als solche war auch noch nicht bekannt. Ein heutiges Verfahren “Einschleusen eines Gens in ein Taubenei so, dass eine rote Taube entsteht” wäre dagegen “planmäßiger Einsatz von Naturkräften…”). Einen solchen “planmäßigen Einsatz” gibt es auch, wenn ein Programm bestimmte Eingaben in bestimmte Ausgaben umwandelt.

    Zum Angebot einer Recherche: Mir fehlt (wie man vielleicht aus den fehlenden Verlinkungen und Zitaten in meinen Posts sieht) jegliche genauere Kenntnis von Programmiersprachen (oder auch nur von HTML-Formatierungen). Daher kann ich das Angebot auch nicht wahrnehmen; ich könnte lediglich abhängig vom Fachgebiet eine Klasifikation herausfinden und müsste dann einen Fachmann für dieses Gebiet mit der Recherche beauftragen. Im Übrigen fällt bei der Recherche aber auch auf, wenn ein Patent vermutlich zu Unrecht erteilt wurde (oder man es mit einer “offenen” vorveröffentlichten Lösung umgehen kann).
    Ich könnte genauso wenig ein Patent auf dem Gebiet der (z.B.) Chemie oder auch der Quantenphysik vernünftig recherchieren.

    Das Risiko, nicht alles weltweit gefunden zu haben, liegt jedenfalls bei 100 %. Espacenet zeigt bei weitem nicht alles an, insbesondere in Südkorea und China wird es selbst bei eventuell angezeigten Patenten schwierig. Dagegen sollte die Recherche für ein bestimmtes Gebiet (z.B. Deutschland oder den EP-Raum) eher gering sein. Nicht zuletzt werden auch manche Patente angemeldet, weil dies eine sehr kostengünstige Möglichkeit ist, über die Recherche der Patentämter zu erfahren, was auf einem bestimmten Gebiet von wem gemacht wird.

    Hinsichtlich der “Patentverletzungsversicherung”: Wir können gerne über das auch meiner Meinung nach gewöhnungsbedürftige US-Rechtssystem jammern. Ob ich nun für selbst verschütteten Kaffee, den McDonalds zu heiß einschenkte, oder für angeblich verletzte Patente so aberwitzige Summen fordern kann, dass es unabhängig von der Rechtsprechung besser ist, sich gütlich ohne Klärung von “Schuldfragen” zu einigen, scheint mir aber eher ein Problem dieses Systems zu sein. In Deutschland (als Beispiel) gibt es wesentlich zweckmäßigere (und eher am tatsächlichen Schaden orientierte) Verfahren (z.B. die Lizenzanalogie) zur Feststellung von Schadenshöhen und eventuellen Zahlungen, und die “3,5 Mio $” sind selbst in extremen Fällen dafür um mehr als einen Faktor 10 zu hoch.

    Zum Argument, dass Softwareentwicklung “kumulativ und inkrementell” sei: Dies ist (schon gar nicht für jemanden wie mich, der davon keine Ahnung hat) kaum zu bestreiten. Welche bekannte Entwicklung ist nicht “kumulativ und inkrementell”, oder anders gesagt, baut nicht auf zuvor gesammelten Wissen auf?

    Nehme ich einen bekannten Hydraulikmotor und ordne die Zu- und Abläufe anders an, so dass sich ein Vorteil ergibt, ist das (falls neu und erfinderisch) patentierbar. Variiere ich dann an (demselben) Motor irgendwelche Flügelräder, ist das eine “kumulative” und “inkrementelle” Verbesserung – und patentierbar.

    Zuletzt zur Arbeit von Maskin: Dass sie (bzw. Maskin selbst) patentkritisch ist, wird deutlich; und im Gegensatz zur BMWi-Studie fallen mir erstmal keine offensichtlichen Fehler auf. Um die Arbeit genauer zu lesen (und die Modelle nachvollziehen zu können), brauche ich allerdings Zeit.

    Ein wenig stört mich die Behauptung, dass die Software- bzw. Computerindustrie innovativer als andere seien: Wenn es einen Bereich noch nicht lange gibt und zusätzlich eine hohe Nachfrage nach dessen Produkten besteht (d.h. genügend Geld hneingepumpt wird), ist es immer einfacher, noch Neues zu finden; Optimierungen von Pferdekutschen sind sicherlich heutzutage schwieriger als das Schreiben einer neuen Software (und zwar deshalb, weil Pferdekutschen schon ziemlich ausgereift und bei weitem nicht so nachgefragt sind wie veränderte Software).

  38. #38 pseudonymus
    Juli 5, 2011

    @Mike Macke:

    Die (immer noch gern) zitierte “Rote Taube”-Entscheidung (die Sie in Wikipedia verlinkt haben) fordert den planmäßigen Einsatz von Naturkräften. Letztendlich wird jedes Programm auf einem (herkömmlichen) Computer in elektrische Ströme (“Naturkräfte”) übersetzt, die dann irgendeine definierte Auswirkung (=einen “kausal übersehbaren Erfolg”) haben. […] Einen solchen “planmäßigen Einsatz” gibt es auch, wenn ein Programm bestimmte Eingaben in bestimmte Ausgaben umwandelt

    Nein. Entscheidend ist doch, worin das Neue und Erfindersiche in einer Problemlösung liegt. Liegt es im gezielten Einsatz von Naturkräften oder in der rein logischen Vorgehensweise, wie man aus Eingabedaten Ausgabedaten macht? Letzteres ist, vereinfacht gesagt, Softwareentwicklung. Beschreibt man die in der logischen Vorgehensweise bestehende Problemlösung präzise genug in einer passenden Sprache, dann hat man ein Programm. Das diese präzise beschriebene, logische Lösung auf einem Universalcomputer automatisch ausführbar ist – geschenkt, das ist wohl kaum neu und erfinderisch. D.h., noch einmal: Der elektrische Strom oder ähnliches kommt in der neuen und erfinderischen Problemlösung nicht vor. Sie wäre im Prinzip genauso gut anders ausführbar, zum Beispiel auf molekülbasierten Computern oder durch tausende Menschen. Die Problemlösungen (Programme) sind prinzipiell mathematisch beschreibbar, z.B. als rekursive Funktionen oder Formale Grammatik. Im Grunde könnten Sie auch fragen, warum nicht Geschäftsmethoden, zum Beispiel doppelte Buchführung (wäre sie neu) oder Auktionsmethoden, mathematische Lösungen oder Kochrezepte, die Gewürze aus Geschmacksgründen neu kombinieren, nicht in dem Sinn technisch sind, dass man sie auch automatisiert ausführen kann, wenn man sie nur passend formuliert. Für die präzise Lösungsformulierung hat man dann übrigens das Urheberrecht.

    Zum Argument, dass Softwareentwicklung “kumulativ und inkrementell” sei: Dies ist (schon gar nicht für jemanden wie mich, der davon keine Ahnung hat) kaum zu bestreiten. Welche bekannte Entwicklung ist nicht “kumulativ und inkrementell”, oder anders gesagt, baut nicht auf zuvor gesammelten Wissen auf?

    Das ist sicherlich richtig, vernachlässigt aber gewaltige Unterschiede in der Größenordnung. Im Maschinenbau gibt es zwar Varianten- oder Anpassungskonstruktionen, wie in Ihrem Beispiel des Hydraulikmotors. Es ist aber mit der Beschreibung der Problemlösung, sagen wir zum Beispiel als technischer Zeichnung, in der Regel nicht getan. Man wird Prototypen oder CAD-Modelle anlegen, eine Fertigungsplanung machen und dann die eigentliche Fertigung. In der Softwareentwicklung stellt aber die präzise, korrekte und logische Lösungsbeschreibung des Informationsverarbeitungsproblems bereits das fertige Produkt dar. Und sie baut auch nicht nur einfach auf gesammeltem Wissen auf, sondern auf anderen, ebenso formulierten, ausführbaren Lösungsbeschreibungen, die vielfach und immer wieder in vielen kleinen Schritten zu neuen Problemlösungen der Informationsverarbeitung kombiniert werden.

    D.h. ein Lösungsschritt in der Softwareentwicklung ist in der Regel mit viel, viel niedrigeren Kosten verbunden, als zum Beispiel im Maschinenbau, aber sie haben davon unglaublich viel mehr pro Produkt, und zugleich ist die Lösungsbeschreibung das Produkt.

    Möglicherweise liegt hier auch die Ursache, dass Softwarepatente wie die Beispiele oben wohl oft von Informatikern als trivial und breit empfunden werden. Angesichts der Vielzahl an Löungsschritten in der DV könnte man ja eine präzise Beschreibung der einzelnen Lösungsschritte in einem Patentanspruch leicht umgehen. D.h., man muss wohl seine Ansprüche möglichts breit und abstrakt formulieren, um Umgehung zu vermeiden. Das wiederum beschwört eben angesichts der Vielzahl von kumulativen Lösungsschritten in Software die bekannten Probleme herauf: Man kann unmöglich für jeden Lösungsschritt recherchieren, und solche breit und unpräzise formulierten Ansprüche wären wohl auch kaum auffindbar (um das zu verdeutlichen, mein Vorschlag oben).

    Ein wenig stört mich die Behauptung, dass die Software- bzw. Computerindustrie innovativer als andere seien:

    Das behaupte ich nicht. Fakt ist aber, dass die Softwarebranche auch ohne Patente unglaublich innovativ war. Das also das ökonomische Instrument der Patente –
    juristisches Monopol gegen “veröffentlichte” Innovation – nicht notwendig war, und es meiner Auffasung nach auch keine zwingenden ökonomischen Gründe gibt, dass
    sich dies geändert hat.

    Ich hoffe, ich konnte die prinzipiellen und ökonomischen Unterschiede, die ich sehe, einigermaßen erklären. Angesichts Ihres Interesses am Thema, Sie sind ja auch hier auf dem Blog gelandet, würde ich Ihnen empfehlen, sich einmal näher mit Informatik und Softwareentwicklung zu befassen. Programmieren Sie einfach mal, zum Beispiel hier ein Logo-Interpreter für den Web-Browser. Ich denke, Sie werden ein Gefühl dafür bekommen, wie Problemlösung per Softwareentwicklung anders gelagert ist, als zum Beispiel im Maschinenbau – und es macht sogar noch Spass (finde ich jedenfalls).

    Hier übrigens noch ein Artikel aus der Berliner Zeitung von gestern zu Apple vs. Samsung, der ähnlich in die Kerbe haut wie ich es hier versuche: Bizarrer Patentkrieg.