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Da ist doch tatsächlich eine komfortable Technologie die letzten Jahre an mir vorbeigegangen, ohne dass ich etwas davon mitbekommen habe!

Konkret meine ich das Touch&Travel-System der Deutschen Bahn und einigen Nahverkehrsverbünden, wie zum Beispiel den Berliner Verkehrsbetrieben. Das System ersetzt das (mehr oder weniger) umständliche Kaufen von Fahrkarten durch eine Bezahlung per Handy. Zur Zeit scheint es zwar noch in der Erprobungsphase zu sein (seit 2008), aber scheinbar ist eine reguläre Nutzung durch jeden mittlerweile möglich.


Bei Fahrtantritt wird sich über ein Smartphone und der darauf installierten Touch&Travel-App beim Touch&Travel-System angemeldet, nach der Fahrt wieder abgemeldet – die Preisberechnung erfolgt dann ganz automatisch. Besonderer Leckerbissen: die Preisberechnung erfolgt erst am Ende des Tages unter Berücksichtigung des günstigsten Preises. Ist man genug für ein Tagesticket gefahren, wird das genommen, ansonsten das normale – mal sehen, ob es das auch irgendwann für Monatstickets gibt.

Die Bahn testet dabei scheinbar mehrere Verfahren. Angefangen hat es mit der Nutzung von NFC-Chips. NFC (Near Field Communikation) ist eine Möglichkeit, Daten kontaktlos auf kurze Distanz zu übertragen (ähnlich wie bei RFID, nur schneller) – für Touch&Travel sieht das so aus, dass man das Handy an einen der Kontaktpunkte hält und sich so für die Fahrt an- bzw. abmeldet. Das ist einfach und unkompliziert, erfordert aber leider ein Handy mit NFC-Fähigkeit. Ich kenne mich im Smartphone-Bereich nicht sonderlich aus, würde aber meinen, dass das noch nicht allzu verbreitet ist.

Glücklicherweise gibt es noch andere Möglichkeiten der Anmeldung. Konkret erlaubt die App drei Varianten: Anmeldung über die Eingabe der Touchpoint-Nummer, über das Abfotografieren eines auf dem Touchpoint angebrachten QR-Codes und die automatische Positionsbestimmung per GPS. Allerdings muss ich sagen, dass ich bei allen drei Methoden gewisse Probleme sehe. GPS funktioniert nur, wenn das GPS-Signal ausreichend stark ist – in unterirdischen Bahnhöfen hat man da zum Beispiel Probleme und muss sich schon über der Erde anmelden. Und was das Anmelden über die manuelle Eingabe oder Scannen eines Codes angeht: das lässt sich denke ich recht leicht sabotieren, wenn man die Codes verschiedener Haltestellen im Voraus sammelt und mit sich führt – aber vielleicht entwickelt die Bahn hier ja noch ein Verfahren, um dieses Problem zu umgehen.

Trotz der Bedenken bei der technischen Umsetzung, die ich da im Moment noch habe, bin ich begeistert – eine derartige “Hochtechnologie” (die leise mitschwingende Ironie ist durchaus beabsichtigt) habe ich in Deutschland gar nicht erwartet. Bisher kannte ich so etwas nur aus Korea, dort mit dem T-Money-System (und bevor jemand, der die Website angeschaut hat, fragt: das gibt es auch für Handys). Vielleicht ist Deutschland ja doch nicht so rückständig, wie ich immer dachte. Jetzt brauche ich nur noch ein Smartphone und einen Grund, die Dienste der Deutschen Bahn in Anspruch zu nehmen…

Vielleicht kennt einer meiner Leser ja das System bereits und kann einen Erfahrungsbericht beisteuern?

Kommentare (10)

  1. #1 Demon10
    Juli 14, 2011

    Mich würde ja mal interessieren, in wie weit Monatsticktes von Verkerhrsbünden mit eingerechnet werden. wenn ich Beispielsweise bis zur Stadt X mit meinem Ticket umsonst fahren kann, ich aber zur Stadt Y fahre, ob die App das merkt oder ich dann manuell im Zug sagen muss:”ab hier fahre ich los”. Ansonsten finde ich die Idee genial und hätte mit sowas in Deutschland echt nicht gerechnet.

  2. #2 Marcus Frenkel
    Juli 14, 2011

    Meine vorsichtige Vermutung ist da, dass derartiges noch nicht mit einberechnet wird, da man wohl über das System auch keine Monatstickets kaufen kann (und es scheinbar losgelöst vom normalen Ticketvertrieb läuft). Aber wenn das ganze weiter ausgebaut wird, ist so etwas zumindest technisch einfach möglich – vielleicht muss man die Bahn dann aber darauf hinweisen.

  3. #3 Stefan W.
    Juli 14, 2011

    Da die Bahn ja ein gewisses Geldaufkommen durch Tickets einkalkuliert und einkalkulieren muss, muss, wenn das System für viele eine Ersparnis bringt, weil es unvermutete Rabatte einrechnet, die Preise insgesamt anheben.

    Während das klassische System 3 (nicht disjunkte) Benutzertypen bevorzugt, als da wären:
    * der Insider (hat sich durch alle Tarifinformationen durchgewühlt, und ist mit anderen Insidern gut venetzt)
    * der Clevere (ist von selbst auf Tricks gekommen)
    * der Arme oder Geizige, der besonders viel auf sich nimmt, um kuriose Sondertarife zu nutzen, weil er muss, um sich das Reisen überhaupt leisten zu können

    bevorzugt das neue System den
    * reichen Doofen der selbst nie dahinter gekommen wäre, dem es auch zu viel Aufwand gewesen wäre, das zu kalkulieren, der sich aber so ein Gadget leisten kann (von der Oma geschenkt bekommen).

  4. #4 Dieter
    Juli 15, 2011

    Das Mitführen vorher fotografierter QR-Codes bringt nichts, wenn man nicht schwarz fahren möchte. Denn auch die Handytickets können von Fahrkartenkontrolleuren geprüft werden.
    Man kann sich also nicht zu früh auschecken. Man kann sich auch nicht zu spät einchecken. Und man kann sich auch nicht nach Fahrtende verspätet mit einer falschen Station auschecken – da würde ja ein simpler Abgleich der theoretischen Fahrtdauer mit der angegebenen genügen.

    Die einzige Möglichkeit ist, bei der Hotline das vergesse Auschecken zu melden und eine falsche Aussteigestation anzugeben. Aber das wird man nicht täglich machen können.

  5. #5 jitpleecheep
    Juli 15, 2011

    @Marcus Frenkel:

    Nanananana, wenn du da mal nicht gegen die Teilnahmebedingungen verstoßen hast! 😉

    “Der Teilnehmer verpflichtet sich […], schriftliche Veröffentlichungen oder anderweitige öffentliche Stellungnahmen über die im Projekt gewonnenen Erkenntnisse zum Verfahren Touch&Travel ausschließlich nach Rücksprache und mit Einverständnis der DB zu tätigen.”

    Sehr nett. Ich wage mal zu bezweifeln, dass man sowas überhaupt über die AGB regeln darf…

    Auch nett, die Datenschutzbestimmungen:
    “Die Reisedaten werden für […] Zwecke der technischen Erprobung und der Begleitforschung maximal 10 Monate gespeichert. […] Danach erfolgt die Lö- schung, Sperrung oder Anonymisierung der Daten.”

    What? Die speichern unanonymisierte Daten fast ein ganzes Jahr? Zur “Begleitforschung”? Da ist Google ja harmlos gegen…

    (via https://netzpolitik.org/2011/berlin-bargeldlos-opnv-tickets-kaufen-mit-maulkorb/)

  6. #6 David
    Juli 15, 2011

    GPS funktioniert nur, wenn das GPS-Signal ausreichend stark ist – in unterirdischen Bahnhöfen hat man da zum Beispiel Probleme und muss sich schon über der Erde anmelden.

    Auf https://tinyurl.com/6xy8v9z wird ausdrücklich gefordert, dass man sich bei der U-Bahn oberirdisch anmelden muss.

    Grundsätzlich finde ich diese Idee ganz gut und wäre erfreut, wenn man sowas in Österreich auch einrichten würde. Aber wahrscheinlich werden wir da wie immer Nachzügler sein.

    Das Touch&Travel-System hat mMn große Ähnlichkeit mit der in London seit 2003 eingeführten Oyster Card. Die augenscheinlichsten Unterschiede sind der leichte Zugang für Smartphone-Besitzer einerseits und leichte Handhabung für jedermann per Karte andererseits. Und natürlich ist die Oyster Card nur auf London begrenzt während die DB das auf ganz Deutschland ausgedehnt werden soll.

    Mich würde interessieren, ob die DB auch ähnliche Angebote für Nicht-Smartphone-Besitzer/innen plant und wie die Nutzung für ausländische Kunden/Durchreisende/Touristen aussieht. Soweit ich gelesen habe, muss man ja für das Touch&Travel-System ein Konto angeben, was für seltene Nutzer umständlich ist.

  7. #7 Marcus Frenkel
    Juli 15, 2011

    @Dieter
    Hm, ja. Das ist ein Argument. Aber ob das mit der Fahrtzeitüberprüfung so möglich ist…? Sicher, bei längeren Strecken geht es wohl, aber bei dicht hintereinanderliegenden Haltestellen an einer Zonengrenze sieht das anders aus.
    Wobei dieses System meiner Ansicht nach der ideale Zeitpunkt wäre, um diese dummen Zonen endlich loszuwerden, deren Sinn ich nie verstanden habe…

    @jitpleecheep
    Ich habe ja glücklicherweise nicht daran teilgenommen. 😉
    Der Datenschutz dort ist aber wirklich grausig.

    @David
    Etwas Oyster Card-ähnliches auch ein England z.B. für Züge einzuführen, wäre ja nun eigentlich nicht das Problem – da müsste sich nur der dortige Bahnverbund daran setzen. Der eigentliche Nutzen – auch in Deutschland – würde denke ich vor allem im Nahverkehr liegen, da man hier in der Regel weitaus öfter die Transportmittel benutzt. Wobei, wenn ich es recht bedenke: die Vielfahrer haben ohnehin ihre Monatskarten…und für Wenignutzer lohnt es sich wie bereits gesagt wohl nicht so.

    Ein Gedanke noch: im Fernverkehr möchte ich so ein System gar nicht nutzen wollen – da will ich vorher wissen, was mich eine Fahrt kostet. Bei den aktuellen Preisen würde man sonst wohl ganz schnell eine Herzattacke beim Blick auf die Rechnung bekommen.
    Der Umstand, dass das System am Ende des Tages auch automatisch auf Tagestarif umschaltet, deutet für mich auch eher auf die Nutzung im Nahverkehr hin – und zwar für Wenignutzer, denn wie gesagt: Vielnutzer haben ja doch meist eine Monatskarte.

    Da wäre es natürlich absolut praktisch, wenn man ganz ohne Anmeldung damit hinkommen könnte – und am besten noch die App dazu auch irgendwo in der Nähe der Haltestellen laden kann, damit sogar Ausländer (für die wäre es wohl besonders praktisch) nutzen könnten.

  8. #8 Statistiker
    Juli 16, 2011

    Sorry, aber für mich als Viel-Bahnfahrer ist dieses System sinnlos.

    Im Nahverkehr kenne ich meine Tarife, und mir eine Karte am Automaten zu ziehen, kostet mich weniger als eine Minute. Bei den Privatbahnen kann ich mir eine Fahrkarte IM ZUG ziehen. Ergo: Kein Zusatznutzen.

    Im Fernverkehr suche ich mir die günstigste Verbindung. Günstig heißt dabei Zeit und Geld zu betrachten, und das kann das System nicht. Frühbucherrabatte, Platzreservierungen etc, dass ist für mich im Fernverkehr relevant…. kann das System nicht. Also Niútzen = Null…

    Eine schöne Spielerei, um als “modern” zu gelten, mehr nicht….

  9. #9 Klugscheisser
    Juli 18, 2011

    Erstmal das System ist für Gelegenheitsfahrer gedacht,… Leute die sich nicht mit Tarifen und anderen Sachen auseinandersetzten können/wollen und trotzdem die Bahn nutzen wollen.

    Touch&Travel ist übrigens ein Abklatsch des bmwf geförderten Projekt Ring&Ride, da ging das ganze dann auch ohne lächerliche Touchpoints, sondern ausschließlich via LBS mit GPS & GSM Zellenerkennung 😉

  10. #10 Marcus Frenkel
    Juli 18, 2011

    Da hat der Ausscheider von Klugheit durchaus Recht. Wobei mir irgendwie erst einmal lieber wäre, wenn es deutschlandweit ein einheitliches Tarifsystem überhaupt gäbe – im Fern- wie im Nahverkehr. Damit wäre schon einmal viel getan. Dann noch ein unkompliziertes Bezahlsystem und vernünftige Tarife – da würden doch gleich viel mehr Leute Bahn fahren. 😉