Geothermie – erneuerbare Energie, aber kaum genutzt. Warum ist das so, wie ginge es besser, wo sind die Grenzen? Es gibt zwei Gründe, weshalb Geothermie in in Deutschland kaum genutzt wird. Die Vorkommen haben eine sehr niedrige Temperatur nur knapp über 100 Grad, mit der sich nur sehr ineffizient Strom erzeugen läßt. Im Vergleich zu Vorkommen wie in Island oder Kalifornien sind das sehr niedrige Temperaturen.
Der zweite Grund ist, dass sie erstaunlich langsam erneuert wird. In weiten Teilen Deutschlands fließen nur etwa 300-500W (Watt!) Wärmeenergie pro Hektar an Erdwärme an die Oberfläche. In den günstigen Gebieten wie dem Rheingraben steigt der Wert auch über 1000W pro Hektar – vor der Umwandlung in Strom. Ein Hektar Land liefert also im günstigsten Fall so viel Erdwärme wie ein Wasserkocher. Wenn man langfristig mehr als diese Leistung entnimmt, ist die Nutzung bereits nicht mehr nachhaltig. Das ist so wenig Leistung, dass es praktisch keine Geothermie in Deutschland gibt, die ernsthaft nachhaltig sein könnte. Allerdings ist die (“fossile”) Wärmereserve im Gestein natürlich sehr groß ist. Um so wichtiger ist eine möglichst effiziente Nutzung und um die soll es hier gehen.
Der derzeitige Stand der Technik für die Nutzung von Geothermie in Deutschland läßt sich gut am Geothermiekraftwerk von Unterhaching ablesen. Es fördert 150 Liter Wasser pro Sekunde mit einer Temperatur von etwa 122 Grad. Das sind 70MW thermischen Leistung. Je nach Nachfrage wird davon ein großer Teil als Fernwärme genutzt, vor allem im Winter, aber nicht im Sommer. Ohne Fernwärme kann das Kraftwerk bis zu 4,1MW Strom erzeugen. Das entspricht dann einer Effizienz von knapp 6%.
In Island oder Kalifornien erreichen die Geothermiekraftwerke Effizienzen über 10%, die Vorkommen haben dort aber auch Temperaturen über 200 Grad. Um trotz der niedrigen Temperaturen wenigstens diese Effizienz zu erreichen, wird mit dem heißen Wasser aus der Tiefe eine Mischung aus Wasser und Ammoniak erhitzt. Der entstehende Dampf hat den Vorteil, dass nur der Wasseranteil bei 100 Grad kondensiert. Dabei gibt der Wasserdampf seine Energie an das verbleibende Ammoniak ab. Das Ammoniak bleibt weiterhin gasförmig und kann weiter die Turbine antreiben. Aber auch wenn es noch so elegant ist, es ist nicht sehr effizient.
Naturgesetze lassen sich nicht austricksen. Aber wenn man sie gut genug kennt, kann man versuchen sie besser ausnutzen. Im Prinzip sollte es jedem Kraftwerksbetreiber peinlich sein, nicht einmal eine Effizienz von 6% zu erreichen. Geothermie ist zu knapp, als dass man wirklich gern 94% der gewonnenen Energie bei der Stromumwandlung verlieren wollen würde. Die schlechte Nachricht: Nur mit Geothermie geht das nicht. Die Temperatur des geförderten Wassers ist was sie ist. Mit ein paar neuen Tricks und Ideen läßt sich die Effizienz vielleicht noch um zwei oder drei Prozentpunkte steigern, aber viel mehr auch nicht. Die gute Nachricht: Einer Dampfturbine ist es egal woher der Dampf den sie bekommt seine (möglichst hohe) Temperatur hat.
Der Albtraum der Puristen: Hybridkraftwerke
Das Resultat mag kein “echtes” Geothermiekraftwerk mehr sein. Es wäre ein Hybrid aus zwei Kraftwerkstypen mit zwei Energiequellen. Aber wenn man das akzeptiert, kann man mit Hilfe des warmen Wasser der Geothermie jederzeit heißen Dampf machen – mit weniger Energie als wenn man Dampf aus kaltem Wasser macht. Man braucht dazu nur noch eine zweite, ausreichend heiße, Wärmequelle. Sobald der Dampf eine angenehme Temperatur von 300-600 Grad Celsius hat, geschieht die Umwandlung der Energie am Ende nicht mehr mit 6% Effizienz, sondern (je nach Temperatur und Turbine) mit 30-50% – und zwar für die gesamte Energie von beiden Wärmequellen. (Abzüglich einiger Verluste, die in den Wärmetauschern bei der Übertragung der Energie von einer Energiequelle zur nächsten auftreten. Die sollte man nicht unterschätzen.)
Dabei muss eines klar sein: Was wir aus der Erde bekommen ist heißes Wasser, kein Dampf. Leider braucht das Verdampfen des Wassers den größten Teil der Energie. Egal was die zweite Wärmequelle ist, unter diesen Umständen muss sie etwas mehr als 80% der gesamten Energie liefern. Das Kraftwerk wäre also nicht primär ein Geothermiekraftwerk. Die Geothermie wäre vielmehr ein Anhängsel an ein anderes Kraftwerk mit eigener Wärmequelle. Aber dieses andere Kraftwerk bekommt einen Teil der Energie aus der Geothermie und verhilft der Geothermie dabei zu einer viel höheren Effizienz.
Diese Wärmequelle kann der Kessel eines Kohlekraftwerks sein oder die Abwärme einer Gasturbine (wie in einem Gas-und-Dampf-Kraftwerk), es kann eine Müllverbrennungsanlage sein, die Abwärme einer Gießerei oder auch ein Kernreaktor oder auch etwas anderes sein. (Biomasse würde funktionieren, aber es wird davon zur Zeit schon viel mehr genutzt, als wir in Deutschland zur Verfügung stellen können. Noch mehr davon würde viel mehr schaden als nützen.)
So kann man die Thermodynamik manchmal doch noch austricksen. Die Idee eine höhere Effizienz zu erreichen, indem man Geothermie mit konventionellen Kraftwerken kombiniert ist nicht neu. Sie wurde schon in den 70er Jahren diskutiert. Aber ich fürchte, bei der Diskussion wird es auch heute bleiben. Denn es gibt zwar eine Regelung wie Geothermie mit dem EEG vergütet wird (25ct/kWh), aber die gilt nur für reine Geothermiekraftwerke.
Warum baut es niemand?
Auch wenn eine Kombination mit einem klassischen Kraftwerk viel mehr Strom aus dieser Energiequelle gewinnen könnte, wird kein Investor das Risiko auf sich nehmen eine solche Anlage zu bauen. Denn die rechtliche Lage ist keineswegs geklärt. Dabei wäre es ganz einfach, physikalisch für die EEG-Vergütung zu argumentieren: Wir haben hier ein Kraftwerk mit einem Geothermieanschluss und einem Kohlekessel. Wir beziehen 70MW Wärme aus der Geothermie und 350MW Wärme aus der Kohle. Am Ende erzeugen wir aus 420MW Wärme noch 180MW Strom. Weil 1/6 der Energie aus Geothermie kam, verlangen wir, dass 1/6 des Stroms (also 30MW) nach dem EEG vergütet wird.
Würde ein Investor dieses Risiko auf sich nehmen, würde es wohl Jahre brauchen, bis dieses Problem geklärt und das Gesetz an diese Möglichkeit angepasst ist. Bis dahin ist der Investor längst pleite. (Dabei sei nicht verschwiegen, dass die Rechnung oben stark vereinfacht ist. Real würde es einige Verluste im Wärmetauscher etc. geben und man könnte wohl nur etwa 15-20MW der Geothermie anrechnen. Aber mehr als die 4,1MW in Unterhachingen wären es auf jeden Fall.)
Umweltschützer würden mit Sicherheit von einer Mogelpackung reden, gerade wenn der Dampf am Ende mit Kohle erzeugt wird. Aber ist auch klar, dass wir hier in Deutschland noch Jahrzehnte auf Strom aus Kohlekraftwerken angewiesen sein werden. Und ein Kohlekraftwerk mit Geothermie verbraucht weniger Kohle für die gleiche Leistung wie ein Kohlekraftwerk ohne Geothermie. Zugegeben, die Variante mit dem Kohlekraftwerk auch die gesellschaftlich zweit-provokanteste, gleich nach dem Kernreaktor.
Aber es ist genau diese Form von fehlendem Pragmatismus, die mir überall in Diskussionen begegnet. Man besteht auf einer idealistischen, reinen Lehre. Man hat die “erneuerbare”, “nachhaltige” Kraftwerke auf der einen (guten) Seite und nicht-erneuerbare, nicht-nachhaltige (böse) Kraftwerke auf der anderen. Ohne diese Ideologien könnte man heute ein viel besseres Ergebnis erzielen indem man “gute” und “böse” Kraftwerke in Kombination nutzt. Um dem ganzen noch die Krone aufzusetzen, ist Geothermienutzung nicht nachhaltig und sie ist auch nicht in gesellschaftlich relevanten Zeiträumen erneuerbar.
Es stellt sich hier auch die provokante Frage, ob die bedingungslose Forderung von Nachhaltigkeit überhaupt sinnvoll ist. Im Fall der Geothermie führt die Forderung ganz klar zu einem Ausschluss der Geothermie, weil eine nachhaltige Nutzung der Geothermie praktisch unmöglich ist. Aber diese Frage muss einmal in einem anderen Rahmen diskutiert werden.
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