In Europa fand man aber eine Lösung für das Problem. Man befestigte eine langsam glimmende Lunte an einem Stück Metall, das Metallstück befestigt man drehbar am Lauf der Waffe. Wenn man am anderen Ende des Metallstücks zieht, bewegt sich die langsam glimmende Lunte auf die Zündpfanne zu bis das glimmende Ende der Lunte im Schwarzpulver der Zündpfanne steckt. Diese einfache Konstruktion nennt man auch Luntenschloss. Weil man für das ziehen an dem Metallstück nur einen Finger und keinerlei Hand-Augen-Koordination braucht, sind dritte Hände und zweite Köpfe plötzlich überflüssig. Man kann die Schusswaffe in der Hand halten, genau auf den Feind richten, am Abzug ziehen und die Waffe abfeuern.

Diese japanischen Gewehre wurden danach nur noch nach ihrer Herkunft als “Tanegashima” bezeichnet. Darauf gestoßen bin ich, weil ich bisher jede Ausgabe des Computerspiels Civilisation gespielt habe und in einem Teil die japanische Burg Himeji ein Weltwunder ist. In dem obligatorischen Film beim Bau dieses japanischen Weltwunders war dann  ein solcher Anblick aus dem Inneren, ganz ohne Katanas und stereotype japanische Rüstungen, eher unerwartet:

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(Quelle: Wikipedia)

Mit diesen Waffen wurde nun der Bürgerkrieg in Japan zu Ende gefochten. Der Sieger wurde zum Shogun von ganz Japan und kommandierte Armeen mit den besten Waffen Ostasiens. Im Siegestaumel stieg das den Japanern ein ganz klein wenig zu Kopf. Genauso wie der Erfolg der Reconqista (die Wiedereroberung ganz Spaniens von den Arabern) den Spaniern und Portugiesen zu Kopf gestiegen war und beide Länder im Vertrag von Tordesillas nicht etwa die iberische Halbinsel, sonder mal eben die ganze Welt unter sich aufteilten.

Die Japaner waren da bescheidener, sie wollten nur ganz China. Nun führt der kürzeste Weg von Japan nach China durch Korea hindurch. Korea hatte es zu dieser Zeit ganz gut geschafft, einen Status als von China unabhängiges Land erhalten, wenn auch mit Tributpflichten. Die Japaner unterbreiteten nun den Koreanern ein Angebot, dass sie nicht ablehnen sollten und es trotzdem taten. Die Koreaner sollten mit ihnen zusammen in die Schlacht ziehen und ganz China erobern. Sie demonstrierten ihre Waffen und die Koreanischen Generäle waren durchaus beeindruckt.

Aber die koreanische Regierung dieser Zeit wurde nicht gerade von einem heißblütigen Teenager wie Tanegashima Tokitaka angeführt. Die Regierung lehnte ab. Kurz danach startete eine japanische Invasion. Der Krieg, der folgte, wurde bekannt als der Imjin Krieg. Die koreanischen Generäle waren zurecht beeindruckt. In kurzer Zeit eroberten die Japaner den größten Teil Koreas auf dem Land. Einzig zur See hatten die Koreaner einen Vorteil. Sie hatten Admiral Yi Sun-sin.

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(Statue für den Admiral, in Seoul. Quelle.)

Dem Admiral gelang es, die Invasionstruppen zur See aufzuhalten. Zu Lande hatte man aber keine Chance. Schweren Herzens rief man die chinesische Armee zur Hilfe. Die kam mit ihren Versorgungslastern und Transporthubschraubern … oh, falsches Jahrhundert. Die chinesische Armee kam. Millionen Soldaten besiegten letztlich nach 6 Jahren Krieg die Japaner. Aber was sich anhört wie Rettung in letzter Minute, war eine Katastrophe. Die Versorgung einer derartigen Armee ist schon für moderne Versorgungsinfrastruktur eine Problem. Damals war es schlicht unmöglich die chinesische Armee von China aus zu versorgen. Die Chinesen mussten sich dort versorgen wo sie waren und sich nehmen was sie brauchten. Und die Chinesen waren in Korea.

Es gab Statuen, aber keine Gewinner und strahlenden Helden in diesem Krieg. Die Kosten dieses Krieges waren auch für die chinesischen Ming ein Problem, dem Staat ging es ohnehin nicht gut und 50 Jahre später wurden die Ming in einem furchtbaren Eroberungskrieg durch die mandschurischen Qing abgelöst. Die Japaner zogen sich geschlagen auf ihre Inseln zurück und die Koreaner fragten sich, ob die Invasion der Japaner schlimmer war oder die “Hilfe” der chinesischen Armee. Korea lag in trümmern und schottete sich ab. Die Japaner waren über sich selbst so sehr erschrocken wie über ihre Niederlage und taten das gleiche. Viel anderes blieb ihnen auch nicht übrig, weder Koreaner noch Chinesen waren danach gut auf sie zu sprechen. Hinzu kam, dass der Einfluss der Europäer, vor allem christlicher Missionare, immer größer wurde.

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Kommentare (18)

  1. #1 meregalli
    18. Mai 2015

    Applaus!
    Uneingeschränkt.

  2. #2 Ludger
    18. Mai 2015

    Drei Spitzbuben veränderten 1543 die Welt mit Auswirkungen bis heute. Da muss man wirklich staunen. Danke!

    • #3 wasgeht
      18. Mai 2015

      Aber bitte nicht vergessen: Es ist eine Erzählung. Die Fakten stimmen zwar (wenn mir kein Fehler unterlaufen ist), aber es brauchte für all das noch sehr viel mehr als nur diese Drei. Aber es ist ja gerade Sinn dieser Erzählform, dass man das bei Seite lässt.

      Ein absoluter Meister dieser Erzählungen ist der Historiker James Burke, der eine Reihe von Fernsehprogrammen gemacht hat. “The day the universe changed” und “connections”. Man findet sie auch auf Youtube, zum Beispiel hier:

      Ein Interview mit James Burke findet sich hier:

      Der Interviewer ist Dan Carlin, der den Podcast “Hardcore History” macht … der im Lauf der Zeit eher zu einem Audiobuch Format wurde. Und das war auch ungefähr zu der Zeit, zu der das Interview entstand. Unbedingt zu empfehlen!

  3. #4 Dampier
    19. Mai 2015

    Toll erzählt, das war wirklich spannend. Vielen Dank :)

    Gruß
    Dampier

  4. #5 bewitchedmind
    19. Mai 2015

    Super spannend. Geschichte, über die man in Europa normalerweise nichts lernt, danke!

  5. #6 CM
    19. Mai 2015

    Super Artikel! (Überhaupt: Super Serie von Artikel in unglaublicher Geschwindigkeit!)
    Zwar kannte ich die “offzielle” Geschichte, d.h. ohne den Beginn mit der Luntenschloßeinführung, doch finde ich, dass solche Erzählungen durchaus ihre Berechtigung haben (nicht zuletzt, weil sie so einprägsam sind, auch was den orthodoxen Teil der Geschichten angeht).

    Gruß,
    Christian

  6. #7 wiener
    19. Mai 2015

    “Mit der zweiten Hand hielt man die Kanone, mit der dritten Hand richtete man die Kanone auf den Feind, was man mit den Augen im zweiten Kopf überprüfte, während der erste schaut, was die Hand mit der glühenden Lunte tut. ” Genial formuliert……

  7. #8 derKris
    19. Mai 2015

    So habe ich ostasiatische Geschichte noch nie gelesen.
    Danke dafür :D

  8. #9 Dirk Moebius
    20. Mai 2015

    JFTR: das DDR-Wappen enthaelt – auch wenn allerorten was anderes steht – keine Sichel.
    Ein Blick sollte genuegen.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Staatswappen_der_Deutschen_Demokratischen_Republik

    • #10 wasgeht
      20. Mai 2015

      Du hast natürlich völlig recht. Das Wappen der Sovietunion mit Hammer und Sichel ist einfach tiefer im Kopf verankert, als Hammer, Sichel und Ährenkranz. Ist auch lange her.

  9. #11 oliver
    Bonn
    20. Mai 2015

    Zur Sengoku Jidai ( Zeit der streitenden Reiche ) kann ich die Extra History Reihe empfehlen:
    https://www.youtube.com/watch?v=hDsdkoln59A
    Ähnlicher Erzählstil wie diese Blogpost, allerdings fehlt leider die Anekdote mit dem Luntenschloss.

    Zum Thema Civilisation: Ich finde es wirklich großartig, dass meisten der gewinnt, oder zumindest einen sehr großen Vorteil hat, welcher zuerst den Drall entwickelt und gleichzeitig möglichst agressiv ist. Für ein Videospiel ist das unglaublich schlecht balanciert, aber gleichzeitig so wunderbar realistisch^^

  10. #12 Sven Tetzlaff
    Hong Kong
    22. Mai 2015

    Die Geschichte Asiens und besonders deren Geschichten haeufig ganz persoenlicher Art, sind im Westen leider wenig bekannt. Ich behandle in meinem Podcast (und Blog) gelegentlich geschichtliche Themen bzw. eben genau diese kleinen Geschichten, wenn auch aus einer eher privaten Sicht.
    * 005 Marco Polo war nie in China (https://goo.gl/Osd0PW)
    * 009 Tee und Weltpolitik (https://goo.gl/1Rh0HC)
    * und zuletzt 012 Lady Datuk (https://goo.gl/5OXIqw)
    Der Podcast ist ein Projekt, das mich bei meinem alltaeglichen Leben in Asien als Fotograf & Fachjournalist begleitet und vor allem Wert auf die private, kleine Sicht der Dinge legt.
    Den gesamten Podcast-Thread findet man hier: https://sventetzlaff.com/index.php/home/podcast

  11. […] war das Luntenschluss und ich habe auch schon einmal einen Artikel geschrieben, in dem das eine wichtige Rolle […]

  12. […] 285-Wort Artikel schreibe wie den letzten über den geplanten Wolkenkratzer in Basra oder eine 2630-Wort-Geschichte wie die über die weltgeschichtlichtlichen Verwicklungen in denen 3 portugiesische Halunken eine […]

  13. #15 Dampier
    19. Dezember 2015

    Ich habe mir erlaubt, diesen Artikel mal bei der Wissenschaftsblog-Auslese 2015 zu nominieren. Ist er doch ob seiner Erzählkunst für mich in der Rückschau einer jener gewesen, die mir besonders deutlich im Gedächtnis blieben.

    grz
    Dampier

    • #16 wasgeht
      19. Dezember 2015

      Danke :)

  14. #17 BreitSide
    Beim Deich
    20. Dezember 2015

    Sehr schöne Zusammenfassung! Viele Einzelstücke waren mir bekannt (wie ja wohl fast Jeder hier), aber der stringente Zusammenhang ist einfach klasse. So macht asiatische Geschichte Spaß.

    Irgendwie hab ich aber noch eine Geschichte im Kopf von einem einzelnen Engländer, der ausgesetzt wurde(?) und dann mit seiner Büchsenmacherkunst Einiges in Japan in Bewegung brachte. Oder waren es Kanonen? Ich krieg´s im Kopf nicht mehr zusammen :oops:

    PS: War da nicht ein Zirkel im DDR-Wappen?
    “Hammer, Zirkel, Ährenkranz, mause, was de mausen kanns…”

    • #18 wasgeht
      20. Dezember 2015

      Ohne die kommentare nochmal durchgelesen zu haben: Hat das nicht schon jemand anderes angemerkt? …. Ich kann mich noch schwach dran erinnern, dachte aber, ich hätte es korrigiert.