Wer hier konkrete Zahlen erwartet, sollte besser gleich weiter klicken. Hier geht es um grundsätzliches. Was sind Schulden? Was kann man erwarten? Schulden scheinen ein einfaches Konzept zu sein. Jemand geht die Verpflichtung ein, zu einem späteren Zeitpunkt eine bestimmte Menge Geld zu zahlen. Damit ist aber eigentlich gar nichts gesagt.
Denn was ist schon Geld?
Das entscheidende an Geld ist, dass es der Schuldner in den meisten Fällen nicht einfach selbst drucken kann. Selbst bei Ländern ist diese Möglichkeit sehr eingeschränkt. Wenn diese Möglichkeit weg fällt, dann muss man das Geld verdienen – und Geld verdienen kann man nicht durch eigene Arbeit. Es geht nur durch Austausch.
Es ist völlig egal wieviel Arbeit geleistet wurde, am Ende zählt nur, wieviel Geld man im Austausch bekommt. Während einer Blase kann der Preis für eine Ware sehr hoch sein und man bekommt für wenig Arbeit viel Geld und kurz danach fällt der Preis und es ist umgkehrt.
Das gleiche gilt auch umgekehrt. Denn Schulden bestehen nicht nur aus dem Geld das gezahlt werden soll. Zu einem Schuldvertrag kommt es nur deshalb, weil derjenige der das Geld bekommt, sich etwas von dem Geld verspricht. Nichts wird so gern übersehen wie diese Tatsache. Manchmal wird sie auch von denen übersehen, die Schulden eintreiben wollen. In genau dieser Lage befinden wir uns gerade in Deutschland und die Krise in Griechenland ist ein (kleiner) Teil davon.
Deutschland hat bekanntlich seit Jahrzehnten einen hohen Exportüberschuss. Das heißt, dass jedes Jahr neue Schulden hinzu kommen, die andere Länder an Deutschland zahlen müssen. Mit jedem neuen Jahr stellen sich dabei aber immer ernster die zwei wichtigsten Fragen:
- Woher sollen die anderen Länder das Geld bekommen?
- Was wollen wir mit dem Geld anfangen?
Die einfachste Antwort auf die erste Frage wäre: Von Deutschland. Ein Land hat Schulden bei Deutschland, also verkauft es Waren an Deutschland in einem bestimmten Wert und zahlt so die Schulden ab. Die Möglichkeit existiert aber de facto nicht. Deutschland hat einen Exportüberschuss und betreibt eine Politik, bei der Exporte aus Deutschland möglichst hohe Geldwerte haben und gleichzeitig Importe nach Deutschland möglichst unprofitabel sind, damit die Handelsbilanz weiter bleibt wie sie ist. Wir tun alles, damit möglichst wenige Länder mehr Geld in Deutschland verdienen können, als wir von ihnen bekommen. Das ist übrigens auch die Parallele zum Merkantilismus des 17. und 18. Jahrhunderts, die ich in meinem Blogpost über Adam Smith ansprach.
Das Geld kann also nur aus anderen Ländern kommen und an Deutschland weiter gereicht werden. Das geht eine Zeit lang gut. Die Länder verschulden sich jeweils untereinander und reichen dann Schuldscheine in Deutschland ein, die mit Zahlungsversprechen von anderen Ländern gedeckt sind. Italien bezahlt also zum Beispiel seine Schulden indem es sagt “Wir bekommen da noch Geld von Spanien”. Als Resultat hat man dann ein Netzwerk gegenseitiger Verschuldung der anderen Länder untereinander, um Deutsche Schulden zu zahlen. Dabei spreche ich übrigens nicht primär von Staatsschulden, sondern von Schulden der Banken untereinander. Staatsschulden werden es erst, wenn die Banken pleite gehen und verstaatlicht werden.
Und so langsam kommt die zweite Frage ins Spiel: Was wollen wir mit dem Geld, das wir bekommen, anfangen? Und viel wichtiger: Was können wir überhaupt damit anfangen? Und noch eins drauf: Was hat uns die Arbeit gebracht, mit der wir die Exporte hergestellt haben?
Vor allem der letzte Punkt macht die ganze Schuldenkrise zu einer extrem emotionalen Sache. Es ist überhaupt keine Frage, dass in Deutschland zu extrem niedrigen Löhnen sehr viel sehr gute Arbeit erbracht wurde. Es ist aber ein Fehler anzunehmen, dass jetzt auch die gesamte Arbeit (mit Zinsen!) umgekehrt zurück an Deutschland fließen kann.
Erstens kann die Arbeit derzeit nicht an Deutschland zurück gehen. Dazu müssten mehr Waren und Dienstleistungen nach Deutschland hinein kommen, als hinaus gehen. Aber wir sind immernoch darauf versessen zu exportieren. Wir wollen unseren Schuldnern als Kollektiv nach wie vor keine Chance lassen, ihre Schulden zurück zu zahlen. Stattdessen suchen wir immernoch weiter nach mehr Leuten, die sich bei uns verschulden können.
Es ist nicht einfach nur so, dass die anderen Länder ihre Schulden nicht zurück zahlen können. Das wäre vielleicht noch verständlich. Nein, es ist so, dass wir nicht einmal wollen, dass die anderen Länder ihre Schulden zurück zahlen könnten. (Ok, ein Ausweg bleibt: Diese Länder machen Schulden außerhalb der EU, zum Beispiel bei Russland oder China.)
Zweitens hat die Exportpolitik auch Auswirkungen auf die gesamte Struktur der Wirtschaft. Andere Länder sind künstlich weniger konkurrenzfähig als Deutschland (hauptsächlich wegen Niedriglohnpolitik in Deutschland) und folglich werden alle Teile der Wirtschaft in anderen Ländern schrumpfen, die in den gleichen Feldern wie Deutschland agieren. Solche Entwicklungen sind aber meistens sehr nachhaltig. Wenn die deutschen Produkte schlechter oder teurer werden, dann kann die Wirtschaft in den anderen Ländern nicht schnell darauf reagieren. Es fehlen einfach die Grundlagen, von den Fabriken angefangen, über die nötigen Fachkräfte bis hin zu Geschäftserfahrung und Verbindungen zu Geschäftspartnern im Vertrieb.
Im Resultat hat man kein Nullsummenspiel, sondern wenn überhaupt ein Negativ-Summen-Spiel, in der die Wirtschaft aller Länder leidet.
Der Wert der Schulden, die Akteure anderer Länder beim deutschen Staat, deutschen Banken und deutschen Unternehmen haben, sinkt inzwischen immer mehr. Sicher, die Schulden steigen wegen der Zinsen, aber das sind nur Zahlen. Alles das zählt, sind die tatsächlichen Gegenleistungen, die für diese Zahlen erbracht werden. Um so mehr Länder und Banken in den Bankrott getrieben werden und um so mehr deren Wirtschaft leidet, um so weniger Gegenleistungen können wir erwarten. Denn nochmal: Gegenleistungen bestehen nicht in Geld, sondern in realen Tätigkeiten und Gegenständen.
Für vieles ist es längst zu spät. Denn man kann und darf eine solche Politik nicht über Nacht umwerfen, sondern muss sie langsam ändern. Ein sprunghafter Anstieg der Löhne in Deutschland würde die exportorientierten Unternehmen ohne jede Chance auf Reformen in den Bankrott treiben. Dann würde es tatsächlich zu höherer Arbeitslosigkeit kommen und der Wirtschaftsaufschwung wäre komplett von einem Strohfeuer durch die (Rück-)Zahlungen aus dem Ausland an Deutschland dominiert. Das würde zu einer Blase führen, die dann irgendwann platzt. Man hätte vor langer Zeit mit langsamen Reformen anfangen müssen, ging stattdessen aber in die andere Richtung. Die Einführung des Mindestlohns war endlich ein Schritt in die richtige Richtung, es fragt sich aber, wieviele noch folgen werden.
Am Ende wird man feststellen, dass ein großer Teil der Entbehrungen der Niedriglohnpolitik sinnlos und für Deutschland und den Rest Europas sogar schädlich waren.
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