Zeit den Globus heraus zu holen. Wie kommt man von der Ostsee ins Kaspische Meer? Mit dem Flugboot! Natürlich, aber das wäre geschummelt. Nein, ich meine mit einem richtigen Schiff und ein paar tausend Tonnen Fracht. Das scheint schwierig zu sein. Das Kaspische Meer ist bekanntlich eigentlich ein See und bis zum nächsten Anschluss an die Weltmeere, dem schwarzen Meer, geht es fast 1000km über Land.

Aber tatsächlich ist die Situation nicht ganz so aussichtslos wie es scheint. In das Kaspische Meer fließt die Wolga, der russischste und längste Fluss aller Flüsse in Europa. Die Wolga hat ein riesiges Einzugsgebiet in Russland und viele Nebenflüsse, die auch schiffbar sind. Man kommt von Moskau aus über die Moskwa und den Oka zur Wolga und damit bis zur aserbaidschanischen Hauptstadt Baku, oder die die Küsten von Turkmenistan, Kasachstan oder Iran.

Ok, man kommt also recht weit weg vom Kaspischen Meer ins Landesinnere der eurasischen Landmasse. Aber wie kommt man von dort in die Ostsee?

Mit Kanälen. Heute gibt es dafür den Wolga-Ostee-Kanal. Dessen Geschichte geht bis auf Peter den Großen und das Jahr 1709 zurück. Denn die Wolga entspringt weit nördlich und ist ein sehr langsam fließender Fluss, mit sehr wenig Gefälle. Man muss nur eine relativ kurze Strecke zwischen dem Weißen See und einem Nebenfluss der Wolga durch einen Kanal überbrücken und schon ist der Weg geschlossen. Denn die großen Seen im Norden Russlands sind alle durch natürliche Flussläufe miteinander verbunden. Heute sind die Kanäle natürlich größer und weiter ausgebaut als damals, aber die Verbindung stand schon vor 300 Jahren und wurde seit dem immer weiter ausgebaut.

Paradoxer Weise konnte man lange Zeit zwar von der Ostsee ins Kaspische Meer kommen, aber nicht vom Schwarzen Meer aus!

Die Verbindung war es aber, die mich auf das ganze gebracht hat. Wenn man vom schwarzen Meer mit dem Schiff ins Kaspische Meer fahren will, dann braucht man dafür einen Kanal. Also, was tun? Einfach einen ca. 1000km langen graben durch die Landschaft anlegen, ein paar Hügel durchschneiden und fertig? Das wäre doch recht aufwändig und auch nicht sehr clever. Wo immer es ght sollte man vorhandene Flussläufe nutzen.

Die Wolga ist zwar der größte und wichtigsten Fluss im europäischen Teil Russlands, aber nicht der einzige. Der Don ist der Nachbarfluss der Wolga. Ihre Einzugsgebiete grenzen aneinander und auch der Don fließt durch Russland nach Süden, endet aber im schwarzen Meer. Man muss nur einen möglichst günstigen Weg finden, zwei Wasserwege in den Einflussgebieten mit einem Kanal zu verbinden. Dann braucht man nur noch den einen Fluss hinauf zu fahren, in den anderen Fluss zu wechseln und dann ins benachbarte Meer zu fahren.

Die Ottomanen hatten einen solchen Plan schon im späten 16. Jahrhundert ins Auge gefasst, um besser mit den Handelswegen der Portugiesen konkurrieren zu können. Die waren damals auf dem Höhepunkt ihrer Macht und tatsächlich erstreckte sich ihr Territorium bis nördlich des schwarzen Meers ins heutige Russland hinein. Aber wie das mit Höhepunkten eben so ist, ging es danach abwärts. Sie haben nie das passende Territorium lang genug gehalten und gleichzeitig den Entschluss und die Arbeitskraft gehabt, um den Plan durchzuführen. (Reine Spinnerei der Muselmanen? Lest weiter!)

Zum ersten Mal überhaupt hätte man unter Peten dem Großen von der Ostsee ins Kaspische Meer fahren können. Sogar noch bevor 1709 die direkte Verbindung von der Ostsee zur Wolga gebaut wurde. Wirklich empfehlenswert war es aber nicht. Der erste Kanal der die beiden Einzugsgebiete von Don und Wolga verband wurde 1705 nur knapp 200km südlich Moskau fertiggestellt. Man hätte also von der Ostsee durch den Skagerak und die Nordsee in den Atlantik fahren müssen, durch die Meeresengen von Gibraltar und den Bosporus ins schwarze Meer hinein. Dann wäre man aus dem subtropischen Klima kommend noch einen langen Weg nach Norden den Don hinauf gefahren, bis kurz vor Moskau, und dann nochmal den Weg die Wolga hinab bis ins Kaspische Meer.

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Kommentare (4)

  1. #1 dgbrt
    18. September 2015

    Auch der Bau des Panamakanals bis 1914 forderte ca. 28.000 Menschenleben. Viel höher kann das bei Stalin doch wohl auch nicht gewesen sein, sonst müssten da ja mehr als eine viertel Millionen Zwangsarbeiter zermürbt worden sein. Die Zahl 9% könnte jedenfalls auch bedeuten, dass bei elf Arbeitern genau einer gestorben ist. Ohne absolute Zahlen sind Prozentangaben nicht zu interpretieren.

    Mich wundert aber, dass die Russen vorher da fast nichts zustande gebracht haben. In Mitteleuropa hatte das viele hundert Jahre vorher schon funktioniert. Und der Nord-Ostsee-Kanal oder der Suez-Kanal (England) wurden auch schon im 19ten Jahrhundert fertiggestellt.

    • #2 wasgeht
      18. September 2015

      Die absoluten Zahlen findest du im Link, bewegt sich in ähnlichem Rahmen (pro Kanal) – aber ohne Tropenkrankheiten. Dazu kommen noch reihenweise andere Projekte wie die Transsib.

      Die Russen hatten sehr viel zustande gebracht, nur die direkte Verbindung vom schwarzen Meer zum Kaspischen Meer nicht.

  2. #3 Hobbes
    18. September 2015

    Sehr schön. Ich habe mich in den letzten Wochen intensiv mit dem Ludwig-Main-Donau Kanal beschäftigt. Da ich zufällig ein Kinderfoto gesehen hatte wo ich an der Fossa Caolina in Treuchtlingen war. Seitdem habe ich großes Interesse am Kanalbau. Die Suezkanalvergrößerung habe ich in den letzten Wochen auch viel zu gelesen. Interessant fände ich mal welche Geschwindigkeiten bei einem guten Treidelsystem drin wären und ob ein “Staffelsystem” mit rund um die Uhr fahrten möglich gewesen wäre. Bei Truppengeschwindigkeiten von ca 30Km pro Tag für Infanterie hätte dies doch erheblichen militärischen Nutzen haben können. Wenn man 5 Km/h schafft sind das ja locker 100Km am Tag (je nach Zahl der Schleusen) und somit eine effektive Verdreifachung der möglichen Truppenstärke in Großreichen. Wobei ich den Nutzen wahrscheinlich auch falsch bewerte da sich Reiche ja selten an den Flussläufen lang ausgedehnt haben. Wobei mir nach den Römern aber auch kaum ein Reich einfällt was die stärke einer guten Truppenlogistig erkannt hatte. (Napoleon oder die Osmanen vielleicht noch und auch bei Sun Zi)

  3. #4 BreitSide
    Beim Deich
    18. September 2015

    Abo :-)