Zumindest den letzten Teil, vom Schwarzen Meer ins Kaspische Meer und umgekehrt, haben wohl etwa 300 Schiffe unternommen. Nachdem Russland im Frieden von Pruth die Kontrolle über den Unterlauf des Don verlor, wurde der Kanal wieder geschlossen und er verfiel. Bis endlich ein Kanal gebaut wurde, der die beiden Meere verband, sollte es noch über 200 Jahre dauern. Das war aber nicht mehr in Russland, sondern in der Sowjetunion. Und es war auch nicht mehr Peter-der-Große, sondern Stalin-der-keinen-Namenszusatz-braucht.

Wie man leicht einsieht, war der Kanal von Peter dem Großen nicht die erste Wahl. Man will eigentlich gar keinen so großen Umweg ins Landesinnere fahren, sondern möglichst schnell vom Don zur Wolga wechseln. Peters Kanal war aber nicht nur zweite Wahl, sondern auch der zweite Versuch. Der erste scheiterte an fehlenden Ressourcen und wohl auch der großen Entfernung zum Kern von Russland. Denn tatsächlich kommen sich Don und Wolga kurz bevor sie in ihre jeweiligen Meere fließen sehr nahe. Beim ehemaligen Stalingrad (heute Wolgograd) nähern sich die beiden Flüsse an. Insgesamt musste man für eine Verbindung “nur” etwas mehr als 50km Kanäle graben und eine Reihe von Schleusen bauen müssen. Das hätten auch schon im 16. Jahrhundert die Ottomanen tun können und die Russen waren später drauf und dran.

Die Pläne die dann umgesetzt wurden kamen aus den 1930er Jahren. Das tat man aber nicht etwa mit moderner Technik des 20. Jahrunderts, sondern mit hunderttausenden Zwangsarbeitern in Gulags in Handarbeit! Bis zur Fertigstellung 1952 (nach einer Pause durch den zweiten Weltkrieg)  starben Zehntausende von ihnen. (Wer von moderner Sklaverei reden will: Hier ist ein legitimes Beispiel dafür!)

Der Wolga-Don Kanal war nur einer von mehreren Kanalprojekten die so gebaut wurden. Ein 120km langer Kanal verband Moskau direkt mit der Wolga, er wurde zwischen 1932 und 1937 auf ähnliche Weise gebaut. Ein weiterer Kanal verband ebenso in den 1930er Jahren St. Petersburg an der Ostsee mit den großen Seen im Norden Russlands und schließlich dem Weißen Meer an der Arktischen Küste Nordrusslands. Die Arbeitsbedingungen sind mit unmenschlich wohl noch viel zu gut beschrieben. Die Todesrate unter den Arbeitern betrag knapp 9%.

Man sollte nicht unterschätzen, was man allein mit menschlicher Arbeitskraft erreichen kann. Noch viel weniger sollte man aber die Brutalität des stalinistischen Regimes unterschätzen. Dagegen nehmen sich die in den 1960er Jahren getesteten, aber nie umgesetzten, Pläne zur Schaffung von Kanalverbindungen durch Wasserstoffbomben als äußerst menschenfreundlich aus.

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Kommentare (4)

  1. #1 dgbrt
    18. September 2015

    Auch der Bau des Panamakanals bis 1914 forderte ca. 28.000 Menschenleben. Viel höher kann das bei Stalin doch wohl auch nicht gewesen sein, sonst müssten da ja mehr als eine viertel Millionen Zwangsarbeiter zermürbt worden sein. Die Zahl 9% könnte jedenfalls auch bedeuten, dass bei elf Arbeitern genau einer gestorben ist. Ohne absolute Zahlen sind Prozentangaben nicht zu interpretieren.

    Mich wundert aber, dass die Russen vorher da fast nichts zustande gebracht haben. In Mitteleuropa hatte das viele hundert Jahre vorher schon funktioniert. Und der Nord-Ostsee-Kanal oder der Suez-Kanal (England) wurden auch schon im 19ten Jahrhundert fertiggestellt.

    • #2 wasgeht
      18. September 2015

      Die absoluten Zahlen findest du im Link, bewegt sich in ähnlichem Rahmen (pro Kanal) – aber ohne Tropenkrankheiten. Dazu kommen noch reihenweise andere Projekte wie die Transsib.

      Die Russen hatten sehr viel zustande gebracht, nur die direkte Verbindung vom schwarzen Meer zum Kaspischen Meer nicht.

  2. #3 Hobbes
    18. September 2015

    Sehr schön. Ich habe mich in den letzten Wochen intensiv mit dem Ludwig-Main-Donau Kanal beschäftigt. Da ich zufällig ein Kinderfoto gesehen hatte wo ich an der Fossa Caolina in Treuchtlingen war. Seitdem habe ich großes Interesse am Kanalbau. Die Suezkanalvergrößerung habe ich in den letzten Wochen auch viel zu gelesen. Interessant fände ich mal welche Geschwindigkeiten bei einem guten Treidelsystem drin wären und ob ein “Staffelsystem” mit rund um die Uhr fahrten möglich gewesen wäre. Bei Truppengeschwindigkeiten von ca 30Km pro Tag für Infanterie hätte dies doch erheblichen militärischen Nutzen haben können. Wenn man 5 Km/h schafft sind das ja locker 100Km am Tag (je nach Zahl der Schleusen) und somit eine effektive Verdreifachung der möglichen Truppenstärke in Großreichen. Wobei ich den Nutzen wahrscheinlich auch falsch bewerte da sich Reiche ja selten an den Flussläufen lang ausgedehnt haben. Wobei mir nach den Römern aber auch kaum ein Reich einfällt was die stärke einer guten Truppenlogistig erkannt hatte. (Napoleon oder die Osmanen vielleicht noch und auch bei Sun Zi)

  3. #4 BreitSide
    Beim Deich
    18. September 2015

    Abo :-)