Die Landung der ersten Stufe der Falcon 9 hat heute Geschichte geschrieben. Um überhaupt eine Chance zu haben diese Rakete zu landen, durfte nur noch eines der neun Triebwerke laufen. Aber die Idee hinter den neun Triebwerken ist noch älter. Es gab sie auch schon, als man noch glaubte, die Falcon 9 an einem Fallschirm im Meer landen zu können. Dahinter standen Zuverlässigkeit und Wirtschaftlichkeit der Rakete.

Dieser Artikel erschien gesten auch bei Golem.de.

Dort verfolgte die Falcon 9 auch schon ohne die Wiederverwendung einen neuen Ansatz, der sie gleichzeitig kostengünstig und zuverlässig machen sollte. Eine Rakete besteht besteht im wesentlichen aus drei Teilen: Tanks, Triebwerke und Nutzlast. Dazu kommt noch die Steuerung. Das teuerste und wichtigste Teil sind dabei immer die Triebwerke der Stufe, nicht nur in der Herstellung sondern auch in der Entwicklung. Genau hier setzte SpaceX auf einen neuen Ansatz.

Raumfahrt ist Konservativ

Hinter jedem Raumfahrtprogramm steht eine lange Reihe von schmerzhaften Fehlern. Die Lektionen aus diesen Fehlern sind teuer erkauft. Entsprechend ist kaum eine Branche so konservativ wie die Raumfahrt. Wenn eine Technik einmal erprobt ist, wird sie in kleinen Schritten weiter entwickelt und oft noch Jahrzehnte benutzt. Verschiedene Varianten von RL-10 Triebwerken wurden in den USA schon vor dem Apollo Programm benutzt. Die Oberstufen der Atlas V und Delta IV Raketen benutzen es bis heute und auch die letzte Stufe der neuen Schwerlastrakete SLS wird mit RL-10 Triebwerken betrieben.

In Europa ist es nicht anders. Das erste HM-7 Triebwerk wurde 1973 für die Ariane 1 entwickelt und 1983 zum HM-7B verbessert. Seitdem wurde das Triebwerk in der Ariane 2, 3, 4 und 5 benutzt. Das letzte HM-7B dürfte wohl vier Jahrzehnte nach dem ersten Flug, im Jahr 2023, mit der letzten Ariane 5 fliegen. Nach derzeitiger Planung soll sie erst dann entgültig durch die Ariane 6 abgelöst haben.

Der Grund dafür ist, dass praktisch jedes neue Triebwerk Kinderkrankheiten hat. Für die Ariane 1-4 wurden über 1000 Viking Triebwerke hergestellt. Im zweiten Flug der Ariane 1 versagte eines davon. Es war das einzige das jemals aus technischen Gründen versagte. Diese Zuverlässigkeit war auch nötig. Die Ariane 4 benutzte bis zu neun Viking Triebwerke – vier in der ersten Stufe, eines in der zweiten und jeweils eines in den bis zu vier Boostern. Keines dieser Triebwerke durfte ausfallen oder die Mission würde scheitern. Ein 99% zuverlässiges Triebwerk würde schon etwa jede 11. Mission scheitern lassen. Ohne eine Zuverlässigkeit in der Größenordnung von 99,9% sind regelmäßige Fehlstarts nicht zu vermeiden. Die Triebwerke mussten also noch viel zuverlässiger sein und tatsächlich waren sie das auch. Kein Wunder also, dass noch heute Viking Triebwerke unter der Bezeichnung Vikas in indischen PSLV und GSLV Raketen benutzt werden.

Kleine Stückzahlen brachten hohe Preise

Trotzdem ist der Zwang zu einer hohen Zuverlässigkeit unangenehm. Es braucht großen Aufwand und ständige Aufmerksamkeit in allen Details. Deshalb wurden immer größere Triebwerke entwickelt. Es setzte sich die Ansicht durch, dass man die Zahl der Fehlerquellen reduzieren sollte, um die Zuverlässigkeit zu erhöhen. Nur die einfach aufgebauten Feststoffbooster wurden weiter in großer Zahl benutzt. Im Militär wurde diese Technik in so großer Zahl eingesetzt, dass sie als nahezu perfekt angesehen wurde. Abgesehen von den Feststoffboostern bestanden die meisten westlichen Raketen bis vor kurzem nur noch aus zwei Triebwerken. Ein großes Triebwerk in der unteren Stufe und ein kleines in der oberen Stufe. Warum genau sich diese Ansicht durchsetzte ist aber unklar. Schließlich hatte sich bei der Ariane 4 der Ansatz mit mehreren Triebwerken pro Stufe als durchaus zuverlässig und kostengünstig erwiesen.

Der Ansatz der wenigen, großen Triebwerke hat dabei einen Nachteil. Er führt zu außerordentlich kleinen Stückzahlen. Für die Ariane 5 wird nur etwa alle zwei Monate ein HM7B und ein Vulcain 2 Triebwerk gebaut. Alle Anlagen, Werkzeuge, Dokumente und Teststände dafür werden sechs mal im Jahr benutzt. Automatisierung geschieht deshalb nur dort, wo es die Präzission erfordert. Für sechs Triebwerke pro Jahr wird kein Montageroboter entwickelt, wenn Techniker den Arbeitsschritt mit einigen Tagen Arbeit von Hand erledigen können. Entsprechend hoch sind die Kosten pro Triebwerk und entsprechend großer Aufwand muss betrieben werden, um die Zuverlässigkeit zu gewährleisten. Tatsächlich gibt es einen Film der Sendung mit der Maus, in der dieser Prozess gezeigt wird – in dem unter anderem drei Ingenieure über 500 Einspritzdüsen von Hand unter Reinraumbedingungen einschrauben. Seit 2001 wurden 58 Vulcain 2 Triebwerke für die Ariane 5 gebaut und geflogen. Davon versagte eines gleich beim ersten Flug und zerstörte eine Nutzlast im Wert einiger hundert Millionen Euro.

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Kommentare (1)

  1. #1 BreitSide
    Beim Deich
    23. Dezember 2015

    Bfr, schöner Name. Wie die “Riesending”-Höhle.