Diese Heizelemente mögen selbst keinen Strom erzeugen, aber sie sind trotzdem ein wichtiger Bestandteil der Stromversorgung. Noch weiter geht natürlich der neue Marsrover Curiosity, wo die NASA ganz auf eine Stromversorgung mit einer Radionuklidbatterie gesetzt hat. Das wäre für eine kleine Sonde wie Philae kaum sinnvoll gewesen. Ein beheizter und jederzeit einsatzbereiter Akku hätte hingegen den Rest der Mission gerettet. Das Laden des Akkus hätte zwar länger gedauert, aber die Sonde hätte weiter Daten geliefert und ihre Instrumente nutzen können. In dem Zusammenhang muss auch das Versagen der Kaltgasdüse näher untersucht werden. Zur Untersuchung des Versagens eines solchen Systems gehört nicht nur das letzte Glied der Kette. Es mussten mehrere Systeme versagen, um Philae in ihre missliche Lage zu bringen.

Philae war mit einem Budget von 200 Millionen Euro auch kein vernachlässigbarer Teil von Rosetta. Von den restlichen 1,1 Milliarden Euro wurde auch nicht nur die Rosetta Sonde entwickelt, sondern auch die Mission geplant, eine Rakete gestartet und so weiter. Philae war damit letztlich das größte und teuerste Messinstrument von Rosetta. Das einzige, das wirklich bis zum Kometen heran kommen konnte. Die dauerhafte Beobachtung der Kometenoberfläche bei der Annäherung an die Sonne war ein wichtiges Ziel von Philae, auch wenn es nach dem Scheitern als nebensächlich bezeichnet wurde.

Anstatt die Veränderungen auf der Oberfläche mit einer Auflösung von Millimetern zu sehen, mussten sich die Wissenschaftler mit einer Auflösung von einien Metern zufrieden geben. Anstatt langer Messreihen von Instrumenten mussten sie sich mit einzelnen Datenpunkten zufrieden geben. Möglicherweise hätten sie beobachten können, dass die harte Oberfläche des Kometen mit der Zeit weicher wird. Änderungen der Plasmaumgebung und des Magnetfelds, die Philae messen sollte, wären praktisch garantiert gewesen. Die Instrumente dafür befanden sich dort nicht ohne Grund, genauso wenig die Solarzellen, die alle Seiten des Sonde bedeckten – bis auf die Oberseite. Die Ingenieure hätten einen solchen Aufwand nicht betrieben, wenn alle Messungen nach der Landung tatsächlich zweitrangig oder unwichtig gewesen wären.

Die Landung auf 67P/Tschurjumow-Gerassimenko war ohne Frage eine große Leistung, die viele neue Erkenntnisse brachte. Aber es hätten viel mehr sein können. Ohne eine Diskussion von Fehlern mag die Stimmung nach der Mission besser sein, aber mit der Diskussion wird die nächste Mission besser sein. Und das ist Fortschritt.

Diesen Artikel gab es heute auch schon auf Golem.de zu lesen.

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Kommentare (6)

  1. #1 Dr. Webbaer
    14. Januar 2016

    Vielen Dank für Ihre Einschätzung, die sich mit dem deckt, was der Schreiber dieser Zeilen gelernt hat; über andere Einschätzung und generell über den Grund des Verzichts auf RHUs kann wohl nur im Politischen spekuliert werden,
    MFG
    Dr. W

  2. #2 Sukram
    Markgräflerland
    14. Januar 2016

    Nicht zu vergessen die Ankerharpunen, die beide nicht gefeuert haben- ebenfalls nicht gerade “high-tech” :-(

    Ja, Philae war ein Desaster- dabei wurde nach dem ersten Bodenkontakt schon der “volle Erfolg” verkündet, nur um anschließend festzustellen, dass sie noch ziel- und hilflos über den Kometen kegelte; meine Achtung vor Wissenschaftlern hat einen ernsten Knacks bekommen, da helfen auch bunte Hemden nix…

    Es soll übrigens Äußerungen Beteiligter geben, dass Radionuklidheizer mit “den Deutschen” nicht zu machen waren – ich bin mir sicher, dass unsere Partner sich künftig zweimal überlegen werden, sowas wieder mit “den Deutschen” durchzuführen.

    Danke trotzdem für den Artikel.

    • #3 wasgeht
      14. Januar 2016

      Ich schätze ja, dass die Harpunen am gleichen Drucktank hingen, wie die Kaltgasdüse (und das entscheidende Ventil folglich vor beidem war). Ich kenne aber die genaue Konstruktion nicht.

      Möglicherweise ist das Ventil auch einfach “eingefroren” (bzw. hat sich durch Kälte verzogen o.ä.) – aber das wurde ja alles nicht mehr diskutiert.

      Ich erinnere mich noch an den Livestream, als man kurz zum Leitstand geschaltet hat und dort jemand mit etwas besorgter Stimme “still rising” gesagt hat (ganz offensichtlich als Antwort auf die Frage nach der Höhe bzw “altitude”) – während drumherum alle gejubelt haben.

      Und dann natürlich die unsinnige Aussage mit “Wir haben nicht nur einmal gelandet, sonden zweimal!” Die Verklärung fing da sofort nach der Landung an.

  3. #4 Lydia
    14. Januar 2016

    Wenn man bedenkt, dass die Voyager Sonde immer noch Energie hat, obwohl sie in ziemlich kalten Regionen unterwegs ist.

    Gut die Voyager ist ca. 8x schwerer, aber das alleine erklärt es nicht.

    • #5 wasgeht
      14. Januar 2016

      Voyager wird wird auch mit einer (großen) Radioisotopenbatterie betrieben, der aber inzwischen auch bald die Leistung ausgeht. Das Problem ist, dass nicht nur die Leistung wegen der 88 Jahre Halbwertszeit von Plutonium 238 abnimmt, sondern auch die Thermoelemente nachlassen, mit denen der Strom erzeuget wird.

  4. #6 Sukram
    18. Januar 2016

    @wasgeht, #3:

    Nein, der Gasgenerator bestand aus – ordinärer Schießbaumwolle:

    “The chamber is filled with 0.3g propellant (nitro-cellulose C5650, see fig. 11). After ignition the pressure in the combustion chamber rises quickly to a level where a 100 µm aluminium damming foil is sheared thus allowing the explosive gas to flow over to the cylinder via eight 0.7-mm holes in the nozzle insert”

    hat zwar hier unten schon vor dem 1. WK funktioniert, um das Bevölkerungswachstum etwas abzubremsen, da oben war’s aber offensichtlich nicht so stabil :-/