In der Ausgabe des New Scientist vom 8.5. 2010 propagiert David S. Berman, ein Theoretischer Physiker aus London, das Wechselspiel von Kunst und Wissenschaft (Seite 47). Beide – so schreibt er – bringen eine neue Art der Weltsicht mit sich. Und er bestätigt, was vielfach erfreut, “Relativität und Quantenmechanik gehören ebenso zur kulturellen Landschaft wie Shakespeare und Beethoven.” Das klingt schön, perpetuiert aber etwas, was mir furchtbar und korrekturbedürftig erscheint. Um zu verdeutlichen, was ich meine, führe ich zwei weitere Verknüpfungen von Kunst und Wissenschaft an:
1959 lernte Charles P. Snow die beiden berühmten Kulturen zu unterscheiden, indem er den Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik mit Shakespeares Sonetten in Verbindung brachte und bedauerte, daß die literarische Intelligenz sich weigerte, das physikalische Gesetz verstehen zu wollen. Und der große Physiker Victor Weisskopf empfiehlt in seiner Autobiographie (The Joy of Insight), etwas von Mozart und der Quantenmechanik zu verstehen, um eine bessere Welt schaffen zu können.
Damit fällt aber etwas auf: Die Künste werden von Menschen vertreten, die Wissenschaft von Disziplinen. Anders gesagt: In diesen Darstellungen bleibt die Wissenschaft unmenschlich, und außerdem hat sie kein Gesicht. Solange sich dies nicht ändert, wird man sie nicht verstehen wollen. Wer gibt der Wissenschaft wie ein Gesicht? Diese Frage lohnt eine Antwort.

Kommentare (7)

  1. #1 Manea-K
    Mai 10, 2010

    Curie, Einstein, Schroedinger, Feynman, Hawking…?
    Meiner Meinung nach gibt es in der populaeren Wissenschaftsdarstellung eine viel zu starke Konzentration auf Einzelpersonen (bzw. Gesichter). Wie dem auch sei, auf jeden Fall gibt es sie.

  2. #2 Jörg
    Mai 10, 2010

    Hach ja, wenn es nur einen Weg gäbe, der Wissenschaft ein Gesicht zu geben. Wie könnte man das wohl anstellen, ich habe echt keine Idee…

  3. #3 KommentarAbo
    Mai 10, 2010

  4. #4 CCS
    Mai 10, 2010

    Wissenschaft funktioniert eben als eine große Kollaboration am besten, eine deutliche Hierarchie ist schwierig. Leute wie Richard Dawkins oder Brian Cox oder die oben genannten können allerdings sicherlich dabei helfen, die Wissenschaft nahezubringen. In Deutschland gibt es aber m. E. leider keine solche Persönlichkeiten.

    Anderes Thema: Ist es nur mein Eindruck, dass die Einträge seit dem offenen Brief und der Stellungnahme von EPF dazu wieder diskussionsfähig geworden sind und nicht mehr einfach nur faktisch falsch?

  5. #5 Dr. Glukose
    Mai 10, 2010

    Also die Biologie hat zahlreiche Gesichter: Mir fallen auf Anhieb Watson&Crick, Gregor Mendel, Charles Darwin, Louis Pasteur, Robert Koch, Meselson&Stahl uvm. ein. Dies sind alles Namen, die die Biologie geprägt haben. Ich denke mal, das Problem an der Sache ist, dass es heutzutage einfach so viele Wissenschaftler gibt, die bereits so viel erreicht haben, dass man da den Überblick verliert. Da bleibt einfach keine Zeit, dass “moderne” Namen aufkommen. Bedeutende Biologen von heute…da fällt mir eigentlich nur Craig Venter ein, der einmal vom Time Magazine unter die 100 einflussreichsten Menschen gewählt wurde. Moderne Gesichter entstehen allerdings durchaus durch den Nobelpreis und den zahlreichen anderen Forschungspreisen. Leider ist es so, dass sich nicht viele Leute außerhalb der Wissenschaftsgemeinde für so etwas interessieren. Ich denke, wenn sogenannte “berühmte Gesichter”, wie es ja in der Celebrity-Szene der Fall ist, ständig in der Presse stehen etc., ist das eher kontraproduktiv.

  6. #6 michael
    Mai 10, 2010

    Ich würde daraus nur schliessen, dass die drei zitierten Wissenschaflter gar keinen Kontakt zu Kunst haben, sondern nur das kennen, was auch der ‘normale’ Bildungsbürger so kennt: Bach, Hafis und Goya oder eine Variation davon.

  7. #7 Wb
    Mai 11, 2010

    @Jörg
    Hier hat die Wissenschaft bspw. ein Gesicht oder hier.

    Einstein oder Hawking sind bildlich wohl auch nicht viel unpopulärer als bspw. die Visage von Che Guevera oder Stalin oder Hitler.

    Das Problem bei der Wissenschaftskommunikation Richtung Souverän ist halt immer das Monetäre, man braucht und will die Gelder, der Souverän und der Apparat sind demzufolge weichzuklopfen. Dazu kommen noch die kleinen Verbocktheiten, die Wissenschaftlern recht typisch sind.

    Im TV, Wb aber nur seltener Gelegenheitskonsument, fallen bspw. Harald Lesch oder Ranga Yogeshwar pos. auf (neg. dagegen die Rahmstörfe und Schellnhuber auf – nur mal so als Vergleichspunkte genannt).

    MFG
    Wb