In den später 1970er (!) Jahren habe ich einen Essay mit dem Titel geschrieben, “Gene sind anders.” In den späten 1980er Jahren habe ich ein Buch mit dem Titel publiziert, “Gene sind anders.” Meiner Ansicht nach kann die Forschung auch heute nicht mehr sagen. Falls es Gene als relevante Einheiten des Lebens gibt – und nicht etwa Genstücke oder ganze Genome -, dann sind sie anders, nämlich anders als gerade jemand in einem Labor oder in einer Zeitungsredaktion denkt.
“Gene sind kein Schicksal”, verkündet in diesen Tagen bunt und schrill der Spiegelredakteur Jörg Blech, nachdem sich sein Blatt lange besorgt darüber geäußert hat, wir seien als Marionetten von Genen manipulierbar. Jetzt bemerkt man auch im hohen Norden die bereits vielfach und gut beschriebenen Möglichkeiten einer Epigenetik – etwa in eeinem Buch von Peter Spork – und stellt sie uns als der Weisheit letzter Schluß vor. Der sieht aber anders aus, nämlich wie bei Sokrates. Wir wissen von den Genen nur, daß wir nicht sagen können, wie sie ihre Wirkung entfalten. Und fehlen der Begriffe. Gene können “gelesen” werden. Sie sind aber kein Gesetz, sie können nicht steuern. sie kontrollieren noch weniger, sie sind nicht programmiert und programmieren selbst gar nichts, auch wenn uns das eingeredet werden soll. Wir labern da bloß rum und reden viel Blech, wie man sagen könnte, wenn sich das in diesem Kontext nicht verbieten würde. Wir wissen wenig von den Genen, außer daß sie anders sind, als wir denken.

Kommentare (14)

  1. #1 Christian
    August 18, 2010

    Vielleicht verstehe ich sie nur falsch, aber eine indirekte Steuerung über unsere Gene haben wir schon. Indem sie unsere Körper bauen und in diesen bestimmte Wünsche und Motivationen eingebaut sind. Wir haben Hunger, Durst, einen Sexualtrieb, den Wunsch nach Sicherheit, den Wunsch zu sozialen Kontakt. Diesen Wünschen müssen wir nicht folgen, insofern sind wir keine Roboter, aber warum sollten wir nicht, wenn es möglich ist? Ein Großteil unserer Gefühle und Motivationen hängen mit dem körpereigenen Hormonhaushalt zusammen (der ja letztendlich auf unseren Genen beruht), ein beständiges Necken in diese oder jene Richtung zu entscheiden. Viele dieser Entscheidungen sind inzwischen Teil unserer Kultur und wir nehmen die diesbezügliche leichte Steuerung gar nicht mehr wahr, weil sie uns als normale Verhaltensweise erscheint.

  2. #2 Stefanp
    August 18, 2010

    @Christian:
    Ich denke, worauf Herr Fischer hinaus will, ist, dass Gene strikt passiv sind. Sie bauen eben gar nichts. Das Bild von den kontrollierenden Genen ist schlicht eine Vereinfachung.
    Am einfachsten kann man das mit einer anderen Analogie erklären. Es ist durchaus üblich zu sagen, der Koran/die Bibel/… würde dieses und jenes verbieten und darauf aufbauend dann Sachverhalte zu erklären. Zum Beispiel, dass ich kein Schweinenackensteak in einem Teheraner Supermarkt kaufen kann, da der Koran den Verzehr von Schweinefleisch verbiete. Dabei verhindern die gedruckten Exemplare des Korans überhaupt nichts. Denn die liegen nur da und sind bedrucktes Papier.
    Ähnlich wie heilige Bücher Menschen benötigen, die sie lesen und das Geschriebene umsetzen, benötigen Gene externe Leser. Neben der Umsetzung in Proteine durch die Ribosome sind für die Steuerung, was gelesen wird, epigenetische Faktoren zuständig.
    Was der Blogeintrag uns also vermutlich sagen soll, ist, dass wir zwar viel über statische Komponenten (die Gene) wissen, wenig aber über die dynamischen Komponenten. Das tut Herr Fischer sehr haarspalterisch und, tragisch für einen Haarspalter, behauptet etwas Falsches: Nämlich dass es nicht zusätzliche Faktoren gibt, sondern dass die Gene anders seien.

  3. #3 Krakonos
    August 18, 2010

    Sorry, aber ich kann mit Ihrer Aussage nicht viel Anfangen. Ist Ihrer Meinung nach, das was wir über Gene herausgefunden haben falsch? Oder unvollständig? Das zweite wäre ja wohl eine Binsenweisheit. Oder kennen wir zwar viele einzelne Puzzleteile, sie glauben aber dass das Gesamtbild ein ganz anderes sein wird, als das, was wir bisher annehmen? Dann sollten Sie schon ein paar Belege bringen.
    Meine Vorredner haben Ihnen zugute Gehalten, dass Sie vielleicht sagen wollen, dass Gene strikt passiv sind. Aber das weiß die Wissenschaft doch längst. Ich glaube auch gar nicht, dass jemals eine andere Hypothese aufgestellt wurde. Das können Sie nicht gemeint haben. Aber, was haben Sie dann gemeint? Wollten Sie vielleicht – vorsichtig ausgedrückt- nur Werbung für Ihr Buch machen?
    “Gene sind kein Gesetz” – klar, aber was heißt das – nichts ist Gesetz. Gesetze sind abstrakt. “Gene können nicht steuern” – nein nicht willentlich, Gene sind ja kein Gott, aber wer nimmt das denn tatsächlich an? Gene sind aber sehr wohl in regulierende Mechanismen eingebunden. “Sie sind nicht programmiert und programmieren selber gar nichts” – das kommt auf die Definition von Programmieren an. Sie haben da einen Haufen Strohmänner aufgebaut und noch nicht mal gegen die haben Sie wirklich erfolgreich argumentiert.
    “Wir wissen wenig von den Genen, außer dass Sie ander sind” ist eine pseudointelektuelle “Einsicht” die an Beliebigkeit kaum zu übertreffen ist .

  4. #4 Leoman
    August 18, 2010

    Etwas verkürzt, kann man diesen bedeutungsschwanger-beschwörenden Post von Prof. Dr. Ernst Peter Fischer übrings auch als Leserbrief im aktuellen Spiegel nachlesen.

  5. #5 Alex
    August 18, 2010

    Es gibt eigentlich auch nichts zu verstehen: Ernst-Peter Fischer will nur gegen einen Kollegen stänkern, der gerade ein Buch geschrieben hat, das er selbst schon längst sehr viel besser hätte schreiben können. Oder so.

  6. #6 Anhaltiner
    August 18, 2010

    Wir wissen wenig von den Genen, außer daß sie anders sind, als wir denken.

    Ich denke etwas mehr wissen wir schon. z.B. wissen wir was eine einzige Änderung für eine Erbkrankrheit hervorruft. Natürlich kann man auch sagen “die Welt ist anders” und sich dann täglich an die Arbeit machen und zwischen LHC und Riesenteleskop die Punkte zufinden wo unser Weltbild nicht mit der Realität übereistimmt.

    Sie sind aber kein Gesetz, sie können nicht steuern.

    Und ein Gesetzt kann das im Gegensatz zu den Genen? Sicher? Ich habe ein par Gesetzestexte im Schrank
    da tut sich nie was wenn ich frage “und das soll GG-konform sein” nicht mal ein leichtes zucken wenn ich fluche “Den könnte ich…” Damit Gesetze ihr Wirkung entfalten können braucht es auch mehr als nur einen Text “schwarz auf weiß” – tja “Gesetze sind anders” und da schließt sich der Kreis.

  7. #7 kommentarabo
    August 18, 2010

  8. #8 Deoman
    August 18, 2010

    @ Alex

    … und dann auch noch im Fischer-Verlag erschienen, kein Wunder, dass E. P. F. sprachlos ist.

  9. #9 Ireneusz Cwirko
    August 18, 2010

    @ Ernst Peter Fischer
    „Sie sind aber kein Gesetz, sie können nicht steuern. sie kontrollieren noch weniger, sie sind nicht programmiert und programmieren selbst gar nichts, auch wenn uns das eingeredet werden soll.“

    Wie würde es wenn wir die Inspiration wie Gene funktionieren bei der Bienen suchen. Dort ist die Genetische Ausstattung allen Individuen relativ Einheitlich trotzdem schaffen die Binnen bei der Aufzucht der neuen Generation durch Steuerung der äußeren Bedingungen solche Individuen zu züchten die gerade diese Eigenschaften aufweisen die dem Volk von dem größten Nutzen sind. Und diese Variabilität ist unglaublich groß.
    Vielleicht ist unsere Genom nur eine Schatzkiste in der die Umweltbedingungen nach belieben ausgerechnet solche Eigenschaften hervorbringen die dem Organismus die besten Überlebenschancen anbieten.

    Ich stelle eine These die bei vielen auf Unverständnis stoßen wird, aber es ist nicht ausgeschlossen, dass die heutige Genethik eine Sackgasse ist und der Postulat der Lyssenkoismus , dass die Eigenschaften von Organismen nicht stur durch Gene, sondern flexibel durch Umweltbedingungen bestimmt werden, im Kern richtig ist.

  10. #10 Karol Babioch
    August 18, 2010

    Wie gut, dass wir noch keine Bakterien synthetisch erschaffen haben. Wir scheinen wirklich nicht das Geringste über Gene zu wissen!

    Wie immer fällt es mir schwer Beiträge dieser Art einordnen zu können, denn mit den anderen vielen guten und informativen Blogs hier auf ScienceBlogs.de hat das nicht wirklich etwas zu tun.

  11. #11 Joe Dramiga
    August 23, 2010

    Mein Vorredner Krakonos machte folgende Aussage:

    “Gene sind aber sehr wohl in regulierende Mechanismen eingebunden. “Sie sind nicht programmiert und programmieren selber gar nichts” – das kommt auf die Definition von Programmieren an.”

    Ich kann mich dem nur anschliessen. Wenn ich mir z.B. anschaue was die Homöoboxgene in der Embryonalentwicklung anstellen. Ich bin auch der Meinung, dass die Forschung heute zu den Genen sehr viel mehr sagen kann als in den späten 1970er (!).

  12. #12 perk
    August 24, 2010

    Karol Babioch· 18.08.10 · 23:53 Uhr
    Wie gut, dass wir noch keine Bakterien synthetisch erschaffen haben. Wir scheinen wirklich nicht das Geringste über Gene zu wissen!

    *hust*

  13. #13 Webbaer
    August 29, 2010

    “Sie sind nicht programmiert und programmieren selber gar nichts” – das kommt auf die Definition von Programmieren an.

    Gene sind als Datenhaltung zu betrachten, die dann (irgendwie 🙂 biochemisch umgesetzt wird. Hierin keine prógramma zu erkennen, war schon etwas mutig, sogar etwas wüst, höhö.

    MFG
    Wb

  14. #14 Teacher
    August 31, 2010

    Bereits 1998 schrieb ich in einem Beitrag (“Gene – Bausteine des Lebens?”) in der Zeitschrift “Mysterium Mensch” (10/98), dass Gene bestenfalls als Schalter anzusehen seien. Erst zehn Jahre später bestätigte die Naturwissenschaft diese Erkenntnis durch die Entdeckung der Epigenetik. Doch auch damit ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Bereits heute kann man als ganzheitlich denkender Mensch mit Gewissheit sagen, dass Geist/Seele des Menschen das Primat haben und alle Prozesse steuern.
    Besonders augenfällig wird diese Wahrheit bei siamesischen Zwillingen oder multiplen Persönlichkeiten. (Näheres https://geheimnisdesmenschen.blogspot.com/2008/09/der-ursprung-unserer-persnlichkeit.html )