Ich habe es gelesen, das rote Buch von Thilo Sarrazin, und die Politiker der Koalition auch. Die verschwindend geringe Erhöhung der Hartz-IV-Sätze soll den Mechanismen entgegen wirken, die Sarrazin beschreibt, wenn er meint, daß Deutschland sich abschafft. Allerdings – bei Sarrazin ist das Geld nicht entscheidend, sondern das, was man den betroffenen Menschen stattdessen geben kann – Stolz und Motivation zum Beispiel, aber bis dahin sind die lesenden Politiker wohl nicht gekommen.
Es ist offenbar: Sarrazin wirkt – vor allem in der SPD -, und keiner gibt es zu. Das alte Lied der Heuchelei, in das ich hier nicht einstimmen will. Ich möchte aber betonen, daß die Aufregung in den Medien um Sarrazins fehlgedeutete Wissenschaft beim Lesen des Buches nicht nachzuvollziehen ist. Natürlich geht Sarrazin mit Einsichten der Forschung manchmal etwas großzügig um – er versteht zum Beispiel nicht, daß es bei Vererbung zu Neukombinationen kommen kann -, aber es ist offenkundig, daß er seine Quellen immerhin studiert hat. (Dabei kann man auch etwas nicht verstehen, wie es uns allen passiert.) Und natürlich ärgert einen der gebetsmühlenartig vorgebrachte Hinweis, zwischen 50 und 80% von Intelligenz sei erblich, so als ob das irgendwo jemand genazu genau wüsste. Aber Sarrazin stellt gute Fragen. Zum Beispiel die, wer denn in ein paar Jahren noch Wanderes Nachtlied kennt. Die Frage richtet sich nicht an türkische oder andere Migrante. Sie gilt uns, und wir versagen. Sarrazin macht es deutlich, und deshalb ist das, was er schreibt, ein rotes Tuch.

Kommentare (36)

  1. #1 Martin Braun
    September 27, 2010

    Welche Rolle spielt den nun schon wieder “Wanderes Nachtlied”? So weit ich sehe kennt das eh so gut wie keiner. Auch Fernsehmoderatoren und Gymnasiallehrer zucken erst einmal verlegen mit der Schulter. Und das macht auch gar nichts. Das ist kein Versagen. Es gibt heute abertausende Werke deutscher Dichtung und Lyrik. Keiner kann sie alle kennen. Die von Herrn Goethe werde schon öfters beachtet, als die anderer. Ich bin gegen eine Kanonisierung von Wissen, Kultur und Geist. Wer heute noch glaubt sagen zu können, was ein Deutscher wissen müsse um deutsch zu sein, der hat die Komplexität der Gegenwart nicht begriffen und leistet mit seinem Geschwafel keine guten Beitrag für die Zukunft Deutschlands.

    Sarazzins Denkweise ist ein aussterbendes Modell. Gott sei Dank! Ich sähe sonst schwarz für dieses Land.

    Obwohl: Was mir schon mehr Sorgen bereitet: In 150 Jahren wird wohl kein Deutscher mehr Rio Reisers König von Deutschland kennen. Dann gilt für uns wohl endgültig das sprichwörtliche “Schweigen im Walde” (von wem stammt das noch gleich?)

  2. #2 Sicher
    September 27, 2010

    Yeah, Wanderers Nachtlied zu kennen ist wirklich wichtig!

    Das hilft uns sicherlich beim Umgang mit Themen wie Klimawandel, Ressourcenverbrauch Umweltzerstörung oder unfähigen/lügenden Politikern…

    Irgendwie verstehe ich einfach nicht warum es wichtig sein soll “Wanderers Nachtlied” zu kennen.
    Viel wichtig wäre es meiner Ansicht nach, Dummschwätzer als solche erkennen zu erkennen und sie ins Leere laufen lassen.
    Ist ja noch gar nicht so lange her dass uns ein Dummschwätzer Millionen von Toten und ein in Schutt und Asche gelegtes Europa beschert hat…

  3. #3 Florian Freistetter
    September 27, 2010

    Aber Sarrazin stellt gute Fragen. Zum Beispiel die, wer denn in ein paar Jahren noch Wanderes Nachtlied kennt.

    Und erst Walter von der Vogelweide!! Wer kann heutzutage noch seine Lieder singen? Von den Merseburger Zaubersprüchen will ich gar nicht erst reden. Ein enormer Skandal!!

  4. #4 Humanist
    September 27, 2010

    Das lustige an Sarrazin ist ja nicht nur, dass er wie in einem anderen Teil dieses Blogs dokumentiert seine Statistiken irgendwie zusammengebastelt hat, sondern einfach von einem Autor abgeschrieben hat. Der selbse Schwachsinn wurde schon Jahre zuvor von einem unbekannten Pseudogenetiker namenss Volkmar Weiss publiziert.

  5. #5 Hank Scorpio
    September 27, 2010

    Wem gilt diese Frage? “Uns”? Wer ist denn jetzt “uns”? “Wir” “richtige” Deutsche? Sind unter “uns” keine Migranten?

  6. #6 Tobias
    September 27, 2010

    Martin Braun, Sicher, Florian, Humanist, Hank,

    und wer von euch hat jetzt das Buch schon gelesen?

  7. #7 Nele
    September 27, 2010

    Schau an, schau an. Kleine rote Bücher vom großen Vorsitzenden hat man ja schon damals von 68ern-Händen schwenken sehen. Jetzt lobhudelt ein Mitglied dieser Generation ein weiteres rotes Büchlein ähnlicher ethischer Verlässlichkeit? Warten wir Jungen, die wir die Hypotheken dieser Generation abzubezahlen haben, einfach mal weiter auf die biologische Lösung…

  8. #8 Nele
    September 27, 2010

    P.S. Ach ja, ich vergaß. Welch Ungemach droht der abendländischen Kultur, wenn man in einigen Generationen nicht mehr “Wanderers Nachtlied” kennt. Welch schröcklich Aussicht! Fast so, als ob man nicht mehr “Das Schloss Boncourt” kennen würde – einfach grauenvoll dieser Ausblick auf eine Kulturwüste…

  9. #9 michael
    September 27, 2010

    >kleine rote Bücher vom großen Vorsitzenden hat man ja schon damals von 68ern-Händen schwenken sehen. Jetzt lobhudelt ein Mitglied dieser Generation ein weiteres rotes Büchlein ähnlicher ethischer Verlässlichkeit?

    Schöne Vorstellung! EPF hat früher die Senatssitzungen mitgesprengt und “Unter der Talaren, Muff von 1000 Jahren” gerufen!

    Damals hat ja der KBW noch auf Vollversammlungen gefordert, bei der Berechnung des BafögSatzes die Anschaffungskosten für eine MP für die Revolution zu berücksichtigen.

    Aber heutzutage, naja was solls!

  10. #10 Gläubiger Atheist
    September 28, 2010

    Wenn eine randständige kleine Indianer-Kultur im Tropischen Regenwald, die es zur Herstellung von Pfeilgiften und Körperbemalung gebracht hat, unterzugehen droht, dann schreien wir zeter und mordio, weil die expandierende westliche Zivilisation wieder einmal fahrlässig dabei ist, ein kleines Paradies von dieser Welt zu tilgen.

    Aber wenn eine großes Volk von Dichtern und Denkern dabei ist, sich aufgrund primitiver altlinker Visonen abzuschaffen, dann geht das den meisten Sciencebloggern – und Kommentatoren hier am Arsch vorbei.

    Um die Verbreitung solchen Unsinns, der vom Niveau und von der Logik her an die chinesische Kulturrevolution erinnert, zu begrenzen, sollte man für Dummkulturbeiträge oder Kommentare auf Scienceblogs einen erhöhten Mehrwertsteuersatz einführen.

  11. #11 Arnd
    September 28, 2010

    Kultur verändert sich. Der Versuch, Kultur festzunageln, ist von vorneherein zum Scheitern verurteilt.

  12. #12 Arnd
    September 28, 2010

    Trotzdem hat Sarrazin auch in vielen Punkten recht. Sarrazin zu dämonisieren ist unwürdig, er ist kein Rechtsradikaler oder sowas. Er liegt mit einigen seiner Ansichten falsch, ja. Aber wenigstens ist er nicht so verdammt political correct und sagt was er denkt, auch wenn ich seine Meinung nicht immer teile.

    Erinnert sich noch jemand an die Zeit von Strauss und Wehner? Da hatte Politik noch Biss.

  13. #13 Wanderers Nachtlied
    September 28, 2010

    Aus “damals war nicht alles schlecht” ist nun “hat Sarrazin auch in vielen Punkten recht” geworden. Welch ein Fortschritt!
    Die “guten/richtigen Teile” aus einer Menschen verachtenden Betrachtung herauszunehmen führt eher dazu, die Menschenverachtung hoffähig zu machen, als dazu eine Lösung zu finden.
    Wer zu viele Dinge ausspricht, die ein humanes Wesen nicht denkt, verdient keine Aufmerksamkeit.

  14. #14 Thomas R.
    September 28, 2010

    Was der Herr Sarrazin sich heute alles sagen lassen muss – gut, dass unser Führer das nicht mehr mit ansehen muss, nicht wahr, Herr Fischer?

  15. #15 Jörg Friedrich
    September 28, 2010

    @Arnd: “Kultur verändert sich” – weniger als man glaubt. Wer z.B. Goethe liest staunt vor allem darüber, wie wenig sich verändert hat. Darum ist es sicher gut, Goethe zu kennen, auch Schiller, Rilke, Heidegger, Hegel, Heisenberg. Wer meint, er müsse das nicht kennen, weil Kultur sich verändert, den möchte ich fragen: Was kennt er statt dessen?

  16. #16 Jörg Friedrich
    September 28, 2010

    @Sicher: Ich empfehle den 5. Akt von Faust II. Der hilft ihnen “sicherlich beim Umgang mit Themen wie Klimawandel, Ressourcenverbrauch Umweltzerstörung oder unfähigen/lügenden Politikern” Und danach kommen Sie auch drauf, wobei Ihnen “Wandrers Nachtlied” helfen kann.

  17. #17 Helmut E.
    September 28, 2010

    Darum ist es sicher gut, Goethe zu kennen, auch Schiller, Rilke, Heidegger, Hegel, Heisenberg. Wer meint, er müsse das nicht kennen, weil Kultur sich verändert, den möchte ich fragen: Was kennt er statt dessen?

    Soviel Anmaßung und Borniertheit ist kaum zu ertragen. Sie haben wahrlich einen kleinen Horizont.

  18. #18 Hank Scorpio
    September 28, 2010

    @Tobias: Ich habe nur Auszüge gelesen, aber deshalb habe ich ja auch gar nichts zum Buch geschrieben, sondern mich auf das von Herrn Fischer verwendete “uns” bezogen…
    @ Gläubiger Atheist: “Aber wenn eine großes Volk von Dichtern und Denkern dabei ist, sich aufgrund primitiver altlinker Visonen abzuschaffen, dann geht das den meisten Sciencebloggern – und Kommentatoren hier am Arsch vorbei.” Präsuppositionen eignen sich nicht zum ernsthaften Diskutieren. Die Frage ist ja gerade, ob sich “ein großes Volk von Dichtern und Denkern” (wobei ich denen im Linienbus selten begegne) abschafft…
    @Arnd: Dämonisieren oder nicht, der Mann liegt einfach falsch, und wenn sich Politik an einigen seiner Thesen orientieren würde, käme es zu Verhältnissen, die ich nicht will und die ich auch nicht für verfassungsgemäß halte.
    @Herrn Fischer: Ich verstehe nicht, worin genau der Zusammenhang zwischen Hartz-IV und den “Mechanismen” bestehen soll, könnten Sie das etwas präzisieren?

  19. #19 Gläubiger Atheist
    September 29, 2010

    Hank Scorpio schrieb:

    “@Herrn Fischer: Ich verstehe nicht, worin genau der Zusammenhang zwischen Hartz-IV und den “Mechanismen” bestehen soll, könnten Sie das etwas präzisieren?”

    Den verstehe ich auch nicht, in der FAZ schrieb Sarrazin aber als Antwort auf SPD-Gabriels unseligen Zeit-Artikel folgendes:

    “Zur finanziellen Familienförderung habe ich formuliert: „Das Ziel aller Maßnahmen muss sein: Wer seinen Lebensunterhalt durch Arbeit verdient, soll durch Kinder nicht in Armut geraten. Wer aber vom Staat alimentiert wird, soll nicht dazu verführt werden, diese Unterstützung durch Kinder zu erhöhen.“ Dabei habe ich auch auf die Clintonschen Sozialreformen verwiesen.”

  20. #20 Popeye
    September 29, 2010

    @Humanist

    Dann fällt es Dir sicher leicht, seine “zusammengebastelten Statistiken” zu widerlegen? Hier hast Du die Chance dazu, bin mal gespannt, wie Du dich in Zettels kleinem Zimmer schlägst!

    https://83273.homepagemodules.de/t3255f28-Sarrazin-auf-dem-Pruefstand-der-Wissenschaft.html

  21. #21 Andrea N.D.
    September 29, 2010

    @Jörg Friedrich:
    “@Sicher: Ich empfehle den 5. Akt von Faust II. Der hilft ihnen “sicherlich beim Umgang mit Themen wie Klimawandel, Ressourcenverbrauch Umweltzerstörung oder unfähigen/lügenden Politikern” Und danach kommen Sie auch drauf, wobei Ihnen “Wandrers Nachtlied” helfen kann..”

    Ist das eine Empfehlung für Studenten der Literaturwissenschaft im fortgeschrittenen Semester oder für den Großteil unserer Bevölkerung, der (ohne Bewertung) annimmt, dass Heidegger oder Rilke bestenfalls Schuhputzmarken sind? Meinen Sie, dass dieser Teil der Bevölkerung darauf kommt, wozu SIE Wanderers Nachtlied zur Hilfe nehmen? Meinen Sie, dass Heidegger oder Rilke irgendeinen Einfluss auf diesen Menschen haben bzw. diesen in Notsituationen zur Hilfe eilen?

    Kopfschüttel über so viel Realitätsferne. Es gibt offensichtlich auch einen Elfenbeinturm außerhalb des akademischen Betriebs. Bei so viel geistiger Abgehobenheit und elitärem Bewusstsein sollten Sie vielleicht die ganzen anderen nicht vergessen, die auch noch da unten herumlaufen …

    siehe hierzu auch “https://www.spiegel.de/suche/index.html?suchbegriff=Precht”, wo, wenn ich mich recht erinnere, dargestellt wird, dass beileibe nicht nur “Ausländer” bildungsfern sind und das ist doch eine der Grundannahmen von Sarrazin und mit Wanderers Nachtlied auch Ihre, oder?

  22. #22 Jörg Friedrich
    September 29, 2010

    @Andrea N.D.: Sind das “rhetorische Fragen”?

    Aber weil ich einmal auf Ihren Kommentar eingehe, gleich mal eine Gegenfrage: Meinen Sie, dass z.B. die Faust-Monologe, die mit den Worten “Ich bin nur durch die Welt gerannt” bzw mit “Ein Sumpf zieht am Gebirge hin” beginnen, nur für “Studenten der Literaturwissenschaft im fortgeschrittenen Semester” verständlich sind und dass es allen anderen verschlossen bleiben muss, was diese mit “Klimawandel, Ressourcenverbrauch Umweltzerstörung” zu tun haben? Ich glaube das nicht – ich glaube vielmehr, dass solche Behauptungen dazu führen, dass viele diese Texte gar nicht erst zur Hand nehmen. Und Wandrers Nachtlied: Glauben Sie, dass die Todessehnsucht angesichts der Vergeblichkeit aller Bemühungen, die aus diesen paar Zeilen spricht, einem Menschen, der der deutschen Sprache durchschnittlich mächtig ist, verborgen bleibt?

    Ich möchte jeden dazu ermuntern, z.B. mal diesen wirklich gelungenen Wikipedia Text zu Wandrers Nachtlied zu lesen, die Zeilen der Gedichte auf sich wirken zu lassen, die paar biografischen Informationen die der Text enthält, dazu zu nehmen und sich einfach seine eigenen Gedanken dazu zu machen.

  23. #23 S.S.T.
    September 29, 2010

    @Andrea N.D.

    Ich gebe ja zu, dass ich ein Goethe-Fan bin und daher bei ‘Wanderers Nachlied’ nicht ganz unvoreingenommen.

    Nach meiner Meinung berührt die Frage danach das Thema ‘Bildung’, egal ob man anderes höchst Lesenswerte für wichtiger hält oder nicht. (Die 1,39 Debatten hierzu findet ma hier. nebenan und sonstwo.) Und eben auch die lokale Kultur, sowohl der der Gesellschaft als auch der der gesprochenen Sprache. Ich halte Bildung für ein sehr komplexes Thema, unter dem sich eigentlich jeder, den/die ich kenne sich etwas anderes vorstellt, von Schwerpunkten mal ganz abgesehen. Meine Nemesis war Latein, von Sexta bis Abi, plus 1 Jahr USA. Sicherlich hätte man die Zeit sinnvoller (?!) verbringen können, nach meiner Meinung, jedoch war sie kaum verschenkt.

    Eigentlich trägt jede geistige Aktivität (nochmals: selbst lesen der Blödzeitung) zur Bildung bei, aber eben nicht unbedingt zur Kultura. S. spricht hier die eigene Kultur an; die eigene Kultur würde kaum hier Jemand wagen, anderen eingewanderten Kulturen abzusprechen.

    Ein wesentliches Problem stellt die Anpassung dar, wie es treffend in dem Sprichwort: When in Rome, act as a Roman. ausgedrückt wird. Eben genau das hat mit ‘Abgehobenheit’, ‘Realitätsferne’, ‘Elfenbeinturm’ herzlich wenig zu tun.

    Nöö, S. hat schon in vielen Fragen recht, ist aber eben nicht pc.

  24. #24 michael
    September 29, 2010

    > …die eigene Kultur würde kaum hier Jemand wagen, anderen eingewanderten Kulturen abzusprechen….

    Nicht, dass ich dieses Konstrukt verstehe!

    > Ein wesentliches Problem stellt die Anpassung dar …

    Es hängt eben von der eigenen Tüchtigkeit ab, ob man sich den Umständen oder die Umstände an sich anpaßt. Ich glaub, das nennt sich Kampf der Kulturen, und ist an und für sich nichts schlechtes.

  25. #25 Andrea N.D.
    September 30, 2010

    @S.S.T.:
    Selbstverständlich sollen die Schüler und Schülerinnen Goethe lesen (wenn sie in dem vollgestopften Lehrplan noch Zeit dazu finden). Es geht doch gar nicht um Bildungsinhalte – darüber lässt sich sicherlich trefflich streiten. Es geht darum, dass Sarrazin SEINE Bildungsinhalte anpreist und darüber hinaus den Untergang des deutschen “Abendlandes” beklagt. Wer so abgehoben vom Rest der Bevölkerung “denkt” (bei Sarrazin wurde seine grundlegenden gravierenden Fehler ja bereits in der Presse erläutert, bei Jörg Friedrich zeigt sein Scheitern bei SB, dass elitäres Bewusstsein an der Sache vorbeigeht), ist ein Einzelner im selbstgeschaffenen Elfenbeinturm, mehr nicht.

    Und: Ich bestreite nicht die Notwendigkeit der Debatte oder die Dringlichkeit von Änderungen in der Integrationspolitik oder den Verdienst von Sarrazin diese Debatte in aller Deutlichkeit angestoßen zu haben. Das ändert aber nichts an seinem falsch interpretierten Basismaterial. Hier in diesem Fall heißt das, dass mit dem zitierten Gedicht sich Deutschland abschafft. Dies ist alleine schon deswegen falsch, weil vermutlich 90 Prozent der Deutschen dies nicht kennen und hat mit “Einwanderern” herzlich wenig zu tun.

    @Jörg Friedrich:
    Jörg hat nebenan schön dargestellt, wie der Umgang mit Ihnen gestaltet werden kann. Ich stelle manchesmal rhetorische Fragen, wenn mir Ihr elitäres Geschwafel auf den Kecks geht. Sie stellen die Naturwissenschaften so oft als überflüssig und unnötig dar (Grundlagenforschung, Wein bei Kerzenlicht im letzten Jahrhundert). Das von IHNEN propagierte “Kulturverständnis” hat die Welt wesentlich weniger nötig.

  26. #26 Helmut E.
    September 30, 2010

    Vielleicht sollte Jörg Friedrich noch weiter zurück gehen und alte babylonische Schrifttafeln lesen. Dort findet er dann Dinge wie:

    Die heutige Jugend ist von Grund auf verdorben, sie ist böse, gottlos und faul. Sie wird niemals so sein wie die Jugend vorher, und es wird ihr niemals gelingen, unsere Kultur zu erhalten.

    Ist zwar 3000 Jahre alt aber spricht ihm sicher aus dem Herzen.
    Friedrich ist begeistert ob der Zeitlosigkeit in den Werken gewisser Autoren? Liegt vielleicht mehr am zeitlosen Thema und weniger am Autor selbst.
    Ich fand das immer schon bedenklich: Eine konservative pseudointellektuelle Gruppe hat es nicht geschafft, die eigene Erziehung kritisch zu hinterfragen und stülpt die selbst blind übernommenen Wertvorstellungen nun als ultimativen Maßstab über die gesamte Gesellschaft.

    Nur weil ein Herr Friedrich noch nicht gelernt hat, selbständig zu denken, und eigene Werte zu entwickeln, beurteilt er andere Menschen danach, ob sie Goethe lesen? Ich glaube übrigens, ihn in diesem Video im Zuschauerraum entdeckt zu haben:

    Mein Tipp: Besenstiel aus dem Hintern ziehen, dann lebt es sich gleich viel lockerer.

  27. #27 Ungläubiger_Atheist
    September 30, 2010

    Das neue Laborjournal hat den Titel

    “Fäschung und Klüngel – 7 Gebote des Publizieren gewählt”

    https://www.laborjournal.de/rubric/aktuell/index.lasso

    Wenn man den Artikel liest, wird einem ganz flau im Magen und assiziert ganze andere Dinge mit Naturwissenschaftlern als wie sie hier auf Scienceblogs normalerweise verbreitet werden.

    Das ganze wissenschaftliche System lädt zum Klüngel und Fälschen ein und in den wenigsten Zeitschriften gibt es Mindesanforderungen, um dem Einhalt zu gebieten.

    Und eben schlimmer noch, dieser ganze Tendenz zum Klüngel und Fälschen wird hier auf Scienceblogs auf wenige eklatante Einzelfälle reduziert und weithin und genüsslich auf die sogenannten Pseudowissenschaften projiziert.

    Schafft doch erst Mal Ordnung und Anstand in eurem eigenem Betrieb, bevor ihr über andere herfallt und die Naturwissenschaften als edelstes allen Gewerbes über den Klee lobt.

    ‘Kabale und Liebe’ ist ein harmloses Drama gegen das, was im Wissenschaftsbetrieb zwischen Postdocs, Professoren, Gutachtern und Herausgebern wissenschaftlicher Magazine abläuft.

    Nur eine konsequente Wissenschaftsforschung, wie sie hier von Jörg Friedrich zumindest im Ansatz vorgestellt wurde, kann da Klarheit und Abhilfe schaffen. Und damit was passiert, sollte der Staat die Transfergelder an den Wissenschaftsbetrieb jedes Jahr in dem (oder auch dort wo) nichts Vorzeigbares passiert, um mindestens 10 % kürzen.

  28. #28 Andrea N.D.
    September 30, 2010

    @Ungläubiger Atheist:
    Themaverfehlung – 6 – setzen.
    Diesmal ging es nicht um die tumbe Wissenschaftsfeindlichkeit sondern um das elitäre Sendungsbewusstsein.

  29. #29 Ungläubiger_Atheist
    September 30, 2010

    Wohl noch nie davon gehört, dass “Kabale und Liebe” eines der bedeutendste deutschen Dramen ist und seine niederträchtigen Intrigen nur noch vom höfischen Wissenschaftsbetrieb überboten werden.

  30. #30 Hel
    September 30, 2010

    @Popp-Ei

    Sie sind nun mal ein tiefgläubiger Sarrazinist und damit belehrungsresistent gegen jegliche noch so nachvollziehbaren Widerlegungen seines lächerlichen Dreisatzmodells, welche auf SB in verschiedenen Threads schon zahlreich gepostet/verlinkt wurden.

  31. #31 Popeye
    September 30, 2010

    @Hel

    Beiträge wie der Ihre sind wirklich eine Bereicherung für jede Diskussion, Ihre sachliche Argumentation ohne jeden persönliche Angriff auf den Mitdiskutanten atmet genau den konstruktiven Geist, der die Debatte um Sarrazin von Anfang an bestimmt.

  32. #32 Andrea N.D.
    Oktober 2, 2010

    Gegenleseempfehlung für alle Pseudointellektuellen, elitären Sendungsbewussten, Vorgestrige, Intolerante, Marktschreier:

    “Die Identitätsfalle” von Amartya Sen. Nicht ganz frei vom Identitätsfehler, aber trotzdem für Anfänger auf diesem Gebiet sehr zu empfehlen.

    Und speziell für S.S.T. und Jörg Friedrich: Wenn dieses Buch im Unterricht anstatt Wanderers Lied oder Goethe durchgenommen würde, müsste man nicht Mephisto auf die aktuellen Katastrophen hin konstruieren. Man hätte sie quasi life. Ihnen und Herrn Fischer lege ich das Büchlein (nicht rot) besonders ans Herz. Falsch interpretierte (richtig erhobene?) Statistiken und Stammtischgezeter sind so real und hilfreich wie Mephisto.

  33. #33 Dr. Webbaer
    Oktober 2, 2010

    Der Mann hat halt einfach recht, die Genetik war nicht unbedingt angefordert, da das Hauptproblem sicherlich in der unfreundlich bis gegnerischen Immigration liegt (mal klar ausgesprochen: aus islamischen Ländern mit einem Herrschaftskonzept, das als religiös verkauft wird), aber bei seinen angeregten Maßnahmen gilt es aufzuhorchen:
    Für die Zielgruppe sicherlich alles angemessen, aber für die anderen eine böse Zumutung.

    MFG
    Wb

  34. #34 Hel
    Oktober 4, 2010

    @Popp-Ei

    Immer wieder gerne doch 🙂 Allerdings brauche ich für konstruktive Debatten über Integrationsprobleme im Gegensatz zu Ihnen auch keinen Sarrazin und erst recht keine Pseudo-Genetik. Aber beten Sie Ihren neuen Helden und Träger der ‘Wahrheit’ ruhig weiter an, wir haben ja Glaubensfreiheit.

  35. #35 S.S.T.
    Oktober 4, 2010

    @Andrea N.D.
    Leseempfehlungen dürfte hier jeder im Dutzend billiger geben können. Big deal.

    Mein Argument war, Bildung ist sehr vielschichtig, und selbst ‘Blöd’ kann dazu beitragen.

    Übrigns tragen ad hominems herzlich wenig zu einer Bildundungsdiskusskuion bei:
    Gegenleseempfehlung für alle Pseudointellektuellen, elitären Sendungsbewussten, Vorgestrige, Intolerante, Marktschreier: Verständlich. falls es der Therapeut emfielt.

    Nun ja, ein wenig herumrotzen macht halt die Nase frei. Nur, muss man die Popel als geistigen Erguss sehen?

  36. #36 Andrea N.D.
    Oktober 5, 2010

    @SST:
    Es wäre halt schön, wenn Du die “Popel” von Sarrazin etwas differenzierter betrachten könntest. Und von Sarrazin auf Goethe würde ich auch nicht unbedingt schließen. Viel Goethe scheinst Du ja nicht gelesen zu haben, bei Deinen “Ergüssen”.