Stell dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin. Ein guter Spruch aus den 1960er Jahren. Ich möchte zwei moderne Varianten nachlegen: Stell dir vor, eine der mächtigsten Wissenschaftsorganisationen der Welt wählt einen neuen Präsidenten, und kaum einer hört ihm zu. Stell dir vor, diese geballte Kraft der Forschung zeichnet ihren besten “Communicator” aus, und niemand stellt ihm eine Frage oder lädt ihn zu einem Gespräch ein. Genau diese beiden Dinge haben sich in den letzten Tagen abgespielt. Ich finde das deprimierend. Wenn ein zweitklassiker Schaupieler einer drittklassigen TV-Serie stirbt oder ein Fußballer sich das Hemd auszieht, berichtet die Tagesschau in Minutenlänge. Wenn wirklich etwas von Bedeutung passiert, kennt sich die Redaktion nicht aus. Ich finde das deprimierend. Wenn man bei der großen Wissenschaftsorganisation nachfragt, warum da keine entsprechende Öffentlichkeitsarbeit gemacht wird, zuckt man mit den Schultern und verweist auf andere Aktivitäten – und hat schon vergessen, wer in den letzten Jahren für seine oder ihre kommunikativen Qualitäten ausgezeichnet worden ist. Ich finde das deprimierend.

Kommentare (5)

  1. #1 mortimer
    Juli 5, 2012

    Für die meisten Menschen ist der Zusammenhang zwischen Ihrem Leben und einem gefundenen Teilchen oder ausgezeichneten Wissenschaftlers weniger ersichtlich als sterbende Schauspieler etc.. Und aus Individueller Sicht ist das auch noch nicht einmal so falsch. Bei dem Schauspieler geht es um das größte Problem der Menschheit: Den Tod. Beim Fußballer geht es um ein weiteres wichtiges Problem der Menschheit: Rassismus.

    Zudem ist Wissenschaft, meiner Meinung nach, kein Entertainment. Wenn man Entertainment daraus macht, ist es keine Wissenschaft mehr.

  2. #2 Mortimer
    Juli 5, 2012

    Ergänzung:
    Mit Entertainment ist “entertainment for the masses” gemeint. Für Wissenschaftler ist Wissenschaft natürlich “entertaining”.

  3. #3 Dr. Webbaer
    Juli 5, 2012

    Wenn ein zweitklassiker Schaupieler einer drittklassigen TV-Serie stirbt oder ein Fußballer sich das Hemd auszieht, berichtet die Tagesschau in Minutenlänge. Wenn wirklich etwas von Bedeutung passiert, kennt sich die Redaktion nicht aus.

    Ketzerisch angemerkt: Würde die Tagesschau in einem längeren Bericht die Wahl zwischen A oder B als ‘neuen Präsidenten eine[r] der mächtigsten Wissenschaftsorganisationen der Welt’ thematisieren, würden die Gebührenzahler endgültig das GEZ-System verdammen.

    MFG
    Dr. Webbaer

  4. #4 echt?
    Juli 7, 2012

    Wer bei der DFG der aktuelle Obersektglasschwenker ist, ist für die Wissenschaft ohne Relevanz.

  5. #5 Gregor Lemedioni
    Juli 12, 2012

    Mein erster Gedanke war:Der Mann hat vollkommen recht.Auf den zweiten Blick jedoch schlichen sich doch diverse Zweifel bei mir ein ob dieser bemängelte Zustand im Hinblick
    auf seriöse Bestandsaufnahmen zu wissenschaftlichen Themen so furchtbar bedauernswert
    sein mag.Wenn ich nur daran denke welch glorifiziertes “Halbwissen” sog. Experten Woche für Woche durch unsere allgegenwärtigen Talk-Shows geistert, mag ich mir gar nicht vorstellen wie es aussehen würde sich mit der gleichen Mentalität und Rhetorik Themen zu
    widmen die profunde Fachkenntnisse erfordern welche im Rahmen einer kurzen Vorbereitung auf solche Auftritte schwerlich zu erwerben sind.Ich finde einfach daß die Herangehensweise an eine Materie wie zum Beispiel der Elementarteilchenphysik eine gänzlich andere innere Einstellung und Diskussionskultur erfordert wie dies bei politischen oder gesellschaftlichen Themen der Fall ist.
    Ich vergleich’ das irgenwie gerne mit dem Rugbysport.Finden dort Großereignisse statt,
    wird dies hierzulande kaum zur kenntnis genommen und falls doch von Medienleuten beschrieben die davon offensichtlich keine Ahnung haben.Würde dieser Sport jedoch mit
    der gleichen Mentalität kommentiert und bewertet wie es beim Fußball der Fall ist,würde offenkundig werden wie sehr dies den Grundsätzen und Prinzipien des Spiels wiederspricht.Ich fürchte sehr daß es daran Schaden nehmen würde.
    Der Vergleich mag hinken aber so seh’ ich das nunmal.