Wer sich unter Bildungsexperten begibt, wird oft und gerne gefragt, was er unter Kultur versteht. Meine Antwort lautet, daß sich die Kultur durch die technische Zivilisation zeigt, in der wir  zu leben die Freude haben, daß man aber noch die Weltbilder dazurechnen sollte, in denen Menschen ihr Verständnis der Dinge finden uns und ausdrücken. Es fällt schon länger auf, daß es ausgerechnet die Naturwissenschaft ist, die moderne Weltbilder liefert, obwohl Philosophen gerne hartnäckig an den blöden Heidegger-Satz erinnern, daß die Wissenschaft nicht denkt. Nein, das tut nur der Philosoph, bei dem das Nichs nichtet und die Welt weltet, wenn er so alleine für sich auf seiner Hütte denkt, die er mit warmen Wasser und Kühlschrank an die Zivilisation angeschlossen hat, ohne ihr dafür zu danken. Wenn die Denker und Macher mehr sagen wollen, greifen sie nach naturwissenschaftlichen Bildern – früher waren die Black Box und die Autopoiesis aktuell, irgendwann redeten alle von Regelkreisen und Rückkopplung, und seit kurzem wimmelt es von Quantensprüngen, Schwarzen Löchern und dem unvermeidlichen Urknall. Auf der jetzt der Vergangenheit angehörenden Frankfurter Buchmesse hat deren Direktor das Aufkommen des elektronischn Buches als Urknall bezeichnet und mit der Erfindung des Buchdrucks vor mehr als 500 Jahren verglichen. Neulich konnte man einen Aufsatz in der Zeitung, hinter der ein kluger Kopf steckt, vom Urknall der Sprache lesen, was auf den plötzlichen Anfang dieses Wunders verweisen soll. Der Urknall, er scheint sich durchzusetzen, und Leute, die uns die Welt erklären wollen, meinen dabei klug und gelehrt zu wirken. Zu ihrer Erinnerung – Carl Friedrich von Weizsäcker hat einmal gesagt, daß eine Gesellschaft, die den Anfang der Welt mit einem Knall erklärt, einen solchen hat. Lasst es weiter knallen, ihr klugen Köpfe. Die anderen ducken sich.

Kommentare (6)

  1. #1 Faustus
    Oktober 15, 2012

    Tja, so ist das doch immer:
    Die Naturwissenschaftler entwickeln einen metaphorischen Begriff für ein bestimmtes Phänomen und iwann verwenden es alle Anderen für iwas Beliebiges, ohne wirklich zu wissen, von was sie da eigentlich reden (siehe Quantensprung, Schwarzes Loch etc).

  2. #2 HermanToothrot
    Oktober 16, 2012

    “Meine Antwort lautet, daß sich die Kultur durch die technische Zivilisation zeigt, in der wir zu leben die Freude haben”

    Ich halte es eher wie Albert Schweitzer, dass sich Kultur nicht nur durch den technologischen Forschritt ausdrückt, sondern auch durch die Moralvorstellungen der Gesellschaft. Der technologische Forschritt mag schnell voran gehen, die Moralvorstellungen nehmen in der heutigen Gesellschaft jedoch kaum einen Stellenwert ein. Sicherlich gibt es hier auch Fortschritte (z.B. den Tierschutz), dieser kommt jedoch im Vergleich zum technologischen Forschritt (Massentierhaltung) sehr verspätet. Auch aufgrund der kommenden Ressourcenverknappung dürften sich die Moralvorstellungen langfristig eher wieder verschlechtern, als verbessern.

    Dabei bin ich ganz sicherlich kein Technikfeind. Ich bin selbst Ingenieur und arbeite in der Forschung und Entwicklung.

  3. #3 Livingston
    Oktober 16, 2012

    Der Quantensprung ist auch nicht ohne. Angeblich ersetzt er die guten, alten Siebenmeilenstiefel und ermöglicht Riesenschritte – Schritte mit denen ich in erster Linie Größenordnungen im atomaren Bereich assoziiere.

  4. #4 miesepeter3
    Oktober 16, 2012

    Der eine oder andere Urknall dürfte wohl eher einer ohne Ur sein, den der eine oder andere Benutzer des Urknalls hat.

  5. #5 Catfish
    Bochum
    Oktober 16, 2012

    Dieser Artikel zeigt, dass der Weg zur Ignoranz zweigleisig ist. Wenn Geisteswissenschaftler über Naturwissenschaften schwadronieren kommt häufig genau derselbe Mumpitz raus wie im umgekehrten Falle. Herr Fischer mit seinem Kulturbegriff ist ein gutes Beispiel dafür. Ein wenig Demut und Respekt würden helfen diesen Graben zu verringern.

  6. #6 Joseph Kuhn
    Oktober 22, 2012

    Hatte Heideggers Hütte denn warmes Wasser und Kühlschrank?