Unter der Rubrik “Sinn und Unsinn” – zuerst nur als “Unsinn” eingeführt – möchte ich eine Reihe von Sätzen, die vielfach zitiert werden und als Wahrheit gelten, als unsinnig entlarven. Beim letzten Mal – also beim ersten Versuch – ging es um den unsäglich oft nachgeplapperten Satz von Theodor Wiesengrund Adorno aus den “Minima Moralia”, der besagt, “es gibt kein richtiges Leben im falschen”. So etwas können nur Leute glauben, die kaum das Leben kennen, aber darum soll es hier und heute nicht gehen. Im Folgenden geht es um den Satz des vor 150 geborenen “einflussreichsten Denkern der Moderne” namens Max Weber, wobei das Zitat der Ankündigung einer weiteren Biographie des Sozialwissenschaftlers dient, der sich viele Gedanken über die allgemeine Lebensführung gemacht hat, während er mit  der privaten kaum zurecht kam. Darum soll es aber ebenfalls nicht gehen, dafür aber um seine in der unter dem Titel “Wissenschaft als Beruf” verbreiteten Rede von 1917 aufgestellten Behauptung, die Wissenschaft entzaubere die Welt. So etwas kann nur schreiben, wer keine einzige wissenschaftliche Erklärung kennt oder versteht. Bei seinem Vortrag handelt Weber unter anderem das eher randständige Problem ab, wie es eine Straßenbahn macht, loszufahren und anzuhalten. Abgesehen davon, dass sich die Intellektuellen unserer Tage ruhig einmal Gedanken über die Frage machen sollten, wie es der ICE, in dem sie sitzen, mit nur einem Bügel schafft, die vielen Waggons zu ziehen und auf hohe Geschwindigkeit zu bringen, stellt der Mechanismus der Straßenbahn auf den ersten Blick insofern kein Problem dar, als er mit dem Hinweis auf  die Elektrizität und ihre Energie beantwortet werden kann. Das ist so einfach wie die Antwort “durch die Schwerkraft” auf die Frage, warum Gegenstände zur Erde fallen. Für Weber ist die Welt damit entzaubert, aber das ist eben viel zu kurz gedacht. Der einflussreiche Denker müsste vielmehr jetzt wissen wollen, was die Schwerkraft, die Elektrizität und die Energie sind, und ich kann ihm versichern, dass ihm dies niemand sagen kann. Leider wissen er und seine Verehrer das nicht, und sie wollen es auch gar nicht wissen. Es trifft sicher zu, dass die Welt durch die Wissenschaft entdämonisiert wird. Niemand vermutet, dass es Kobolde oder Heinzelmännchen sind, die eine Straßenbahn bewegen und anhalten. Aber entzaubert ist dabei nichts geworden. Im Gegenteil! Das Geheimnisvolle der Phänomene hat durch die Erklärung – Schwerkraft, Elektrizität und Energie – eine Vertiefung erfahren. Die Wissenschaft verzaubert die Welt durch ihre Erklärung, und das kann Menschen nur freuen. Denn das Schönste, was sie erleben können, ist das Gefühl für das Geheimnisvolle. Wir sollten es uns von ahnungslosen Leuten nicht nehmen lassen, auch wenn sie das Sagen haben. Hören wird einfach nicht hin.

Kommentare (12)

  1. #1 Stefan W.
    https://demystifikation.wordpress.com/2014/05/18/die-vogelscheuche/
    Mai 26, 2014

    Wenn man so en passant einen großen Geist widerlegt, dann vielleicht deshalb, weil man ihn falsch verstanden hat?

    Denke ich an den Blitzableiter und die Entzauberung des Blitzes, dann muss sich kein Mensch mehr fürchten von den Göttern für die falsche sexuelle Orientierung oder politische Gesinnung hingemetzelt zu werden. Der Blitz ist entzaubert, d.h. Zauberei als Ursache wird fürderhin ausgeschlossen – die Nebenbedeutung von Zauber, dass es Faszination ausübt, kann dabei weiterhin existieren.

    Naja –

    bei manchen Leuten ist es ja auch schon eine Unverschämtheit wenn sie “ich” sagen.

    Theodor W. Adorno.

  2. #2 Trice
    Mai 26, 2014

    Vor einiger Zeit sagte mir eine überzeugte Anhängerin der Astrologie, die Astrologie sei so reich, während die Wissenschaft arm sei, weil ihr dank ihrer Nüchternheit der Zauber fehle.
    Dagegen schrieb der Physiker Markus Pössel, der sich mit den Fantasien Erich von Dänikens und Johannes von Buttlar auseinandergesetzt hatte, dass er nach der Einarbeitung u.a. in die Biologie, festgestellt habe, dass die Wissenschaft so viel mehr an Zauber enthalte, als alle fantastisch anmutenden esoterischen Vorstellungen.

    Es ist vermutlich eine Frage der Einstellung, unsere individuelle Sicht auf das, was als wirklich empfunden wird, was für uns den Zauber des (Un-)Wirklichen ausmacht und Ehrfurcht auslöst.

  3. #3 Rene
    Mai 26, 2014

    Wer versteht schon einen Philosophen? Die Bemerkungen über das Zitat sind treffend, weil das Zitat so verstanden und zitiert wird.

    PS Ich würde mir beim Lesen schon gerne Absätze wünschen.

  4. #4 Dr. Webbaer
    Mai 26, 2014

    Die Wissenschaft verzaubert die Welt durch ihre Erklärung, und das kann Menschen nur freuen.

    Die moderne Wissenschaftlichkeit, die skeptizistischer Bauart ist und zu falsifizieren sucht (es geht auch anders), ‘verzaubert’ die Welt, korrekt.
    Sucht nach Erkenntnis, die in “n:m”-Beziehungen zwischen Erkenntnissubjekten und Gegenständen definiert ist.
    Die Welt ist immer, für die Erkenntnissubjekte, die per definitionem nie umfängliches Systemwissen erwerben können, hierfür müssten sie Systembetreiber sein [1], eine magische. [2]

    MFG
    Dr. W

    [1] Es gibt hier vglw. lustige Gedankenexperimente mit allmächtigen oder “allmächtigen” Göttern.
    [2] ‘magisch’, ‘Magus’, ‘Macht’, indogermanisch und so…

  5. #5 Name auf Verlangen entfernt
    Juni 19, 2014

    “Das Geheimnisvolle der Phänomene hat durch die Erklärung – Schwerkraft, Elektrizität und Energie – eine Vertiefung erfahren.”

    All diese Erklärungen – das muss hervorgehoben werden – sind gar keine: denn was die Dinge wesenhaft sind, wird durch ihr Äquivalenzverhältnis zueinander teilweise und nur annährerungsweise berechnbar: aber keinesfalls erklärt. Am deutlichsten tritt das bei der Gravitation zu Tage, über die wir außer ihrem proportionalen Verhältnis zu Abstand und Masse wesenhaft gar nichts wissen, außer Märchen … Gravitationslinsen, Schwarze Löcher und weiße Zwerge, etc. …

    Und exakt dadurch: die Welt auf Mathematik zu reduzieren, ist sie in der Tat verzaubert – aber schwarzmagisch: zum Schaden der Menschheit.

    Ob es – weil wir nun ein Wort für “Elektrizität” haben – Kobolde gibt, oder nicht – wird dadurch überhaupt nicht berührt.

    @ Trice: was hat denn Däniken mit Astrologie zu tun?! Alles mal in einen Topf werfen und tüchtig rühren, scheint Deine Devise zu sein.

  6. #6 K. Hausschelm
    https://demystifikation.wordpress.com/2014/06/18/kopftuch-brasil/
    Juni 19, 2014

    Tja – was ist zum Schaden für die Menschheit, dass wir die Gravitation berechnen können und wissen, dass einer rutschenden Vase hinterherzubeten nichts bringen wird, dass sie durch die Gravitationskraft fällt, und nicht durch Kobolde verhext ist?

    Vielleicht erwartest Du Dir was falsches von einem Begriff wie “Entzaubern” und was meinst Du mit “wesenhaft”? Wird da wieder ein heiliges Gottmonster eingefordert, dass im Hintergrund die Fäden zieht, und allem einen Sinn verleiht, den man durch das Rühren in Kaffeesatz, durch Pendelschwingen und Kartenlesen enträtseln kann?

  7. #7 Name auf Verlangen entfernt
    Juni 20, 2014

    @ K.Hausschelm: es ist kein Schaden für die Menschheit, Gravitation (annäherungsweise) berechnen zu können. Der Schaden entsteht dann, wenn man behauptet, zu wissen, was die Dinge sind – ohne auch nur im Geringsten eine Ahnung zu haben.

    Wenn Gott sich Dir gegenüber noch nicht geäußert hat, wird Dir das natürlich nichts sagen. Auch Kobolde muss man kennenlernen, bevor man etwas über ihre Existenz behaupten kann.

    Sicher waren es z.B. Bergkobolde, die bei den Neutrino-Messungen 2012 den Stecker gelockert haben, der all die Einstein-Anbeter in die Vergangenheit katapultiert hat.

    “Wesenhaft” wissen bedeutet, zu wissen was eine “Sache” ist: nicht: wieviel davon zu was in welchem Verhältnis steht (und sich dabei auch noch zu verrechnen): so ist z.B. ein Stuhl keine reine Ansammlung von Holz und Leim, etc. – sondern durch seine Funktion allein “wesenhaft” beschrieben. Solche “Funktion” – gemeint ist nicht die technische Funktion, sondern die aristotelische “qualitas” – setzt Bedeutung voraus, und zwar in Bezug auf andere Wesen, Gott oder Mensch.

    Naturgemäß ist das nicht die Fragestellung der Naturwissenschaft, deren zwanghaftes Ziel es zu sein scheint, gerade vom Wesen der Dinge abzusehen.

    Die reine Quantifizierung hat aber durchaus Vorteile: aber nur solange man sie nicht mit wahrer Erkenntis verwechselt.

    Denn dann setzt – unsere Gegenwart – eine Verarmung der Realität ein, die in Stumpfsinn mündet.

    Immerhin gibt es auf diesem Portal einen heldenhaften Blogger, der zwar nicht im Kaffeesatz, dafür aber – nach eigener Aussage – in den Wolken lesen kann. Das ist schon mal ein Anfang.

  8. #8 Stefan Wagner
    https://demystifikation.wordpress.com/2014/06/20/feinmaurer/
    Juni 20, 2014

    @markustermin

    Ich verrate Dir mal einen Trick, wie man Schwachsinn erkennt, Markus. (Mein Name ist wg. eines spontanen Wortspiels in einem Nachbarblog verstellt gewesen – hier war es ein Versehen).

    Also: Wenn jemand von wahrer Erkenntnis redet, dann deshalb, weil, wenn er nur so von Erkenntnis redet, er die Unwahrheit meint, also keine Erkenntnis. Er lügt gewohnheitsgemäß und muss immer ein “wahre/wahrer/wahres” davorsetzen, wenn er es ernst meint. Wer so tief in sein Doppeldenk verstrickt ist, von dem ist kaum ein klarer Gedanke zu erwarten, schon gar keine Erkenntnis.

    Normale Menschen kennen Erkenntnis so, dass etwas entweder eine Erkenntnis ist oder nicht und fertig. Wenn sie Erkenntnis sagen meinen sie Erkenntnis und nicht falsche Erkenntnis. Einfach, geradeheraus und klar.

    Wer die Sprache verdusseln muss, der hat meist etwas zu verbergen.

    Ansonsten fang Deinen Beitrag noch mal von vorne an, aber diesmal rede von wahrem Schaden für die wahre Menschheit usw. – und vergiss nicht noch einen wahren Schotten irgendwo unterzubringen, der fühlt sich da bestimmt rasch heimisch. 😉

  9. #9 Name auf Verlangen entfernt
    Juni 21, 2014

    @ Stefan Wagner: ganz so einfach ist es nicht, Du Schelm. Mal abgesehen davon, daß Aussagen von einem, der seinen Namen verwechselt, nur bedingt ernst zu nehmen sind. Ἀλήθεια – „Wahrheit“ – wörtlich jedoch “Unverborgenheit” – ist im Griechischen erstmal eine Göttin, die aus dem Verborgenen ans Licht der Erkenntnis vermittelt.

    Daß es auch “falsche” Erkenntnis gibt, sieht man ja wunderbar an eurer cinematographischen Physik: man kann prima mit Minkowski-Diagrammen in die vierte Dimension plus x extrapolieren: mathematisch/metaphysisch ist das alles wahr: nur leider hat es mit unserer physischen Realität, die nur eine einzige Dimension kennt, nichts zu tun.

    Noch ein grundsätzlicher Gedanke: es ist solche, von Dir vorgeführte, simplifizierende Wesenart, die die Naturwissenschaft untergräbt und sie insgesamt zum Wiedergängertum des gigantomanischen Geistes dunkler Tage macht.

  10. #10 Stefan Wagner
    https://demystifikation.wordpress.com/2014/06/21/allmachtiger/
    Juni 21, 2014

    Tja, Name auf Verlangen entfernt, dass Deine Welt eindimensional ist – wie kommt es, dass ich Dir das auf’s Wort glaube?

    Der Browser hat übrigens den Namen verwechselt – da machst Du Dir also falsche Hoffnungen. Die Physik ist auch nicht Eigentum von diesem oder jenem – von eurer oder unerer Physik zu sprechen ist schon der naive Schwachsinn für sich eine Parallelwelt behaupten zu wollen, in der Dämonen herrschen.

    Diese Versuche die Physik einer Ideologie dienstbar zu machen ist viel mehr ein Merkmal dunkler Tage gewesen, in dem die Spinner die Physik als jüdisch zu diffamieren trachten. Wenn Sie sich in diese Tradition stellen wollen, dann überrascht das leider nicht – die ganze UFO- und Esoszene hat ja nahe am Rechtsradikalismus gebaut und nutzt die gleichen Verlage.

  11. #11 Name auf Verlangen entfernt
    Juni 21, 2014

    @ Stefan Wagner: der Browser hat Deinen Namen verwechselt? Wie denn das?! Gehört das in die Kategorie Wunder? Lockerer Stecker?

    Astrologisch passt es aber: wir haben Merkur retrograd – da kommt sowas schonmal vor.

    Es tut mir leid, daß die wichtige Wissenschaft Physik zur Ideologie verkommen ist. Man merkt es daran: erst wird die große Weltnachricht verkündet, man habe nun den ultimativen Beweis der Inflation des Universums und dem ganzen Rest (Die Nobelpreise purzeln schon rum!), und dann kommt sowas, wobei natürlich diese Nachricht die breite Öffentlichkeit nicht mehr erreicht:

    https://scienceblogs.de/hier-wohnen-drachen/2014/06/05/doch-kein-nachweis-der-inflation/

    Und sonst?: es ist nicht jeder gleich rechtsradikal, nur weil er Einsteins Kategorial-Irrtum durchschaut.

    Weiter: für jede verdammte Bombe zum Massenmord wurde noch immer der ein oder ander Physiker gebraucht. Fracking, Wasserstoffbombe, heiße Fusion, Tschernobyl und Fukushima, und alle anderen Weltpockennarben sind von Physikern und Chemikern und Biologen gemacht – ein Wunder, wie ihr es schafft euch aus der Affäre zu ziehen und Unschuld zu mimen …

  12. #12 Name auf Verlangen entfernt
    Juni 21, 2014