Die Zahl der Geheimnisse scheint zuzunehmen, und mir gefällt der Gedanke allein deshalb, weil es neugierigen Menschen dabei nur gut gehen kann, und wer unter uns wäre denn nicht neugierig? In seinem neuen Buch “Die Erde hat ein Leck” (München 2014) stellt der Spiegel-Reporter Axel Bojanowski “rätselhafte Phänomene unseres Planeten” vor, und noch bevor er auf “Monsterwellen am Strand” zu sprechen kommt oder “Die Ostsee-Sintflut”schildert, die schon etwas länger zurückliegt, lässt der Autor seine Leser an dem Vergnügen teilhaben, dass ihm Geheimnisse bereiten, die in der Erde stecken. Er schildert zum Beispiel, wie empfindliche Geräte ein Brummen des Planeten aufnehmen – “eine Melodie von dieser Welt” – und dabei andeuten, dass “Geheimnisse aus großer Tiefe” hörbar werden. Mit Hilfe der Aufzeichnungen gelingt es, bislang verborgen gebliebenes Gestein tief im Bauch der Erde nachzuweisen, und die Geologen haben ihren Spaß an den “Mysterien der Tiefe”. Sie gibt es dabei zwar im Plural, aber eines lohnt einen eigenen Blick, nämlich den auf das “Geheimnis des irdischen Daseins”. Viele Kilometer unter den Füßen von Menschen finden sich Lebewesen, die offenbar seit Urzeiten dort hocken, die kaum ihren Ort gewechselt haben und die doch überall in der Unterwelt, in der man sie findet, genetisch gleich erscheinen. Stellen die Tiefenkreaturen die Urform des Lebens dar? Der Gedanke liegt allein deshalb nahe, weil sich Menschen mit der Bibel daran gewöhnt haben, die Welt aus dem Dunkel zu erschaffen. Das Leben dann eben auch. Nur konnte an dieser Stelle kein Geist Gottes über einer Urflut schweben. Dazu ist die Tiefe zu eng und zu trocken. Es können bestenfalls Tümpel gewesen sein. Aber einer reicht ja schon aus. Und der Dichter Rilke hat es gewusst und sie gefeiert. “Du Dunkelheit, aus der ich komme. … Ich glaube an Nächte.” Die Wissenschaft auch.
Kommentare (22)