Derzeit streiten sie so schön, die Neurowissenschaftler, ob die Milliarden, die sie für das BRAIN Projekt bekommen haben – BRAIN kürzt die hirnlose Bezeichnung Brain Research through Advancing Innovative Technology ab -, sinnvoll eingesetzt werden. Man betrachtet das Hirn als Großprojekt, muss sich allerdings mit sehr viel weniger Geld begnügen als die Leute, die das Higgs Teilchen gejagt haben. Man könnte die Frage stellen, was einer Gesellschaft mehr wert ist, das Higgs oder das Hirn, aber hier soll etwas anderes unternommen, nämlich darauf hingewiesen werden, dass Großprojekte, die sich auf Technisches beschränken, Erfolge erzielen – das Apollo Projekt mit der Mondlandung, das Higgs Projekt mit dem Schnappen des Teilchens, das Manhattan Projekt mit der Atomkraft, das Genomprojekt mit toten Sequenzen -, während Großprojekte, die am Leben hängen, irgendwie in Ratlosigkeit versanden. Das hat angefangen in den 1970er Jahren, als der Krebs besiegt werden sollte, und das wird sich fortsetzen, wenn das Hirn in den Blick genommen wird. Bei technischen Großprojekten  legen Menschen allein das Ziel fest – etwa die Sequenz des Genoms -, bei biologischen Projekten müssen sich die Menschen nach der Natur richten, die sie nicht verstehen. Was die Genomprojekte angeht, so sind sie nur in technischer Hinsicht erfolgreich. Man bekommt immer mehr Sequenzen. Aber man versteht sie noch lange nicht, noch ganz lange. “Verstehen wäre schön”, wie neulich in “Nature” zu lesen stand, Big Data hin, Big Data her. Das gilt übrigens auch für Higgs. Auf diese Weise haben Higgs und Hirn etwas gemeinsam. Sie lassen die teuren Großforscher fleißig und ratlos dastehen. Neue Ideen braucht die Wissenschaft, kein Gerangel um Kompetenzen.

Kommentare (3)

  1. #1 chris
    September 10, 2014

    Das solche Großprojekte allermeist scheitern, liegt daran, das man sich selbst jedesmal widerlegt, wenn man an “sich selbst” – also am Menschen (oder/und am Leben) breit und tief zugleich forscht. Auf dem Weg zu neuen Erkenntnissen sein Weltbild erheblich anpassen zu müssen, dazu muß man schon übermenschlich sein – offenbar, denn ihr Weltbild über sich selbst tut niemand gerne einfach mal über den Haufen schmeissen. Ausserdem ist sowas nahezu immer mit einer akuten Krisensituation der Selbstreferenz verbunden. Das behindert zusätzlich.

    Deshalb bleibt für solche Projekte immer nur ein begrenztes Zeitfenster – was aber für “Großprojekte” alles andere, als “günstig” ist.

    Die Frage, ob denn überhaupt mehr Kenntnis über uns Menschen für uns Menschen wertvoll und brauchbar ist, sollte man nicht so lapidar flachsen, wie oben. Das es immer wieder nicht wirklich erfolgreich wird, hat auch damit zu tun, wie die Wissenschaften in Gesellschaften und deren Organisationsstrukturen eingebettet sind. Da könnte es auch schon mal unerwünscht sein, neue Kenntnisse in den Äther der Öffentlichkeit kommen zu lassen. Also verläuft die ehemals große Zielsetzung in einer banalen Sandbank; stockt und tritt immer wieder auf der Stelle – und tut letztlich nur so, als ob man weiter kommen wollte.

    Nix schön, sondern …

  2. #2 Trice
    September 14, 2014

    Neue Ideen braucht die Wissenschaft zweifellos, aber sie will sie nach dem Motto: “Ihr könnt machen, was ihr wollt, aber nicht so.” Oder, mit anderen Worten: Es muss bitteschön in die derzeitige wissenschaftliche Landschaft passen. Also keine Revolutionen und keine Sensationen, das stört die wissenschaftliche Ordnung. Verstehen wäre schön? Ja, aber wie mir vor einigen Jahren ein – naja, wohl eher Kleinforscher – sagte, nötig ist es nicht, man kommt ja auch so ganz schön weit.

  3. #3 Angelika Wittig
    Berlin
    September 15, 2014

    #EPF, Chris, Trice
    Wie schön, einmal wirklich gute Ansätze zu lesen.
    Ich denke, der Mangel an Verständnis beruht auf der Unfähigkeit zu echtem Dialog.
    Dadurch ensteht nur Stückwerk, das nicht zusammengefügt wird.
    Wir könnten wirklich eine ganze Menge von der Biologie, insbesonders von einer einzelnen kleinen Zelle lernen, wenn wir die Arbeitsweise der Zellen bei der Bildung von Zellkontakten nachvollziehen würden.
    Wie alles in der Natur, ist das Einfachste das Schwierigste.