In ihrer Ausgabe vom 21. Mai 2015 berichtet die Zeitschrift “Nature” davon, dass in dem Fachblatt Genes Genomes Genet. eine Arbeit erschienen ist, die sich um das Genom der Fruchtfliege Drosophila kümmert und zu der mehr als 1000 (!) Autoren beigetragen haben (Band 5, Seiten 719-740). Es handelt sich genauer um 1014 Autoren, was eine Kollegen dazu gebracht hat, sich zu erkundigen, ob der Handgriff einer Studentin oder einer Hilfskraft schon ausreicht, um eine Ehrenautorenschaft zu erhalten. Wer sich über die hohe Zahl wundert, wird in der nächsten Ausgabe von “Nature” mit dem Datum des 28. Mai 2015 informiert, wie stark die “Megaautorenschaft” zugenommen hat. Im Jahre 2000 lag der Weltrekord bei etwa 800 Autoren für eine Arbeit. Er wurde im Jahren 2012 gebrochen, als sich 3113 Autoren zusammengetan haben, um die wissenschaftliche Welt zu bereichern. Und 2015 kann mit einer neuen Spitzenleistung aufwarten, denn in diesem Jahr ist eine Arbeit mit 5154 Autoren erschienen, und zwar im Fachblatt Physical Review Letters, die von zwei Gruppen angefertigt wurde, die am CERN arbeiten und Teilchen aufeinander schießen (mehr dazu Nature https://doi.org/4sn;2015).
Keine Frage, hier bekommt die Sozialgeschichte der Wissenschaft eine neue Dimension. Angefangen hat ja alles mit einzelnen Autoren – Newton, Faraday, Maxwell, Einstein und so weiter -, aus denen dann Paare und Trios wurden – Watson und Crick, Delbrück und Luria bzw. Heisenberg, Born und Jordan -, bis zuletzt Teams und Konsortien die wissenschaftliche Arbeit machten und die Autorenliste immer länger und fast so lang wurde wie das Mitgeteilte oder sogar dessen Umfang überschritt.
Zu den merkwürdigen Fragen des Wissenschaftsbetriebs gehört die Erkundigung, wie viele Leser ein Artikel in einer Fachzeitschrift hat. Gewöhnlich sind es drei, wie man sagt – nämlich der Autor, der Reviewer und der Herausgeber des Journals (wobei man beim letzten nicht so sicher ist). Bei 5000 Autoren eines Papers kann man auch mit 5000 Lesern rechnen, was schön klingt, aber nicht wirklich erfreulich ist. Ich glaube nicht, dass die Zahl der echten Leser wächst, wenn die Zahl der Autoren dies tut. Auch früher sind viele Arbeiten nicht gelesen worden, obwohl sie fleißig zitiert und angeführt werden. Die Arbeit von Gregor Mendel aus dem Jahre 1865 zum Beispiel ist kaum gelesen worden, vor allen Dingen nicht von den Schulbuchautoren, die Mendel als Urheber der Gesetze der Vererbung bejubeln, obwohl in seinem Text weder das Wort Vererbung noch der Begriff des Gesetzes auftaucht.
Offenbar wirken Manuskripte auch, wenn sie nicht gelesen werden. Ein spannende Frage lautet, wie das möglich ist. Wenn jetzt die vielen tausend Autoren ihren Texten zugleich viele tausend Leser bescheren, könnte es sein, dass die Wirksamkeit der Arbeiten dadurch abnimmt. Mit der Zahl der Autoren verliert vielleicht nicht nur der Beitrag des Einzelnen an Bedeutung, sondern der Beitrag insgesamt. Es wäre schade um die viele Arbeit.
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