Als der Ausdruck “Postmoderne” aufkam, meinte ein Witzbold, eine moderne Post sei ihm lieber. Die Sozialtheoretiker lieben die Vorsilben “post” und “spät”, weil man dann postmoderne Gedanken in spätkapitalistischen Zeiten haben kann, ohne sich Gedanken zu machen, ob es denn das überhaupt schon gegeben hat, die Moderne und den Kapitalismus. Noch ist keiner der Sozialphilosophen auf die Idee gekommen, vom postszientistischen Zeitalter zu sprechen oder gar den Postmenschen – also nicht den Postboten – auszurufen. Aber die Genetiker selbst sind inzwischen der Ansicht, dass es gilt, die “Postgenomics” zu analysieren. So nennt sich ein Buch, das von Sarah Richardson und Hallam Stevens herausgegeben worden und in diesem Jahr erschienen ist (Duke University Press). Es geht um “Perspektiven der Biologie nach dem Genom”, wie der Untertitel andeutet. Im Buch selbst werden dem Leser “Das postgenomische Genom” und “Der polygenomische Organismus” vorgestellt, und wenn man auch nicht unbedingt den Wortsalat goutiert, so wird bei der Lektüre der Postgenomik doch klar, dass nach der Durchführung der primären Humanen Genomprojektes mehr ober weniger Ratlosigkeit unter den Bioforschern herrscht. Die Erkenntnis hat sie vollkommen kalt erwischt, dass Individuen erstens gar kein eindeutig festlegbares und fixiertes Genom haben und dass zweitens Individuen dem Wortsinne nach gar keine sind (ebenso wenig wie Atome unteilbar sind). Jeder einzelne Mensch steckt erstens voller Mikroben mit jeweils eigenen Genomen, und jedes Genom in einer von vielen Milliarden Zellen bekommt dauernd Nachbesserungen durch die Umwelt, was Epigenetiker auf den Plan ruft, die ihre Hoffnung für verständnisvolle Fortschritte worauf setzen? Auf Epigenome! Noch produzieren die Forscher vor allem Genome – Humangenome, Metagenome, Epigenome und mehr. Von einer postgenomischen Zeit zu sprechen, wirkt daher etwas komisch. Aber das hat schon die Vertreter der Postmoderne nicht gestört. Wenn es wenigstens eine moderne Post gäbe.
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