Die “molekulare Soziologie” einer Zelle – davon handelt ein Aufsatz in der Ausgabe der Zeitschrift SCIENCE, die am 26.2.2016 erschienen ist (ab Seite 969). Die Autoren – ein Team von Biochemikern unter anderen aus München und Dresden – meinen mit dem von ihnen vorgeschlagenen Begriff das verzwickte Netzwerk von Wechselwirkungen, die Makromoleküle eingehen müssen, um ihre zellulären Funktionen ausführen zu können. Signalumwandlungsketten hat man dabei schon lange im Blick, also eine Reihe von Zellbausteinen, die sich gegenseitige beeinflussen und eine Zelle weniger ein Gebilde und mehr ein Geschehen sein lassen. Zellen kann man nicht durch eine molekulare Biologie verstehen, sondern durch eine molekulare Soziologie, wie man in SCIENCE nachlesen kann.
Und dieser Gedanke fügt sich zu dem Vorschlag, den der Historiker Andreas Rödder in seinem Buch 21.0 macht und in dem er “eine kurze Geschichte der Gegenwart” erzählt C.H. Beck Verlag, München 2015). Rödder meint, dass die “dezentrale Vernetzung der Internet-Kommunikation” zu wurzelförmigen – rhizomatischen – Strukturen führt, wobei der Begriff Rhizom aus den Botanik stammt und das Sprossengeflecht von Maiglöckchen meint. So wird die Sache rund – man erklärt das Leben als soziologisches Ereignis und soziale Gewebe durch botanische Erscheinungen. Es gehört eben doch alles zusammen – das Leben und seine Geflechte. Vielleicht kann man damit zuletzt besser verstehen, was Krebszellen machen. Sie scheren aus dem Sozialzusammenhang aus. Die Mediziner müssen dann so handeln, wie die Politiker. Sie müssen versuchen, den Zellen den Nachschub abzuschneiden und ihnen keine Sozialhilfe mehr gewähren. Krebs weniger als genetische und mehr als soziale Krankheit. Warum nicht?
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