Es ist fast eine Seuche. Wenn jemand seine harmlosen Sätze aufmotzen möchte, greift er oder sie gern zu modischen Begriffen aus der ansonsten verachteten Wissenschaft. Früher redeten Soziologen gerne von der Atomisierung der Gesellschaft und die Ökonomen von Energie und Entropie, ohne zu wissen, was einer der beiden Begriffe tatsächlich meinte, und heute stolpert der Medienkonsument über DNA und Gene. Gestern (24.4.17) konnte man im Feuilleton der FAZ von “Bilderbüchern mit der DNA Chinas” lesen, in der Woche davor beruhigte das Blatt seine klugen Leser mit dem Hinweis, dass er zur DNA des amerikanischen Außenministeriums gehört, Wissenschaft zu fördern – wenn es die Gene der derzeit agierenden Präsidenten nicht verhindern -, im Wirtschaftsteil konnte man lesen, dass im Sauerland Unternehmer DNA zu finden ist, und ein Sportreporter der ARD meinte neulich, die deutsche Mannschaft brauche keine Angst vor einem Elfmeterschießen zu haben, es läge in ihren Gene, dabei zu gewinnen.
Und während man sich vor diesem Blödsinn wegducken möchte, tönt es aus politischen Ecken der wissenschaftlich Ahnungslosen, dass die Genmanipulation der Lebensmittel aufhören müsse und man überhaupt die Finger von der Manipulation des Erbguts lassen solle. Zwar gehört es immer schon zur Geschichte des Menschen, die Dinge in die eigenen Hände zu nehmen, sie also zu manipulieren, aber solche Gedanken sind den unwissenschaftlichen Verwendern des Wortes fremd, die unter einer Manipulation stets etwas Schlechtes verstehen. Dabei machen sie genau das. Tatsächlich wird von ihrer Seite mit der DNA und den Genen in diesem Sinne manipuliert, und zwar dadurch, dass man Ministerien und ganze Kulturen mit DNA ausstattet und dadurch erklärt und den Lesern auf diese Weise ein tiefes Verständnis suggeriert. Man scheint up to date zu sein, wenn man genetisch daher schwätzt, und man kann auch gerne Anleihen bei der Naturwissenschaft machen, aber vielleicht sollte man sich zuvor erkundigen, was man in ihren Kreisen unter einem Gen versteht. Wer es versucht, wird sich nämlich wundern. Es gibt längst keine Gene als kausale Dinge mehr. Das Leben ist komplizierter und dynamischer geworden, und vielleicht sollte man aus dem Gen ein Verb machen. Dann gent oder genelt das Leben, und dabei kann auch seine Kultur werden. Wer mehr davon wissen will, findet Stoff in dem Buch “Treffen sich zwei Gene”. Es stammt von mir.
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