Nachdem ich im Februar 1981 mit meinem Doktorvater Max Delbrück (Nobelpreis 1969) verabredet hatte, seine Biographie zu schreiben – erschienen in den 1980er Jahren unter den Titeln “Licht und Leben” und “Das Atom der Biologen” -, da meinte er zum Abschluss, eigentlich könne ich sein Leben gar nicht beschreiben, denn ” you don´t know anything about my sex life”. Tatsächlich wollte ich nicht wissen, mit welchen Frauen Delbrück geschlafen hatte, obwohl im Laufe der Recherchen der Verdacht auftauchte, er sei in jungen Jahren eine Kerze gewesen, die an zwei Enden gebrannt habe.
Es geht mir hier nicht um Delbrück, sondern um zwei Bücher, die ich in diesen Tagen gelesen habe und von denen eines “Das Café der Existentialisten” heißt und beschreibt, und das andere einen “Tanz auf dem Pulverfass vorführt und das Leben “Gottfried Benn, die Frauen und die Macht” verbindet. In dem genannten Café geht es natürlich um die Philosophie der Existentialisten, und dazu gehörten Jean Paul Sartre und Simone de Beauvoir, und der Leser erfährt, wie sehr die beiden geraucht haben und auf Sex begierig waren. Bei Benn dasselbe – natürlich hat er als Arzt gearbeitet und Gedichte verfasst, aber in seinem Kopf muss es die meiste Zeit um Sex gegangen sein.
Die Existentialisten und der Expressionist – nur Sex im Kopf, wie der Leser gerne liest, um anschließend höchst frustriert zu sein. Offenbar gab es zwar Verlangen nach Sex, aber wenig Vergnügen an dem Schleimigen, Klebrigen und Schwitzen, das dazu gehört, wie zwischen den Zeilen immer zu erfahren ist. Und diese Hilflosigkeit der Buchautoren findet ihre Entsprechung in dem Dichter Benn selbst, der als wortgewaltig gilt, aber dann, wenn es um sein Sexualleben geht, nur so billige Vokabel wie irdisch und himmlisch zu Papier bringt, wie man sie aus Lore-Romanen kennt. Wie gesagt, man kann das Leben eines großen Mannes nicht ohne sein “Sexlife” schildern. Aber die genannten Bücher meinen, es reiche, das Wort “Sex” hinzuschreiben, und man wüsste was los ist. Wie im wirklichen Sexleben wird es spannend, wenn das Licht ausgeht.
Biographen sollten entweder das Thema Sex lassen oder dann Licht machen, wenn es spannend wird. Wie sah das denn auch bei Sartre? Hat er seine Zigarette im Mund behalten? Hat er sich zwischendurch Notizen gemacht? Hat er Lust empfunden? Hat das Einfluss auf sein Denken? Sartre wichtigste Überzeugung stellt die Freiheit des Menschen dar. Doch beim Sex zeigte er sich süchtig. Hier beginnt die Aufgabe des Biographen. Aber wahrscheinlich kannte er das Sexleben seines Helden nicht. Vielleicht ist es für die Literatur besser so. Ich würde das gerne wissen. Das Sexleben bleibt zu erkunden.
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