Helmut Kohl ist gestorben, und wenn auch niemand übersehen kann, dass der Pfälzer eine Riesenrolle in der deutschen und europäischen Politik gespielt hat, und wenn auch der Anstand es verlangt, über Tote nicht schlecht zu schreiben, so hält sich doch hartnäckig der Wunsch, sich über einiges zu wundern. Kohl war ein christlicher Politiker, der selbstbewusst in die Schuhe von Konrad Adenauer geschlüpft, der ebenfalls ein christlicher Politiker war, wobei mich immer schon gewundert hat, wie es Menschen schaffen, an der Macht zu sein und die christliche Demut links liegen zu lassen. Wer die Biographie liest, die Werner (nicht Wolf) Biermann über Konrad Adenauer geschrieben hat, darf sich erst recht fragen, was Machtmenschen wie die beiden genannten Kanzler eigentlich meinen, wenn sie “christlich” sagen. Adenauer war offensichtlich geldgierig, hinterhältig, gnadenlos, bösartig, infam, rücksichtslos, nachtragend, verlogen und vereinte noch andere Fähigkeiten in sich, die offenbar benötigt, wer sich an der Macht halten will. Adenauer war sicher gläubig (katholisch), aber christlich darf er sich auf keinen Fall nennen und seine Partei erst recht nicht. Und Kohl, der Enkel Adenauers? Noch ist es nicht unter der Erde und noch liegt keine Biographie von ihm vor, aber in den Zeitungen ist bei aller Rücksicht auf den Verstorbenen viel von Zwietracht, Rücksichtslosigkeit, Hinterhältigkeit, Sturheit, Ablehnung, Unerbittlichkeit, Rachsucht und einigen weiteren höchst unchristlichen Verhaltensweisen die Rede, was in der Öffentlichkeit hingenommen wird. Ich habe mich nie als Christ gefühlt und “christlich” nur als Attribut eingesetzt, wenn es um Nächstenliebe ging. Genau das geht nach Adenauer und Kohl nicht mehr. Eigentlich schade.
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