“Irrtümer haben ihren Wert”, wie Erich Kästner ein kurzes Gedicht beginnt, das ich als Schüler in einem 1950 erschienenen Bändchen mit dem Titel “Kurz und bündig” gelesen habe. “Der schöpferische Irrtum” wird von Kästner eingeschränkt, denn zwar haben Irrtümer ihren Wert, “jedoch nur hie und da”, denn “nicht jeder, der nach Indien fährt, entdeckt Amerika.” So groß der Irrtum des Kolumbus und so hoch der entsprechende Wert seiner Entdeckung war, dem Dichter selbst unterläuft ein kleiner Irrtum, als er ein “Unsanftes Selbstgespräch” führt, das in vier Zeilen so verläuft:
“Merk dir, du Schaf,/weil es immer gilt:/ Der Photograph / ist nie auf dem Bild.”
Wie sollte Kästner auch wissen, dass unser Zeitalter die Erfindung und massenhafte Verbreitung des Selfies erleben musste, bei dem vor allem der Fotograph sich ins Bild setzt. Früher war man im Bilde und nicht auf dem Bild. Heute ist man nur noch auf dem Bild und über nichts mehr im Bilde. Schade, dass Kästner dazu kein Selbstgespräch mehr führen und auch klarmachen kann, dass das Selfie übergreifend geworden ist. Als der Schöpfer des doppelten Lottchen lebte, stand in der Zeitung nichts über die Zeitung. Heute zeigen die Medien vor allem Leute, die in Medien auftreten und sonst nichts mit der Welt zu tun haben.
“Merkt euch, ihr Schafe, /weil es leider gilt:/ Die Medien / sind alleine im Bild.”
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