Wer mit der Bundesbahn fährt, kann derzeit auf Bahnhöfen – etwa in Frankfurt – riesige Plakate der Firma Ritter Sport sehen, auf denen eine farbenprächtige Schraube aus den quadratischen Schokolädchen gezimmert worden ist, neben der in großen Buchstaben die Werbebotschaft steht, die lautet: “Endlich entschlüsselt: die DNA des Glücks.” Ich gebe gerne zu, dass das witzig wirkt, wenn die Designer sich auch die Doppelhelix nicht genau genug angeschaut haben und die Drehung der Schokoladenschraube zu langsam verläuft. Aber bekannt ist ja, dass viele Kinder und andere Leute denken, Kühe seien lila, weil sie auf Werbespots so aussehen. Ich halte es daher für möglich, dass Ritter Sport mehr zum genetischen Denken der Konsumenten – also von uns allen – beiträgt als jeder noch so kluge Artikel etwa in der FAZ, die eher verwirren als aufklären. Zwar verbirgt sich hinter dieser Zeitung immer noch manch kluger Kopf, aber was dessen Augen zu lesen bekommen, kann einen schon zur Verzweiflung bringen, vor allem, wenn die DNA der FAZ ins Spiel kommt, was zwar blödsinnig klingt, bei der FAZ aber längst Alltag ist. Die DNA der Redakteure weiß nämlich zum Beispiel zu berichten, dass Werder Bremen seine DNA verleugnet, wenn es eine Defensivstrategie wählt, und die DNA der FAZ kennt sich auch in Ministerien aus, wenn sie erzählt, dass die DNA von solchen Institutionen schon wüsste, was zu tun ist – etwa die Forschung zur DNA zu fördern, und zwar unabhängig von der DNA der Regierung.
Die redaktionelle Spielerei mit der DNA wird langsam ärgerlich, und die Zunahme der Sprachverwirrung zeigt sich auch an dem Wort “entschlüsselt” in der Schokoladenwerbung. Wenn Genetiker ein Genom sequenzieren, dann legen sie die Reihenfolge seiner Bausteine offen, ohne etwas zu entschlüsseln. Wer kennt den denn, der die DNA verschlüsselt hat, falls es ihn überhaupt gibt. Nun kann man gerne über Schokoladenwerbung und den FAZ Stuss lachen, aber wie soll eine Gesellschaft die Möglichkeiten eines “Human Gene Editing” erörtern, wenn sie von der DNA des Glücks und von Werder Bremen – und zwar zeitnah – träumt. “Was alle angeht, müssen alle entscheiden”, hat Friedrich Dürrenmatt einmal geschrieben und dabei ein Satzteil vergessen. Denn was alle angeht, sollte alle verstehen, bevor alle entscheiden. Von Verstehen kann weder bei der DNA des Glück noch bei der DNA der FAZ die Rede sein, was einen traurig macht. Aber es gibt ja Schokolade. Meine DNA verlangt nach ihr, zu meinem Unglück. Man liegt bald dick und fett und faul im Bett und wartet auf die FAZ – und braucht danach erst recht die DNA des Glücks.
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