Man sieht sie förmlich schon auf die Leser zurollen, die Lawine mit Büchern, in denen Kriegshelden vom Kuh-Damm von ihren 1968er-Erlebnissen und den dazugehörigen Solidarkundgebungen mit allen möglichen außereuropäischen Staaten berichten, und so lässt sich befürchten, dass Momente des Erinnerns, die sich in meinen Augen mehr lohnen, von der Übermacht der jetzt in Rente gehenden (und sehr wohl auf ihre Ansprüche pochenden) 1968er-Generation beiseite gewischt werden. Dabei lassen sich für 1818 und 1918 wichtige Entwicklungen registrieren, die Frauen zu verdanken sind und die es besser zu verstehen gilt und die allemal zum Staunen und Wundern Anlass geben. Bevor dazu ein paar Sätze notiert werden, soll noch das Jahr 1968 angesprochen werden, denn in ihm – genauer am Weihnachtsabend 1968 – umrundete eine Apollo-Kapsel den Mond und nahmen ihre Mitglieder das Bild auf, das als “Erdaufgang” berühmt geworden ist. Seitdem spricht die Menschheit vom blauen Planeten, und mit diesem Bild hat sie verstanden, dass sie auf ihn achtgeben muss. Der Apollo-Mission verdanken wir die Umweltbewegung und den Ruf nach Umweltschutz, wobei dieser Zusammenhang den Dialektiker Theodor Adorno bestätigt, der Karl Marx 1967 auf den Kopf stellte, als er darauf hinwies, dass die Welt deswegen nicht verändert ward, weil sie zu wenig interpretiert worden ist. Nur was nicht auf Veränderung abziele – etwa die Apollo-Mission – sei zur Veränderung in der Lage, und so ist es gekommen.
Schluss mit ´68 und hin zu 1818 und 1918, den beiden Jahren, in denen zwei Frauen Großartiges zur Welt brachten. Vor zweihundert Jahren schrieb Mary Shelley ihren “Frankenstein”, wobei dieser Name mehr Erinnerungen an Verfilmungen des Romans weckt als an den ursprünglichen Text. Dabei hat sich auch der Name verschoben, denn während im Roman ein junger Mann namens Viktor Frankenstein einen künstlichen Menschen schafft – natürlich nicht durch Gentechnik, sondern einfach durch den Einsatz von Elektrizität -, hat sich Hollywood dafür entschieden, das Monster so zu nennen, und so hat er Platz gefunden im kollektiven Gedächtnis, das an dieser Stelle nicht weiter mit der romantischen Schwärmerei von Mary Shelley belastet werden und nur den Hinweis bekommen soll, dass die Lektüre von Frankenstein mehr lohnt als das erneute Abspielen der Hollywood-Version.
1918 stellt für viele beim ersten Hinhören das Ende des Ersten Weltkriegs dar, aber die Zahl gibt auch das Jahr an, in der die Mathematikerin Emmy Noether eine wunderbare Einsicht vorlegt. Sie kann zeigen, dass mathematische Gleichungen, die physikalische Gesetze formulieren, einen erstaunlichen Zusammenhang erkennen lassen. Wenn es nämlich in den Gleichungen eine Größe gibt, die sich bei definierten Eingriffen und Operationen nicht ändert, die also invariant gegenüber Transformationen ist, dann folgt daraus, dass es in der Natur eine Größe gegen muss, für die ein Erhaltungsgesetz gilt. Um dies konkret und an einem Beispiel vorzuführen: Wenn man die Uhr umstellt, ändert sich an der Zeit nichts und eben so wenig an den Abläufen in der physikalischen Welt. Die Gesetze der Physik sind deshalb invariant gegenüber einer Verschiebung des Nullpunktes, zu dem etwa eine Messung vorgenommen wird. Technisch ist von der Zeittranslationsinvarianz die Rede, was man auch als eine Form von Zeitsymmetrie ansehen kann, und aus dieser Symmetrie der Naturgesetzte folgt laut dem Noether-Theorem, dass es eben in dieser Natur eine Größe geben muss, die erhalten bleibt. Diese Größe ist nun die Energie, was in aller Kürze heißt, dass die Energie der Welt konstant ist, weil die Zeit symmetrisch verläuft. Ich bekomme jedes mal Gänseheut, wenn ich diesen Satz lese oder schreibe. Energie ist unzerstörbar, wie man auch sagen kann, und das heißt, dass sie immer dagewesen sein muss und die ganze Welt erfüllt, seit es sie gibt. Damit weiß man zwar noch nicht, was die Energie genau ist, man weiß aber, dass sie sich unentwegt wandelt. Deshalb ist alles immer in Bewegung. Alles fließt. Was denn sonst? Alles fließt nach vorne in die Zukunft. Oder kommt sie zu uns? Auf jeden Fall – ein schönes 2018.
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