In den 1940er Jahren hat Carl Friedrich von Weizsäcker darauf hingewiesen, dass die Naturwissenschaften keine Geheimnisse lüften, sondern im Gegenteil vertiefen. Zum Glück haben Menschen Freude am Geheimnisvollen, wie man ausführlich in meinem Buch “Die Verzauberung der Welt” lesen kann, und nun haben auch die Sozialpsychologen dies bemerkt. Sie haben sich der Frage angenommen, “Warum wir Geheimnisse” haben – Spektrum der Wissenschaft, online am 13.06.2018 – und dabei eine Menge netter Einsichten zu vermelden. Spannend die Erfahrung, die jeder einmal macht und die darin besteht, dass Kinder ihr öffentliches Leben mit beobachtetem Gang zur Toilette eines Tages gegen ein geheim gehaltenes Treiben in ihrem Zimmer und mit Freunden tauschen und ihren Eltern fast alles verschweigen. Wichtig auch, dass die meisten Menschen mehr als ein Dutzend Geheimnisse mit sich herumschleppen, die von sexuellen Vorlieben über Schulden bis hin zu abgebrochenen Schwangerschaften reichen und die sie gerne mit einer Person ihres Vertrauens teilen würden. Am meisten beeindruckt hat mich aber der Nachweis, dass Menschen dann, wenn man ihnen sagt, sie bekämen jetzt Informationen, die bis vor kurzem noch als “Top secret” galten, diese Miteilungen als genau und zuverlässig bewerteten und ernst nahmen. Einstmals geheime Dokumente hielten Probanden eher für korrekt als Memos, die niemals als geheim deklariert worden waren.
Im Geheimnis steckt die Wahrheit, und das Geheimnis steckt in mir. So hat Martin Luther das Wort auch gemeint, als er es sich im Laufe seiner Bibelübersetzungen ausgedacht und der deutschen Sprache geschenkt. Ich bin nicht nur ein, sondern mein Geheimnis, und ich fühle mich wohl dabei. Ich kann immer nach mir suchen.
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