Im Februar 1943 – also vor mehr als 75 Jahren – hat der aus Wien stammende Nobelpreisträger für Physik mit Namen Erwin Schrödinger am Trinity College in Dublin Vorlesungen über das Thema “What is Life?” gehalten, die ein Jahr später in Buchform erschienen sind und zum Aufschwung der damals neu aufkommenden Molekularbiologie beigetragen haben. In seinem Vorwort entschuldigt sich Schrödinger dafür, sich als Physiker zur Biologie zu äußern, aber er meint, dass solche disziplinüberschreitenden Versuche nötig seien, um die Frage beantworten zu könne, “Was ist Leben?”, auch wenn man bei seinen Antworten in Gefahr gerät, “sich lächerlich zu machen”, wie in der deutschen Ausgabe “the risk of making fools of ourselves” übersetzt worden ist. In diesen Tagen hat man in Dublin “Schrödinger at 75” gefeiert, um “The Future of Biology” zu erkunden, und wer dabei war, konnte nur respektvoll die Liste der hochkarätigen Rednerinnen und Redner bestaunen. Allerdings, allerdings. Die Vorträge boten das Gegenteil von dem, was Schrödinger riskiert hatte. Der Hirnforscher sprach über Hirnforschung, die Zoologin über Zoologie, der Zellbiologe über Zellbiologie, der Genetiker über Genetik und so weiter. Niemand hatte den Mut, sich lächerlich zu machen. Und deshalb werden diese Vorlesungen so folgenlos wie die meisten Bemühungen dieser Art bleiben. Das fehlt der Forschung, Niemand zeigt Mut, sich lächerlich zu machen. Den Rednern in Dublin gelang es trotzdem, aber auf indirekte Weise. Sie redeten einfach über die Köpfe der Zuhörenden hinweg. So hielten sie sich und ihr Publikum zum Narren. Das hat Schrödinger anders gemeint und besser gekonnt.
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