Als ich zu Schule ging – also in den 1950er und 1960er Jahren – kannte kaum ein Lehrer das Wort Algorithmus, dafür brachte man uns bei, was ein Logarithmus ist. Wenn man heute einen Historiker fragen würde, was wichtiger für die moderne Welt ist, ein Logarithmus oder eine Algorithmus, würde er zurückfragen, “Was ist denn ein Logarithmus?” Das ist wie bei den Rabbinern. Wenn man einen alten Rabbi bittet, einen Porsche zu segnen, würde er fragen, was ein Porsche ist. Ein junger Rabbiner würde fragen, was ein Segen ist.

In der Tat, der Logarithmus ist der Segen für die moderne Welt, während der Algorithmus der Porsche ist, dessen Raserei inzwischen nach einem oder einer “Algorithm Watch” verlangt. Es gibt eine Bürgerrechtsorganisation mit diesem Namen, die jetzt ihren Bericht vorgelegt hat (wie die Süddeutsche Zeitung vom 29.01.2021 im Feuilleton meldet und analysiert). Als Algorithmen für Maschinen entworfen wurden, kam die Vorstellung auf, damit ginge das Auftreten einer Künstlichen Intelligenz (KI) oder einer Artificial Intelligence (AI) einher, und seitdem wartet man, dass die damit ausgestatteten Maschinen die Kontrolle über die Welt übernehmen. Ich glaube das überhaupt nicht. Ich halte die Maschinen zum einen nicht für intelligent, weil diese Qualität voraussetzt, dass man sein Handeln auf die Zukunft einstellt. Maschinen wissen nicht, was das ist. Sie wissen auch nicht, was sie in der Vergangenheit gemacht haben, weshalb sie sich auch nicht freuen können.

AI oder KI gibt es seit den 1950er Jahren, und sie erlebten ihren ersten Hype in den 1970er Jahren. Damals wurde erstens vorhergesagt, dass Maschinen bald Schachweltmeister schlagen, und wurde zweitens prognostiziert, dass eine solche Maschine mehr können würde als Figuren auf einem Brett stellen. Sie würde Gefühle entwickeln und ihren Sieg über den Champion feiern. Weltmeister wird der Algorithmus inzwischen leicht. Gefeiert hat er seinen Triumph noch nicht. Er weiß gar nicht, was das ist.

Trotzdem: Menschen sollten nicht versuchen, das Leben algorithmisch zu verstehen. In ihrem eigenen sind Logarithmen viel wichtiger. Und da treffen wir uns mit dem Computer. Die meisten von uns wissen gar nicht, was das ist. Wenn sich dies ändert, gibt es Grund zum Feiern. Einen Algorithmus braucht es dafür nicht.

Kommentare (6)

  1. #1 hto
    Januar 29, 2021

    Der Computer ist eine von unseren inzwischen zahlreichen materialistischen Krücken, die uns entsprechend unserer idiotischen Art und überhaupt nicht weise abnehmen (Internet – überhaupt nicht kompatibel mit unserem zeitgeistlich-reformistisch konfusioniertem Bewusstsein), was wir mit Bewusstsein, bzw. mit der vollen Kraft des Geistes der uns möglich macht, viel besser machen könnten, wenn wir denn …

  2. #2 hto
    Januar 29, 2021

    “… was wichtiger für die moderne Welt ist, …”

    Da fehlt doch ein d – modernde kann das doch nur lauten???

  3. #3 Dr. Webbaer
    Januar 29, 2021

    Trotzdem: Menschen sollten nicht versuchen, das Leben algorithmisch zu verstehen. In ihrem eigenen sind Logarithmen viel wichtiger.

    Der hier gemeinte Primat ist halt in seiner Sprachwelt, den Austausch meinend, gefangen.
    “Logos” und so…

    Dies hier – ‘Ich halte die Maschinen zum einen nicht für intelligent, weil diese Qualität voraussetzt, dass man sein Handeln auf die Zukunft einstellt.’ – ist m.E. direkt falsch, weil Maschinen per se, um handeln zu können, qualifizieren müssen können.

    Es gibt diesbezüglich auch womöglich passende Beschau, aktuell und vergleiche :

    -> https://duckduckgo.com/?q=boston+dynamics&t=opera&ia=videos&iax=videos&iai=https%3A%2F%2Fwww.youtube.com%2Fwatch%3Fv%3Dfn3KWM1kuAw

    “Qualität” meint die Feststellung von Beschaffenheit.

    MFG
    Dr. Webbaer

  4. #4 Markweger
    Januar 29, 2021

    Na ja, die Vorstellung von einer “künstlichen Intelligenz” ist ja ohnehin weitestgehend übertrieben wenn nicht glatter Unsinn.
    In einem Computer läuft das automatisch ab was ein Mensch sich überlegt hat, was er programmiert hat. Allerdings extensiv rasch und dann automatisch.
    Wenn der Programmierer einen Fehler gemacht hat kann das katastrophale Folgen haben. Es gibt eben in vielen Bereichen eine Unzahl von Möglichkeiten.

    Sicher ist es beeindruckend was Computer heute können, vollautomatische Steuerung von allem möglichen, sogar Übersetzung von Sprachen funktioniert inzwischen erstaunlich gut.

    Aber am Ende läuft nur immer das ab was ein Mensch sich überlegt hat. Und das man völlig realitätsfremde Vorstellungen darüber hat das geht ja tatsächlich schon sehr weit zurück.

    Nur Logarythmen sind eine spezifische mathematische Funktion, die vor dem digitalen Zeitalter eine noch viel wesentlichere Funktion hatte (Rechenstab, Logarythmustafeln).
    Dagegen meint man mit Algorythmen wohl alle möglichen Funktion, was enorm an Bedeutung gewonnen hat, da man ja jede beliebige Funktion programieren kann und die dann sehr rasch abläuft.
    Also daran finde ich eigentlich nichts verkehrt, es ist eine Anpassung an das digitale Zeitalter.

  5. #5 Angelika Wittig
    Berlin
    Januar 31, 2021

    “….aber die Maschine ist kein Ziel, sondern ein Gerät. Ein Werkzeug, nicht anders als der Pflug.”
    So schrieb es Antoine de Saint Exupery, und wir sind gut beraten, wenn wir auf diese Worte hören.
    Egal, wie sehr von einem Perpetuum mobile oder einem Humunculus geträumt wird:
    Es wir niemals eine Maschine geben, die über intrinsische Motivation verfügt.
    Dies ist der Unterschied zwischen Menschen und Maschinen, zwischen Mechanik und Menschlichkeit.
    Menschen können freiwillig und aus Freude tätig werden, ohne dass es ihnen jemand sagen muss.
    Gern auch mit Hilfe von Algorithmen oder basierend auf Logarithmen, wichtig ist das konstruktive, weil erfreuliche Ergebnis.
    Viele glauben an die Möglichkeit, Menschen durch Roboter zu ersetzen, weil sie keinen freien Willen mehr in sich wahrnehmen, geschweige denn, dessen Bedeutung erkennen können.

  6. #6 Markweger
    Januar 31, 2021

    Übrigens auch unser ganzes Empfinden und Denken.
    Nur um irgend ein beliebiges Beispiel zu nennen:
    Wir wissen dass z.B. Farben bestimmten Frequenzen entsprechen aber wir haben doch nicht irgend eine Vorstellung wie dieses Empfinden von Farbe zustande kommt.

    Das gilt erst recht für das Leben. Ja wir wissen dass Ströme über unsere Nerven Nachrichten übemitteln. Aber Leben und alles was dazu gehört können wir nicht erklären.
    Ich frage mich manchmal ob nicht die Evolution noch ein gutes Stück weiter gehen muss um da einem Verständnis näher zu kommen.
    Die Evolution ist natürlich bei uns Menschen im Vergleich zu den Anfängen schon unglaublich weit gekommen.
    Aber das heißt natürlich nicht dass wir das Ende des Weges sind, sondern die Evolution wird weiter gehen.