Bahra, Hanne: Königin Luise. Von der Provinzprinzessin zum preußischen Mythos, München 2010.

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Von Sandra Malter (Universität Heidelberg)

„Zehn Jahre war sie der wahre Herrscher Preußens”, stellte der französische Kaiser Napoleon I. (1769-1821) einst über die preußische Königin Luise (1776-1810) fest. Zum 200. Todestag berichtet die Journalistin Hanne Bahra nun in einer Bildbiografie über die Lebensgeschichte der Gemahlin des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. (1770-1840).

Die schöne Luise und ihre Entwicklung zur bedeutendsten Königin

Ihre Schönheit und Natürlichkeit zeichneten die Königin aus, von der sogar Dichter schwärmten und Napoleon so beeindruckt war. Aber nicht nur als schöne Frau wird sie in der Biografie dargestellt, sondern ebenso als Vermittlerin zwischen feudaler und moderner-bürgerlicher Welt. Bahra skizziert Luises Tugenden, die sie verbürgerlichen und zugleich ihre gesellschaftlichen Grenzen, die durch den Unterschied des Geschlechts definiert wurden, und die sie nie überschritt.

Beim Lesen des Kapitels über die glückliche Kindheit Luises erfährt man von ihrem großen Selbstwertgefühl und wie sie stets versuchte, das Richtige an sich zu tun. Allerdings strebte sie auch nach privatem Glück, obwohl Herrschende zu dieser Zeit keinen Anspruch darauf hatten.

Die Autorin betrachtet in der Folge Luise als die bedeutendste deutsche Königin, weil die Gemahlin des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. versuchte, ihre privaten und die gesellschaftlich-öffentlichen Vorstellungen für Preußen zu verwirklichen. Schon zu Lebzeiten entstand so der Mythos einer Patriotin, Dulderin und Landesmutter. Ihre Besonderheit begründet Bahra anhand der Widersprüchlichkeit Luises in ihrer Person. Sie wird zugleich als aufsässig und harmoniebedürftig, naiv und hintergründig sowie wissbegierig und träge beschrieben.

Aufgrund dieses Wesens hätte sich Friedrich Wilhelm III. für sie entschieden, denn sie verkörperte das pulsierende Leben, nachdem er sich sehnte. Aus dieser Liebesheirat gingen zehn Kinder hervor. Somit setzte Luise die Tradition fort und gebar genauso viele Kinder wie ihre Mutter, aber ebenso waren der Nachwuchs und die Zukunft Preußens gesichert.

Die preußische Königin als Vermittlerin und Führerin

Bahra zeigt anhand von Briefen auf, dass Luise sich nicht als Königin geboren betrachtete. Zum Beispiel in einem Brief an ihren Bruder, indem sie schreibt, dass sie „nicht zur Königin geboren ist, aber doch gern das Opfer werden will, wenn nur sonst in Zukunft dadurch was Gutes gestiftet werden kann”.

Luise versucht die gegensätzlichen Naturen der Eheleute zu überbrücken, indem sie Friedrich Wilhelms intimste Mitwisserin wird und er mit ihr seine staatstragenden als auch kritischen Gedanken teilt. Die Autorin stellt in der Folge dar, wie es Luise schafft, die Sympathie für beide beim Volk zu gewinnen und wie sie die Liebe der Untertanen durch ihre Höflichkeit und Dankbarkeit erhält. Der Mythos der Königin als wahre Führerin erklärt Bahra, indem sie Friedrich Wilhelms Entscheidungsschwäche und Friedensliebe aufdeckt und Luise als die Person mit dem deutschen Nationalgefühl und dem preußischen Tatendrang überhöht.

Eine den Leser fesselnde Bildbibliografie

Chronologisch stellt die Autorin Luises Werdegang von ihrer Geburt 1776 bis zum ihrem Tod im Jahre 1810 dar. Das übersichtliche Inhaltsverzeichnis zieht den Leser mit seinen prägnanten Kapitelüberschriften in den Text, aber ebenso die großen Abbildungen von Luise und ihrer Familie fesseln den Leser an die Geschichte der schönen Luise.

Bisher hat die freie Berliner Journalistin Hanne Bahra eher von kulinarischen Entwicklungen aus der Gastronomie berichtet oder Reise- und Kochbücher veröffentlicht. Es ist somit ihr erster Versuch, sich in einer Biografie einem historischen Thema zu widmen.

Die Verschönerung der historischen Sicht

Konzeptionell soll die Entwicklung der Luise von der verwöhnten Naiven zu einer wahrhaft königlichen Vermittlerin zwischen feudaler und moderner Welt dargestellt werden, um die nachhaltige Wirkung der Luise auf die Geschichte herauszuarbeiten.

Luise wird dementsprechend als die „Starke” neben ihren Ehemann gestellt, die die Dynastie erhalten will und auch nicht in Krisenzeiten an Abdankung denkt. Bahra überhäuft die Königin geradezu mit Bewunderung, indem sie sie als „guten Geist Preußens” bezeichnet und versucht, „ihren wahren Zauber” aufzuzeigen. Allerdings räumt sie ein, dass die preußische Königin nicht als „Kultfigur einer modernen Emanzipation” betrachtet werden könne. Als Leser stellt man sich daher schnell die Frage: Was sollte sie denn noch alles sein?

Besonders der Brautzug nach Berlin spielt für Bahra in Bezug auf den Mythos der großen deutschen Mutter eine wichtige Rolle. Bei der Ankunft in Berlin soll Luise ein kleines Mädchen aus dem Volk geküsst haben und eine Myrtenkrone von diesem übergeben bekommen haben. Bahra verschönert daraufhin die historische Sicht mit den Worten: „Es ist zu schön, um nur eine Legende zu sein”.

Der Versuch eines differenzierten Luisen-Porträts scheitert

Die Autorin rettet sich, als sie bemerkt, dass die vielen Attitüden und Mythisierungen Luises im Einklang mit dem gesellschaftlichen Wandel zur Moderne gesehen werden müssen. Kritiker, die nicht ihre Thesen vertreten, lässt Bahra nur bedingt zu Wort kommen oder mindert deren Meinung ab, indem sie betont, der Mensch würde aus widersprüchlichen Eigenschaften bestehen.

Nach dem frühen Tod Luises wird sie als preußische Madonna in den Olymp der Unsterblichen erhoben, stellt Bahra fest. Sie erklärt die Mythen, die sich um den Kult der preußischen Königin nach ihrem Ableben bilden. Zum einen wird aus der Sympathie-und Identifikationsfigur das nationale Vorbild des preußischen Staates. Zum anderen wird sie zur Wegbereiterin der deutschen Einheit erklärt, indem der Luisenmythos zum Gründungsmythos des Deutschen Reiches wird, nachdem der Sohn Wilhelm I. deutscher Kaiser wird.

Trotz des Versuchs eines differenzierten Porträts und der Darstellung der vielen Mythen über Luises Person, stürzt Hanne Bahra schnell in eine unhistorische Verklärung ab und idealisiert populärwissenschaftlich.

Kommentare (1)

  1. #1 GeMa
    Mai 30, 2010

    Also das perfekte Geschenk für Königin-Luise-BewunderInnen, das man rasch und unbetrachtet in Geschenkpapier einwickeln sollte. Danke für den Tipp.