“Am Anfang war das Licht”, eine Dokumentation über das Phänomen “Lichtnahrung”, läuft seit Freitag in den österreichischen Kinos. Die Filmkritik reagiert gespalten: Unkritische Rezensionen findet man etwa auf ORF.at, von der APA oder bei filmering.at. Etwas neutraler gibt man sich beim Standard, und kritische Stimmen der Skeptiker Werner Gruber und Jörg Wipplinger findet man in der Presse bzw. bei thegap. Lesenswert ist auch die Kritik von Niko Alm und die Stellungnahme der Science Busters. [Nachtrag vom 22.09.: Auf den Punkt bringt es Klaus Taschwer heute im Standard.]
Ich selbst halte den Film von P. A. Straubinger für handwerklich gut gemacht und kommerziell erfolgversprechend. Aus wissenschaftlicher Sicht schwankt er zwischen naiv und manipulativ und ist insgesamt wertlos.
Der Yogi und die Wissenschaft: Eine Filmkritik
P.
A. Straubinger nähert sich dem Phänomen Lichtnahrung über historische
Abrisse, Berichte aus asiatischen Kulturen und Anekdoten, sowie über
Untersuchungen und wissenschaftlich-theoretische Betrachtungen. Etwa in
der Mitte des Films wird die Frage OB es das Phänomen gibt, mit einem
klaren JA beantwortet und im weiteren versucht, mögliche Antworten auf
das WIE zu geben.
Diese zweite Hälfte des Films kann man in
dieser Hinsicht getrost vergessen. P. A. Straubinger ist extra nach
Deutschland und in die USA gereist, um dort jene altbekannte Handvoll
Quantenmystiker zu finden, die auf jeder zweiten Esoterikseite im
Internet als Zitatspender dienen. Im Film vergisst er zu erwähnen, dass
seine akademisch gebildeten Protagonisten ihre spekulativen und teils
haarsträubenden Privatmeinungen zum besten geben, nicht aber die
Position der Wissenschaft vertreten.
Biophotonen, Telepathie und Esoterik
So
hat Straubinger etwa unter tausenden seriösen Biophysikern ausgerechnet
den Biophotonen-Guru Fritz-Albert Popp in seinem Privatinstitut
interviewt, als ob dessen abstruse
Licht-Körperzellen-Kommunikationstheorie irgendwie wissenschaftlich
akzeptiert sei. Von allen Ärzten der Welt darf gerade Rüdiger Dahlke als
“Fastenarzt” in die Kamera lächlen, der als Hardcore-Esoteriker
szenebekannt ist und nicht einmal eine Approbation als Arzt besitzt. Rupert Sheldrake wird als “Entdecker” statt als “Erfinder” der “Morphischen Felder” vorgestellt, als ob diese auch nur den Hauch von Anerkennung genießen würden. Von
allen lebenden Nobelpreisträgern muss ausgerechnet der Telepathie-Fan
Brian Josephson herhalten, dessen Ansichten seinen Kollegen so peinlich
sind, dass sie über ihn nur noch den Kopf schütteln.
Auch der als “Bewusstseinsforscher” vorgestellte
Dean Radin und die halbe Belegschaft des Princetoner PEAR-Labs darf
Wortspenden abgeben. Dabei erfährt der Zuschauer aber weder, dass Radin
ein Parapsychologe ist, dessen Positionen in der Wissenschaft abgelehnt
werden, noch dass das PEAR-Lab längst geschlossen wurde, ohne dass seine
am Rande des statistischen Rauschens angesiedelten Forschungsergebnisse
die Schwelle zur Akzeptanz jemals überqueren hätten können.
Aurafotografie und Erdstrahlen
Nicht
viel besser steht es um Straubingers heimische
“Wissenschaftsvertreter”. Die Salzburger Mediziner Gerhard Hacker und
Gernot Pauser dürfen vor der Kamera die mittels Kirlianfotografie
vermessene Aura einer übergewichtigen russischen Lichtesserin bewundern
bzw. über das geheimnisvolle System der Meridiane faseln. Das heißt, die
moderne Medizin wird ausgerechnet durch jene beiden Herren
personifiziert, die sich schon vor Jahren von seriöser Forschung
verabschiedet haben und nun akademisch zum Verkaufserfolg eines Wellblechs gegen Erdstrahlen beitragen. Da erscheint es schon seltsam ironisch, dass ausgerechnet Wolfgang Marktl, Präsident der der Esoterik wahrlich nicht abgeneigten GAMED, als einsamer Kritiker der Lichtnahrung auftaucht.
Das Problem dabei ist nicht primär, dass Straubinger esoterisch
angehauchte Physiker und Mediziner oder erfolglose Parapsychologen
interviewt. Sondern dass er es so darstellt, als seien diese die
Vertreter der “modernen Wissenschaft”, also Forscher aus den Elite-Unis
Princeton und Cambridge, die sich nun doch endlich des Rätsels der
Lichtnahrung annehmen. Das ist schlicht falsch und diese Darstellung
daher extrem einseitig und manipulativ.
Nicht WIE ist die Frage, sondern OB
Wie sollte man
sich aus wissenschaftlich-kritischer Perspektive dem Phänomen
Lichtnahrung nähern? Die Antwort ist relativ einfach: Als allererstes
gilt es festzustellen, ob das Phänomen überhaupt real ist. Gibt es
tatsächlich Menschen, die ohne zu essen und zu trinken leben?
Kommentare (699)