Wer schlechte Leistungen bringt kann auf diesem Gebiet auch die Leistungen anderer nicht beurteilen und neigt zur Selbstüberschätzung. Kruger und Dunning kamen einem verbreiteten Effekt auf die Spur, der auch rund um die Wissenschaft oft sichtbar wird.
Sind Sie ein guter Autofahrer? Besser als der Durchschnitt? Besser als 70% aller Autofahrer? Wo würden Sie sich einordnen? Fast jeder hält sich für überdurchschnittlich – nicht nur beim Autofahren, sondern auch wenn es um intellektuelle Fähigkeiten, um Sozialkompetenz oder um Humor geht. Und trotzdem kann definitionsgemäß auf jedem Gebiet nur jeder Zweite überdurchschnittlich gut sein zu den besten 50% gehören. Dieses Paradoxon wurde von den Psychologen Justin Kruger und David Dunning im Jahr 1999 untersucht – in einem mittlerweile recht berühmten Paper, das nach wie vor äußerst lesenswert ist.
Alle sind besser
In mehreren Experimenten stellten Kruger und Dunning ihren Probanden Aufgaben – etwa Logik-Tests oder Grammatik-Fragen. Dabei zeigte sich: Je schlechtere Fähigkeiten man in einem bestimmten Gebiet hat, umso schlechter sind auch die Fähigkeiten, Leistungen in diesem Gebiet zu bewerten – seien es die eigenen Leistungen, oder die Leistungen anderer. Für die Auswertung wurden die Probanden je nach ihren Testergebnissen in vier Gruppen eingeteilt – und sogar das jeweils schwächste Viertel hielt sich nach eigener Einschätzung bei allen Tests für überdurchschnittlich gut. Die besten 25 Prozent hielten sich auch für überdurchschnittlich – damit hatten sie zwar recht, sie unterschätzten ihre Fähigkeiten aber sogar.
Man muss ein gutes Huhn sein, um Gegacker beurteilen zu können
In nächsten Schritt wurden die besten 25% und die schlechtesten 25% der Testpersonen aufgefordert, Antworten anderer Teilnehmer zu beurteilen. Erwartungsgemäß gelang das den Personen, die selbst gut abgeschnitten hatten, viel besser als den weniger begabten. Man braucht Können, um das Können anderer zu beurteilen. Interessant ist allerdings, welche Schlüsse die beiden Gruppen daraus über sich selbst ableiteten: Den Kandidaten wurde die Möglichkeit gegeben, ihre Einschätzung über ihre eigene Leistung zu ändern. Konfrontiert mit den Ergebnissen anderer erkannten die besonders guten Teilnehmer, wie gut sie im Vergleich zu den Kollegen abgeschnitten hatten – und schätzten sich besser ein als vorher. Damit lag ihre Selbsteinschätzung ziemlich nahe an der Wahrheit. Die besonders schlechten Teilnehmer allerdings konnten aus der zusätzlichen Information überhaupt keine neuen Schlüsse ziehen – ihre Selbsteinschätzung blieb weiterhin viel zu positiv, weit weg von ihrem tatsächlichen Testergebnis. Selbst die Konfrontation mit besseren Leistungen führte nicht zur Erkenntnis der eigenen Schwäche.
Können rauf, Selbsteinschätzung runter
Wie ist es dann überhaupt möglich, inkompetenten Personen die eigene Inkompetenz klar zu machen? Kruger und Dunning fanden darauf eine ganz einfache Antwort: Wenn Selbsterkenntnis mit Kompetenz korreliert, dann muss man eben die Kompetenz erhöhen, um die Selbsteinschätzung näher an die Realität zu bringen. Sie gaben daher Probanden, die beim Logik-Test schlecht abgeschnitten hatten, Nachhilfe in Logik und ließen sie danach die eigenen Fähigkeiten noch einmal bewerten. Obwohl das Zusatz-Training die Leistungen der Probanden verbesserte, verschlechterte sich dabei die Selbsteinschätzung. Offenbar führte das Erweitern der Fähigkeiten dazu, dass sich die Test-Teilnehmer ihrer eigenen Schwächen endlich bewusst wurden.
Schau, Mama, ich kann Picasso!
Dieser Effekt lässt sich oft an Leuten beobachten, die ein neues Hobby entdeckt haben: Mit riesengroßer Begeisterung entlockt man seinem Musikinstrument endlich ein paar zusammenhängende Töne, man hängt die krampfhaft angefärbelte Leinwand stolz übers Wohnzimmersofa, man rezitiert ein Gedicht beim Poetry-Slam und hält sich für ein Jahrhundertgenie. Erst wenn man sich dann länger damit beschäftigt, erkennt man, dass diese ersten Leistungen vielleicht doch nicht ganz so strahlend waren wie man zuerst dachte. Man entwickelt feineren Geschmack, vergleicht sich mit Profis, wird unzufriedener mit sich selbst. Wenn man dann aber die eigenen Werke der Reihe nach in Ruhe ansieht, stellt man fest, welche Fortschritte man doch gemacht hat, auch wenn die subjektive Zufriedenheit mit den Ergebnissen sich anders entwickelt hat.
Einstein? Schon gut, aber ich mach das jetzt anders!
Zu beobachten ist der Effekt aber leider auch bei Wissenschafts-Diskussionen: Erstaunlich oft glauben esoterische Halb- oder Viertelgebildete, etwas zu wissenschaftlichen Kontroversen zu sagen zu haben. Dann verfassen sie als Hobbyforscher abstruse Theorien, mit mystischem Quantenzauber inklusive, oder sie widerlegen wieder mal Einstein. Diese Leute sind von der wirklichen Wissenschaft so weit entfernt, dass sie die Wissenschaft nicht einmal am Horizont erkennen können – und dadurch können sie auch nicht einschätzen, wie weit sie noch wandern müssten, um echte Wissenschaft zu Gesicht zu bekommen.
Mehr Bildung!
Nach Kruger und Dunning gibt es nur eine Möglichkeit, das zu ändern: Bildung. Wissen für alle. Damit möglichst viele Menschen ein solides Basiswissen über Wissenschaft erwerben – und damit die, bei denen das nur in eingeschränkten Ausmaß möglich ist, zumindest erkennen, was sie alles nicht wissen. Wenn man, wie es Sokrates in den Mund gelegt wird, weiß, dass man nichts weiß, dann hat man schon ziemlich viel erreicht.
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