Ich konnte es mir ja nicht nehmen lassen, das neue Science Center Odysseum in Köln zu besuchen, nachdem Chris darüber berichtete.
Leider waren sowohl mein Mann als auch ich richtig enttäuscht.
Mein Rat: Fahrt lieber zur Phänomenta nach Lüdenscheid oder zum Universum nach Bremen oder gleich zum Deutschen Museum nach München. Für Kinder unter acht Jahren ist das Odysseum meiner Meinung nach nicht geeignet und wenn Ihr unbedingt reinwollt, weil Ihr denkt “Besser als nichts und Bremen und Lüdenscheid sind zu weit weg” dann schnappt Euch einen versierten Naturwissenschaftler, der kindgerecht erklären kann.
Denn daran hapert es im Odysseum und zwar ganz gewaltig.
Ich kann darüber hinweg sehen, dass die Eingangshalle nicht sehr einladend ist, sondern den Charme eines Messegeländes verströmt.
Ich kann auch mit Mühe darüber hinwegsehen, dass die Exponate und Experimente mehr oder weniger wahllos ohne Struktur in die groben Bereichen “Erde”, “Cyberspace”, “Leben” und “Kinderstadt” zusammen geworfen wurden. Wobei ich mich frage, was um Himmels Willen ein Exponat mit drei Stäben aus Plastik, Stahl und Kupfer und Magneten in der “Kinderstadt” zu suchen hat.
Bild: Aus der “Kinderstadt”. Früh übt sich, was mal einen Ford kaufen soll, nicht wahr 😉
Welches Genie meinte übrigens, dass “Wirbelströme” eine Erklärung darstellen soll? Genauso gut kann man “Hokuspukus” hinschreiben, erklärt genauso viel. So verpufft die Wirkung eines an sich guten Experiments.
Daneben gibt es nicht wenige Exponate, die schlicht ungeeignet sind, irgendwas zu erklären. Was sollte z.B. diese “biometrische Station”?
Viele blaue LCDs und Computerdisplays, und eine Tafel wo in ein paar Sätzen “erklärt” wurde, dass man z.B. den Finger über eine Metallfläche bewegt und dabei die Fingerabdrücke eingelesen werden. Ich kann nur vermuten, dass es sich bei diesen Stationen um Attrappen handelt, wir haben jedenfalls alles mögliche dort angestellt. Von “Interaktivität” und “Lerneffekt” keine Spur. Dieser Bereich ließ uns und ich denke so ziemlich jeden Besucher ratlos zurück. Was soll so etwas? Es war jedenfalls keiner da, den man hätte fragen können. Nirgendwo.
Damit kommen wir eigentlich bereits zur ersten und einfachsten Lösung: Die sollten Studenten schulen und hinstellen. 5-10 pro Bereich. Teilweise habe ich selbst einige Teile erklärt, was auch dankbar angenommen wurde. Ich kann halt keine wissbegierige Kinder ratlos vor an sich schönen Exponaten stehen sehen, weil die Erklärungen Mist sind.
Meine Güte, geschulte Betreuer sind inzwischen Standard in den Science Centern dieser Welt. Weil jeder, der so eine Ausstellung mal mitgemacht hat, weiß, dass Leute keine Anleitungen lesen und meist Fragen haben, die von so einer Tafel nicht beantwortet werden. Außerdem werden Experimente immer weitaus stärker beansprucht als gedacht. Wenn z.B. niemand daneben steht und den Leuten erklärt, dass es nicht der Sinn eines chaotischen Pendels ist, es möglich schnell um die Achse zu wirbeln.
Und nein, “Welt der Wunder”-Videos zeigen, ist kein adäquater Ersatz für einen Erklärer aus Fleisch und Blut. Dann hätten sie auch nicht so das Problem, dass laut Zeitungsbericht nur 14 Tage nach Eröffnung bereits 30 Exponate kaputt gegangen sind. Übrigens habe ich noch ein paar mehr Stationen gezählt, die ebenfalls kaputt oder nur eingeschränkt funktionstüchtig sind. Argh, es tat schon vom Zusehen weh, wie die Experimente strapaziert wurden.
Dann passiert es auch nicht, dass besonders schöne Exponate wie die Nebelkammer einfach dumm rumstehen:
Ich hab in Hamburg am DESY im Rahmen einer interaktiven Ausstellung stundenlang an einer Nebelkammer gestanden und den Leuten erklärt, dass sie da Radioaktivität sehen können. Dass eine gewisse Radioaktivität normal ist, dass es sich dabei in vielen Fällen eigentlich um Elementarteilchen handelt. Was ein Elementarteilchen ist, dann die Sache mit den Myonen aus der Höhenstrahlung, die jedes Mal, wenn sie durch eine solche Kammer zischen, die spezielle Relativitätstheorie bestätigen usw. usf.
Es gibt dutzende von Fragen und Erklärungen, die sich alleine rund um eine Nebelkammer ergeben. Es tat richtig weh, dieses wunderschöne Stück weitgehend unbeachtet in einer Ecke genau gegenüber dem Astronautenstuhl vor sich hinstauben zu sehen. Natürlich wieder mal mit so gut wie keiner Erklärung dabei. Kein Wunder, dass kein Mensch mit so etwas was anfangen kann.
Überhaupt gibt es einige gute Exponate, welche das Odysseum dann doch retten. Wenn man wie gesagt, jemanden mitnimmt, der bei Bedarf Erklärungen abgibt.
Ach und der Außenbereich ist ziemlich gut, weil man es dort geschafft hat, kindgerechte spielerische Experimente zusammenzustellen, die man auch ohne große Erklärung verstehen kann.
Es war herzerfrischend zuzusehen, wie vier Kinder herumtüftelten, warum eines der Wasserspiele nicht ging. Und sie haben es auch ans Laufen gekriegt. Ein Musterbeispiel für die spielerische Erschließung von physikalischen Prinzipien und die Funktionsweise eines Wasserrades. Nach all den zappeligen Kindern innen drin, die einfach knöpfchendrückend ohne Geduld und Erfolg von Station zu Station eilten, war es wirklich wohltuend zu sehen, dass es noch Kinder mit Geduld gibt.
Leider, leider zeigt sich im Odysseum, dass die angeblich ach so Alternativen es auch dort geschafft haben, einen Fuß in die Tür zu setzen. Tatsächlich steht im Bereich “Mensch” eine Vitrine, wo völlig unkritisch “Alternatives” angepriesen wird. Ein Fach in diesem Bereich enthält sogar Quecksilber. Natürlich ohne den Hinweis, dass das Zeug eigentlich giftig ist. Immerhin hörte es sich in der Wissenslounge ein Stockwerk drüber mit den weiterführenden Texten etwas anders an, was dort zu der angeblich alternativen Schiene gesagt wurde
Na ja, Schwamm drüber.
Fazit: Hoher Anspruch, der aber bislang nicht erfüllt wird. Es tut mir auch leid, dass Odysseum so verreißen zu müssen. Aber was soll ich dazu sagen? Die Ausstellung wirkt so, als ob sich niemand die Mühe gemacht hat, in den bereits existierenden Wissenschaftsmuseen reinzugehen und mal zu schauen, was so läuft und was man machen muss, um es am Laufen zu halten. Nur einen Haufen Experimente ohne rote Linie zusammenzuwürfeln und die Leute drin rumlaufen zu lassen, das reicht einfach nicht aus. Und wer zum Geier hat diese Erklärungstexte entworfen? Studenten? Schade drum. Insbesondere wenn man die gesalzenen Eintrittspreise bedenkt. Die wirklich sehenswerte “Physikanten-Show” kostet noch mal 4 Euro extra. Aber wenn man schon drin ist, sollte man sich das nicht entgehen lassen. Immerhin kriegt man hier wirklich mal was von Menschen aus Fleisch und Blut spielerisch erklärt.
P.S.: Den Gastronomiebereich kann man vergessen. Bei unserem Besuch gab es als warmes Essen zur Auswahl Braten, Frittiertes, Frittiertes und Frittiertes. Daneben wurden in Mayonnaise ertränkte Kartoffelsalate und ein halbwegs anständiger Salat mit Fleischspieß angeboten. Das Obst konnte man tatsächlich kaufen, auch wenn es eher wie Deko aussah. Da kann man in jedem Freizeitpark ausgewogener essen.
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