State-of-the-art Klimamodelle sind gekoppelte Ozean-Atmosphären Modelle, die an keiner Stelle (weder geographisch lokal noch physikalisch in einigen Prozessen) an die Beobachtungen gezwungen werden. In den Anfangsjahren der Modellentwicklung (vor etwa 10 Jahren) gab es noch eine Reihe Modelle, die eine sogenannte Flusskorrektur vorgenommen hatte, d.h. durch bestimmte künstlich aufgezwungene und geographisch eingeschränkte Flüsse wurden die Modelle daran gehindert “aus dem Ruder” zu laufen. Heute ist die räumliche Auflösung der Modelle grosz genug und, sagen wir mal, die Kunst der Modellierung weit genug entwickelt, um dieses “Aus-dem-Ruder-Laufen” zu verhindern. Im Laufe der Modellentwicklung finden die Klimaforscher typischerweise einen Parametersatz, der eine hinreichend zufriedenstellende Übereinstimmung des Modells mit einer Beobachtungsklimatologie, die typischerweise den letzten 30-40 Jahren entspricht. Dieses Parametertuning bezieht sich meist auf nur eine relativ kleine Anzahl (gemessen an der Gesamtzahl der enthaltenen Parameter) der Modellparameter und ist anschliessend für alle weiteren Untersuchungen mit dem entsprechenden Modell, seien es Paleo-Untersuchungen oder Scenarienrechnungen für die Zukunft, fest (siehe Bild 2).
Bild 1: Konnte nach langer Suche und aufwendigen Versuchen endlich identifiziert werden: Der Schmetterling, der die Hurrikane in der Karibik erzeugt. Cabron!
Soweit so gut. Jeder kennt sicher die Diskussion um den berühmten Schmetterling, der wahlweise einen Hurrikan in der Karibik oder den Regen in Paris verursacht. Es geht dabei um den chaotischen Charakter des Wetters auf unserem Planeten,d.h. den Umstand, dass kleine, ja kleinste Störungen des Anfangszustands der meteorologischen Parameter, eine praktisch beliebig (obwohl das diskutiert wird, siehe hier und hier ) kleine Änderung der Temperatur oder des Windes irgendwo auf der Erde, im Lauf der Zeit sich zu groszen, klar messbaren Unterschieden aufschaukeln. In den Klima- oder Wettermodellen sieht man das daran, dass man per Hand einen Parameter in der 10ten Stelle nach dem Komma ändert und dann nach 10 Tagen, 1 Monat etc. das weltweite Wettergeschehen vergleicht. Es hat, wie hier (siehe auch Bild 3) gezeigt, nach einiger aber doch relativ kurzer Zeit nicht mehr die geringste Ähnlichkeit. Der binäre Schmetterlingsschlag hat das Wetter auf dem Planeten geändert.
Bild 2: State-of-the-Art Klimamodelle sind gekoppelte Ozean-Atmosphären Modelle. Sie berechnen Temperatur, Feuchte, Salinität, Transport (d.h. Winde oder Meeresströmungen) mittels des klassischen Satz an Gleichungen zur Energie- und Impuls-Erhaltung (sogenannte primitive Gleichungen). Viele subskalige Prozesse sind den primitiven Gleichungen hinzugefügt, die stark vereinfacht und parametrisiert sind.
Nun wenn das so ist, dann ist es vielleicht beim Klima genauso? Dann kann man vielleicht gar keine Aussagen über das Klima machen, da es chaotisch im Sinne von Ed Lorenz auseinanderläuft? Zwei Klimazustände würden also bei unveränderten Randbedingungen sich weit voneinander entfernen, gerade wie in Williams Beispiel oben. Das meint scheinends Jörg Friedrich, Scienceblogs Hausphilosoph, aber auch Meteorologe und Physiker. Für einen Philosophen hat Herr Friedrich überraschend oft das Problem missverstanden zu werden, darum hier besser die wörtlichen Zitate zum Thema (hier und hier ).
Tatsächlich ist Klima die Statistik des Wetters über einige Dekaden und diese Statistik wird sehr stark durch die Energiebilanz des Planeten eingeschränkt. Diese lässt sich wiederum nur durch massive Eingriffe in die entsprechenden Prozesse und Faktoren ändern, etwa die Stärke der Sonnenkonstante, die Albedo der Erde oder die Zusammensetung der Erdatmosphäre. Ich meine also im Gegensatz zu Herrn Friedrich, dass auf einer multi-dekadischen Zeitskala das Klimaproblem kein Anfangswertproblem (Stichwort Schmetterling), sondern ein Randwertproblem (zB. Treibhausgase) ist.
Bild 3: Das schnelle Anwachsen von Unterschieden zwischen zwei fast identischen Anfangszuständen im HADam3 Modell. Die Rechnung wurde von William Connolley durchgeführt um das exponentielle Anwachsen von kleinen Störungen in Klimamodellen zu zeigen. Von oben nach unten: Unterschiede im Bodendruckfeld nach 4 Tagen , 15 Tagen und nach einem Monat. Hier gehts zu William’s Original-Artikel.
Nun wie gehen die Klimamodellierer dieses Problem an und warum eigentlich? Das Warum ist schnell geklärt. Die Hauptsorge der Modellierer ist, dass ihre Scenarien-Rechnungen für das nächste Jahrhundert richtig gestartet werden. Die Modelle, die ich im ersten Kapitel kurz beschrieben haben, enthalten ja einen Ozean und der hat seeehr lange Umwälzzeiten. Das kann durchaus einen Einfluss auf die Reproduktion des Klimas des 20ten Jhds und dann auch auf die Simulationen des 21Jhd haben. “Früher” haben die Modellierer folgendes gemacht: Sie nahmen die Modelle und trieben sie ein paar hundert Jahre mit den Randbedingungen des späten 19ten Jahrhunderts an und dann gehts los mit den verschiedenen zeitlich variierenden Randbedingungen.
Jedoch so gestartet setzt diese Methode vorraus, dass das Klima im 19ten Jahrhundert im perfekten Gleichgewicht war und insbesondere die Strahlungsflüsse am Oberrand der Atmosphäre ebenfalls im Gleichgewicht mit dem jeweiligen Klimazustand waren. Das ist leider nicht so (in gewisser Weise hinkt der Ozean immer dem, was gerade an der Atmosphären-Obergrenze geschieht hinterher) und wenn der Einfluss dieser Annahme auch wahrlich nicht riesig ist, so zeigten Weaver and Hughes 1996 doch, dass der Einfluss nicht völlig vernachlässigbar ist. Stouffer,Weaver und Ely entwickelten nun eine numerische Methode, um sich dem Klimazustand, an dem typischerweise die Läufe beginnen, nämlich 1850, möglichst anzunähern. Ich will jetzt hier nicht weiter auf die Details dieser Technik eingehen und verweise direkt auf das frei verfügbare Paper.
Bild 4: Konvergenz vieler verschiedener Modelläufe trotz verschiedener Anfangszustände. Hier ist die globale Mitteltemperatur der Läufe dargestellt, die alle vom Anfangszustand mit den historischen Randbedigungen des 20ten Jhd (Treibhausgase etc) integriert wurden.
Für uns und die Frage, ob das Klima chaotisch ist (zumindest in seiner Modellrepräsentation), reicht es einen Blick auf die Ergebnisse der Modellläufe zu werfen. Im Bild 4 sehen wir die simulierten vier verschiedene Methoden um sich dem 1850 Zustand zu nähern (worin die genau bestehen, brauch jetzt mal nicht zu interessieren), die dann nach unterschiedlichen Zeitspannen (von 0 bis 500 Jahren) als Anfangsbedingung genommen werden. Die verschiedenen Anfangszuständen sind ziemlich unterschiedlich und doch, setzt erstmal das Forcing des 20ten Jhd an mit seinem starken Anstieg der Treibhausgaskonzentrationen, konvergieren alle Modelle auf einen gemeinsamen Zustand hin. Sie bewegen sich eben auf einen gemeinsamen Attraktor hin, der gerade durch die Energibilanz gegeben ist.
Bild 5: Der Lorenz Attraktor des Lorenz Oszillators. Ein Punkt im Phasenraum bestimmt einen Satz an Koordinaten des Oszillators. Dieser Punkt bewegt sich bei dem gewählten Satz an Parametern auf den Attraktor zu und verbleibt in einem relativ kleinen stabilen Unterraum des Phasenraums gefangen.
Ich will es nochmal ausdrücken, und zwar in der berühmten Darstellung des Lorenz Attraktors. Stellen wir uns vor, wir setzen das Klimamodell irgendwo im Phasenraum (das heisst mit irgendeinem der unendlich vielen Kombinationen aus Temperatur, Druck, feuchte etc.) auf, so wird das globale Wetter in Kürze einen Orbit auf diesem Lorenz Attraktor einnehmen. Ein beliebig nah an denselben Anfangszustand aufgesetzter Klimalauf wird ebenfalls auf diesen Attraktor konvergieren, anfangs sehr nah bei dem ersten Lauf, dann aber in immer grösserer Distanz. Nach genügend langer Zeit (einige Tage) befänden sich die beiden Läufe sozusagen auf unterschiedlichen Flügeln des Lorenz Attraktors, ein völlig anderes Wetter. Der Attraktor selbst aber ist gerade das Klima und das ist sehr stark beschränkt durch die Energiebilanz der Erde. Solange ich die nicht ändere, lande ich immer wieder auf dem gleichen Attraktor (siehe nochmal Bild 3 und William Conolleys Artikel).
Zwei kleine Einschränkungen. 1) Es ist möglich den Anfangszustand hinreichend stark zu ändern, sodass man nicht mehr auf den gleichen Attraktor landet. Man könnte z.B. Grönland entfernen (und somit die globale Albedo) oder man könnte die globale Ozeanzirkulation künstlich im Modell zum Halten bringen. Bei so starken Änderungen landet man nicht mehr auf dem gleichen Attraktor, obwohl die Randbedingungen gleich sind. Letztlich hat man ein anderes Modell, welches einem anderen Attraktor folgt. 2) Der Attraktor im Beispiel oben aus dem Paper von Stouffer et al. ist sehr stark und führt offensichtlich bei allen Läufen zur Konvergenz zum ähnlichen jedoch nicht numerisch identischen Endzustand. Zum einen ist es möglich, ja wahrscheinlich, dass die Modellläufe noch stärker konvergieren, wenn man die Simulation noch länger laufen lassen würde. Zum anderen bleiben trotzdem sehr kleine Unterschiede, die noch für sehr lange Zeit für leicht andere Randbedingungen sorgen, insbesondere das Meereis mit seiner Albedo oder die Stärke der Ozeanzirkulation sorgen für kleine aber noch erkennbare Klimaunterschiede, die erst auf noch viel längeren Zeitskalen verschwinden (hunderte von Jahren).
Für alle praktischen Gesichtspunkte, insbesondere die Klimavorhersagen fürs nächste Jhd jedoch, ist das zu berechnende Klima ein Randwertproblem für die Modelle, wobei man allerdings (darum geht es ja im Paper von Stouffer et al.) mehr oder weniger geschickt die Anfangsbedingungen wählen sollte um eine realistische transiente Simulation zu erhalten. Kurz, um nochmal zum Anfangsdisput zurückzukommen, denke ich, dass Herr Friedrich Wetter mit Klima verwechselt, überraschend für einen Meteorologen, aber kann schon mal passieren.
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