Wo ich doch gerade den Sebastian Lüning in der Eingangshalle des TNO hier in Utrecht gesehen habe, dachte ich, es wäre nett die Diskussion zu dem fortzusetzen, was denn ein Trend ist. Warum sollte das wichtig sein? Die Idee der beiden RWE Klimaforscher Vahrenholt und Lüning, dem dänischen Forscher Henrik Svensmark folgend, ist, dass ein Trend in den Daten der neutron counter, also der Neutronendetektoren, einen Trend in den cosmic rays belegt, der wiederum zu einem Trend in der atmosphärischen Aerosolkonzentration und dann eben auch zu einem Trend in der Wolkenbedeckung führt und der dann schliesslich zu einer Erwärmung. Sie beziehen sich dabei tatsächlich auf die Zeit von 1970 bis 2000, von wo ab ein stagnierender “cosmic ray” Fluss dann für ein Stagnieren der globalen Temperaturen verantwortlich sei.
Hier habe ich in meinen Augen schlüssig gezeigt gezeigt, dass es (1) keinerlei signifikanten Trend in den Daten zweier verschiedenen Neutronen Counter (Climax, Oulu) gibt, dass (2) jeder Trend in der stark im 11 Jahreszyklus variierenden Kurve stark vom Startpunkt abhängt (ein Jahr mehr oder weniger) und dass (3) die kleinen Unterschiede zwischen den verschiedenen Neutronen Counter schon ausreichen, das Vorzeichen eventueller Trends umzudrehen.
Bild 1: Die Striche haben Vahrenholt und Lüning sich munter ausgedacht, nach täglich sich ändernden Kriterien. Hier eine Version: Die Abnahme der kosmischen Strahlung von 1970 bis 2000 ist durch die Steigerung der Sonnenaktivität verursacht und fällt genau in die Haupterwärmungsepisode.
Für diese kleine Analyse habe ich erstens das Wort Trend mathematisch aufgefasst, also als etwas, was man wirklich ausrechnen kann (und zwar mit einer linearen Regression, doch Vorsicht, es gibt Ausnahmen). Zweitens habe ich alle bei der jeweiligen Station vorhandenen Daten genommen. Drittens habe ich die Aussage der kalten Sonne, es gäbe Trends von Jahr A zu Jahr B getestet und A und B entweder aus deren Graphiken genommen oder aus dem Text der kalten Sonne (Buch oder Webseite).
Wie hier ja schon verlinkt wurde, haben daraufhin die die RWE Klimawissenschaftler tatsächlich geantwortet (statt sich zu schämen) und die Antwort ist in jeder Hinsicht überraschend für einen Klimawissenschaftler, ja überhaupt für einen Wissenschaftler, ja überhaupt für jemanden, der ganz einfach nur geradeaus nachdenken kann.
Die geeigneten Statistischen Mittel ist das Mittel 0.0 jeder Statistik für Dummies, nämlich die lineare Regression. Ich dachte eigentlich, das wäre gemeint mit den vielen geraden Strichen in den Graphiken der “kalten Sonne” und dem Wort Trend. Falls damit etwas anderes gemeint ist, ist selbstverstaendlich meine Kritik gegenstandslos. Aber vorerst tun wir mal so, als handele es sich um mathematisch im Prinzip nachvollziehbare Aussagen.
Bild 2: Man muss es nur richtig machen. Von 1970 bis 1992: Hurrah, die globale Erwaermung ist erklärt. Von 1977 bis 2000 (der eigentliche Zeitraum der stärksten Erwärmung im letzten Jhd): Böse Manipulation übler Gesellen. Vahrenholt und Lüning at its best. Nichtmals als cherrypicking gut genug.
Ganz sicher ist das gemein von dem Herrn Hoffmann. Er hat sich einfach die Kalte-Sonne Graphik aus Bild 1 angeschaut und hat gedacht, dass diese dicken Linien irgendeiner Realität entsprechen, also dass die RWE Klimagruppe vom Anfangspunkt (~1968) bis zum Endpunkt (~2000) eine Regression berechnet hätte. Ich habe genau das überprüft und es stellte sich als falsch heraus. Auf ihrer Webseite übrigens geben die beiden Klimaforscher sogar noch genauer als in der Zeichnung erkennbar an, über welchen Zeitraum sie den Trend “berechneten”.
Also nochmal, gemäsz Vahrenholt und Lüning nun also von 1970 bis 2000. Die 1968 habe ich von den Pfeilen abgelesen, nun nehme ich also die Angaben aus der “kalten Sonne”. Es bleibt alles beim Alten (siehe Bild 2), der Trend zeigt nach oben und nicht nach unten, was natürlich bei der groszen 11 Jahresamplitude reiner Zufall ist. Ein/zwei Jahre mehr oder weniger hier oder da bei der Trendberechnung und der Trend wackelt in jede gewünschte Rechnung. Zu dieser brillanten Überlegung kam auch der Sebastian Lüning oder vielleicht auch sein 9-jähriger Sohn und jetzt gilt:
Jetzt plötzlich wieder von 1970-1992. Aha, na das kann er ja dann in der nächsten Ausgabe des Buchs entsprechend anpassen. So oder so, der Sohnemann hat es jetzt richtig gemacht. Die Regression geht jetzt durch drei Minima und nur durch zwei Maxima und der Trend ist jetzt tatsächlich negativ (siehe Bild 2). Stellt sich natürlich die Frage, warum die Minima der Neutronenkurve? Was passiert da besonderes? Die nun schliesslich und endlich völlig komatöse Antwort lautet:
Bild 3: Ein weiteres Beispiel der erstaulichen künstlerischen Fähigkeiten der RWE Klimagruppe. Gezeigt wird die aus gemessenen Radioisotopen (10BE) rekonstruierte Neutronenzählrate. 110 Jahre geht es steil nach unten und dann die letzten Jahre plötzlich nach oben. Umgekehrt ginge es wahrscheinlich genaus so gut.
1) Jetzt ist es also plöztlich 1995. Wovon hängt das eigentlich genau ab welches Intervall das richtige ist? Vom Wetter? 1995 guuuut, 2000 schlecht, hat böse Hoffmann ausgesucht. Nimmt man die Zeichnung mit ihren Anfangs- und Endpunkten hinzu, haben wir insgesamt 4 unterschiedliche Zeitabschnitte, die die RWE Klimagruppe für relevant hält, je nach Gusto: 1968-2000 (siehe Bild 1), 1970-2000 (Kalte Sonne Webseite: Entgegnung auf Kritik an der Kalten Sonne von Seiten der Grünen), 1970-1992 (Entgegnung auf meine Kritik an der Kalten Sonne ), 1970-1995, (Entgegnung auf meine Kritik an der Kalten Sonne)). Nun könnte man ja sagen, “Scheiss drauf, kommt eh immer das gleiche raus”. Aber leider ist das nicht so (siehe Bild 2) und obendrein behauptet Lüning doch tatsächlich selber, dass es sich bei all dem um “begründbaren Anfangs- und Endpunkten gemäß dem 11-Jahressonnenzyklus“. Also gibt es zumindestens für einen der vier Kalte -Sonne Trends eine echte Begründung jenseits des esthetischen Empfinden des Nachwuchs des Autors. Schaun mer mal.
2) Es ist klar, dass das RWE Team meint, die Minima der Neutronenkurve seien wichtig, WEIL SIE SO GERADE DEN SONNENMAXIMA entspräche. Ich glaube, jetzt haben sich die RWE Solarexperten endgültig vollständig im Geflecht ihrer Konstruktionen verheddert. Schaut Leute, es ist ganz egal, wann und wie die Neutronen hergestellt wurden, ob von der Sonne oder vom groszen Manitu. Gemäsz der Svensmarkschen Idee, sind die Neutronen (bzw die Prozesse, die bei ihrer Entstehung beteiligt sind) DIREKT verantwortlich für die Bildung von Aerosolen, dann Wolken und dann eben Erwärmung/Abkühlung. Nehmen wir an, wir hätten eine wundervolle globale Wolkenbedeckungskurve gefunden, die ganz ähnlich der Neutronenkurve oben dem 11 Jährigen Sonnenrythmus folgte. Würde man da auch sagen: oh man muss die Korrelation nur duch die Minima der Wolkenbedeckung und nur vom Jahr X zum Jahr Y berechnen? Offensichtlicher Unsinn, denn die Wolken beeinflussen die globalen Temperaturen und wenn ich das zeigen will, dann nehme ich halt irgendeinen Zeitraum; in dem sich die Temperaturen geändert haben, ganz unabhängig davon, was wohl während dieser Zeit der Mond oder die Sonne getrieben hat. Hier haben wir die gemäsz der Svensmarkschen Hypothese Aerosole und dann eben Wolken produzierenden Neutronen vorliegen. Es ist grandioser Unsinn nur dann die Neutronen zu betrachten, wenn die Sonne das Maximum ihrer Aktivität durchstreicht. Nein, wenn Svensmark recht hat, dann beeinflussen sie die ganze Zeit die Wolkenbildung, im Sonnenminimum, wie im Sonnenmaximum, und nur so können sie überhaupt einen Einfluss auf das Klima haben.
Bild 4: Noch mehr Trends à la Vahrenholt/Lüning. Diesmal die Sonnenaktivität abgeleitet aus der Zahl der Sonnenflecken. Dieses Mal aber gibt es keinen klar erkennbaren, ja selbst von kleinen Kindern zu erkennenden Trend. Diesmal befinden wir uns auf einer Aktivitätsplateau der Sonne, was diesmal von 1977 bis 2000 reicht. Fragt mich nicht.
Nun, ganz offensichtlich ziehen die RWE Klimatologen Trends ein, wie es Ihnen gerade passt, nehmen mal eine kleine Untermenge der dargestellten Daten statt aller Daten und schieben die jeweiligen Zeitintervalle munter hin und her. Haben Sie das auch noch an anderer Stelle in der kalten Sonne gemacht? Ist das System “Sohnemann sieht den Trend, so be it” vielleicht allgemein in ihrem Chef-d’oeuvre zu finden?
Die Antwort lautet ja. Drum hier noch weitere Trends ohne jeden Sinn und ohne jede Rechtfertigung. Bild 3 zeigt zB Daten von Radioisotopenmessungen (10BE), die ebenfalls von den cosmic rays abhängen (ganz ähnlich wie die Neutronen also). Diesmal geht die Linie von 1890 bis 2000 und ist offensichtlich fuer die letzten 60 Jahre falsch (wenn ihr unbedingt wollt, kann ich die Daten besorgen und die Regression ausrechnen, ihr könnt meinem visuellen Regressor aber auch blind trauen). Der eigentliche Hammer ist der kleine Pfeil am Ende, der die Temperaturstagnation ab 2000 erklären soll. So einen Minitrend sieht man wahrscheinlich wirklich nur mit 9 Jahren und den dann mit der Temperaturentwicklung in dieser Zeit in Verbindung zu bringen, die paar dutzend anderen Minitrends gleicher Länger zuvor in der Kurve aber nicht, dazu brauch es schon ein ungewöhnliches Masz an Chuzpe.
Noch besser (und dann soll es auch gut sein) Bild 4, das die RWE Gruppe in einem anderen Zusammenhang zeigt. Es gibt diesmal anhand der Sonnenflecken einen vermeintlichen Anstieg der Sonnenaktivität bis ca 1977 zu bewundern (siehe die Trendlinien in der Graphik und ihre Beschriftung) und dann von 1977 bis 2000 ein Plateau der Sonnenaktivität. Also nochmal zum mitschreiben, ein Plateau von 1977-2000, aber andererseits (s.o.) “Die Abnahme der kosmischen Strahlung von 1970 bis 2000 ist durch die Steigerung der Sonnenaktivität verursacht und fällt genau in die Haupterwärmungsepisode.” Oder anders ausgedrückt, die ganze Erwärmung steht oder fällt mit dem was zwischen 1970 und 1977 passierte, denn danach gibt es ein “Plateau der Sonnenaktivität”. Das alles ist wirklich nur noch gaga. Erbarmen.
PS Lieber Herr Lüning, da Sie ja anscheinend hier mitlesen. Für die nächste Ausgabe, die dieses Buch ja nun wirklich wie kaum ein zweites verdient hat, auf Seite 264 der kalten Sonne steht: “Das Hauptmessgerät war das Pyrheliometer, eine Erfindung
Langleys.” Das Pyrheliometer ist aber von Claude Pouillet und nicht von Samuel Langley, von dem in der Tat das Bolometer stammt. Falls Sie aber diesem exzellenten Wissenschaftsblog hier nicht trauen, finden Sie hier etwas zur Geschichte des Pyrheliometers.
PPS Auf Seite 296 kommentieren Sie die Milankovitch Strahlung, also die durch die Planetenbewegung variierende Verteilung der Sonnenstrahlung auf der Erde, die gemeinhin für den Wechsel von Eis- und Warmzeiten in den letzten Millionen Jahren verantwortlich gemacht wird:” Wir erkennen darauf, dass wir uns derzeit in einem Insolationsminimum befinden. Das bedeutet, dass die Erde zurzeit aus rein
geometrischen Gründen, die mit ihrer Erdbahn und Erdneigung zu tun haben, weniger Energie als zu den meisten anderen Zeiten bezieht.”
Das ist falsch. Über den Planeten und über die Jahreszeiten gemittelt erhalten wir praktisch IMMER die gleiche Energiemenge. Die Idee von Milankovitch gilt nur für einzelne Jahreszeiten und nur weil die Landmassen der Erde in der Nordhemisphäre konzentriert sind. Also nochmal, die gesamte Energiemenge, die die Erde von der Sonne empfaengt variiert nur sehr sehr wenig und diese kleine Varition ist durch die sogenannte Exzentrizität (zweites Kepplersches Gesetz) kontrolliert. Ihre Graphik auf Seite 296 zeigt also das richtige, der Text dazu ist falsch.
PPPS Eine volle Würdigung der “kalten Sonne” geht über meine Kräfte, aber zwei/drei Themen, die im Buch “diskutiert” werden, sollen hier noch aufgegriffen werden. Also, stay tuned.
PPPPS Zitat “Großer Applaus von der IPCC-Seite. Nun sollte es doch endlich klappen mit der Dauerstelle. Potsdam mit seinen vielen attraktiven Seen ist mindestens genauso schön wie Utrecht.” Erstens, Herr Lüning, habe ich bereits seit 15 Jahren eine Feststelle, und zwar in Paris. Zweitens, glaube ich jetzt nicht, dass ich die mit Potsdam tauschen würde. Drittens, wäre es in der Tat ein Trauerspiel, wenn man eine Feststelle bekommen sollte, bloss weil man eine Regression ausrechnen kann. Viertens, ein noch grösseres Trauerspiel ist es allerdings, wenn man seinen Dr.rer.nat bekommen hat und es anscheinend nicht kann. Gell?
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