Entgegen dem ersten und natürlich massiven Eindruck, dass Cell- und Smart-phones zu rein gar nichts nütze sind und auch noch die Reste zivilisierten Umgangs miteinander den Bach runterspülen, haben zwei Studien nun belegt, dass das ganze Gesimse, Gewattsupe und Gequatsche doch zu etwas gut sein könnte.* Es gibt nämlich eine mittlerweile teils über 100% Bestückung der Bevölkerung mit Handys und Co. (die Zahlen variieren zwischen 120% in entwickelten und 90% in vielen Entwicklungsländern). Wer also weiss, wo diese Dinger sich in jedem Moment befinden, weiss auch wo wir sind und wohin wir uns gerade bewegen. Im Minutentakt!

Statistiken dieser Informationen wären dann natürlich hilfreich bei der Planung von Infrastrukturmassnahmen oder bei der Katastrophenplanung, und zwar gerade in Gegenden und Ländern, wo man ähnliche Informationen nicht auch von anderen Quellen, etwa nationale Zensus (aber siehe etwa hier) oder Autobahnkameras, her beziehen kann. Gerade in Entwicklungsländern sind z.B. Informationen der Art, wo sich bei einem Vulkanausbruch oder einem Tsunami gerade wieviele Menschen an welcher Stelle befinden, extrem hilfreich.

Pierre Deville von der Universite catholique de Louvain und Kollegen haben daher Algorithmen entwickelt, die sich an die ja fein verteilten Sendetürme anhängen und so jeden gesendeten Text und jedes Gespräch relativ genau lokalisieren können ohne irgendwelche Datenschutzprobleme zu berühren (PNAS paper siehe hier ). Sie haben über 1 Milliarde Gespräche von 2 Millionen Portugiesen (20% der Bevölkerung) und 17 Millionen Franzosen (30% der Bevölkerung) analysiert und verarbeitet. Das folgende Video gibt einen faszinierenden Eindruck wie etwa in Frankreich auf täglicher Basis und auch über das Jahr hin die Menschenmassen hin und her, mal zum Strand, mal zur Arbeit schwappen. Die Ergebnisse wurden kalibriert indem sie auf klassische Zensusdaten zurückgriffen.

Als nächstes beabsichtigen die Autoren, ihre Methode auf andere Länder und Regionen zu erweitern. Kenia und Camerun sind geplant. Wie heisst es doch im Song von Police: Every breath you take. Every move you make. Every bond you break. Every step you take. I’ll be watching you.

logo-rain-cell-africa

Bild: Logo des IRD Projekts “Rain Cell Africa” bei dem ein Warnsystem für Starkniederschläge aufgebaut werden soll. Die Informations stammt von der Störung von Signalen zwischen Handymasten, die mittlerweile schon einen großen Teil des bewohnten Landes abdecken.

 

 

Doch das ist noch nicht alles. Die Stärke der Handy-Sendesignale wird stark durch Regen verändert, hauptsächlich durch die Absorption und Diffusion durch Regentropfen. Was für die Netzbetreiber ein Problem ist, stellt für die Wissenschaftler natürlich eine interessante Informationsquelle dar. Man muss lediglich die Veränderung des Sendesignals gegen die Niederschlagsmenge kalibrieren und erhält ein annähernd globales (20% der kontinentalen Erdoberfläche ist schon mit Sendetürmen abgedeckt. Auf diesen 20% Prozent leben in etwa 90% der Weltbevölkerung) Niederschlagsmessnetz. Mitarbeiter des französischen IRD (Institut de recherche pour le développement. Siehe hier , hier  und hier ) haben das einmal für Burkina Faso durchgeführt. Sie hoffen insbesondere bei schlecht vorhersagbaren Starkniederschlägen ein sehr lokales und schnelles Warnnetz aufbauen zu können. Das setzt wohl voraus, dass wir alle auch dann kräftig telephonieren und simsen, wenn gerade der Himmel herunterfällt. Aber das sollte eigentlich kein Problem sein. Der Weltuntergang wird sicher noch mit einem Emotikon verkündet.

 

h/t Sylvestre Huet von der Liberation.

* Ich bin ja Vater zweier teen/twen Töchter und weiss wovon ich rede. Ich kann mich beim besten Willen nicht mehr an ein Gespräch erinnern, das nicht dringend von einem Getippe auf der Tastatur unterbrochen werden musste. Wahrscheinlich werde ich dereinst auf dem Sterbebett liegen, die Famille um mich geschart, und, während ich meine letzten Wort für die Nachwelt abgeben will, wird gesimst und werden Selfies verschickt, was das Zeug hält.

 

Kommentare (28)

  1. #1 Georg Hoffmann
    Oktober 30, 2014

    Hmm, ganz so problemlos ist die Technik wohl doch nicht. Die Polizei wuerde sich bei Grossdemonstrationen wohl auch dafuer interessieren, wo sich wann wieviele Menschen hinbewegen. Nicht dass sie das nicht wissen sollte, aber dann waeren solche Infos in Echtzeit wohl doch irgendwie datenschutzrelevant, oder?

  2. #2 MJ
    Oktober 30, 2014

    @ Georg Hoffmann

    Das habe ich mich auch gefragt, aber ich kenne mich damit ueberhaupt nicht aus: Gibt’s irgendeine technische oder rechtliche Moeglichkeit zu versichern, dass solche Daten ‘anoymisiert’ gehandhabt werden – sind da Kompetenzen genau geregelt? Etc.?

  3. #3 Karl Mistelberger
    Oktober 30, 2014

    Auf dem Smartphone musst du nicht unbedingt tippen. Du kannst auch gucken.[youtube https://www.youtube.com/watch?v=wUMHWrWwzS8&w=854&h=510%5D

  4. #4 Georg Hoffmann
    Oktober 30, 2014

    @MJ
    Nur der EInzelne hat wohl eine Recht auf Anonymitaet. EIne Gruppe hat wahrscheinlich kein Recht darauf, dass niemand weiss wo Sie gerade ist. Das scheint plausibel, solange es 10000 Demonstranten sind, bei 10 ist es schon nicht nehr so klar. Mit 10% Chance wuesste man ja dann sozusagen wo jemand ist, wenn man alle Namen der Gruppe kennen wuerde.
    Im Paper wird ausdruecklich versichert, dass kein Zugriff auf einzelne Handys erfolgte. Man wusste nur ” Sendemast xx um yy Uhr zz Anrufe/SMS etc”.

  5. #5 DH
    Oktober 30, 2014

    Blauäugig ist eine sehr nette Umschreibung für diesen Artikel.

  6. #6 Georg Hoffmann
    Oktober 30, 2014

    @DH
    “Blauäugig ist eine sehr nette Umschreibung für diesen Artikel.”

    Wegen NSA und so? Holy Moley. Da habe ich nicht daran gedacht. Wenn der Snowden wuesste, was ich hier verzapfe. Aber vielleicht weiss er es ja?

  7. #7 Lustig
    Oktober 31, 2014

    @Hoffmann
    Passiert jeden mal. Ein wahrlich axeljesker Artikel *) … jener ist es immer … sie nur manchmal.
    Jeder weitere Kommentar ist da überflüssig 😉

    *) lustig bis unsinnig

    Mann, betreiben sie Wissenschaft oder schauen sie zu tief ins Weinglas? Wie wärs mit einer App: Ich schau aus dem Fenster, messe die Feuchtigkeit, Luftdruck usw. Kein Witz, nennt sich “Wettermeßstation”, erhältlich bei Lidl und Konsorten. Stichwort cloud … Schwarm-irgendwas .. omg

  8. #8 Georg Hoffmann
    Oktober 31, 2014

    @lustig
    Habe Probleme Ihnen zu folgen. Der Migrations Artikel ist in PNAS veroeffentlicht und der Artikel zur Regenmessung per Handynetz in GRL. Und ich wuesste nicht, ob fuer das Eine oder das Andere bereits eine App geplant ist. Ich wuerde sie aber kaufen.

  9. #9 DH
    Oktober 31, 2014

    @Georg Hofmann

    Heilige Sch…. , jetzt haben Sies mir aber gegeben…
    Ist schon ein wenig differenzierter als böse NSA und guter Snowden , hat was mit Möglichkeiten des Machtmißbrauchs zu tun , da wo sie unkritisch in die Welt gesetzt , aber ich will jetzt nichts schreiben , was über eins oder null hinausgeht , nicht , daß hier noch die Köpfe rauchen…gaanz langsam , immer einen Schritt nach dem anderen.

  10. #10 wereatheist
    Oktober 31, 2014

    @DH
    Also, Protokolldaten von Funkbaken, aus denen man Regen vs. nicht-Regen erkennen kann, sind irgendwie erzböse? Warum benutzen sie überhaupt ein Funktelefon? Sie werden immer überwacht. SIE wissen immer ganz genau, wo wir sind 🙂

  11. #11 Lustig
    Oktober 31, 2014

    @Hoffmann
    Meßungenauigkeit. Wie gesagt, aus dem Fenster schauen bringst auch. Keine Wolken, Wolken, Regen. Eben eine einfache App.

    Eine Herausforderung an die Hersteller: Smartphones mit diversen Sensoren. Vielleicht der Renner der Zukunft.
    Gib dem Handy ähm Smartphone Luft zum Atmen und schon wird gemessen. Finde ich lustig, aber wenns der Wissenschaft dienlich ist, warum nicht … eine Climatephone … kurz CP 😉

  12. #12 wereatheist
    Oktober 31, 2014

    Das setzt wohl voraus, dass wir alle auch dann kräftig telephonieren und simsen, wenn gerade der Himmel herunterfällt.
    Nope. Da die Funkmasten ständig untereinander kommunizieren müssen, fallen ständig Protokolldaten an, aus denen man die Verbindungsqualität erhält.

  13. #13 wereatheist
    Oktober 31, 2014

    Muss ich jetzt noch italic zu blockquote hizufügen, damit Zitate kenntlich werden???

  14. #14 Lustig
    Oktober 31, 2014

    @wereatheist
    Irgendwer telephoniert immer. Das funktioniert schon. CP ist die Zukunft. Melde schon mal das Patent an … und werde reich 🙂

  15. #15 DH
    November 1, 2014

    @wereatheist

    Hab kein handy , allerdings nicht wegen Überwachung. Gibt ja auch verschiedene Möglichkeiten , smartphone oder pre-paid , und wer sich ums Verrecken nicht überwachen lassen will , fällt dann gerade dadurch auf.
    Natürlich sind Verwendungen von Daten nicht von vorneherein “böse” , naive Technikbegeisterung ist mir aber suspekt.
    Klar , die genannten Verwendungen machen alle irgendwie Sinn , aber so ist das halt auch irgendwie immer .
    Der Hinweis auf Datenschutz ist eben nicht der entscheidende Punkt , vielmehr ist das Vorhandensein der Technik die Gefahr , dieses aufzuhalten , ist weder möglich noch wünschenswert , aber etwas kritische Distanz darf erwartet werden , und die hat mir hier gefehlt. Nicht mehr , nicht weniger.

  16. #16 wereatheist
    November 2, 2014

    Es geht um Protokolldaten, oder?
    Was Soll Der Terz

  17. #17 DH
    November 2, 2014

    @wereatheist

    Dann fragen Sie halt nicht so blöd , dann gibts auch keine Antwort.

  18. #18 Georg Hoffmann
    November 3, 2014

    @DH
    Dann darf man auch nicht mehr aus dem Fenster gucken. So erfaehrt man ja auch den Aufenthaltsort von Menschen.

    Es gibt bei keinem der beiden Methoden irgendeinen Bezug zu einzelnen Menschen. Ich hatte meine erste Bemerkung oben so gemeint, dass waehrend groeszeren Demos die Polizei vielleicht ein Interesse haben koennte, wo die Leute denn nun gerade sind (Man erinnere sich an die Versteckspiele von Gorleben oder in Heiligendamm). Doch in beiden Faellen ist der Abstand der Sendmasten zu gross um sinnvolle Informationen zu geben (˜30km).
    So wird es wohl beim traditionellen Identifizieren einzelner Handys bleiben, falls ein Richter meint, dass sei gerechtfertigt.

  19. #19 Dr. Webbaer
    November 3, 2014

    Hmm, der erste Eindruck hat getäuscht, so dass sich Old Webbaer doch zu diesem Thema kurz meldet:
    1.) Afrika hat es nie auch nur annähernd flächendeckend zu sogenannten Standleitungen geschafft, die Telekommunikation betreffend.
    2.) Insofern konnte mittlerweile eine weitgehende Überdeckung in Afrika erreicht werden, was die sog. Basisstationen (vs. Festnetz) betrifft.
    3.) Die Ortung von Fernmeldegeräten der genannten Art und das Geotargeting dürfen in diesem Zusammenhang zK genommen werden, sog. Smartphones sind wohl immer online, auch wenn (scheinbar) abgeschaltet.
    4.) Ebenfalls die Überwachung, die sehr weitgehend ist, fast schon umfänglich genannt werden könnte.
    5.) Wobei die pol. Begründung derartiger Sicherheitsmaßnahme sich im zunehmenden Terrorismus finden lässt.
    6.) Womit auch Bürokraten und “Administrationisten” global zufrieden sein dürften.

    MFG
    Dr. W

  20. #20 DH
    November 3, 2014

    @ Georg Hofmann

    Der Fenstervergleich hinkt , aber stimmt schon , es kommt drauf an , was draus gemacht wird , und vielleicht ist dieser Beitrag auch nicht der ideale Ort , um Grundsatzdebatten zu führen , zugegeben.

  21. #21 gast
    November 3, 2014

    Da kommt ne Dumpfbackentruppe und will damit glätzen, dass sie Smartphones orten und grafisch deren Flächenverteilung auftragen kann. Die Dummies unter uns staunen. Dabei ist es nur der Drang nach Bespitzelung was diese D-backen schon in der Grundschule eingeübt haben, technisch ist das nicht mehr als Mofafahren.
    Ok, ich hab Hoffman-Text nicht gelesen.

  22. #22 Dr. Webbaer
    November 4, 2014

    @ “gast” :
    Die Kern-Aussage des Artikels müsste dies hier gewesen sein:

    Man muss lediglich die Veränderung des Sendesignals gegen die Niederschlagsmenge kalibrieren und erhält ein[e] annähernd globale[] [Datenlage] (20% der kontinentalen Erdoberfläche ist schon mit Sendetürmen abgedeckt.[)]

    HTH + wg. “TL;DR”
    Dr. W (der auch bei den sogenannten Handys im Kontext Afrika über die o.g. Basisstationen zivilisatorischen Nutzen sieht)

  23. #23 Russel Rhee
    Dezember 26, 2014

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  24. #24 MJ
    Januar 30, 2015

    Das scheint mir hier irgendwie herzupassen, was den Sicherheitsaspekt betrifft:

    https://www.nature.com/news/people-identified-through-credit-card-use-alone-1.16817

  25. #25 Wilhelm Leonhard Schuster
    Februar 1, 2015

    Sicherheit Terror und Drogen:
    Durch Zufall geriet ich in eine Drogenkontrolle per Drogenschnüffel-Wau Wau.

    Der Wau, hat alle übrigen Leute gar arg beschnüffelt-!
    Mich aber, fand er des Beschnüffelns kaum würdig .

    Kurz den “Schnuff Schnuff” im Vorbeilaufen getätigt
    und das wars dann schon an Beachtung für mich .

    Ich war darob, wegen ungleicher Behandlung durch den Wuffi, leicht beleidigt.

    Ich könnte mir vorstellen, daß ich auch für Handy Ortung
    uninteressant sein könnte .

    Und wenn doch , so wäre mir das kreuzschnuppe.

    Übrigens,-die Kirche lehrt doch, der liebe Gott sieht alles!

    Ich sehe eine Zukunftsvision:

    Jeder Mensch bekommt einen Chip unter die Haut operiert.

    Bei Bedarf kann dann jederzeit abgerufen werden, wo er ist und was er für Gespräche geführt hat.

    “Genosse Orwell 1980 ” sozusagen in Perfektion!

    Ich hoffe, es gibt dann genügend viele Wuffis, die mich keiner größeren Beachtung für würdig erachten!

  26. #26 Wilhelm Leonhard Schuster
    Februar 2, 2015

    Nachtrag zu oben:Der “gläserne Mensch” wird übrigens,soweit mir erinnerlich, irgendwo im “Neuen Testament” zum
    “Ende der Zeiten”. als evolutionäre Entwickling
    vorhergesagt.
    An diesem Problem arbeitet die Menschheit also an 2 Fronten!
    Ich könnte mir vorstellen, daß die “Techniker”
    die “Nase vorn” haben werden!

  27. #27 Wilhelm Leonhard Schuster
    Februar 3, 2015

    Das “i” ist halt so nah am “u”! Bitte meine Fehler entschuldigen. DIE kommen leider oft vor!

  28. […] Smartphones oder andere Endgeräte sind mittlerweile weltweit verbreitet. Man könnte die multifunktionalen Telefone regelrecht als Sinnbild für unsere derzeitige Evolutionsstufe nutzen. Der Homo Technologicus, wenn […]