Medizin – das ist ein doppeldeutiges Wort. Medizin kann man im Schrank zu stehen haben und bei Bedarf, beim Auftauchen verschiedener kleiner oder größerer Leiden – herausholen und herunterschlucken, in der Hoffnung, es möge helfen, es möge wirken.

Medizin, das ist auf der anderen Seite eine Disziplin, die man erlernen kann, ein gesellschaftliches System, dem man durch Studium und Prüfungen beitreten kann, in dem man wirken kann – indem man hilft, und man hilft, indem man Medizin im obigen Sinne entwickelt und verschreibt.

Für die Überzeugung, dass eine bestimmte Medizin in einem konkreten Fall wirkt, gibt es zwei Argumentationsmöglichkeiten: Die Erfahrung und das Verstehen. Beides ist dem Laien nur begrenzt verfügbar, deshalb ist er bei der Anwendung der Medizin, die er im Schrank zu stehen hat auf das Vertrauen in die Medizin als Disziplin und gesellschaftliches System angewiesen. In seinem Vertrauen in das Fläschchen mit den Tropfen oder in die Packung mit den Pillen steckt das ganze Vertrauen in das medizinische System.

Das Vertrauen in die Medizin ist mit einer bestimmten Erwartung verbunden, wie Erfahrung in der Medizin gesichert wird und wie das Verständnis für die Wirksamkeit eines Medikamentes oder einer Heilmethode gewonnen wird. In unserer Kultur erwartet auch ein Laie, dass beides auf letztlich auf wissenschaftlichem Wege passiert: Erfahrung soll durch „klinische Studien” fundiert werden – auch wenn nur wenige eine genaue Vorstellung davon haben, wie so eine Studie genau gemacht wird, erwartet man dahinter sichere, allgemeine, überprüfbare Methoden, die die tatsächliche Wirksamkeit eines Mittels von zufälligen Erfolgen unterscheiden können.

Andererseits ist es tief in unserer Kultur verankert, dass Erfahrung alleine nicht ausreicht, um einer Methode zu vertrauen. Es war tatsächlich schon Aristoteles, der gleich zu Beginn seiner „Metaphysik” bemerkte, dass der, derjenige, der auch die Gründe kennt, mehr Achtung genießt als der, der nur Erfahrung hat. Wenn wir das Griechenland von Platon und Aristoteles als Wiege der westlichen Kultur ansehen, dann hat diese Hochachtung vor dem Verstehen und dagegen niedrigere Bewertung der puren Erfahrung tatsächlich eine lange Tradition – sie gehört sozusagen zu den Grundlagen des spezifischen Vertrauens in Spezialisten, durch die die Differenzierung und Arbeitsteilung erst möglich wird. [1]

Für die Medizin bedeutet das: „Erfahrung ist gut, wissen warum ist besser.” Studien, die anhand von Stichproben und statistischen Vergleichen die Wirksamkeit einer Behandlung nachweisen, sind eine gute Sache, aber wenn Biologen, Chemiker und Physiologen sagen, sie wissen, welches Enzym durch welchen Wirkstoff wie motiviert wird, unser Leiden zu beenden, dann ist das besser.

Nun gibt es Verfechter von Heilmethoden, die Wirksamkeit und Heilerfolg behaupten ohne dass sie diese Methoden der Rechtfertigung des Vertrauens für sich akzeptieren. Die Ergebnisse von Studien mit statistischen Methoden lehnen sie ab, da diese eben die Masse und nicht den Einzelfall betrachten. Ein Mittel, das der besonders geschulte und erfahrene Heiler für den Einzelfall nach nicht objektiv nachvollziehbaren Kriterien auswählt, kann gar nicht in einem statistischen Massentest geprüft werden. Wissenschaftliches Verstehen des Wirkmechanismus ist deshalb irrelevant, weil man eben nicht alles am Menschen wissenschaftlich erklären kann.

Gegen eine solche Argumentation kommt man mit wissenschaftlicher Beweisführung nicht an, weil sie ja schon die Grundannahmen des wissenschaftlichen Ansatzes in Abrede stellt. Es handelt sich um eine Grundentscheidung, welche Art von Argumentation man letztlich als gültig zulässt, und diese Grundentscheidung ist selbst nicht innerhalb des Systems der Medizin begründbar.

Letztlich ist Erfahrung im Alltag immer subjektiv, und wenn einer gegen sein Leiden verschiedenste Produkte der wissenschaftlichen Medizin erfolglos probiert hat, dann aber nach der Behandlung durch eine orientalische Methode gesund wurde, dann zählt das für ihn und seine Bekannten mehr als tausend wissenschaftliche Erklärungen und klinische Studien.

Das heißt nicht, dass eine orientalische Heilmethode oder eine afrikanische Therapie nicht mit Methoden der wissenschaftlichen Medizin analysiert werden kann. Jeder traditionelle Behandlungsweise aus fernen Ländern kann als Ideen-Quelle für neue Therapien angesehen werden, ihre Wirksamkeit kann in Studien auf die Probe gestellt werden, und es kann versucht werden, ihre Wirkungsweise wissenschaftlich zu erklären – und das mit dem ausdrücklichen Ziel, von den Erfahrungen und Traditionen anderer Kulturen zu lernen.

Aber wenn die Einordnung in das wissenschaftliche Medizinverständnis nicht gelingt, wird das für die, welche die Verbreitung dieser Methoden vorantreiben, kein Grund sein, ihre Bemühungen infrage zu stellen. Diese Methoden setzen eben ein ganz anderes Grundverständnis von Medizin voraus, weshalb die Methoden der Rechtfertigung, die in einer wissenschaftlich geprägten Medizin gelten, hier nicht anwendbar sind.

Es wäre jedoch falsch, daraus eine pluralistische Einstellung abzuleiten, die alles zulässt, wovon kein (nachweislicher) Schaden ausgeht und was irgendwie auf der Erfahrung beruht, dass es hilft. Dass traditionell oder autoritär fundierte Verfahren gegen wissenschaftliche Kritik immun sind, heißt ja noch nicht, dass gar keine Kritik möglich ist.

Es ist gerade die Immunität gegen wissenschaftliche Argumentation, die Kritik nötig macht. Dazu muss jedoch das Feld der Wissenschaft verlassen werden und die Begründung des Anspruchs der Wissenschaftlichkeit selbst hinterfragt werden.

Warum vertrauen wir denn dem, der die Gründe kennt, mehr als dem, der nur auf Erfahrung verweisen kann? Die Antwort ist einfach: Weil es uns wenigstens grundsätzlich von seiner Autorität unabhängig macht. Gründe kann man aufschreiben und unabhängig von dem, der sie aufgeschrieben hat, überprüfen, nachvollziehen und lehren. Wer Gründe angibt, kann sich zwar irren, aber gerade das macht das Berufen auf Gründe so stark: Sich irren können heißt ja, den Irrtum feststellen und korrigieren zu können. Angaben über Ursachen können überprüft werden, über Begründungen kann man diskutieren, über Erfahrungen nicht. Erfahrungen schaffen eine unangreifbare Autorität, gegen die es keine Möglichkeit der Kritik gibt.

Es ist also der emanzipatorische Anspruch der Aufklärung, der, wenn man Aristoteles liest, schon lange vor Kant in der Welt war, der uns berechtigt, auf der wissenschaftlichen Begründbarkeit medizinischer Heilverfahren zu bestehen.

Für die wissenschaftliche Medizin hat das jedoch zwei Konsequenzen:

Zum einen darf sie ein ihr fremdes Heilverfahren nicht ablehnen, nur weil die Gründe seines Wirkens (noch) nicht bekannt sind oder noch nicht genügend sichere klinische Studien existieren, die die Wirkung tatsächlich belegen. Täte sie das, würde sie selbst einen anti-emazipatorischen, autoritären Weg der Ausgrenzung einschlagen.

Zum anderen muss sie, wie jede Wissenschaft, Kritik an ihrer eigenen Praxis zulassen – und sie muss jede Neigung, gegenüber Laien eine Autorität aufzubauen, die sich auf der Erfahrung des Erfolgs gründet, vermeiden. Wenn bei der Kommunikation mit dem Publikum nicht die emanzipatorische Bedeutung der wissenschaftlichen Methode im Mittelpunkt steht sondern eigene Erfolge gegen fremde Misserfolge aufgewogen werden, kommt man schnell in die Defensive, weil der Erfolg in der Medizin eben meist sehr subjektiv beurteilt wird.

Für die westliche Kultur wird oft das Bild des Schmelztiegels verwendet, in dem alle Traditionen und Methoden zusammenkommen können. Dass dabei kein grauer blasiger Brei sondern eine stabile Legierung entsteht, dafür sorgt nicht die Dominanz einer bestimmten Zutat, sondern die aufgeklärte Vernunft, die die Hitze reguliert.

[1] Es darf allerdings auch nicht verschwiegen werden, dass Aristoteles im gleichen Atemzuge bemerkt, dass der Erfahrene oft erfolgreicher ist als der, der die Gründe kennt, da der erstere immer den Einzelfall sieht, während der letztere das Allgemeine betrachtet.

Kommentare (50)

  1. #1 Tobias
    Mai 25, 2009

    Sie versuchen den Faden Wirksamkeit vs Wirkungsweise hier weiter zu spinnen und übersehen dabei das wichtigste: “alternative” medizinische Behandlungen haben nachgewiesenermassen keine Wirksamkeit – auch wenn die Wirkungsweise noch so blumig erfunden wird. Ich weiss, es ist schwer zu begreifen. Vielleicht hilf das: Wenn irgend was alternativ-medizinisches wirken würde, wäre es längst in die Medizin übernommen worden – aus rein ökonomischen Überlegungen der Pharmaindustrie.

    Die Wissenschaft muss ein Heilverfahren ablehnen, dass nachgewiesenermassen nicht wirkt. Sie muss autoritär auftreten, weil die wissenschaftliche Methode Autorität verleiht. Selbstverständlich ist sie offen für neues – aber eben nicht für Scharlatanerie.

  2. #2 Ulrich
    Mai 25, 2009

    Zum einen darf [die wissenschaftliche Medizin] ein ihr fremdes Heilverfahren nicht ablehnen, nur weil die Gründe seines Wirkens (noch) nicht bekannt sind oder noch nicht genügend sichere klinische Studien existieren, die die Wirkung tatsächlich belegen.

    Wenn die Wirksamkeit nachgewiesen ist, ohne dass die Gründe bekannt sind, lehnt die wiss. Medizin ein Heilverfahren nicht ab. (Siehe Aspirin vor ein paar Jahrzehnten etc.)

    Wenn die Wirksamkeit (noch) nicht nachgewiesen ist oder gar bereits widerlegt ist, dann ist es die Pflicht der wiss. Medizin, darauf deutlich hinzuweisen. Wenn das bereits “Ablehnung” ist, dann darf sie es nicht nur ablehnen, sondern muss es ablehnen.

  3. #3 Marc
    Mai 25, 2009

    Ich ahne, daß meine These hier auf Protest stoßen wird, dennoch will ich kurz einen Vorschlag machen bzw. meine Überlegung skizzieren:

    In meinen Augen liegt nämlich bereits ein Grundproblem vor, wenn man pauschal von der “Medizin” spricht. Was verstehen wir darunter? Die Medikamente, die Erforschung derselben durch Pharmazeuten? Die Biologen und Mediziner, die klinische Forschung betreiben? Das Gesundheitssystem insgesamt? Oder die Ärzte und ihren Behandlungsalltag?

    Von welcher Medizin reden wir also? Kann es nicht sein, daß man hier dringend differenzieren sollte und dabei (mindestens) zwei Handlungsfelder (mit unterschiedlichen Standards, Routinen und Funktionen) vorfindet?

    Aus meiner Perspektive als Soziologe, der sich u.a. mit Professionen, Expertensystemen und der Funktionalität von Wissenskulturen beschäftigt hat, stellt es sich schlicht so dar, daß es eben zwei verschiedene medizinische “Systeme” gibt.

    Einerseits die wissenschaftlich-klinische Seite. Hier geht es um die wissenschaftlich präzise Klärung von Wirkmechanismen. Es geht um Therapien, Medikamente, die in Studien überprüfbare Effekte zeigen (die man plausibel erklären kann). Hier gelten harte wissenschaftliche Standards. Für Hokuspokus á la Homöopathie und Co. ist hier kein Platz. Denn das ist die Sphäre des Verstehens.

    Andererseits gibt es die ärztliche Praxis. Und hier gilt das Primat der Erfahrung (auf Arzt und Patientenseite). Der ärztliche Beruf hat nach meiner Beobachtung viel, viel mehr Anleihen aus dem Bereich der Priester, Heiler und Medizinmänner früherer Zeit, als wir (in den Diskussionen auf ScienceBlogs) wahrhaben wollen.

    Kurz: das bekannte Statement “Wer heilt hat Recht” ist für den Arzt legitim, für die medizinische Forschung allerdings nicht.

  4. #4 Tobias
    Mai 25, 2009

    Die Trennung in zwei “Medizinen” (also Forschung und Anwendung) ist – mit Verlaub – völliger Blödsinn. Auch wenn es vielleicht dem entspricht, was man in einem Soziologie- oder Philosophiestudium lernt, die Dekonstruktion des Begriffs passt einfach nicht.

    Bevor ein Mensch ein Medikament schluckt (Anwendung) muss es rigoros auf Wirksamkeit und Nebenwirkungen getestet werden (Forschung). Wenn eines der beiden Kriterien nicht zutrifft, hat es nichts mit Medizin zu tun, ist im besten Fall harmlos, und im schlimmsten Fall gesundheitsschädlich.

    Wir alle wissen, dass es einen Plazeboeffekt gibt. Wir wissen, dass ein Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient bei der Heilung hilft. All das wird genauso wissenschaftlich untersucht, und es hier mit Worten aus der Scharlatanerie zu belegen ist der Sache abträglich.

    Es gilt nicht, wer heilt hat Recht, sondern: wer weiss, dass er heilt hat Recht. Wer allerdings bekanntes Wissen ignoriert, durch Pseudobehandlungen den Heilungsprozess verzögert oder verhindert, handelt fahrlässig.

  5. #5 beebeeo
    Mai 25, 2009

    Aristoteles hat auch geasagt das Frauen weniger Zaehne als Maenner haben …

    Koennte folgender Satz bitte etwas besser erklaert werden, bitte: “weil der Erfolg in der Medizin eben meist sehr subjektiv beurteilt wird”.

    I fand den Artikel im grossen und ganzen gut, bin allerdings etwas verwirrt.
    Ist es nun besser die Wirksamkeit in den Vordergrund zu stellen (Die statistisch anhand klienischer Studien bewiesen wurde) oder ist es besser den Wirkungsmechanismus in den Vordergrund zu stellen (Der oft unbekannt, nur teilweise erklaert oder hypethetisch sein kann)?
    Zum einen sollen Therapien fuer die kein Mechanismus bekannt ist nicht gleich ausgeschlossen werden, zum anderen sollen die Mediziner um Vertrauen zu sichern, sich darauf konzentrieren zu Vermitteln das Mechanismen bekannt sind.
    Ist das Ihre Aussage Herr Friedrich, oder bin nur ich verwirrt?

  6. #6 Marc
    Mai 25, 2009

    @Tobias:

    Bevor ein Mensch ein Medikament schluckt (Anwendung) muss es rigoros auf Wirksamkeit und Nebenwirkungen getestet werden (Forschung).

    Das stellt doch überhaupt niemand in Abrede. Und daß die beiden von mir skizzierten Bereiche nicht eng miteinander gekoppelt sind, habe ich auch nicht behauptet.

    Und ich denke doch, daß mein Kommentar nicht zu solcher Aufregung Anlaß geben muß:

    Wer allerdings bekanntes Wissen ignoriert, durch Pseudobehandlungen den Heilungsprozess verzögert oder verhindert, handelt fahrlässig.

    Mit all diesen Anmerkungen von Dir bin ich doch zu 100% einverstanden. Dennoch ist es eben so, daß man mit soziologischem Handwerkswerkzeug dennoch eindeutige Unterschiede benennen kann.

    Und wenn es um die Beschreibung der Handlungsorientierung von praktizierenden Ärzten und/oder in der Forschung tätigen Medizinern geht, dann gibt es eben diese Unterschiede. Und das ist nichts, was eben im Soziologiestudium “gelernt” wird, sondern beobachtbare Praxis.

  7. #7 Andrea N.D.
    Mai 25, 2009

    Das übliche können dürfen müssen sollen. Und wieder der übliche Satz mit der Wissenschaftskritik zulassen. Gibt es eigentlich ein Thema, mit dem man die Dichotomie zwischen Philosophie und Naturwissenschaft NICHT postulieren kann? Das wäre einmal meine Anregung für einen Artikel auf diesem Blog.
    @Marc: Eine sehr gute Anregung. Der Allgemeinbegriff Medizin füllt vermutlich mehrere Seiten im Lexikon. Diesen aufzufächern und in Handlungsfelder zu unterteilen ist unerlässlich, um mit der Vielseitigkeit des Begriffes arbeiten zu können. Dies würde in meinen Augen auch den Streit zwischen den medizinischen Richtungen hier auf SB beenden. Genialer Kommentar!

  8. #8 Jörg Friedrich
    Mai 25, 2009

    @Tobias (11:24): Wenn Sie nicht bereit sind, nach außerwissenschaftlichen Begründungen für die Autorität der Wissenschaften zu suchen, werden Sie auf lange Sicht keine Chance haben, Nicht-Wissenschaftler von dieser Autorität zu überzeugen. Schon die Logik verbietet einen Schluss wie “Die Autorität der Wissenschaft folgt aus ihrer Wissenschaftlichkeit” – das ist ein Zirkelschluss.

    @Tobias & Ulrich: Natürlich muss die wissenschaftliche Medizin Heilverfahren ablehnen, für die sie den Nachweis erbracht hat, dass sie nicht wirkt. Das folgt sowohl aus innerwissenschftlichen Gründen, die ich aufgeführt habe, als auch aus der Rolle der wissenschftlichen Medizin in unserer Kultur, für die ich argumentiert habe.

    Im Einzelfall dürfte dieser Nachweis jedoch schwierig sein. Auch darauf habe ich hingewiesen. Während der Laie seine persönliche Genesung oder die eines Verwandten als Nachweis ansieht, fordert die Wissenschaft statistische Signifikanz in kontrollierten Studien. Ich hatte darauf hingewiesen, dass solche Nachweis-Methoden auch mit guten gründen zurückgewiesen werden können (In der Philosophie gilt es als gute Sitte die Argumente der Gegenseite möglichst stark zu machen und sich mit einem starken, nicht mit einem schwachen Gegner auseinanderzusetzen)

    Denken Sie nur an die Untersuchungen des Gießener Verhaltensforschers Hanno Würbel, über die 3vor10 am 07.04. berichtet hat ( https://www.scienceblogs.de/3vor10/2009/04/3vor10-pladoyer-fur-mehr-zufall-im-labor-silber-als-antibiotikum-die-feine-nase-der-frauen.php ) Wenn man diese Überlegungen einmal auf klinische Studien anwenden, könnten sich ganz neue herausforderungen für die Nachweis-Argumentation, die auf klinischen Studien basiert, ergeben.

    Deshalb benötigt die wissenschaftliche medizin eine außerwissenschaftliche Begründung um ihren Orientierungsanspruch innerhalb einer westlichen Gesellschft zu rechtfertigen.

    @Tobias (12:54) Nich jede Begriffs-Gebrauchs-Analyse ist eine “Dekonstruktion” der begriff Dekonstruktion bezeichnet eine ganz bestimmte, mit dem Namen Derrida verbundene, philosophische Methode.

    Die Methode, zu analysieren, inwiefern soziale Teilsysteme, die unter einem Namen zusammengefasst werden, in der praxis relativ unabhängig voneinander sind, scheint mir für das Verständnis solcher Systeme sehr hilfreich (und ist übrigens auch in der Naturwissenschaft, soweit sie sich mit natürlichen Systemen beschäftigt, sehr verbreitet)

  9. #9 Jörg Friedrich
    Mai 25, 2009

    @beebeeo:
    Aristoteles zu zitieren ist für mich auch kein Autoritätsbeweis. Aber interessant ist es, wenn man bemerkt, dass Probleme, die uns heute umtreiben, auch schon die Denker vor 2.400 Jahren beschäftigt haben.

    Dass (Behandlungs-)erfolg meist subjektiv beurteilt wird, können Sie z.B. an einem daran erkennen, dass jemand, der sich jahrelang mit Heuschnupfen-Mitteln behandeln lassen hat und dann (skeptisch) eine Akupunktur-Behandlung probiert und das ganze Jahr keine Beschwerden hat, das als Argument nimmt, dass Akupunktur vielleich doch hilft (in einem der vielen Kommentare hier auf ScienceBlogs.de vor ein paar tagen als persönliche Erfahrung gelesen). Andersherum wird jemand, bei dem ein Mittel partout nicht anschlägt, durch noch so viele gesicherte empirische Studien kaum vom Erfolg des Mittels zu überzeugen sein.

    Wissenschaftliche Medizin sollte m.E.

    1. Jeder (auch ungewöhnlichen) Therapie-Idee aufgeschlossen sein, wenn es darüber subjektive Erfolgsberichte gibt.

    2. Diese Therapie-Ideen mit den wissenschaftlichen Standards auf Wirksamkeit prüfen, wobei diese Standards selbst immer wieder auf den Prüfstand müssen.

    3. So lange nach dem Wirk-Mechanismus suchen, bis er gefunden und bestätigt ist (wobei auch hier immer wieder Revisionen zulässig sein müssen)

    4. Sich darüber klar sein, dass die Autorität ihrer Methode sich nicht aus sich selbst heraus erklärt – und das Erfolg ein sehr schwankendes Fundament ist.

    @Andrea N.D.
    Ihr Satz, ich würde eine “Dichotomie zwischen Philosophie und Naturwissenschaft …postulieren” wird durch ständige Wiederholung nicht wahrer.

  10. #10 Ulrich
    Mai 25, 2009

    @ Marc:
    Im Gegensatz zu Tobias halte ich diese Unterscheidung für ein sinnvolles Konzept. Ich würde aber dazu anmerken, dass es gesellschaftlich wünschenwert wäre, die Arzt-Ebene weitgehend an die Wissenschafts-Ebene anzubinden. Das ist das Ziel der EBM.

    @ Jörg Friedrich:
    Wenn ich die Überlegungen von Hanno Würbel auf klinische Studien anwende, dann komme ich zu dem Schluss, dass in solche Studien eingeschlossene Patienten vorher nicht wochenlang in identischen Käfigen gehalten werden sollten. Was es hier im Sinne Ihrer Andeutung sonst noch an Relevanz für klinische Studien geben sollte, erschließt sich mir nicht.

  11. #11 Andrea N.D.
    Mai 25, 2009

    @ Jörg Friedrich: Tatsächlich, Sie haben außer Ihren müssens/sollens/dürfens-Anregungen diesmal die besondere Dichotomie vergessen – Mea culpa. Dass bisher sämtliche Artikel (außer Twitter) diese Dichotomie enthielten, macht meinen Satz aber mit einer Ausnahme, auch wenn er wiederholt wird, nicht falscher.
    Auch dieser Artikel setzt allerdings wieder eine Dichotomie voraus (wenn diesmal auch ausnahmsweise oberflächlich nicht Philosophie-besser Ethik-/Wissenschaft).
    Ständig mit Dichotomien zu arbeiten ist ein beliebtes Mittel zur Polarisierung. Meiner Meinung nach gehen dabei aber oft Graustufen und Zwischentöne verloren, die manchmal auch sehr interessant sein können. Deshalb habe ich bei den Artikeln hier auch so oft den Eindruck, dass sie nichts Neues bringen. Position und Gegenposition sind ja bereits hinlänglich bekannt (Beispiel Science Wars, Beispiel Schulmedizin/H.).

  12. #12 beebeeo
    Mai 25, 2009

    Joerg Friedrich:
    “1. Jeder (auch ungewöhnlichen) Therapie-Idee aufgeschlossen sein, wenn es darüber subjektive Erfolgsberichte gibt.”

    Subjebtive Erfolgsberichte sind also ausreichend um aufgeschlossen zu sein. Anecdoten sind also ausreichend um eine methode auch nur zu betrachten. Hier bin ich etwas skeptisch wie man dies im Einzelfall anwenden wuerde …

    “2. Diese Therapie-Ideen mit den wissenschaftlichen Standards auf Wirksamkeit prüfen, wobei diese Standards selbst immer wieder auf den Prüfstand müssen.”
    Was meinen Sie damit wenn sie sagen die Standards selbst muessen immer wieder auf den Pruefstand? In welchen Faellen waere also ein “double blind randomized controlled trial” nicht das beste Mass? Dieses Testverfahren ist fast immer anwendbar (Wenn man es gut plant). Also nur in seltenen Ausnamen ist es noetig die Standards auf den Pruefstand zu stellen.

    “3. So lange nach dem Wirk-Mechanismus suchen, bis er gefunden und bestätigt ist (wobei auch hier immer wieder Revisionen zulässig sein müssen)”
    Einverstanden

    “4. Sich darüber klar sein, dass die Autorität ihrer Methode sich nicht aus sich selbst heraus erklärt – und das Erfolg ein sehr schwankendes Fundament ist.”

    Ich muss Ihnen hier zustimmen. Leider verstehen die meisten Menschen nicht genug von den grundlegenden Prinzipien der Wissenschaft. Eigentlich sollte es fuer alle selbstverstaendlich sein, dass die wissenschaftliche Methode die einzige Methode ist die dazu geeignet ist neues Wissen zu erzeugen.

  13. #13 erich egermann
    Mai 25, 2009

    Mon Dieu, ist ja interessant, wenn sich Philosophen, Soziologen etc .. . über meinen Job Gedanken machen . Das Wichtigste aber haben Tobias und Ulrich schon in den ersten Kommentaren gesagt.
    Auch halte ich den Hinweis, daß unser Berufsstand sich aus dem der “Priester”, “Heiler”, “Medizinmänner” entwickelt hat für sehr richtig.
    Das ist aber Keine Entschuldigung , zweierlei “Medizin” zu kreiieren, –
    die eine “Wissenschaftliche” und die andre “Verstehende” “Erfahrungsmedizin” oder was auch immer, die gläubeigen Menschen Glaubuli und Heilsteine etc.. verkauft.. Selbst wenn ich noch so viel Empathie und psycholog.Geschick
    für den Patienten aufbringe , ist es Keine Entschuldigung für den VERKAUF von
    AlterNaivem Grünzeug an nachfragende “Kunden”, oder dem Verkauf von
    “Ritualen zur Angstbewältigung” an Sicherheit suchende Menschen, dénen eher
    ein SerotoninReuptakehemmer fehlt. Herr Jörg fordert, “Kritik an der eigenen Praxis” zuzulassen. Das ist leider unsinnig. Jeder seriöse Schulmediziner ist von
    vornherein geschult , sich selbst ständig in Frage zu stellen, und seine Diagnosen
    zu hinterfragen. Vielleicht ist gerade das unsere Schwachstelle gegenüber
    pseudoreligiösen Heilsversprechen von vertrauenserweckenden Verkäufern, die dem verunsicherten Patienten Sicherheit vorgaukeln.

  14. #14 Jörg Friedrich
    Mai 26, 2009

    @Ulrich: Für mich geben Würbels Untersuchungen zu der Überlegung Anlass, ob die Standardisierungen / Formalisierungen von klinischen Studien nicht wesentliche Vorraussetzungen implizieren, die die Anwendbarkeit ihrer Ergebnisse für die Einzelfall-Behandlung grundsätzlich einschränken, und zwar vor allem dann, wenn in der Studie keine Wirksamkeit einer Behandlungsmethode festgestellt werden kann – aber das ist wie gesagt nur eine Überlegung, eine hypothetische These.

    @beebeeo: Das, was ich an Ulrich zu Würbels Studien schrieb soll auch als Erläuterung für meinen zweiten Punkt gelten. Zum vierten Punkt: auch wenn Zustimmung mich grundsätzlich freut, glaube ich, dass wir hier nicht das gleiche meinen. Subjektiv beurteilter Erfolg ist auch hier gemeint: wenn man dem den statistischen Erfolg von Studien entgegensetzt, wird man wenig Überzeugungskraft haben.

    @erich egermann: Für mich ist fraglich, ob die interne Kritik, in der mediziner, wie sie sagen, geschult sind, ausreicht. Formulierungen wie das Sprechen vom “Verkauf von
    “Ritualen zur Angstbewältigung” an Sicherheit suchende Menschen, dénen eher
    ein SerotoninReuptakehemmer fehlt” machen mich da nicht sicherer.

  15. #15 beebeeo
    Mai 26, 2009

    Ich muss mich hier Ulrich anschließen und nochmals erfragen wo die Relevanz Wuerbels Studie für klinische Studien ist?

    Es ist natürlich selbstverständlich dass wenn für eine klinische Studie Patienten nach bestimmten Kriterien ausgewählt werden (Alter, Stadium der Krankheit, genetische Kriterien etc.) dann sind die Ergebnisse der Studie nur auf Patienten anwendbar die diesen Kriterien entsprechen. Natürlich ist jeder Patient individuell unterschiedlich aber wenn eine Therapie tatsächlich eine Wirkung hat, dann wird das deutlich werden in einer doppelt-blinden randomisierten Studie. Das Ziel der zufälligen Einordnung der Patienten ist ja gerade auszuschließen, dass individuelle Unterschiede der Patienten einen Einfluss auf das Gesamtergebnis haben. Es sind ja gerade die Standardisierungen / Formalisierungen von klinischen Studien die es einem erlauben auch in Einzelfällen eine Vorhersage zu machen. Natürlich kann man keine 100%ig sichere Vorhersage erwarten, aber Wissenschaftlich gesehen ist es die beste Methode.
    Ich hoffe Sie versuchen nicht die scheinbare Unwirksamkeit von Homöopathie etc. zu verteidigen indem Sie vorschlagen das die Studien zu kontrolliert waren. Ist dass etwa Ihre Absicht?

    Was den vierten Punkt betrifft ist es natürlich schwierig zu argumentieren wie genau man die wissenschaftlich ungebildeten von wissenschaftlichen Erkenntnissen überzeugen kann. Wie kann man jemanden davon ueberzeugen das subjektive Beurteilungen zu sehr von Zufall beherscht und generell zu problematisch sind um Entscheidungen ueber Wirksamkeit zu machen. Hier muss ich passen.

  16. #16 wolfgang
    Mai 26, 2009

    Hier wird über Medizin und Kultur diskutiert. Zur Kultur gehört eben auch eine Rechtskultur- und diese ist einseitig höchst unfair gegenüber der wissenschaftlichen Medizin.
    So müssen nach Arzneimittelgesetz Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nachgewiesen sein, um ein Arzneimittel auf den Markt zu bringen. Also präklinische Entwicklung, auch Tiermodell, wenn möglich Wirungsweise und natürlich klinische Wirksamkeit sowie Unbedenklichkeit. Für Rotavirusimpfstoffe waren da zB in klin Studien mehr als 70.000 Säuglinge inkludiert.

    Die sog alternative Medizin also Antimedizin brauch das alles nicht. Und das ist kein wissenschaftliches Problem, sondern ein rechtskulturelles.

    Und ich bin für eine faire Medizin

  17. #17 Jörg Friedrich
    Mai 26, 2009

    @beebeeo:
    “Ich hoffe Sie versuchen nicht die scheinbare Unwirksamkeit von Homöopathie etc. zu verteidigen indem Sie vorschlagen das die Studien zu kontrolliert waren. Ist dass etwa Ihre Absicht?”

    Ich Versuche, mögliche Argumentationen einer anti-wissenschaftlichen Sichtweise aufzuzeigen, damit man sich mit diesen aktiv auseinandersetzen kann. Es ist – wie gesagt – in der Philosophie üblich, einen Gegenstandpunkt stark zu machen, um stabile Argumente erarbeiten zu können. Meine Überlegungen zu diesem Thema werde ich aber in den nächsten Tagen noch einmal genauer beschreiben und dann vielleicht hier als Kommentar oder als neuen Artikel posten. das hängt aber davon ab, inwiefern es mir überhaupt gelingt, mein Kernargument hier plausibel machen zu können.

    “Was den vierten Punkt betrifft ist es natürlich schwierig zu argumentieren wie genau man die wissenschaftlich ungebildeten von wissenschaftlichen Erkenntnissen überzeugen kann. Wie kann man jemanden davon ueberzeugen das subjektive Beurteilungen zu sehr von Zufall beherscht und generell zu problematisch sind um Entscheidungen ueber Wirksamkeit zu machen. Hier muss ich passen.”

    Genau hier setzt mein Kernargument an: Für die wissenschaftliche Medizin und gegen jede Heilbehandlung, die die wissenschftliche Methode ablehnt spricht, dass nur die wissenschftliche Medizin zu einer emazipatorischen, aufgeklärten und anti-autoritären Gesellschaft passt. Das ist es, was ich in meinem Text vor allem zeigen wollte.

  18. #18 Ulrich
    Mai 27, 2009

    @Ulrich: Für mich geben Würbels Untersuchungen zu der Überlegung Anlass, ob die Standardisierungen / Formalisierungen von klinischen Studien nicht wesentliche Vorraussetzungen implizieren, die die Anwendbarkeit ihrer Ergebnisse für die Einzelfall-Behandlung grundsätzlich einschränken […].

    Natürlich gibt es diese Einschränkungen, doch die sind lange bekannt und dazu braucht man weder Würbels Experimente noch vage Analogieschlüsse. Ganz im Gegenteil zu Ihnen stellt Würbel klinische Studien hier nämlich als vorbildlich dar:

    Mit ihrer Studie zeigten die Forscher auch, wie die hohe Fehlerquote vermeidbar wäre: Variierten sie Alter oder Geschlecht oder hielten die Mäuse in unterschiedlichen Käfigen, stimmten die Ergebnisse besser überein. «Bei klinischen Tests an Menschen ist das Vorgehen ähnlich», sagt Würbel. Hier werde ein Medikament an verschiedenen Personen getestet, um allgemein gültige Resultate zu erhalten.
    https://www.nzz.ch/nachrichten/wissenschaft/gepflegtes_chaos_im_labor_1.2329694.html

  19. #19 Albert Wilfert
    Juni 6, 2009

    @ Jörg Friedrich

    Herzlichen Dank für diese Seite. Endlich einmal Einer der sich von den pseudowissenschaftlichen Einpeitschern im scienceblog.de abhebt. Es ist eine Erholung, ihren Argumentationen zu folgen.

  20. #20 Rincewind
    Juni 6, 2009

    Von Herrn Wilfert gelob zu werden, sollte Ihnen, Herr Friedrich massiv zu denken geben, ob diese Veranstaltung mit “Science” in der Überschrift tatsächlich der Richtige Ort für Ihre Gedanken ist.

  21. #21 Albert Wilfert
    Juni 6, 2009

    @ Rincewind

    Wenn sie wirklichen denken könnten, würden sie erkennen wie lächerlich eine solche Warnung ist für einen Menschen, der das offensichtlich kann.

  22. #22 Andrea N.D.
    Juni 6, 2009

    @ Jörg Friedrich: “Genau hier setzt mein Kernargument an: Für die wissenschaftliche Medizin und gegen jede Heilbehandlung, die die wissenschftliche Methode ablehnt spricht, dass nur die wissenschftliche Medizin zu einer emazipatorischen, aufgeklärten und anti-autoritären Gesellschaft passt. Das ist es, was ich in meinem Text vor allem zeigen wollte.”
    Diesen Unsinn hatte ich bisher ja überlesen. Heißt das, dass Diktaturen (stellvertretend für nicht emanzipatorisch, autoritär) generell “wissenschaftliche Medizin” ablehnen oder heißt es, dass H. besonders gut in Diktaturen gedeiht? Eine wirklich sehr sehr seltsame Schlussfolgerung: Wissenschaftlichkeit der Medizin abhängig von politischer Partizipation – die früheren Ostblockstaaten hätten das wohl nicht so gesehen? Hier sind wohl im Zuge der Argumentation die Ebenen ein klein wenig durcheinander gekommen …

  23. #23 Jörg Friedrich
    Juni 7, 2009

    @ Andrea N.D.: Sie sollten einmal einen Gundkurs Logik belegen und dann schauen, wann es und wie es erlaubt ist, Prämissen und Konklusionen zu vertauschen. Dann würden Sie merken, wer hier durcheinanderkommt.

  24. #24 Andrea N.D.
    Juni 8, 2009

    @Jörg Friedrich: Ich hätte mich mehr über eine inhaltliche Beantwortung gefreut als über eine persönliche Beleidigung.
    Zwei Dinge, die nun wirklich weder empirisch noch theoretisch miteinander zu tun haben (und wenn, dann wäre das eine jahrgelange Detailstudie) miteinander zu verknüpfen (antiautoritäre Gesellschaft und wissenschaftliche Medizin) und die Schlüsse daraus zu ziehen entbehrt nun wirklich jeder Logik. Außerdem kann ich nicht ganz verstehen, inwiefern ich Prämissen und Konklusionen vertauscht haben soll. Ich habe lediglich Ihre Konklusion um ein Nicht-B erweitert.

  25. #25 radicchio
    Juni 8, 2009

    »Herzlichen Dank für diese Seite. Endlich einmal Einer der sich von den pseudowissenschaftlichen Einpeitschern im scienceblog.de abhebt.«

    *lololol* wilfert. you made my day.

  26. #26 Jörg Friedrich
    Juni 8, 2009

    Gut, was Sie genau getan haben um Ihre merkwürdige Schlussfolgerung zu ziehen und darauf aufbauend meinen Satz als “Unsinn” zu bezeichnen, weiß ich nicht. Insofern bitte ich um Entschuldigung für meine Vermutung und für die Empfehlung, sich grundlegend mit Logik zu befassen.

    Ich muss gestehen, dass es mir der pauschalisierende, stets abwertende und beleidigende Tonfall der mit “Andrea N.D.” gezeichneten Kommentare schwer macht, auf einzelne Fragen, die darin enthalten sind, sachlich zu antworten. Ich will aber für einen Moment vermuten, dass sich in Ihrer Frage trotz des schnellen Urteils “Unsinn” tatsächliches Interesse verbirgt, und den Zusammenhang, den ich hier sehe, deutlich machen:

    Das Funktionieren demokratischer gesellschaften und die Akzeptanz der Institutionen durch die Bürger hat zur Vorraussetzung, dass alle staatlich unterstützten Einrichtungen, auf die der Bürger angewiesen ist, ihre Autorität nicht aus Ideologie oder Glaubensgrundsätzen beziehen, sondern dass sie im intersubjektiven Diskurs überprüfbar sind. Würde man ernsthaft in einem gesellschftlichen Subsystem eine autoritäre Rechtfertigungs-Position zulassen, die nicht von den gängigen subjekt-unabhängigen Rationalitäts-Kriterien gestützt wird, würde das den gesamten Rechtfertigungs-Apparat der gesellschaftlichen Institutionen infrage stellen. Wissenschaftliche Fundierung ist ein Mechanismus der antiautoritären Rechtfertigung – deshalb ist die wissenschaftsbasierte Medizin der demokratischen Gesellschaft angemessen.

    Das heißt nicht, dass es in nicht-demokratischen Gesellschaften keine wissenschaftsbasierte Medizin geben kann – allerdings ist dort eine unwissenschftliche oder pseudowissenschaftliche Heiler-Kaste wesentlich eher denkbar, da sie die Grundprinzipien der Gesellschaft nicht allein durch ihre pure Existenz infrage stellt.

  27. #27 Andrea N.D.
    Juni 8, 2009

    Das muss eben genau nicht so sein, deshalb kann ich mich nur wiederholen: die Verknüpfung von Dingen, die aprimär nichts miteinander zu tun haben, kann nicht einfach durch Spekulation geschehen – es wären jahrelange Detailstudien notwendig, die keinen Menschen interessieren.
    Ich meine: Wenn ein Diktator beschließt, dass H. die einzig mögliche Medizin ist, dann wird dieses autoritäre Land H. als einzig mögliche Medizin haben. Wenn ein autoritäres Land beschließt, wissenschaftlich fundierte Medizin zu betreiben, wird es wissenschaftlich fundierte Medizin betreiben (das scheint mir übrigens öfters der Fall). Die Verknüpfung von “wissenschaftlicher Fundierung” und “antiautoritärer Rechtfertigung” bzw. “keine wissenschaftsbasierte Medizin” und “nicht-demokratische Gesellschaft” oder beides andersherum verknüpft ist überflüssig. Es spielen unzählig viele andere Faktoren bei der Bestimmung/Wahl des Medizinsystems eines Staates mit (Beispiel China), dass eine derartig geradlinige und einseitige Zuschreibung sinnlos ist. Besser kann ich es nicht ausdrücken.

  28. #28 Thilo Kuessner
    Juni 8, 2009

    Das Funktionieren demokratischer gesellschaften und die Akzeptanz der Institutionen durch die Bürger hat zur Vorraussetzung, dass alle staatlich unterstützten Einrichtungen, auf die der Bürger angewiesen ist, ihre Autorität nicht aus Ideologie oder Glaubensgrundsätzen beziehen, sondern dass sie im intersubjektiven Diskurs überprüfbar sind. Würde man ernsthaft in einem gesellschftlichen Subsystem eine autoritäre Rechtfertigungs-Position zulassen, die nicht von den gängigen subjekt-unabhängigen Rationalitäts-Kriterien gestützt wird, würde das den gesamten Rechtfertigungs-Apparat der gesellschaftlichen Institutionen infrage stellen. Wissenschaftliche Fundierung ist ein Mechanismus der antiautoritären Rechtfertigung – deshalb ist die wissenschaftsbasierte Medizin der demokratischen Gesellschaft angemessen.

    Das heißt nicht, dass es in nicht-demokratischen Gesellschaften keine wissenschaftsbasierte Medizin geben kann – allerdings ist dort eine unwissenschftliche oder pseudowissenschaftliche Heiler-Kaste wesentlich eher denkbar, da sie die Grundprinzipien der Gesellschaft nicht allein durch ihre pure Existenz infrage stellt.

    Herrlich, das hätte kein Satiriker besser formulieren können. Kleiner Wink mit dem Zaunpfahl: Philosophie ist schon ein bißchen mehr als die Kunst, einfache Dinge kompliziert auszudrücken.

    Wenn ich mir erlauben darf, Ihre Aussage in 5 Worten zusammenfassen – Sie meinten offensichtlich: “Autoritäre Strukturen können Pseudo-Wissenschaft fördern”.

    Das mag plausibel klingen. Zumindest für die letzten 100 Jahre in Europa würde ich aber stark bezweifeln, daß sich diese These empirisch untermauern läßt. Meines Wissens wurde in allen Diktaturen evidenzbasierte Medizin betrieben. (Selbst wenn es vielleicht irgendwelche einzelnen Nazi-Führer gab, die der Homöopathie anhingen.)

    Was man daraus lernen kann? Eigentlich nichts. Eben nur, daß man auch mit noch so spitzfindigen Argumenten nicht zu sinnvollen Ergebnissen kommt, wenn die Grundannahmen nicht stimmen. (Ja, ich weiß, daß klingt jetzt wie die Sprüche, die sonst immer von den Gegnern der Evolutionstheorie, Klimaforschung oder EBM kommen. Kann ich aber auch nichts für. Und es ist natürlich amüsant, daß Sie sich hier gerade in einer Argumentation verrannt haben, die inhaltlich genau in die entgegengesetzte Richtung Ihrer sonstigen Posts geht.)

  29. #29 Jörg Friedrich
    Juni 8, 2009

    @Andrea N.D., Thilo Kuessner: Ich schreibe hier nicht über Autoritäre Strukturen sondern über anti-autoritäre Strukturen. Deshalb kann man eben auch das, was Sie dauraus gemacht haben, Herr Kuessner, nicht als Zusammenfassung dessen ansehen, was ich geschrieben habe. Das war Sie geschrieben haben, stimmt aber trotzdem: die sogennannte “Politische Ökonomie des Sozialismus” z.B. und der “Wissenschftliche Kommunismus” waren Pseudo-Wissenschaften.

    Man kann auch viele komplizierte mathematische Sachverhalte auf einen einfachen Satz reduzieren, den jeder versteht, der aber eben nicht genau dasselbe aussagt wie der mathematische Text. Deshalb ist dann der Satz auch keine “Zusammenfassung” sondern eine Reduktion.

  30. #30 Andrea N.D.
    Juni 8, 2009

    Danke Thilo, ich begann schon an meiner logischen Denkfähigkeit zu zweifeln.
    “Heißt das, dass Diktaturen (stellvertretend für nicht emanzipatorisch, autoritär) generell “wissenschaftliche Medizin” ablehnen oder heißt es, dass H. besonders gut in Diktaturen gedeiht? Eine wirklich sehr sehr seltsame Schlussfolgerung: Wissenschaftlichkeit der Medizin abhängig von politischer Partizipation” – das war meine Argumentation. Daraufhin musste ich mir die Verwechslung von Prämissen und Konklusionen vorwerfen lassen und bin eigentlich immer noch dabei, diese aufzudröseln – und schaff es nicht. Ich finde die Verbindung der Prämissen nicht.

    1a. Wissenschaftlich fundierte Medizin ??? antiautoritäre Gesellschaft
    1b. H. ??? antiautoritäre Gesellschaft
    2.a. Wissenschaftlich fundierte Medizin ??? autoritäre Gesellschaft
    2.b. H. ??? autoritäre Gesellschaft
    Die Verbindung zwischen den Prämissen fehlt – das ist mein Problem – diese Prämissen können eben nicht verbunden werden.
    K1: Autoritäre Strukturen können Pseudo-Wissenschaft fördern
    K2. Autoritäre Strukturen können wissenschaftlich fundierte Medizin fördern.
    K3: Anti-autoritäre Strukturen können Pseudo-Wissenschaft fördern.
    K4: Anti-autoriätre Strukturen können wissenschaftlich fundierte Medizin fördern.

    Oder so:
    Antiautoritäre Gesellschaften sind frei/offen. H. benötigt eine offene Atmosphäre. Deshalb gedeiht H. besonders gut in antiautoritären Gesellschaften.
    Autoritäre Gesellschaften sind unfrei/geschlossen. H. benötigt eine offene Atmosphäre. Deshalb gedeiht H. besonders schlecht in autoritären Gesellschaften.

    Oder so:
    In antiautoritären Gesellschaften wird Diskussion zugelassen. H. wird diskutiert. Deshalb gedeiht H. besonders schlecht/gut in antiautoritären Gesellschaften.
    In autoritären Gesellschaften wird keine Diskussion zugelassen. H. wird nicht diskutiert. K1: Deshalb gedeiht H. besonders schlecht in autoritären Gesellschaften. K2: Deshalb gedeiht H. besonders gut in autoritären Gesellschaften. Sie wird nicht diskutiert sondern praktiziert.

    Hab mich verdröselt. Ich habe aber auch kein Ergebnis entdeckt.

  31. #31 Andrea N.D.
    Juni 8, 2009

    @Jörg Friedrich: “Ich muss gestehen, dass es mir der pauschalisierende, stets abwertende und beleidigende Tonfall der mit “Andrea N.D.” gezeichneten Kommentare schwer macht, auf einzelne Fragen, die darin enthalten sind, sachlich zu antworten.”
    Ich pauschalisiere nicht (Sie vielleicht? Wissenschaftler?), ich schreibe nicht “stets abwertend” (Sie vielleicht, Wissenschaftskommunikation?) und ich habe keinen beleidigenden Tonfall. Diese pauschalisierten, abwertenden Unterstellungen weise ich entschieden zurück.
    Ich denke, Sie ärgerte einzig und allein der Ausdruck “Unsinn”, um sich zu einem derartigen Kommentar hinreißen zu lassen. Es sollte hinreichend klar geworden sein, dass ich dieses Wort im Sinne von “sinnlos” verwendet habe und werde “Unsinn” zukünftig vermeiden, um von Ihnen nicht mehr persönlich beleidigt zu werden.

  32. #32 Jörg Friedrich
    Juni 8, 2009

    @Andrea N.D.
    Also hatte ich doch recht, dass sie die Prämissen vertauscht haben.

    Es geht nicht darum, dass eine Fundierung einer Behandlungsmethode autoritäre oder antiautoritäre Gesellschaftsstrukturen braucht, sondern umgekehrt, eine demokratische Gesellschaft verträgt keine autoritär fundierten Behandlungsmethoden. Es ist eben nicht so, dass man alles auf 5 Worte reduzieren kann, weder in der Mathematik noch in der Philosophie. Manchmal muss man das Gehirn anstrengen und versuchen, einen ganzen Absatz voller schwieriger Worte zu verstehen.

  33. #33 Thilo
    Juni 8, 2009

    Eine DIFFERENZIERTE Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Pseudowissenschaft und Autoritätsstrukturen wäre natürlich schon sehr interessant.
    Ohne solche Untersuchungen zu kennen, würde ich vermuten, daß es da sehr große Unterschiede im Detail gibt, daß z.B. Kreationismus eher in autoritären Strukturen gedeiht und Homöopathie eher in antiautoritären.
    Mein Kommentar war eigentlich nur eine Fortsetzung der Diskussion auf https://www.scienceblogs.de/arte-fakten/2009/06/latours-hoffnung.php über die Frage, ob man über Wissenschaft (oder irgend ein anderes Thema) philosophieren kann, ohne etwas vom Thema zu verstehen. Und ich denke: Nein. Es macht eben keinen Sinn, sich zum Beispiel Gedanken über den Zusammenhang von Pseudo-Wissenschaft und Autoritätsstrukturen (oder irgendein anderes Thema) zu machen, wenn nicht zunächst die Tatsachen klar sind. Philosophie ohne Fakten führt nur zu nichtssagenden (oder falschen) Allgemeinplätzen.

  34. #34 Thilo
    Juni 8, 2009

    PS: ich hatte nicht behauptet, daß man “alles” auf 5 Worte reduzieren kann, sondern nur, daß sich die inhaltliche Aussage ihres Kommentars auf 5 Worte reduzieren läßt.

  35. #35 Andrea N.D.
    Juni 8, 2009

    @Jörg Friedrich:
    Ich verstehe Ihr “Rechthaben” im Prämissentausch nicht, wenn es doch überhaupt keine logischen Prämissen gibt?
    “Eine demokratische Gesellschaft verträgt keine autoritär fundierten Behandlungsmethoden”:Darüber schrieben Sie doch gar nicht. Es ging doch um wissenschaftliche Medizin verbunden mit demokratischer Gesellschaft? DIESE Verbindung sehe ich nach wie vor problematisch bzw. überflüssig, weder verifizierbar noch falsifizierbar. Was sollen denn autoritär fundierte Behandlungmethoden in einer demokratischen Gesellschaft sein? Das kommt doch nahe an eine Tautologie.
    Ansonsten schließe ich mich gerne Thilo Kuessner an.

  36. #36 Andrea N.D.
    Juni 8, 2009

    @Jörg Friedrich:
    “Manchmal muss man das Gehirn anstrengen und versuchen, einen ganzen Absatz voller schwieriger Worte zu verstehen.”
    War das wieder als persönliche Beleidigung für mich gedacht oder spielte das auf Thilo Kuessners Analyse Ihrer ausführlichen Erklärung oben an?

  37. #37 Jörg Friedrich
    Juni 8, 2009

    @Thilo Kuessner: Und wie wir gesehen habe, war der Versuch Ihreer reduktion leider nicht gelungen. Ich stimme Ihnen übrigens zu: Man sollte, nicht über Wissenschaft philosophieren, wenn man nichts von Wissenschaft versteht. man sollte auch nicht über Philosophie philosophieren, wenn man nichts von Philosophie versteht.

  38. #38 Thilo
    Juni 8, 2009

    Ach ja, Sie werden immer wieder falsch verstanden, von allen. Woran das wohl liegen mag?

    PS: Sie hatten aber schon geschrieben, daß “in nicht-demokratischen Gesellschaften […] eine unwissenschftliche oder pseudowissenschaftliche Heiler-Kaste wesentlich eher denkbar” ist. Oder habe ich das jetzt auch falsch reduziert?

  39. #39 Jörg Friedrich
    Juni 8, 2009

    @Thilo Kuessner: Ich bin mit der Quote derer, die mich richtig verstehen, schon ganz zufrieden und ich werde die Erfahrungen jedes tages dazu nutzen, dass es immer mehr werden. Zu Ihrem P.S.: Nein das haben Sie nicht falsch verstanden. (sehen Sie, auch Sie verstehen mich von Tag zu Tag besser) Ich habe ja auch nicht behauptet dass das falsch ist, ich habe Ihrem diesbezüglichen 5-Wort-Satz ja ausdrücklich zugestimmt, ich habe nur darauf hingewiesen, dass diese Überlegung nicht aus meiner Argumentation folgt und dass ich sie hier und jetzt deshalb auch nicht weiter begründen werde.

  40. #40 Andrea N.D.
    Juni 8, 2009

    @Jörg Friedrich:
    Ich versuche es einmal abstrakt darzustellen, da Sie inhaltlich auf die Argumentation nicht eingehen und – wenn Sie nicht mehr weiter wissen – ausschweifende nichtssagende Wiederholungen abgeben, die uns wieder zum Anfang der Diskussion führen, auf die Sie nicht eingegangen sind (außer mit persönlichen Unterstellungen und Beleidigungen), wonach ich und auch Herr Kuessner wiederum versucht haben, inhaltlich auf die Punkte einzugehen, worauf ….
    Abstrakt: Sie behaupten die Verbindung zweier Dinge, die keinen Zusammenhang haben (zumindest in differenzierten, globalen, ausführlichsten Studien gezeigt werden müssten, was nicht möglich bzw. überflüssig ist) oder eine Tautologie ergeben. Um Ihnen das klar zu machen, stelle ich alle möglichen Verbindungen der zwei Dinge dar. Daraufhin wiederholen Sie zum zweiten Mal, dass ich irgendwelche Prämissen nicht verstanden hätte, da ich mein Gehirn nicht genug angestrengt habe. Diese Argumentation Ihrerseits geht so lange, bis Ihr Argumentationsfaden so verwässert ist, dass keiner mehr weiß, was Sie eigentlich sagen wollten.
    DAS verstehe ich definitiv nicht unter Wissenschaftsphilosophie.

    Mögliche Antworten wären nicht gewesen: “Wissenschaftliche Fundierung ist ein Mechanismus der antiautoritären Rechtfertigung – deshalb ist die wissenschaftsbasierte Medizin der demokratischen Gesellschaft angemessen.”
    Sondern: Wissenschaftliche Fundierung KANN ein Mechanismus der antiatuoritären wie der autoritären Rechtfertigung sein. Der öffentliche Diskurs über Medizin in antiautoritären Gesellschaften KANN zu einer wissenchaftlichen Medizin wie zu einer Alternativen Medizin führen. In demokratischen Gesellschaften haben die Menschen die Möglichkeit, beiden Richtungen zu folgen. In autoritären Gesellschaften KANN die Richtung von den Autoritäten festgelegt werden. Inwieweit die Menschen dann die Möglichkeit haben, einer Richtung zu folgen, kann nur empirisch herausgefunden werden. Angemessenheit spielt hier überhaupt keine Rolle bzw. sagt nichts aus, wenn, dann müsste erklärt werden, was mit “angemessen” (ein ethischer Begriff?)gemeint ist.

  41. #41 beka
    Juni 8, 2009

    @ Andrea N.D.: So schwer kann doch das von Herrn Friedrich Geschriebene nicht zu verstehen sein:

    “Für die wissenschaftliche Medizin hat das jedoch zwei Konsequenzen:

    Zum einen darf sie ein ihr fremdes Heilverfahren nicht ablehnen, nur weil die Gründe seines Wirkens (noch) nicht bekannt sind oder noch nicht genügend sichere klinische Studien existieren, die die Wirkung tatsächlich belegen. Täte sie das, würde sie selbst einen anti-emazipatorischen, autoritären Weg der Ausgrenzung einschlagen.

    Zum anderen muss sie, wie jede Wissenschaft, Kritik an ihrer eigenen Praxis zulassen – und sie muss jede Neigung, gegenüber Laien eine Autorität aufzubauen, die sich auf der Erfahrung des Erfolgs gründet, vermeiden. Wenn bei der Kommunikation mit dem Publikum nicht die emanzipatorische Bedeutung der wissenschaftlichen Methode im Mittelpunkt steht sondern eigene Erfolge gegen fremde Misserfolge aufgewogen werden, kommt man schnell in die Defensive, weil der Erfolg in der Medizin eben meist sehr subjektiv beurteilt wird.”

  42. #42 Andrea N.D.
    Juni 8, 2009

    @beka: Ihre Zitate haben wenig mit der oben genannten Diskussion zu tun. Insofern bestehen hier auch keine Verständnisprobleme. Lesen Sie sich bitte in den gesamten Thread ein und posten und vor allem kritisieren Sie dann erst etwaige Verständisprobleme des Geschriebenen von Herrn Friedrich. Ansonsten sehe ich in Ihrem Schreiben leider keinen ernstzunehmenden Beitrag.

  43. #43 Albert Wilfert
    Juni 9, 2009

    @ Andrea N.D

    Klar hat das damit zu tun. Sie sind nur zu verwickelt in ihre Abhängigkeiten, um den Mut zu freiem Denken aufzubringen.

  44. #44 Andrea N.D.
    Juni 9, 2009

    Die Artikel und Kommentare zeigen, dass man mit dogmatischen Behauptungen den Widerspruch der aufklärten Wissenschaft einerseits und den Beifall von gewissen Gruppen anderereseits erhält. Diese Behauptungen in die Öffentlichkeit zu stellen ist das Privleg einer demokratischen Gesellschaft. Widerspruch und Beifall dafür zu erhalten auch. Es ist schade, dass die domgatische Grundausrichtung dieses Blogs, die hinreichend diskutiert wurde, immer wieder so durchscheint, dass neben dieser Grundsatzdiskussion (die sowohl den Gebrauch des Gehirns als auch Mut zu freiem Denken enthält, die sowohl das Infragestellen unhinterfragter Grundannahmen als auch die Überflüssigkeit und Unlogik von Disjunktionen behinhaltet) keine andere Diskussion möglich ist, da ein Rückbezug auf eben diese dogmatischen Behauptungen postuliert wird, die eigentlich jegliche philosophische und wissenschaftliche Diskussion unmöglich macht. “Sagen wir mal”: eine Diskussion ist sinnlos und überflüssig, wenn bloße Behauptungen in immer wieder ähnlicher Form aufgestellt werden, die dann von der einen Seite gebetsmühlenartig in der Diskussion wiederholt werden, während von der anderen Seite immer wieder versucht wird, die Belege oder Schlüssigkeit der Grundannahmen einzufordern. So werden wir uns von demokratischer Seite damit begnügen müssen, die Behaputungen einfach stehen zu lassen. Einem philosophisch-wissenschaftlichen Anspruch genügt dies nicht.

  45. #45 Albert Wilfert
    Juni 9, 2009

    @ Andrea N.D

    Ja, stimme ich grundsätzlich zu , die Frage ist nur, wer hier was gebetsmühlenartig wiederholt. Ein gutes Beispiel ist dafür ist der Nachweis der Wirkung von Homöopathie.
    Obwohl klar sein sollte und auch mit ganz einfachen logischen Gedanken belegbar, dass die Doppelblindstudie auf Homöopathie nicht anwendbar ist, wird sie immer wieder gebetsmühlenartig als Nachweis für ihre Unwirksamkeit herangezogen.

    Die einfache Forderung, die Prüfungsanordnung zu ändern, indem man z.B. von einer Gruppe Patienten die Hälfte mit konventionellen Mittel und die Andere mit Homöopathie nach Massgabe der Homöopathen behandelt und dann einen Vergleich zieht, wird nicht aufgegriffen. Man erkennt die Absicht und ist verstimmt.
    Hier in den scienceblogs treiben sich sogar Leute herum, die sich Wissenschaftler nennen und behaupten Akkupunktur wäre ein Placebo, obwohl sie noch nie ein grosses Werk gelesen haben, keine Behandlung probiert und noch nie mit einem Fachmann gesprochen haben. Beweismittel werden als gefälscht bezeichnet, obwohl es dafür keinen Anhaltspunkt gibt. Das ist reine Ideologie. Und dann wird eine Diskussion wirklich überflüssig.

  46. #46 Andrea N.D.
    Juni 9, 2009

    Schwierig schwierig. Soweit ich weiß, haben andere Blogs bereits aufgegeben mit Ihnen zu diskutieren. Sie sind ein Vertreter der Kommentatorengruppe “wenn bloße Behauptungen in immer wieder ähnlicher Form aufgestellt werden, die dann von der einen Seite gebetsmühlenartig in der Diskussion wiederholt werden”, ja schlimmer noch, Sie wollen einfach nicht wahrhaben, dass eine wissenschaftlich fundierte, öffentlich diskutierte Medizin in einer demokratischen Gesellschaft offensichtlich mehr gewünscht ist als Ihre “reine Ideologie” des Nichtwissenwollens. Ich rechne es den Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen auf SB hoch an, sich immer wieder geduldigst mit Leuten Ihres Format auseinandergesetzt zu haben. Ich habe diese Geduld nicht, kreide aber diesem Blog an, dass genau hier Leuten wie Ihnen eine Platform geboten wird.

  47. #47 Jörg Friedrich
    Juni 9, 2009

    @Andrea N.D.: Ich persönlich würde mich ja an einer Diskussion, die ich immer wieder aufs Neue als überflüssig undsinnlos erkenne, einfach nicht beteiligen. Es es steht Ihnen weiterhin frei, dies auch in Zukunft zu tun.

    Ich halte Ihre Unterteilung in die “eine Seite” und die “andere Seite” – insbesondere solche Formulierungen wie “die gewisse Seite” und “die demokratische Seite” selbst nicht gerade für einen Ausdruck undogmatischen Herangehens – es spricht daraus für mich ein Freund-Feind-Denken welches grundsätzlich einem konstruktioven Austausch über kontroverse Standpunkte abträglich ist.

    Die tatsache, dass ich immer wieder mit unterschiedlichen Worten meine Argumentation wiederhole ist übrigens darím begründet, dass Sie immer wieder aufs Neue das, was ich geschrieben habe, so verdrehen, dass etwas anderes herauskommt, als ich sagen wollte. Sodann fordern Sie Belege für eine These ein, die von mir nicht aufgestellt wurde. Das muss dann immer wieder richtig gestellt werden.

    Ein letztes Mal möchte ich versuchen, meinen Standpunkt hier klar zu formulieren, weniger in der Hoffnung, dass Sie den Unterschied zwischen dem von mir gesagten und dem von Ihnen verstandenen erkennen werden sondern weil ich das Argument für so wichtig halte, dass ich nicht bereit bin, Ihre verdrehte Version als letztes Wort stehen zu lassen.

    Grundlage einer demokratischen Gesellschaft ist eine anti-autoritäre Verfassung (Verfassung hier nicht im Sinne eines Gesetzwerkes sondern als gesamtheit der vereinbarungen, die die Bürger in dieser Gesellschaft miteinander explizit und implizit eingehen). Insbesondere muss jedes gesellschaftliche relevante und staatlich gestützte Handeln so legitimiert werden, dass es für seine Akzeptanz keine unhinterfragbaren Autoritäten oder Glaubensbekenntnisse braucht.

    Die wissenschaftsbasierte Medizin ist eine solche gesellschaftliche Handlungsform. Sie stützt ihre Entschedungen, Empfehlungen, Anweisungen letztlich nicht auf Autorität einer Person oder einer Lehre, die nicht hinterfragt werden kann, sondern auf wissenschaftlich standardisierte Empririe und/oder naturwissenschaftliches Verstehen.

    Jede Heilmethode, die die o.g. Grundvereinbarung ablehnt stellt letztlich die demokratische, anti-autoritäre Verfasstheit der Gesellschaft in Frage.

    Deshalb ist in einer demokratischen Gesellschaft die wissenschaftsbasierte Medizin zu stützen, autoritär gerechtfertigte Heilmethoden aber abzulehnen. Gleichzeitig folgen daraus die von beka oben zitierten Konsequenzen für die Medizin in der demokratischen Gesellschaft.

  48. #48 Jörg Friedrich
    Juni 9, 2009

    @Andrea N.D.: Auch Ihnen wird ja hier eine Plattform geboten (“Leute wie Sie” ist übrigens eine Formulierung, die aus den gleichen Kanälen stammt wie “gewisse Seiten”) .

  49. #49 Andrea N.D.
    Juni 9, 2009

    @Jörg Friedrich: “Ich rechne es den Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen auf SB hoch an, sich immer wieder geduldigst mit Leuten Ihres Format auseinandergesetzt zu haben. Ich habe diese Geduld nicht, kreide aber diesem Blog an, dass genau hier Leuten wie Ihnen eine Platform geboten wird.”
    @Andrea N.D.: Auch Ihnen wird ja hier eine Plattform geboten (“Leute wie Sie” ist übrigens eine Formulierung, die aus den gleichen Kanälen stammt wie “gewisse Seiten”) .
    Erst lesen, dann schreiben, dann mit Albert Wilfert diskutieren. Wie war das: You made my day … Irgendwann werden Sie es auch begriffen haben.

  50. #50 Albert Wilfert
    Juni 9, 2009

    @ Andrea N.D.

    Die Auseinandersetzungen auf den anderen Seiten enstanden hauptsächlich nur deshalb, weil ich mich gegen vorgeformte, stereotype Meinungen gewehrt habe, die das in den Dreck ziehen wollen, was mir nach langer, langer Auseinandersetzung viel bedeutet. Ich bin Techniker und kein Spinner. Ich weiss was Logik ist und habe viele Dinge auch erst durch Erfahrung akzeptieren müssen (dürfen).
    Ich denke wir wissen alle zusammen so wenig dass wir die ehrliche Meinung und Erfahrungsberichte anderer akzeptieren sollten.
    Und Plattform wird hier ihnen genauso wie mir geboten, und es sollte auch Sinn der Sache sein dass konträre Ansichten aufeinanderprallen. Von einem Wissenschafts-Beweihräucherungsblog hat niemand etwas.