Manchem Physiker, Chemiker oder Biologen, der in den letzten Tagen ahnungslos in der nature-Ausgabe vom 14. Mai 2009 geblättert hat, dürften die Worte im Editorial noch in den Ohren klingen: “Scientist must rigorously assess the limits of their knowledge and communicate them to officials and the public … they must admit their mistakes and seek to learn from them” [1].
Worum geht es? In erster Linie spricht die nature-Redaktion über das Erdbeben von Sichuan, das vor einem Jahr wenigstens 70.000 Menschen das Leben gekostet hat. Und es geht darum, dass die Geologen und Seismologen die Gegend um Sichuan als weit sicherer eingeschätzt hatten, als sie letztlich war. Aber es geht auch allgemein um die Frage, ob und wie Wissenschaftler über ihre Unsicherheiten und die Begrenztheit ihres Wissens in der Öffentlichkeit sprechen sollten.
In der Wissenschafts-internen Kommunikation besteht natürlich Einigkeit darüber, dass viele Erkenntnisse – vor allem wenn sie nicht-kontrollierbare Systeme betreffen wie es z.B. in den Geo-Wissenschaften der Fall ist – vorläufig, begrenzt und unsicher sind. Das Bild, was die Öffentlichkeit von der Wissenschaft hat, ist jedoch ein anderes. Berichte über immer neue Erfolge erwecken den Eindruck, dass die Wissenschaft über alle wichtigen Belange des Lebens inzwischen über sicheres Wissen verfügt, immer bessere Wetterprognosen tragen zu diesem Bild genauso bei wie der Eindruck, Klimaforscher könnten die mittleren Temperaturen für die nächsten 100 Jahre bereits heute auf ein paar Grad genau ausrechnen. Spektakuläre Berichte über die Entstehung des Universums, des Sonnensystems und des Lebens vervollständigen dieses Bild.
„Social Science research shows that citizens are generally poor judges of the hazards they face: they think they are safe until disaster strikes.” [2] Diese Sicherheit ziehen die Menschen unter anderem aus dem Bild, das sie von den Wissenschaften haben – und daran sind die Wissenschaftler sicherlich nicht ganz unschuldig. Es ist das Gesamtbild der Wissenschaft, das den Menschen suggeriert, das die Forscher alle großen Risiken kennen: Eine Wissenschaft, die weiß, wie sich die Atmosphäre in den nächsten Jahrzehnten aufheizen wird, die Mittel gegen fast alle Krankheiten findet, die herausbekommt, wie das Weltall vor 14 Milliarden Jahren aussah, die wird wohl auch darüber bescheid wissen, was gerade jetzt unter der Erdoberfläche stattfindet.
Auf dem Boden einer solchen Sorglosigkeit gedeiht die Schlamperei am Bau und verschwindet die Fähigkeit, sich im Katastrophenfall selbst zu helfen. Das ist der Grund, weshalb die Wissenschaft in der Verantwortung ist, ihre eigenen Grenzen deutlich zu zeigen und die Risiken, die sich daraus ergeben, öffentlich zu machen.
[1] Wissenschaftler müssen die Grenzen ihres Wissens rigoros abschätzen und diese gegenüber den Behörden und der Öffentlichkeit kommunizieren … sie müssen ihre Fehler zugeben und versuchen aus ihnen zu lernen.”
[2] Die sozialwissenschaftliche Forschung zeigt dass Bürger die Gefahren, denen sie gegenüberstehen, im Allgemeinen schlecht beurteilen können: Sie denken, dass sie sicher sind bis die Katastrophe sie trifft.
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