Rund ein Jahrhundert lang war das Klima eine lokale Angelegenheit. Schon im Handbuch der Klimatologie von 1883 wird das Klima als die “Gesamtheit der meteorologischen Erscheinungen, die den mittleren Zustand der Atmosphäre an irgend einer Stelle der Erdoberfläche kennzeichnen,” definiert. Genau 100 Jahre später steht im Glossar des Guide to Climatological Practices der WMO noch immer etwas ganz ähnliches:
Climate: Synthesis of weather conditions in a given area, characterized by long term statistics of the variables of state of the atmosphere in that area.
Jahrzehntelang war das Klima eine lokale Angelegenheit
Um das Klima eines Ortes zu ermitteln, darin waren sich Generationen von Meteorologen und Klimatologen, von Köppen über Blüthgen und Hendl bis Heyer und Hupfer einig, muss man die meteorologischen Messgrößen über einen hinreichend großen Zeitraum in ihren statistischen Verteilungen untersuchen. Unterschiedliche Orte haben nur dann das gleiche Klima, wenn sie sich in diesen Verteilungen nur unwesentlich unterscheiden und damit zur gleichen Klimazone gehören.
Das Globale Klima ist eine Erfindung der letzten Jahre
Heute allerdings wird der Begriff Klima in einem anderen Sinn verwendet. Im Glossar des IPCC steht die folgende Definition:
Climate in a narrow sense is usually defined as the ‘average weather’, or more rigorously, as the statistical description in terms of the mean and variability of relevant quantities over a period of time ranging from months to thousands or millions of years. These quantities are most often surface variables such as temperature, precipitation, and wind. Climate in a wider sense is the state, including a statistical description, of the climate system.
Das IPCC unterscheidet also ein „Klima im engeren Sinne”, welches der herkömmlichen Definition entspricht, und ein „Klima im weiteren Sinne”, welches als „Zustand des klimatischen Systems einschließlich seiner statistischen Beschreibung” gefasst wird. Letzteres ist das, was heute, auch von der WMO, als „Globales Klima” bezeichnet wird. Es ist, wie die „globale Mitteltemperatur” eine ziemlich junge Erfindung. Allerdings ist er sehr erfolgreich: Wenn heute vom „Klima” die Rede ist, geht es nicht um das mittlere Wetter in Berlin oder L’Aquila sondern um den allgemeinen Zustand des klimatischen Systems und dessen Änderung, der sich mit solchen Konstruktionen wie der „globalen Mitteltemperatur” beschreiben lässt.
Warum wird so ein neuer Begriff gebraucht? Die Wissenschaft, die sich mit dem Einfluss des Menschen auf das klimatische System beschäftigt, braucht zur internen Beschreibung und Kommunikation ihrer Ergebnisse sicher ein paar klare Variablen die sich aus der Flut der Modellergebnisse ableiten lassen. Die „globale Mitteltemperatur” gehört sicherlich dazu, auch wenn jedem Wissenschaftler klar ist, dass es sich dabei nicht wirklich um eine Temperatur handelt. Ganz im Sinne dessen, was Bruno Latour in „Die Hoffnung der Pandora” als „Blutkreislauf der Wissenschaft” bezeichnet, wird eine solche Größe zur Erhebung empirischer Daten ebenso benötigt wie zur Kommunikation mit Kollegen, und zur Einflussnahme auf Politik und Öffentlichkeit.
Ähnlich ist es auch mit dem Begriff des „globalen Klimas” wobei dieser letztlich nur für den Dialog mit Politik und Öffentlichkeit benötigt wird. Die Erfindung des „globalen Klimas” dient dazu, die globale Auswirkung der menschlichen Beeinflussung des klimatischen Systems zu verdeutlichen. Die Veränderung des Klimas an einem Ort, die Bewegung der Grenzen von Klimazonen, das ist alles sehr schwer zu vermitteln. Die Veränderung eines „globalen Klimas”, die zudem noch durch den Anstieg einer simpel erscheinenden Größe, einer Temperatur, dargestellt werden kann, das lässt sich leicht vermitteln.
Wenn man das Problem simplifiziert darstellt, wächst die Gefahr falscher „Lösungen”
Aber mit dieser übermäßigen Vereinfachung der Darstellung durch die Verwendung von Begriffs-Konstruktionen, die wissenschaftlich eigentlich fragwürdig oder sinnlos sind, wächst auch die Gefahr, dass falsche Schlussfolgerungen gezogen werden. Denn wenn es „nur” um die Reduktion der globalen Mitteltemperatur geht, könnte man doch auch dafür sorgen, dass mehr Sonnenlicht reflektiert wird, indem man z.B. auf den Ozeanen gigantische Wolkenbildungsmaschinen in Betrieb nimmt (siehe z.B. natur, 458, 30. April 2009, pp 1097-1100).
Das wäre möglicherweise ein Eingriff in das klimatische System, gegen den der CO2-Eintrag des Menschen vielleicht eine Kleinigkeit ist. Sollte durch diese riesigen Wolkengebilde tatsächlich merklich die Temperatur herabgesetzt werden, sodass es zu einer nennenswerten Absenkung auch der „globalen Mitteltemperatur” kommt, würden sich mit Sicherheit auch die globalen Zirkulationssysteme ändern – und welche Auswirkungen dass dann auf das Klima hat, und zwar auf das Klima im klassischen Sinne, das mittlere Wetter von Berlin, Johannesburg und Lima, das rechnen hoffentlich noch rechtzeitig die Klimatologen mit ihren Computer-Modellen aus.
Spätestens dann werden sie den politischen Entscheidern und den Großkonzernen, die sich schon auf die Bauaufträge für solche gigantischen Anlagen freuen dürften, klar machen müssen, dass es nicht um die zwei Grad mehr oder weniger bei der globalen Mitteltemperatur geht, sondern um die Stabilisierung der jeweiligen lokalen Klimate und Klimazonen, dass das „Globale Klima” und die „globale Mitteltemperatur” nur simple theoretische Konstruktionen sind, ganz brauchbar für die wissenschaftliche Kommunikation du hilfreich zur Mobilisierung der Öffentlichkeit aber keineswegs geeignet um zu bestimmen, ob wir unsere Umwelt auf eine noch erträgliche Weise verändern oder nicht.
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