“Nur wer sich ändert, bleibt sich treu” sang Wolf Biermann in einer autobiographischen Ballade und gab damit die Vorlage für das Motto hunderter Essays und Veranstaltungen die sich mit dem Thema auseinandersetzen, dass nur der, der sich an geänderte Bedingungen anpasst, seinen Zielen und Idealen treu bleiben kann. Die Liedzeile könnte auch als Motto für den Artikel von Joachim Kardinal Meisner dienen, der unter der Rubrik “Fremde Federn” in der FAZ von gestern (01.08.2009, online leider nicht frei verfügbar) abgedruckt ist.
Es geht um das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare. Selbstverständlich lehnt Meisner eine solche Adoption ab. Das ist nicht überraschend, aber den Text zu lesen lohnt sich trotzdem. Gleich im ersten Absatz findet sich eine Überraschung:
Nun ist auch die katholische Kirche gegen jede Diskriminierung von homosexuellen Menschen. Der Katechismus betont dies ausdrücklich.
Natürlich kann man fragen, wie diese Einstellung sich praktisch auswirkt, aber es ist schon gut, dass die Anerkennung der Homosexualität durch einen hockrangigen katholischen Priester einmal so klar formuliert wird.
Es gibt aber noch mehr Überraschungen in diesem kleinen Text. Die idealen Bedingungen für ein Kind ist die aus Vater, Mutter und Geschwistern bestehende Familie, so der Kardinal, und wer wollte da widersprechen. Dann heißt es:
Natürlich wissen wir alle, dass eine solche Familienkonstellation gerade heute in ihrer idealen Form oft nicht mehr vorliegt. Die Nachteile, die die Kinder durch die brüchiger gewordenen Partnerschaften erleiden müssen, werden freilich durch die beeindruckende und aufopferungsvolle Lebensleistung alleinerziehender Mütter und Väter gemildert. Und es ist sicher auch richtig, dass eine solche Erziehung besser ist als das Leiden des Kindes in einer lieblosen und chaotischen Paarbeziehung. Die Lebenswirklichkeit zeigt immer wieder, dass in diesem Leben das Ideal schwer oder nicht erreicht werden kann.
Der Satz findet sich auch in der Mitteilung des Erzbistums Köln, er hat also für den Kardinal zentrale Bedeutung. Im Klartext, der Erzbischof von Köln hält nicht unter allen Bedingungen an der Ehe als Erziehungsgemeinschaft für Kinder fest. Für Kinder ist es besser, bei einer alleinerziehenden Mutter oder einem alleinerziehenden Vater aufzuwachsen als in einer kaputten Ehe.
Das Kindeswohl stellt der Kardinal also über katholische Grundlehren und Dogmen. Und es ist auch das Kindeswohl, das ihn bei der Ablehnung eines Adoptionsrechtes für homosexuelle Paare bleiben lässt. Denn, so Meisner, es geht in dieser Frage überhaupt nicht um irgendein “Recht” von Erwachsenen, weder von heterosexuellen noch von homosexuellen Paaren – es muss ausschließlich um das Wohl der Kinder gehen. Und für ein Kind, da ist sich Meisner sicher, ist es das Beste, sowohl unter dem Einfluss einer Frau als auch unter männlichem Einfluss aufzuwachsen, sowohl einen Vater als auch eine Mutter als Bezugsperson zu haben.
“In vielen Bereichen leben die heutigen Erwachsenen inzwischen auf Kosten künftiger Generationen, vor allem der jetzt lebenden Kinder.”
Meisner kritisiert in diesem Zusammenhang, dass die heutigen Erwachsenen in vielen Bereichen auf Kosten der künftigen Generationen leben, sei es bei der Staatsverschuldung, bei der Umweltverschmutzung oder eben bei den persönlichen Rechten und Freiheiten”. Und da bleibt sich der Katholik eben treu: die Rechte und Freiheiten der Einzelnen sind beschränkt, wenn es um die Zukunft, um die künftigen Generationen, um das, was die Kirche die „Bewahrung der Schöfung” nennt, geht.
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