40 Jahre Mondlandung, 40 Jahre Woodstock, alle paar Tage irgendetwas mit 20 Jahre Ende der DDR und heute nun gleich zwei Jahrestage auf einmal: vor 60 Jahren wurde der erste Bundestag gewählt und vor 25 Jahren (ein viertel Jahrhundert!) wurde zum ersten Mal die Postpeitzahl einer Ruhrgebietsstadt in den Schallplattenläden bekanntgegeben: “4630 Bochum” von Herbert Grönemeyer erschien.
Wozu brauchen wir eigentlich Jubiläen, warum begehen wir, mal staatstragend gewaltig, mal musikhörend besinnlich, Jahrestage. Da ich im Moment wieder viel Heidegger lese, kam mir als erste Antwort in den Sinn: Im Jahrestag kommen Sein und Zeit zusammen.
Einen Jahrestag begehen heißt, sich zu fragen, ob das Ereignis, dessen man gedenkt, in der Gegenwart noch präsent ist, ob es noch Bedeutung hat – ob es im heutigen noch existiert. Umso seltener ein Jahrestag begangen wird, desto mehr verblasst, das Ereignis.
Gleichzeitig wird im Jahrestag die Zeit und mit ihr die Bedeutung des Ereignisses überhaupt bewusst. Gerade bei Ereignissen, die noch große Strahlkraft haben, wird durch die Zeit, die vergangen ist, die Größe dessen, was da geschehen ist, deutlich. Wie lange sind die Ereignisse an der ungarisch-östereichischen Grenze und in der Prager Botschaft nun schon her, aber wie nahe scheinen sie noch. Der Satz von dem kleinen Schritt für einen Menschen, der ein großer Sprung für die Menschheit ist, schien mir, als die DDR unterging, sehr lange her zu sein, aber nun liegen zwischen, dem Satz Genschers auf dem Balkon der Prager Botschaft, der im Jubel unterging und dem Moment in dem ich diesen Satz schreibe, ebensoviel Zeit.
Jahrestage bringen so ganz verschiedene historische Ereignisse auch plötzlich in einen Zusammenhang. Woodstock und Mondlandung werden zu zwei Charakteristika des gleichen Moments. Grönemeyers Hymne über die Männer, die Raketen bauen und alles ganz genau machen, und Gorbatschows Perestroika geraten gleichzeitig in den Blick. Man merkt im Jahrestag auch, was Gleichzeitigkeit bedeutet, aber man sieht es erst aus der Ferne.
Heute wird viel und gern von historischen Momenten geredet, meist von Leuten, die sich gern in Geschichtsbücher einschreiben würden. Ob das, wovon sie reden, wirklich dieser Rede wert ist, zeigt sich erst im Jubiläum.
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