Europäische Öffentlichkeit entsteht nicht in der Presse, sondern im Kino.

Zwischen Kommunalwahl und Bundestagswahl kommt genau zum richtigen Zeitpunkt ein französischer Film in die Programm-Kinos: In “Erzähl mir was vom Regen” geht es um eine junge Feministin die in Paris lebt und in die Politik gehen will. Da sie in ihrem provinziellen Heimatort kandidieren will, kommt sie für 10 verregnete Tage in die Gegend ihrer Kindheit zurück.

Der Film dauert 99 Minuten und ein Mainstream-Cutter hätte ihn sicherlich auf 60 min gekürzt. So ist ein schöner und ruhiger Streifen entstanden, in dem man genug Zeit hat, über das, was die verschiedenen liebenswerten und widersprüchlichen Personen, die alle eine Neigung zum Verlieren haben, erleben und reden, schon nachzudenken während die Handlung allmählich weiter läuft.

Es gibt witzige Dialoge, in denen zwei oder drei Mal messerscharf Probleme des französischen Alltags aufblitzen, die den deutschen erstaunlich gleichen: latente Rassen-Diskriminierung, Politiker-Verdruss, Kinderlosigkeit karrierebewusster Frauen, Subventionen für die Landwirtschaft und „Brüssel”-Abneigung – all das taucht auf, wie es im Alltag eben auftaucht und wirkt deshalb nie aufgesetzt oder aufdringlich.

Und plötzlich denkt man: So entsteht europäische Öffentlichkeit. Es ist nicht das Feuilleton der „Qualitätspresse” das uns allmählich zu Europäern macht, das uns unsere Verwandtschaft mit Franzosen und Italienern nahe bringt, es ist der europäische Film. Nur schade, dass am Freitagabend in der Münsterschen „Kurbelkiste” gerade ein halbes Dutzend Leute vor der Leinwand saßen.

Kommentare (3)

  1. #1 Name auf Verlangen entfernt
    September 6, 2009

    Genau das meinte ich ja bei der National-Staaten-Idee. Es gibt ja noch andere französische Filme. Die Kultur-Öffentlichkeit ist letztlich durch Hollywood formuliert: als mit, gegen oder neben Hollywood existierend, zu Bollywood mutiert: aber eben amerikanische Kultur, weil es Film ist. Sicher hat Eisenstein, der Russe, das Kino erfunden. Und doch ist Kino als Kult amerikanisch. Schauspieler können dort sogar Präsident oder Governor werden! Godart ist ein ur-französischer Filmemacher und doch in seinem Gegenbild amerikanisch.

  2. #2 Geoman
    September 6, 2009

    @ Jörg Friedrich schrieb:

    “Und plötzlich denkt man: So entsteht europäische Öffentlichkeit. Es ist nicht das Feuilleton der „Qualitätspresse”, das uns allmählich zu Europäern macht, das uns unsere Verwandtschaft mit Franzosen und Italienern nahe bringt, es ist der europäische Film. Nur schade, dass am Freitagabend in der Münsterschen „Kurbelkiste” gerade ein halbes Dutzend Leute vor der Leinwand saßen.”

    Ganz so pessimistisch sehe ich das nicht. “Europäische Öffentlichkeit” ensteht nicht nur in kleinen, schlecht besuchten Programmkinos, sondern auch im Fernsehn. Vor allem im arte.tv, dessen Sendungen mich die EU-Agrarmisere (und auch die vielen anderen europäischen Miseren) häufiger vergessen lassen.

    PS 1: Als langjähriger Münsteraner in der ostwestfälischen Fremde bin ich erstaunt, dass es die Kurbelkiste noch gibt. Oder sollte ich die mit einem anderen Programmkino aus den 1980er Jahren verwechseln?

    PS 2: Vielleicht kann hier jemand nochmal die Steuerzeichenfolge anführen, mit denen man Zitate etwas eleganter darstellen kann.

  3. #3 Relaxation
    September 7, 2009

    Flankiert vom Kleinerzeichenn und Größerzeichen, die bei mir einzeln nicht angezeigt werden, sind das

    blockquote (Leerzeile nicht vergessen!)

    und die bei mir ohne Effekt bleibenden


    cite

    und

    quote