Europäische Öffentlichkeit entsteht nicht in der Presse, sondern im Kino.
Zwischen Kommunalwahl und Bundestagswahl kommt genau zum richtigen Zeitpunkt ein französischer Film in die Programm-Kinos: In “Erzähl mir was vom Regen” geht es um eine junge Feministin die in Paris lebt und in die Politik gehen will. Da sie in ihrem provinziellen Heimatort kandidieren will, kommt sie für 10 verregnete Tage in die Gegend ihrer Kindheit zurück.
Der Film dauert 99 Minuten und ein Mainstream-Cutter hätte ihn sicherlich auf 60 min gekürzt. So ist ein schöner und ruhiger Streifen entstanden, in dem man genug Zeit hat, über das, was die verschiedenen liebenswerten und widersprüchlichen Personen, die alle eine Neigung zum Verlieren haben, erleben und reden, schon nachzudenken während die Handlung allmählich weiter läuft.
Es gibt witzige Dialoge, in denen zwei oder drei Mal messerscharf Probleme des französischen Alltags aufblitzen, die den deutschen erstaunlich gleichen: latente Rassen-Diskriminierung, Politiker-Verdruss, Kinderlosigkeit karrierebewusster Frauen, Subventionen für die Landwirtschaft und „Brüssel”-Abneigung – all das taucht auf, wie es im Alltag eben auftaucht und wirkt deshalb nie aufgesetzt oder aufdringlich.
Und plötzlich denkt man: So entsteht europäische Öffentlichkeit. Es ist nicht das Feuilleton der „Qualitätspresse” das uns allmählich zu Europäern macht, das uns unsere Verwandtschaft mit Franzosen und Italienern nahe bringt, es ist der europäische Film. Nur schade, dass am Freitagabend in der Münsterschen „Kurbelkiste” gerade ein halbes Dutzend Leute vor der Leinwand saßen.
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