Die Verbindungen zwischen Philosophie und Wissenschaften sind mal loser, mal fester. Es gibt viele erfolgreiche Wissenschaftler, die gut ohne philosophische Überlegungen auskommen, und die die Fragen der Philosophen als spitzfindig, das Wundern über Selbstverständlichkeiten als kindisch, zuweilen als nervig empfinden.
Auf der anderen Seite gibt es – gerade wenn sich eine Wissenschaft einer besonderen Herausforderung gegenübersieht, sich in Zeiten der Krise oder des Umbruchs befindet, gerade unter den führenden Wissenschaftlern, den revolutionären Köpfen, solche, die sich bei der Philosophie Rat suchen oder selbst zu Philosophen werden. In der Physik sind Einstein und Heisenberg ebenso Beispiele dafür wie Penrose und Smolin, aber auch Evolutionsbiologen und Neurowissenschaftler werden schnell zu Philosophen, wenn die Zeiten stürmisch und die Fragen der Disziplin grundsätzlich werden.
Heisenberg hat einmal darauf hingewiesen, dass die Stärke des abendländischen Denkens in der Verbindung von praktischem Handeln mit prinzipieller Fragestellung besteht. Diese Tradition beginnt für ihn mit den alten Griechen, wobei die zentrale Figur natürlich Platon ist. Wir sprechen also über einen Fragen-, Debatten- und Gedankenstrom der seit 2.500 Jahren fließt, und der immer noch ein “lebendiger Quell” ist. Bedenkt man einmal, dass ein geflügeltes Wort in der modernen Philosophie ist, dass alle westliche Philosophie nur aus Fußnoten zu Platon besteht wird schnell klar, wie berechtigt es ist, dass auch die Physiker der letzten 100 Jahre sich zuerst Rat bei den alten Griechen holen – und ihn finden.
In wie fern kann philosophisches Fragen den Wissenschaften helfen? Zum einen gibt es immer die Frage der akzeptablen Arbeitsweise: Welches Vorgehen ist wissenschaftlich. Was zeichnet die wissenschaftliche Methode aus, woran erkennt man sie? Welches Argument ist zwingend? Physiker fragen heute z.B. zunehmend nach der Wissenschaftlichkeit von String-Theorien, und sie hoffen, durch prinzipielles Fragen zu einer Neuorientierung zu gelangen, die sie wieder auf fruchtbare Ideen bringt.
Zum anderen erzeugen wissenschaftliche Vermutungen und Erkenntnisse selbst Fragen, die in dem Sinne als philosophische anzusehen sind, dass sie den Menschen in ihrem Selbstverständnis berühren. Die enge Verwandtschaft des Menschen mit den Primaten gehört ebenso dazu wie die zeitliche Begrenztheit unseres Universums und die Auswirkungen der Neurowissenschaften für unser Verständnis von Willensfreiheit.
In einer kleinen Serie werde ich in den nächsten Wochen einige philosophische Fragestellungen verschiedener Wissenschaften darstellen. Dabei erhebe ich weder den Anspruch auf Vollständigkeit noch werde ich jede Debatte in ihrer aktuellen Vielschichtigkeit darstellen. Es geht mir eher darum, ein paar Gemeinsamkeiten und ein paar Differenzen zwischen den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen hinsichtlich “ihrer” Philosophie zu zeigen.
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