Rund 12 Stunden bevor Margot Käßmann am Samstag ihrem Leben eine unerwartete Wendung gab entdeckte ich in der Buchhandlung das Buch Frauen schön und stark: Frauen von heute über die Schönen der Kunst. Das Buch ist ganz wunderbar: 50 mehr oder wenig berühmte Frauengemälde gepaart mit 50 kurzen Texten von mehr oder weniger berühmten Frauen von heute (von Sarah Wiener bis Bascha Mika), in denen diese Ihre Gedanken zu den Bildern und den darauf dargestellten Frauen äußern. Und gleich der erste Text ist von Margot Käßmann.

Ihr geht es vor allem um Eva, die verführte Verführerin, und um Maria, die “den Mut [hatte] unverheiratet schwanger zu werden.”

Vielleicht war es am späten Samstagabend als ich dort las: “Die Frau ist neugierig, sie unterliegt dem Reiz des Verbotenen.” Und:

Eva ist eher die Verführte, die neugierig ist, Schranken durchbrechen will und dann mit der Last der Folgen durchs Leben geht. Ihre Grenzüberschreitung führt dazu, dass Gut und Böse geschieden werden, das Paradies ist verloren.

Kommentare (326)

  1. #1 Ludmila
    Februar 25, 2010

    Maria, die “den Mut [hatte] unverheiratet schwanger zu werden.

    Wo ist denn bitte die Textstelle in der Bibel zu finden, wo irgendjemand/-was Maria um gefragt hätte, ob sie denn schwanger werden wolle? Oder geht man einfach mal davon aus, dass die Maria da nichts gegen gehabt haben wird, weil die bei der Verkündigung ihrer Mutterschaft durch einen Erzengel nicht aufgeschrien hat “Nein! Ich will nicht!”? (Wenn man den unbedingt annehmen will, dass irgendeins der sich widersprechenden Evangelien wirklich so stattgefunden haben soll.)

  2. #2 Jörg Friedrich
    Februar 25, 2010

    @Ludmila: Es ist im Christentum nich üblich, die Bibel wörtlich als Bericht von tatsächlich stattgefundenen Wahrheiten zu lesen, sondern als Glaubensbekenntnis, bei denen überlieferte Geschichten aus der Sichtweise der jeweiligen Autoren und ihrer historischen Situation heraus aufgeschrieben wurden. Deshalb kann man aus heutiger Sicht Maria durchaus als eine Frau ansehen, die den Mut hatte, unverheiratet schwanger zu werden.

  3. #3 ali
    Februar 25, 2010

    Es ist im Christentum nich üblich, die Bibel wörtlich als Bericht von tatsächlich stattgefundenen Wahrheiten zu lesen

    Ich glaube es gibt da nicht wenige Christen, die dir da widersprechen würden. Und auch wenn die Mehrheit wohl keiner vollständig wörtlichen Auslgegung anhängt, stelle ich doch einen oft eher selektiven Umgang mit der Bibel fest. Weil ein Anything Goes ist es ja auch nicht oder? Sonst würde sich diese Religion wohl in Luft auflösen.

  4. #4 Arnd
    Februar 25, 2010

    Ja kann man. Oder man kann Gott als Vergewaltiger sehen… das wäre aber political incorrect :).

  5. #5 Jörg Friedrich
    Februar 25, 2010

    @Ali: Ich habe im Moment nicht genug Zeit um eine Debatte über Hermeneutik zu führen. Das, was ich oben als Glaubensbekenntnis, welches unter Berücksichtigung der konkreten Umstände der Autoren verstanden werden muss, skizziert habe, ist aber keineswegs ein “Anything Goes” (Wobei auch dieser Feyerabend-Slogan nicht als Aufruf zur Beliebigkeit interpretiert werden sollte, aber das ist noch eine andere Geschichte)

  6. #6 Ludmila
    Februar 25, 2010

    @Jörg Friedrich:
    a) Wenn die Bibel nicht wörtlich zu nehmen ist, dann kann man auch nicht davon ausgehen, dass Maria unverheiratet schwanger war.
    b) Wenn ne Frau insbesondere zur damaligen Zeit unverheiratet schwanger wurde, dann muss die nicht zwangsläufig besonders mutig gewesen sein. Sie verfügte einfach über keine Geburtenkontrolle bzw. wurde von ihrem Mann dazu gedrängt, sie vor der Hochzeit ranzulassen. Selbst heutzutage beglückwünschen wir junge Frauen eher selten zu ihrem “Mut” zur Teenager-Schwangerschaft.

    Nirgendwo ist belegt, dass Maria bewusst unverheiratet schwanger geworden ist. Alles was drüber hinausgeht ist Spekulation auf der Grundlage von etwas, was man manchmal nicht wörtlich nehmen soll und manchmal doch. Lächerlich.

  7. #7 Fränk
    Februar 25, 2010

    Nur mal die Frage: Was genau ist der Punkt?

  8. #8 Jörg Friedrich
    Februar 25, 2010

    @Ludmila: Maria als eine mutige Frau zu sehen ist eine Deutung von Margot Käßmann, keine definitive Tatsachenbehauptung über eine historische Person. Diese Deutung sagt sicherlich etwas über Margot Käßmann, aber sicher nicht viel über die historische Situation in Israel zur Zeit des Statthalters Pilatus.

    @Fränk: Es gibt in meinem Text keinen genauen Punkt.

  9. #9 Andrea N.D.
    Februar 25, 2010

    @Fränk:
    Ich denke “mutig” schwanger werden ist der Punkt. Und dass die Bibel auch oder gerade oder auch heute noch von Kirchenoberen so ausgelegt wird, dass es passt.

    @Jörg Friedrich:
    “Es ist im Christentum nich üblich, die Bibel wörtlich als Bericht von tatsächlich stattgefundenen Wahrheiten zu lesen, sondern als Glaubensbekenntnis, bei denen überlieferte Geschichten aus der Sichtweise der jeweiligen Autoren und ihrer historischen Situation heraus aufgeschrieben wurden.”

    Ich kämpfe immer noch mit der Schachtel in diesem Satz. Also entweder ist etwas ein Glaubensbekenntnis, dann ist es auch keine Sichtweise in einer historischen Situation oder es ist eine historische Begebenheit und dann kann ich kein Glaubensbekenntnis oder verschwungene Interpretationen daraus machen, weil es dann tatsächlich historisch stattgefunden hat. Zudem würde ich eine Wahrheit nicht “stattfinden lassen”. Das impliziert ein einmaliges Ereignis. Wahrheit sollte doch ewig sein?
    Na ja, es gibt ja Personen, die die Wahrheit nicht objektiv definieren, sondern dadurch, dass die meisten Leute zustimmen. Dann wiederum wäre allerdings “die mutige Schwangerschaft” sicherlich nicht wahr.

    @Ludmila:
    Rationale Schlüsse haben in Glaubensbekenntnissen keinen Platz.

  10. #10 ali
    Februar 25, 2010

    Ich habe im Moment nicht genug Zeit um eine Debatte über Hermeneutik zu führen.

    Musst du auch nicht. Tatsache ist, dass es bedeutende Strömungen gibt, die eine wörtliche Bibelauslegung verlangen. du kannst natürlich einfach sagen, die hätten das Christentum nicht verstanden. Aber das wäre dann in meinen Augen ein sektiererischer Disput, wo ich mich raushalte, da kaum eine Seite ihren Standpunkt belegen kann (die Wortausleger würden wohl den gleichen Vorwurf an dich richten).

    Den Begriff Anything Goes habe ich einfach als Redewendung benutzt und nicht als philosophisches Konzept. Wenn die Bibel völlig frei zur Interpretation ist, dann sehe ich nicht, was die Christen als Gruppe zusammenhält (Ist die Auferstung nur eine Metapher, Jesus ein Symbol?). Ich behaupte mal, dass es gewisse Kernthesen gibt, die wörtlich genommen werden (Transsubstantiation anyone?). Dazu kommt noch ein gewaltiger Unterschied zwischen Volksglauben und was die Theologinnen und Theologen so von sich geben.

    Die Aussage dies ‘sei nicht üblich’ finde ich daher schwer zu rechtfertigen.

  11. #11 Andrea N.D.
    Februar 25, 2010

    @Jörg Friedrich:
    “Deshalb kann man aus heutiger Sicht Maria durchaus als eine Frau ansehen, die den Mut hatte, unverheiratet schwanger zu werden.”
    heißt also
    “Deshalb kann Frau Käßmann aus heutiger Sicht …” und stellt gar nicht die allgemeine man-Meinung dar. Alles klar.

  12. #12 Jörg Friedrich
    Februar 25, 2010

    @Ali: Woran misst man die “Bedeutung” dieser Strömungen? Wieviel Prozent derer, die sich mit Bibel-Exegese oder Bibel-Hermeneutik beschäftigen, müssen einer Strömung anhängen, damit diese als “bedeutend” bezeichnet werden kann? Oder auf welchen Teil der gläubigen müssen diese fundamentalistischen Exegeten Einfluss haben, damit man sie als “bedeutend” bezeichnen kann? Und umgekehrt: Wieviel Prozent der Christen müssen einen alternativen Umgang mit der Heiligen Schrift haben, damit eine wörtliche Lesart als “unüblich” bezeichnet werden kann?

    Zwischen “wörtlicher Interpretation” und “völlig freier Auslegung” eines Textes gibt es ein sehr breites Spektrum und ohne selbst Christ zu sein kann ich mir sehr gut vorstellen dass es da vieles Verbindende gibt, auch wenn man den Text der Bibel nicht wörtlich nimmt.

  13. #13 YeRainbow
    Februar 25, 2010

    Wenn maria nicht gefragt wurde, war es nicht ihre Entscheidung.
    Ob sie dann mutig oder nicht dem Unausweichlichen ins Auge sah…. nun, klar sagt das was über sie aus.

    vor allem aber über die Zwänge ihrer Zeit. und wer weiß, vielleicht wurde s nur falsch überliefert, und sie hat ganz schön gejammert.
    Wollte nur keiner hören. also ignorrieren angesagt.

    DAnn blieb ihr nix anderes übrig, als den Mund zu halten.
    meine (christliche) Großmutter war noch so erzogen. Die hat stumm gelitten.

    Schrecklich, sag ich euch. Als Kind fühlt man das Ungeheuerliche, ohne Worte dafür zu haben.

  14. #14 ali
    Februar 25, 2010

    Woran misst man die “Bedeutung” dieser Strömungen? Wieviel Prozent derer, die sich mit Bibel-Exegese oder Bibel-Hermeneutik beschäftigen, müssen einer Strömung anhängen, damit diese als “bedeutend” bezeichnet werden kann?

    Keine Ahnung. Ich habe auch keine Bewertung im Sinne von ‘nicht üblich’ vorgenommen. Das ist ja meine Kritik. Darum habe ich gedacht vielleicht weisst du mehr, auf irgendetwas muss ja deine Einschätzung basieren.

    Zwischen “wörtlicher Interpretation” und “völlig freier Auslegung” eines Textes gibt es ein sehr breites Spektrum

    Auch da möchte ich dir nicht widersprechen. Genau meine Rede. Mich würde interessieren wie ich weiss, was nun wörtlich zu nehmen ist und was nicht. Gibt es keine Regeln dafür, wären wir wieder bei den beliebigen Interpretationen, einfach auf einer Meta-Ebene: Jeder ist frei zu interpretieren, was wörtlich genommen werden sollte und was interpretiert werden muss.

  15. #15 Webbaer
    Februar 25, 2010

    Es ist im Christentum nich üblich, die Bibel wörtlich als Bericht von tatsächlich stattgefundenen Wahrheiten zu lesen, sondern als Glaubensbekenntnis, bei denen überlieferte Geschichten aus der Sichtweise der jeweiligen Autoren und ihrer historischen Situation heraus aufgeschrieben wurden.

    Das ist in der Tat nicht ganz klar.

    Richtig ist aber, dass das neue Testament als geschichtliche Überlieferung gilt und nicht als Wort Gottes. – Das erwies sich als vorteilhaft, konnte es somit auch eine Theologie geben. Die Debatte um in der christlichen Religion gekapselten Werte hält somit bis heute an und bleibt fruchtbar.

    Da der Leser die “Sichtweise der jeweiligen Autoren und ihrer historischen Situation” eben nicht genau kennt und auf Interpretation angewiesen ist, werden interpretatorische Sichten zumindest in der Katholischen Kirche nicht immer gerne gesehen.

    BTW, die kässmännerische Sicht auf die Dinge ist heutiger Bauart und durch nichts aus der Datenlage abzuleiten. Die Idee, dass Maria mit Jesus mutig ungewollt schwanger wurde, ist jedenfalls mit dem Judentum nicht zu kombinieren. Vermutlich kam es auch aus diesen Überlegungen heraus zum bekannten katholischen Dogma, das genau darauf gemünzt ist.

    Da der werte Blogautor selten zu Spott neigt, wird auch dieser kleine Artikel nicht dementsprechend angelegt sein. Hmm, wie isses denn genau gemeint?

    Beste Grüße!
    Webbaer

  16. #16 danker
    Februar 25, 2010

    Lukas 1, 26 – 38
    Maria bekomt Besuch von einen Engel, der erzählt ihr das sie eben schwanger werden wird usw. Maria antwortet darauf wie folgt:

    38 Maria aber sprach: Siehe, ich bin des Herrn Magd; mir geschehe, wie du gesagt hast.

    An dieser Stelle hätte sie eben auch in Veto einlegen können.

    Das die ganze Sache auch Mut abverlangte sieht man an der Reaktion ihres Verlobten Josefs der sich aus dem Satub machen wollte da er ja wusste nicht der Vater zu sein.

    Also insoweit ist der Biblische-Bericht in sich schlüssig, in wie weit man diesem Glauben schenckt eine andere Frage, aber Frau Käsmann hat mir ihrer Bemerkung zum Mut Maria biblisch gesehen nicht Unrecht.

  17. #17 Webbaer
    Februar 25, 2010

    @danker
    Man muss hier noch wissen, dass die heutige evangelische Theologie genau diese Sicht ablehnt. Zudem beschleicht den alten Webbaeren der Eindruck, dass Sie gerade das Gegenteil des Gewünschten belegen.

  18. #18 YeRainbow
    Februar 25, 2010

    Ach, naja.
    nachdem Gott der Allmächtige ist, sind die marien und die Evas und alle anderen eh nur Sandkastenfiguren.
    und wo es ihm nicht paßt, gibts ne Sintflut.

  19. #19 danker
    Februar 25, 2010

    @Webbaer
    “heutige evangelische Theologie” ist so schwammig, dass ein Schwamm dagegen gerade zu ein Betonklotz ist.
    Desweiteren müssen in der Ev Welt nur Angestellte (Pfarrer) Kirchen Lehre vertreten wenn sie im Auftrag der Kirche unterwegs sind, private Meinuzng darf abweichen. Der gemeine Gläubige ist nur seinen Gewissen bzw Gott verpflichtet.
    Deswegen scheint mir hier die Bibel relativ klar zu sagen das Maria sich willig den Wunsch Gottes gebeugt hat, eine andere Sicht aus diesem Text herraus müsste mir dargelgt werden.

    @YeRainbow
    Wir alle basteln uns die Realität wie sie uns am komfortabelsten zwischen Angst und Wunschdenken erscheint. Dies erscheint mir aber wenig mit der hier gestellten Tematik zu tun zu haben.
    @YeRainbow

  20. #20 Webbaer
    Februar 25, 2010

    @danker:
    Unschwammiger formuliert: Die evangelische Theologie lehnt die bewusste Entscheidung Marias für die unbefleckte Empfängnis (die übrigens nicht mutig gewesen wäre, mutig wäre es gewesen dem Herrn abzusagen, LOL) ab, da sie diese Empfängnisform ablehnt, so kann es also aus kässmännerischer Sicht gar nicht gemeint gewesen sein.

    Zusammenfassend: Der Artikel hat wohl doch Spottcharakter, sehr hinterhältig!

  21. #21 Ronny
    Februar 25, 2010

    DIE Ausrede der Menschheit. Hochachtung. Sowas muss einem mal einfallen 🙂

    Ich muss bei dieser Thematik nur immer kichern. Wenn man bedenkt welchen Aufwand die Evangelisten aufbringen Josef auf David zurückzuführen (der Messias muss aus dem Hause Davids sein) und dann stellt sich heraus, er ist gar nicht der Vater. Dumm gelaufen.

    Egal, denn sie konnten sich sowieso nicht einigen. Bei einem sinds um die 27 beim anderen 42 Generationen (glaub ich). Wem ‘glaubt’ man jetzt ?

  22. #22 danker
    Februar 25, 2010

    @Webbaer
    Mir dünkt es wird zu viel hineininterpretiert 🙂
    Das Frau Käsmann ihre Aussage in etwa meinte wie von mir darglegt würde ich als Wettsicher betrachten. Mangels autorisation für eine Kirche bzw Theologische Rrichtung zu sprechen aus die eigene, kann ich mich auch nicht auf das Ratespiel einlassen.
    Mir ging es nur darum den biblischen Bericht zu Maria und der Freiwilligkeit ihrer Schwangerschaft ein zu werfen.

  23. #23 ali
    Februar 25, 2010

    @webbär

    Für dass du hier gross die ‘heutige Theologie’ bemühst erstaunte es mich, dass du nicht einmal den Unterschied zwischen der jungfräulichen Geburt und der unbefleckten Empfängnis (ein rein katholisches Dogma) zu kennen scheinst. Grossartig belehren, aber offensichtlich kaum Ahnung.

  24. #24 danker
    Februar 25, 2010

    @Ronny

    easy…einmal väterlicher einmal müterlicher Seits.

    Nach jüdischen Recht hat ein adoptiertes Kind gleichen Rechtsstatus wie ein Leibliches.

  25. #25 Webbaer
    Februar 25, 2010

    @ali
    Wie kommen Sie dazu mich zu duzen? Gewöhnen Sie sich bitte auch ab Projektionen zu bearbeiten.
    Zur Sache kann ich Ihnen leider nicht antworten, da Ihre in der letzten Nachricht vorgetragenen Annahmen rein spekulativ sind.

    Ruhig mal locker werden, hier beisst keiner. Sacharbeit kann auch anders vorgetragen werden als aufgeblasen und mit akademischem Habitus.

    Schöne Grüße!
    Webbaer (der sich nun langsam ausklinken möchte)

  26. #26 Andrea N.D.
    Februar 25, 2010

    @webbaer:
    “Richtig ist aber, dass das neue Testament als geschichtliche Überlieferung gilt und nicht als Wort Gottes. ”

    Ohne zusätzliche Angaben ist dieser Satz von Dir leider genau das Gegenteil von richtig. Sollte es eine Behauptung von Dir sein, ist sie schlicht falsch.

  27. #27 ali
    Februar 25, 2010

    @Webbär

    Weil dutzen üblich ist im Netz. Ausserdem wie soll ich denn mit einem Pseudonym umgehen? Herr Webbär? Aber ich kann gerne auf Sie wechseln. Das ändert für mich wenig.

    Nein es war keine Spekulation. Ihre Aussage war eindeutig und vermischte die Konzepte (oder ansonsten war der Kommentar dadaistisch).

    Die evangelische Theologie lehnt die bewusste Entscheidung Marias für die unbefleckte Empfängnis (…) ab

    1. Handelt es sich bei der unbefleckten Empfängnis um eine katholische Lehre ohne direkte Grundlage in der Bibel. Was die evangelische Theologie zu Marias Einstellung zur Sache hat, ist mir daher rätselhaft.

    2. Bedeutet das Konzept, dass Maria im Gegensatz zu allen anderen Menschen nicht von Geburt an mit der Erbsünde belastet ist. Wie bitte soll dabei ‘ihre Entscheidung’ irgendwie relevant sein?

    3. War hier immer nur die Rede von der jungfräulichen Geburt, nie von der unbefleckten Empfängnis. Der obige Satz wäre also völliger Nonsense.

    Und zum Thema ‘aufgeblasen und mit akademischen Habitus’: Ich habe hier niemanden über die ‘heutige evangelische Theologie’ belehrt. Davon habe ich nämlich reichlich wenig Ahnung. Aufgeblasen wie ich bin verzichte ich aber im Gegensatz zum Herren Webbär anderen Dinge zu erklären von denen ich offensichtlich keine Ahnung habe. Und noch zum ‘akademischen Habitus’: Bin ich nun zu oder zu wenig formell’? Und anti-akadmiker Sprüche finde ich auf diesen Seiten sowieso deplatziert (ich hatte einmal einen Eintrag zum Todschlagargument Elfenbeinturm). Wie wäre es mit inhaltlicher Replik?

    Aber ich nehme an dass der Webbär sich nun sowieso beleidigt zurückzieht, statt einfach zuzugeben, dass er eben von der ‘heutigen Theologie’ wenig Ahnung hat.

  28. #28 Webbaer
    Februar 25, 2010

    “Herr Webbaer” wäre schon mal ein Anfang. Nehmen Sie zur Kenntnis, dass Duzen zwar im Web üblich ist, dass aber auch dort die asymmetrische Anrede als sehr unhöflich gilt.
    Erzen wäre wenigstens lustig gewesen.

    Verstehen tun wir Ihre Argumentation immer noch nicht so recht, hmm, denk, denk, OK, ein Dogma der katholischen Kirche, nicht aber der evangelischen, die sich dem Dogma versagt hat. Diese kennt zudem auch keine Dogmen dieser Art.

    Jetzt führen Sie die jungfräuliche Geburt in die Debatte ein, hmm, man weiss jetzt nicht, Ihre Argumentation könnte in die Richtung gehen, dass diese wiederum von der evangelischen Kirche angenommen wird?!

    Und irgendwie dann noch die Feststellung mangelnder Kompetenz auf Seiten des Webbaeren. Sorry, da komme ich nicht mit, wie kann ich Ihnen helfen? Wo ist die Relevanz Ihres Vortrags, der Sachbezug?
    Dann noch dieser Klopper: “Aufgeblasen wie ich bin verzichte ich aber im Gegensatz zum Herren Webbär anderen Dinge zu erklären von denen ich offensichtlich keine Ahnung habe.”

    Also, es geht vom Thema weg. Wenn Sie zurückführen wollen, gerne!

    MFG
    WB

  29. #29 Microfilosof
    Februar 25, 2010

    “Es ist im Christentum nich üblich, die Bibel wörtlich als Bericht von tatsächlich stattgefundenen Wahrheiten zu lesen”

    Im Verlag Katholisches Bibelwerk GmbH wurde 1980 (1. Auflage) und 1997 (2. Auflage ISBN 3-460-33008-2) die Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift DIE BIBEL gebracht. Eine CD ist auch erhältlich unter ELBIKON (Elektonische Bibelkonkordanz).
    Hier wird zu jedem Buch oder Abschnitt eine Einführung gebracht und der Text ist voll mit Fußnoten. Zu Genesis ist z. B. folgendes zu lesen: “Die Erzählungen der Urgeschichte sind weder als naturwissenschafliche Aussagen noch als Geschichtsdarstellung, sondern als Glaubensaussagen über das Wesen der Welt und des Menschen und über deren Beziehung zu Gott zu verstehen” (Seite 16)

  30. #30 ali
    Februar 25, 2010

    Hochverehrter Webbär

    Vielleicht würde es die Kommunikation etwas vereinfachen wenn Meister Internet-Petz sich die Mühe machen würde und zum Beispiel Wikipedia bemühen (mehr braucht es nicht, ganz ehrlich). Es braucht kein Theologiestudium um den Unterschied zwischen den beiden Konzepten zu verstehen. Hochwohlgeboren wird schon dort feststellen können, dass es sich um zwei völlig unterschiedliche Dinge handelt (und völlig unterschiedlich bedeutet hier genau das und ist nicht einfach ein theologisches Detail).

    Meine Feststellung, dass Sie, Ihre Durchlaucht, “grossartig belehren, aber offensichtlich kaum Ahnung” hätten, war keine Beleidigung, sondern eine Tatsachenfeststellung. Dieser Nachweis wird hingegen für Ihre Behauptungen von ‘aufgeblasen’ und der eigentlichen nicht-Beleidigung ‘akademischer Habitus’ (aber wohl trotzdem so gemeint vermute ich) wesentlich schwieriger zu erbringen sein betreffend meiner Aussage.

    Offensichtlich haben Ihre Exzellenz besseres zu tun als simple Fakten zu überprüfen, selbst nachdem man Sie darauf hingewiesen hat, dass Sie Konzepte nicht verstanden haben. Hochgeschätzter Internetbär: Schonen Sie Ihre Tatzen nicht und wagen Sie bei einem Suchdienst Ihrer Wahl die beiden Suchbegriffe ‘unbefleckte Empfängnis’ und ‘Jungrfrauengeburt’ einzugeben. Sie werden schnell feststellen, dass es sich um zwei verschiedene Dinge handelt die ausser der Person Maria wenig miteinander zu tun haben (es handelt sich nicht einmal um das gleiche Geburtsereignis).

    Es ist also ob Sie uns erklären wie das Parteiensystem in Deutschland funktioniert und wie es sich entwickelt hat, aber dabei durchblicken lassen, dass Sie nicht wissen, dass die CDU und die FDP zwei verschiedene Parteien sind.

    Falls sich nun Euer Ehrwürden immer noch nicht beleidigt zurückziehen sollte, bin ich gespannt, wie Bruder Netzbär die Diskrepanz zwischen seinen Kenntnissen zur ‘heutigen evangelischen Theologie’ und seine Unkenntnis von grundlegenden theologischen Konzepten erklärt.

    Hochachtungsvoll Ihr treuer untergebener Diener

    AA

    P.S.: Bitte bei Ihrer Antwort die Symmetrie nicht vergessen und immer schön den Standard halten!

  31. #31 Webbaer
    Februar 25, 2010

    @ali
    Vielleicht schreiben Sie doch bitte einfach, was die von einigen angenommene Jungfrauengeburt Marias von dem Dogma der unbefleckten Empfängnis unterscheidet und was genau den für diese Debatte relevanten Unterschied macht? Wo genau hat der Webbaer geirrt, als er dem Nutzer mit dem Namen danker widersprach?

    Man kommuniziert üblichrweise doch nicht, um zu kommunizieren; jedenfalls nicht hier. Noch nicht! 😉

    MFG
    WB

  32. #32 ali
    Februar 25, 2010

    Die Unbefleckte Empfängnis (lat. immaculata conceptio) ist ein römisch-katholisches Glaubensdogma, nach der die Gottesmutter Maria von jedem Makel der Erbsünde bewahrt, jedoch auf natürliche Weise empfangen und von ihrer Mutter Anna geboren wurde. Damit habe Gott Maria vom allerersten Augenblick ihres Lebens an vor der Macht der Sünde bewahrt.

    Jungfrauengeburt: Die Jungfräulichkeit Marias bei der Geburt ihres Sohnes Jesus von Nazaret

    Quelle: Wikipedia
    Recherchendauer: 10 Sekunden

    Was den Unterschied macht für diese Diskussion? ES SIND ZWEI GANZ VERSCHIEDENE DINGE!

    Nun ist der Ball beim Bär: Erklären Sie warum Sie zwar offensichtlich fast nichts über die zugrunde liegenden Konzepte wissen aber gleichzeitig meinen uns etwas über die Details der ‘heutigen evangelischen Theologie’ aufzuklären!

  33. #33 Webbaer
    Februar 25, 2010

    @ali:
    Richtig.

    Aber noch einmal: Das sind zwei unterschiedliche Konzepte, die Katholischen haben ihr Dogma, die Evangelischen glauben nicht an die Jungfrauengeburt bzw. unbefleckte Empfängnis (in seltenen Fällen: oder halten sie für theologisch nicht von Interesse, sind hier so zu sagen agnostisch). Nur was wollen Sie damit jetzt aussagen?

  34. #34 ali
    Februar 25, 2010

    Der hier diskutierte Satz betraf die Schwangerschaft Marias.

    Daraufhin schrieb der Webbär:

    Die evangelische Theologie lehnt die bewusste Entscheidung Marias für die unbefleckte Empfängnis (die übrigens nicht mutig gewesen wäre, mutig wäre es gewesen dem Herrn abzusagen, LOL) ab, da sie diese Empfängnisform ablehnt

    Entweder ist das eine sinnlose Aneinanderreihung von Begriffen oder Sie kennen den Unterschied zwischen den beiden Konzepten nicht. Das hat weder etwas mit Projektion noch mit Interpretation zu tun und da lenken auch Wirrheiten und Inkohärenz wie im letzten Kommentar nicht mehr davon ab. Man könnte auch einfach zugeben, dass man wenig Ahnung hat, aber ich befürchte diese Chance haben Sie inzwischen verpasst.

    Ich werde nun auf diese kindische Argumentation nicht mehr eingehen. Wenn Sie es immer noch nicht verstanden haben, ist Ihnen nicht zu helfen. Beklagen Sie sich aber nicht, wenn Sie nicht mehr ernstgenommen werden.

  35. #35 Webbaer
    Februar 25, 2010

    @ali: Nicht mehr ernst genommen zu werden von einigen ist dem Webbaeren nur recht. Sacharbeit gemischt mit dem Hang zu originellen (“Neues schaffenden”) Statements ist Kern seiner Arbeit hier. Das wirkt gewollt selektiv.

    Ansonsten, bemerkenswerte Arbeit Ihrerseits hier bei SB, schnallen Sie sich aber gelegentlich besser an.

    Beste Grüße!
    WB

  36. #36 Thilo Kuessner
    Februar 25, 2010

    …(“Neues schaffenden”) Statements ist Kern seiner Arbeit hier

    Der Sieg des Bewußtseins über die Materie, des Geistes über die Wirklichkeit, der schöpferischen Phantasie über die spröde Realität. Sie sollten Künstler werden, nicht Wissenschaftler.

  37. #37 Georg Hoffmann
    Februar 26, 2010

    Was hat den Frau Kaessmann mit dem Ganzen zu tun. Oder ist jeder der ueber den Durst trinkt “dem Reiz des Verbotenen” unterlegen und in irgendwelche aesthetischen Spaehren entschwoben? Da kenne ich im Ruhrpott bei mir so einige, die sich da maechtig freuen wuerden.

  38. #38 Webbaer
    Februar 26, 2010

    @Thilo
    Jeder Mensch ist ein Künstler.
    Und wenn der Webbaer einer sein sollte, dann gilt das, was Andy Warhol über die Ursachen seines Erfolges festgestellt hat: “It’s the Andy Warhol in you.”.

    Für den Rest gilt: “Feel the difference.”

    MFG
    WB

  39. #39 anonymous
    Februar 26, 2010

    Maria ist ja eine prostituierte gewesen und ist dabei schwanger geworden. Davon hatte Josef aber noch gar nix gewusst. Deswegen konnten sie beide auch nachher nix zugeben. Dann war Joseph so blamiert (er war ja selbst immer abgewimmerlt worden) das er die Sache mit “ja das ist gottes sohn” erfunden hat. Deswegen hat der Jesus ja auch nachher immer so gerne prostituierte besucht (Maria Magdalena etc. – “Maria” war zu der Zeit ja der Nickname vieler Prostituierten). Also, Maria ist daher nicht so recht freiwillig schwanger geworden, hat aber den mut dazu gehabt nebenbei zu verdienen.

  40. #40 Jörg Friedrich
    Februar 26, 2010

    @Georg Hoffmann: Frau Käßmann ist die Autorin, das hat sie damit zu tun. Ihre Vorstellung von Eva und Maria liest sich heute anders als vor einer Woche – das ist, um die Frage von Fränk nocheinmal aufzugreifen, vielleicht “der Punkt”.

    @anonymus: Sie liefern ein schönes Beispiel zu der Frage, ob die Interpretation eines Textes (egal ob des biblischen oder eines anderen) beliebig sein kann. Ihr Kommentar scheint mir mit dem Ursprungsttext nicht mehr als drei Namen gemeinsam zu haben.

  41. #41 Georg Hoffmann
    Februar 26, 2010

    Ahh, darum. Ich google mal was zum Thema Kaessmann und Klima. Bestimmt kam das mal in einer Sonntagspredigt vor. Man das Thema laeuft ja super. Da sieht man mal was wirklich wichtig ist.

  42. #42 Jörg Friedrich
    Februar 26, 2010

    @Georg Hoffmann: Ich finde auch, dass dieser Blogeintrag mehr Aufmerksamkeit erhält als er verdient, aber die Diskussion hat sich ja auch ziemlich weit von meinem Text entfernt. Wenn man aus Kommentaren ableiten kann “was wirklich wichtig ist” dann scheint es die Frage nach der Deutbarkeit biblischer Geschichten zu sein. Ohne den allerersten Kommentar hätte es vielleicht gar keinen gegeben. Das ist Eigendynamik.

  43. #43 Neuwalker
    Februar 26, 2010

    “Maria, die “den Mut [hatte] unverheiratet schwanger zu werden.”

    Hihi, wann war Frau Käßmann eigentlich zum letzten Mal am Heiligen Abend in der Kirche? In der Weihnachtsgeschichte steht schließlich, dass Maria verheiratet war. Als Theologe sollte man eine Texte schon kennen.

    Naja, als einfache Pastorin wird sie jetzt wieder genug Zeit zum Bibelstudium und zur gründlichen Exegese.

  44. #44 Jörg Friedrich
    März 1, 2010

    @Neuwalker: Nur, damit Ihr Kommentar nicht unwidersprochen stehenbleibt: In den Evangelien des neuen Testaments, die die Geburt Jesu schildern (Lukas und Matthäus) ist Maria zu dem Zeitpunkt, in dem sie schwanger wird, noch nicht verheiratet.

  45. #45 BreitSide
    März 4, 2010

    “Es ist im Christentum nich üblich, die Bibel wörtlich als Bericht von tatsächlich stattgefundenen Wahrheiten zu lesen, sondern als Glaubensbekenntnis, bei denen überlieferte Geschichten aus der Sichtweise der jeweiligen Autoren und ihrer historischen Situation heraus aufgeschrieben wurden.”

    Diesen Satz könnte man nicht einmal für Deutschland so global stehen lassen. Wer das schreibt, war noch nicht im Schwarzwald bei den Pietisten. Und da gibt es auch in D noch ganz andere Fundis. Und erst reicht in Südeuropa und Amerika.

  46. #46 Jörg Friedrich
    März 4, 2010

    @BreitSide: “Nicht üblich” ist doch gerade das, was Randgruppen und Fundamentalisten tun. Diese unterscheiden sich doch gerade dadurch von den anderen, dass sie tun, was nicht üblich ist.

  47. #47 georg
    März 4, 2010

    Die Bibel lediglich “als Glaubensbekenntnis, bei denen überlieferte Geschichten aus der Sichtweise der jeweiligen Autoren” geschildert werden, ohne den göttlichen Inspirator als Garant göttlicher Wahrheiten?. Ich glaube nicht, dass Benedikt, Mixa und Co. diese Sichtweise teilen.
    Die Katholische Kirche begründet ja sogar ihre Existenz mit angeblich wahren Textstellen. Die Formulierung “Sichtweise des jeweiligen Autors” würde denen vermutlich gar nicht gut gefallen.
    mfg georg

  48. #48 Thomas J
    März 4, 2010

    @georg

    Jörg Friedrich hat das schon sehr korrekt formuliert. Das zeigt auf jedenfall meine Erfahrung, die wenigstens für die Deutschschweiz einigermassen repräsentativ ist.

  49. #49 Jörg Friedrich
    März 4, 2010

    Zum Glück kann man sich ja in Benedikts Buch Jesus von Nazareth über diese Frage aus erster Hand informieren. Nur Mut!

  50. #50 georg
    März 4, 2010

    An Mut, mich mit anderen Meinungen auseinander zu setzen hat es mir noch nie gemangelt. Vielleicht tue ich mir das ja auch noch an.
    Wäre ja schon überraschend, vom Stellvetreter Gottes z. B. zu lesen, dass das mit Petrus und dem Felsen nur die persönliche, subjektive Sichtweise dessen ist, der Jahrzehnte später darüber geschrieben hat, bzw. der Theologen, die das dann noch später in ihrem Sinn gedeutet haben.

  51. #51 Thomas J
    März 4, 2010

    @georg

    Mich würde das Gegenteil überraschen!

  52. #52 S.S.T.
    März 4, 2010

    @Jörg Friedrich

    @BreitSide: “Nicht üblich” ist doch gerade das, was Randgruppen und Fundamentalisten tun. Diese unterscheiden sich doch gerade dadurch von den anderen, dass sie tun, was nicht üblich ist.

    Das ist Rabulistik vom feinsten. Denn dieses trifft auch auf die ersten Reformierten (oder wie man sie auch immer bezeichnen möchte) zu. Betrachten Sie etwa die ev. Kirche als Randgruppe oder als Fundamentalisten? Deren Bibelauslegung (sic!) unterschied sich schon in dem einen oder anderen Punkt von der DER Kirche.

    Was, im übrigen, ist in der Bibel wörtlich zu nehmen? Es gibt übrigens einige Nichtrandgruppen, die eine Menge in der Bibel rein wörtlich nehmen (apropos: Was ist eine Randgruppe im relig. Sinn?). Und was ist in der Bibel nicht wörtlich, sondern als reines Glaubenbekenntnis zu nehmen? Für konkrete Beispiele wäre ich Ihnen sehr dankbar.

  53. #53 BreitSide
    März 4, 2010

    @Jörg Friedrich: “Nicht üblich” ist doch gerade das, was Randgruppen und Fundamentalisten tun. Diese unterscheiden sich doch gerade dadurch von den anderen, dass sie tun, was nicht üblich ist.”

    Na dann zeig mir einen Katholen, der die Ereignisse von Weihnachten, Pfingsten, Ostern und Himmelfahrt nicht wirklich glaubt. Ohne jetzt wieder auf den “not real scotsman” verwiesen werden zu wollen, würde ich doch behaupten, dass das ja schließlich den Christen ausmacht. Sonst ist er eben kein Christ mehr, sondern ein Humanist, der einige der Werte aus der Bibel (vor allem NT; AT ist eher GWBushs Sache) gut findet.

    Es geht ja auch nicht darum, auf einer Messlatte von null bis hundert Prozent eine Verteilung aufzuzeichnen, wieviele Christen wieviel der Bibel (nochmal unterteilt vor allem in AT und NT) für wörtlich halten. Und daraus einen “Fundamentalismusgrenzwert” zu entwickeln. Obwohl ich sowas auch schon als Test gesehen habe.

  54. #54 georg
    März 5, 2010

    @Thomas J

    @georg
    Mich würde das Gegenteil überraschen!

    Aus der Beschreibung zu:
    Gerd Lüdemann
    Das Jesusbild des Papstes
    Über Joseph Ratzingers kühnen Umgang mit den Quellen

    Beschreibung
    Papst Benedikt XVI., Joseph Ratzinger, wird als »Der Intellektuelle auf dem Heiligen Stuhl« verehrt, weil er Glauben und Vernunft nicht als Gegensätze sieht. Wie aber steht es um den Vernunftgebrauch des Heiligen Vaters? Im Frühjahr 2007 veröffentlichte er ein Jesusbuch, das den Jesus der Evangelien als den wirklichen, historischen Jesus darstellt. Er hält die Evangelisten für zuverlässige Zeugen und verwirft den allgemeinen kritischen Konsens, daß zahlreiche Jesusworte und -taten erst später erfunden wurden und daß wir demgemäß nur wenig Sicheres über Jesus wissen. Gerd Lüdemann – selbst Verfasser einer umfassenden Untersuchung aller erhaltenen Jesustraditionen aus den ersten beiden Jahrhunderten – überprüft die Ausführungen Joseph Ratzingers in einer auch für Nicht-Theologen verständlichen Weise. Seine Untersuchungen zum Jesusbild von Joseph Ratzinger erweisen, daß der Papst in seinen Auslegungen biblischer Texte die Vernunft vor den Karren des Glaubens spannt. Auch der Intellektuelle Benedikt XVI., so Lüdemanns Resultat, muß historisch gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse um der Rettung des kirchlichen Dogmas willen verbiegen.

    Ich würde wetten, dass die Überraschung eher auf Deiner Seite liegt. Wir reden hier ja nicht über den Katholiken von nebenan, sondern über die offizielle Dogmatik der katholische Kirchen, die vom Papst vertreten wird.

    Oder ist mir etwa entgangen, dass die katholische Kirche sich in den letzten Jahren die Ergebnisse der historisch-kritischen Bibelforschung zu eigen gemacht hat? Da wäre ich für Hinweise dankbar.

    mfg georg

  55. #55 Jörg Friedrich
    März 5, 2010

    @georg,

    ich muss gestehen, dass mich ihr Kommentar leider überhaupt nicht überrascht. Sie haben gegoogled. Oder bei Amazon gesucht. Und Sie kopieren uns hier einen Text rein, der sich mit einem Buch beschäftigt, das sich mit dem Buch beschäftigt, das ich Ihnen empfohlen habe.

    Vermutlich haben Sie bei Ihrer kleinen Internet-Recherche bemerkt, dass es ebesoviele Texte gibt, die Benedikts Buch ganz anders sehen als Lüdemann. Warum lesen Sie nicht selbst das Buch? Und von mir aus – als Gegengift – Lüdemanns Buch hinterher. Sapere aude!

  56. #56 Thomas J
    März 5, 2010

    @georg

    “Oder ist mir etwa entgangen, dass die katholische Kirche sich in den letzten Jahren die Ergebnisse der historisch-kritischen Bibelforschung zu eigen gemacht hat? Da wäre ich für Hinweise dankbar.”

    Ja, hat sie, genau das ist meine Erfahrung. Ist aber geographisch nur partiell wahr, das muss ich leider eingestehen.

    Zum Anderen hat Herr Friedrich ja schon geantwortet… und sonst bleibt mir nix Anderes übrig, als das Buch mal selbst zu lesen und mir dann ein Urteil zu bilden.

  57. #57 georg
    März 5, 2010

    @Jörg Friedrich
    @Thomas J
    Habe ich mir auch vorgenommen.

  58. #58 georg
    März 7, 2010

    @Jörg Friedrich,
    inzwischen habe ich das Benedikt-Evangelium auch erhalten.

    Im Klappentext des Herder-Verlags liest man dazu folgendes:

    “Wer mich sieht, sieht den Vater”, sagt Jesus im Johannes-Evangelium. Ist das glaubwürdig? Wurden nicht dem “historischen Jesus” nachträglich bestimmte Worte und Taten zugeschrieben, die ihn erst in der Rückschau in ein göttliches Licht stellten? Mit dieser Frage hat sich der Autor ein Leben lang auseinandergesetzt – als Theologe, als Bischof, schließlich als Papst, vor allem als gläubiger Christ. Seine Antwort ließ die Welt aufhorchen. Sein Buch nimmt das Ganze der Bibel und das geschichtliche Umfeld Jesu in den Blick. Es zeigt: Die Evangelien zeichnen ein verlässliches Bild. Sie verdecken nicht die historische Wahrheit über Jesus, sondern legen sie offen

    Seine Antwort ließ die Welt aufhorchen. Überaschung: Die Evangelien zeichnen ein verlässliches Bild.
    Von wegen “Es ist im Christentum nich üblich, die Bibel wörtlich als Bericht von tatsächlich stattgefundenen Wahrheiten zu lesen, …”

    Wenn es nicht so vorhersehbar gewesen wäre, käme ich mir verarscht vor.

    Im Glossar, ebenfalls vom Herder-Verlag, steht unter dem Stichwort “Inspiration”: “Lat.: Einhauchung” Der Vorgang, dass die Heilige Schrift unter göttlichem Beistand geschrieben wurde und gelesen wird
    Also, alles wie gehabt. Dem würde auch ein Zeuge Jehovas nicht widersprechen.

    Unter dem Stichwort “Formgeschichte” erfährt man: Bezeichnung für eine mit dem Namen von Martin Dibelius und Rudolf Bultmann verbundene Phase der historisch-kritischen Exegese, in der vor allem die Überlieferungsgesetze der Jesustradition untersucht werden sollten. Die Ergebnisse der Formgeschicht werden heute kritisch beurteilt
    Damit soll vermutlich ausgesagt werden, dass die katholische Kirche die historisch-kritische Forschung nur soweit akzeptiert, wie sich deren Ergebnisse der katholischen Dogmatik unterorden lassen.

    Soweit deckt sich das mit der Beschreibung zu Lüdemanns Buch und ich könnte das hierbei bewenden lassen. Aber vielleicht liest sich das in Ratzingers Text ja alles ganz anders und es handelt ich bis hierhin nur um ein riesengroßes Missverständnis seitens des Herder-Verlags.

    Ich werde Sie weiter auf dem laufenden halten.

    mfg georg

  59. #59 georg
    März 7, 2010

    @Thomas J
    In der Deutschschweiz habt ihr doch denselben Papst wie die anderen auch? Einer der ebenso unfehlbar ist, wie alle seine Vorgänger und der Oberhaupt einer Kirche ist, die auch heute noch Menschen aufgrund nachgewiesener (!) Wunder (!!) heilig spricht (Institutionalisierter Aberglaube im 3. Jahrtausend). Dass nicht alle Katholiken das für eine offenbarte Wahrheit halten, hoffe ich sehr.
    mfg georg

  60. #60 georg
    März 8, 2010

    Zweiter Teil der Rezension
    Das Evangelium nach Bendikt: Vorwort

    Im Vorwort findet man eine Stellungnahme zur historisch-kritischen Forschung. Da heisst es:

    Die Fortschritte der historisch-kritischen Forschung führten zu immer weiter verfeinerten Unterscheidungen zwischen Funktionsschichten, hinter denen die Gestalt Jesu, auf den sich doch der Glaube bezieht, immer undeutlicher wurde, immer mehr an Kontur verlor. Zugleich freilich wurden die Rekonstruktionen dieses Jesus, der hinter den Traditionen der Evangelisten und ihrer Quellen gesucht werden musste immer gegensätzlicher: …
    … Eine solche Situation ist dramatisch für den Glauben, weil sein eigentlicher Bezugspunkt unsicher wird: Die innere Freundschaft mit Jesus, auf die doch alles ankommt, droht ins Leere zu greifen. (S. 10 – 11)

    Der Papst kennt aber eine Ausweg aus dieser bedrohlichen Situation, nämlich

    … die christologische Hermeneutik, die in Jesus Christus den Schlüssel des Ganzen sieht und von ihm her die Bibel als Einheit zu verstehen lernt, …
    “Kanonische Exegese” – lesen der einzelnen Texte der Bibel in deren Ganzheit – ist eine wesentliche Dimension der Auslegung, die zur historisch-kritischen Methode nicht in Widerspruch steht, sondern sie organisch weiterführt und zu eigentlicher Theologie werden lässt. (S. 18)

    Also, die traditionelle christliche Theologie, nach der die ganze Bibel auf Jesus Christus als Sohn Gottes verweist, die Auslegung der biblischen Texte vom gewünschten Ergebnis her, wird einem hier als “organische Weiterführung” der historisch kritischen Forschung angedient.
    Und, was folgt daraus für die Evangelien?

    Für meine Darstellung Jesu bedeutet dies vor allem, dass ich den Evangelien traue. (S. 20)

    Von wegen “Es ist im Christentum nich üblich, die Bibel wörtlich als Bericht von tatsächlich stattgefundenen Wahrheiten zu lesen, …”

    mfg georg

  61. #61 Jörg Friedrich
    März 8, 2010

    @georg: Ich finde das ganz spannend, was Sie hier beginnen und würde dem gern mehr Platz und vor allem mehr Sichtbarkeit einräumen. Ich stelle mir soetwas wie einen gesonderten Ordner vor, in dem wir sozusagen das benedikt-Buch parallel lesen und verschiedene Interpretationen diskutieren?

    “Den Evangelien trauen” heißt für mich z.B. nicht das gleiche wie “wörtlich als Bericht von tatsächlich stattgefundenen Wahrheiten” lesen, wenn ich einer Aussage traue heißt das ja nicht, dass es wirklich im Einzelnen so war, wie berichtet, sondern dass ich davon ausgehe, dass der Aussagende nichts bewusst hinzuerfindet um einen bestimmten Zweck zu erreichen. Siehe auch der von Ihnen zitierte Klappentext.

    Was halten Sie von der Idee. Wenn Sie wollen, schreibe ich einen kurzen einleitenden Artikel und übernehme dort Ihre letzten beiden Kommentare? Das kann doch sehr interessant werden.

  62. #62 Thomas J
    März 8, 2010

    @georg

    Der Papst ist nicht unfehlbar. Einfach mal googeln.
    Und ja, die Heiligsprechung ist genau das, für das du sie hälst.
    Aber was gewinnt die katholische Kirche, wenn sie damit aufhört? Sie würde sich ja selbst demontieren und das macht sie ganz bestimmt nicht.

    Zu den Rezensionen:

    Hab das Buch selbst noch nicht, kann mich also nur auf die Zitate beziehen.
    Daraus lese ich, dass der Papst ziemlich schwammig formuliert, nicht wahr?
    Gerade dieses Zitat:
    “Für meine Darstellung Jesu bedeutet dies vor allem, dass ich den Evangelien traue.”

    Was heisst das? Doch nicht, dass er das alles als historische Tatsachen animmt.

  63. #63 Andrea N.D.
    März 8, 2010

    @Thomas J., georg:
    Ich würde es so verstehen, dass der Papst das stattgehabte Ereignis des Heiligen Geistes, der die Apostel beflügelte, nicht in Frage stellt. Damit bleibt das Ganze ein unerträglich flexibles, beliebig auslegbares, Gebilde: Die Bibel kann nach wie vor als Offenbarung gelesen werden, die Gott via Heiligen Geist via Apostel diktiert hat. Gleichzeitig wird die Tatsache des Erscheinen des Heiligen Geistes als historisches Ereignis gewertet. Wenn der Papst also den Evangelien traut, tut er ein Zweifaches: er vertraut darauf, dass deren Inhalt über den Heiligen Geist/Gott eingeflüstert wurde und somit richtig/wahr sein muss, und dass die Evangelisten eben dieses Ereignis historisch auch so erlebt/richtig weitergegeben haben. Etwas anderes bleibt ihm auch gar nicht übrig, sonst könnte er die Wahnvorstellungen der Apostel über den Heiligen Geist in die Rubrik Psychiatrie schieben und könnte sich weder auf eine inhaltliche Offenbarung noch auf das stattgefundene historische Ereignis der Offenbarung berufen.

  64. #64 georg
    März 9, 2010

    @Jörg Friedrich
    Vielen Dank für das freundliche Angebot.

    Ich hatte allerdings nicht vor, das Buch in seiner Gesamtheit inhaltlich zu besprechen, sondern lediglich Stellen, in denen seine Position zur Frage der historischen Wahrheit der Bibeltexte und der entsprechenden Ergebnisse der historisch-kritischen Forschung deutlich wird, bzw. welches die Kriterien sind, nach der er die Vertrauenswürdigkeit der Textstellen bemisst.
    Ich meine, inzwischen auch Stellen gefunden zu haben aus denen das hinreichend deutlich wird. Viel mehr Platz benötige ich voraussichtlich nicht mehr. Wenn Sie zu dieser Thematik einen eigenen thread aufmachen wollen beteilige ich mich aber gerne an der Diskussion.

    “Den Evangelien trauen” heißt für mich z.B. nicht das gleiche wie “wörtlich als Bericht von tatsächlich stattgefundenen Wahrheiten” lesen, wenn ich einer Aussage traue heißt das ja nicht, dass es wirklich im Einzelnen so war, wie berichtet, sondern dass ich davon ausgehe, dass der Aussagende nichts bewusst hinzuerfindet um einen bestimmten Zweck zu erreichen.

    Ratzinger ist nicht blöd. Er weiss sehr genau, dass sich jemand, der heute sagt, die Evangelien seien “wörtlich als Bericht von tatsächlich stattgefundenen Wahrheiten” zu lesen, sich unglaubwürdig macht. Die Formulierung “Den Evangelien trauen” lässt ihm die Freiheit, nach seinen von ihm gesetzten Kriterien diejenigen Textstellen auszuwählen, die er für vertrauenswürdig hält. Und der für ihn relevante Maßstab für die Glaubwürdigkeit ist die christologische Hermeneutik.

    Vom Ergebnis unterscheidet sich das wenig von der klassischen katholischen Textexegese. Es unterscheidet sich aber deutlich von der historisch-kritischen Methode.
    Der traditionelle Katholik wird nur schwerlich die feinen Nuancen in den Formulierungen der Jesus-Darstellung bemerken, in denen Ratzinger die Ergebnisse der historisch-kritischen Forschung berücksichtigt. Wenn man nicht genau darauf achtet, liest sich Ratzingers Jesus-Bild, als habe die historisch-kritische Forschung nicht stattgefunden.

    mfg georg

  65. #65 georg
    März 9, 2010

    @Thomas J.

    “Für meine Darstellung Jesu bedeutet dies vor allem, dass ich den Evangelien traue.”
    Was heisst das? Doch nicht, dass er das alles als historische Tatsachen animmt.

    Nein heisst es nicht. Es heisst aber, dass er die Stellen aus denen, er den göttlichen Auftrag Jesu herauslesen kann, für glaubwürdig hält, ohne sich aber die Blöße zu geben, zu behaupten dass die jeweilige Szene auch wortwörtlich so stattgefunden hat.
    mfg georg

  66. #66 georg
    März 9, 2010

    Das Evangelium nach Bendikt: Das Lamm Gottes
    Ratzingers “organische Weiterführung” der kritischen Methode an einem Beispiel:

    Es tut gut, in diesem Zusammenhang auf das vierte Evangelium zu hören, nach dem Johannes der Täufer beim Anblick Jesu die Worte gesprochen hat: “Seht das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt” (1,29). Über dieses Wort, das in der römischen Liturgie vor der Kommunionspendung gesprochen wird, ist viel herumgerätselt worden. Was bedeutet “Lamm Gottes”? Wieso wird Jesus als “Lamm” benannt, und wieso trägt diese “Lamm” die Sünden der Welt weg, überwindet sie ins Wesens- und Wirklichkeitslose hinein?
    Joachim Jeremias hat die entscheidenden Hilfen geboten, um dieses Wort richtig zu verstehen und es – auch historisch – als wirkliches Täuferwort betrachten zu können. Zunächst sind zwei alttestamentarische Anspielungen darin zu erkennen. Das Gottesknechtslied Jes 53,7 vergleicht den leidenden Knecht Gottes mit einem Lamm, … (S. 47)

    Nach Ratzinger ist also Kriterium für die Echtheit biblischer Textstellen (es auch historisch – als wirkliches Täuferwort betrachten zu können), wie gut sie sich der christologischen Hermeneutik fügen.

  67. #67 georg
    März 9, 2010

    Das Evangelium nach Bendikt: Der Antichrist
    Was Ratzinger in Wahrheit über die historisch-kritische Forschung denkt, lässt die folgende Passage erahnen:

    Aus scheinbaren Ergebnissen der wissenschaftlichen Exegese sind die schlimmsten Bücher der Zerstörung der Gestalt Jesu, der Demontage des Glaubens geflochten worden.
    Heute wird die Bibel weithin dem Maßstab des sogenannten modernen Weltbildes unterworfen, dessen Grunddogma es ist, dass Gott in der Geschichte gar nicht handeln kann- dass also alles, was Gott betrifft, in den Bereich des subjektiven zu verlegen sei. Dann spricht die Bibel nicht mehr von Gott, dem lebendigen Gott, sondern dann sprechen nur noch wir selber und bestimmen was Gott tun kann und was wir tun wollen oder sollen. Und der Antichrist sagt uns dann mit der Gebärde hoher Wissenschaftlichkeit, dass eine Exegese, die die Bibel im Glauben an den lebendigen Gott liest und ihm selbst dabei zuhört, Fundamentalismus sei; nur seine Exegese, die angeblich rein wissenschaftliche, in der Gott selbst nichts sagt und nichts zu sagen hat, sei auf der Höhe der Zeit (S. 64 -65)

    Also, wissenschaftliche Bibelforschung, die sich nicht der katholischen christologischen Hermeneutik unterordnet, die nicht schon von der Voraussetzung ausgeht, dass es sich um göttlich inspirierte Texte handelt, die auf Jesus Christus als Sohn Gottes verweisen, ist Werk des Antichristen.
    Schön, das das mal so deutlich ausgesprochen wird.

  68. #68 georg
    März 11, 2010

    Das Evangelium nach Benedikt: Der wahre Jesus

    Falls jemand noch Zweifel hat, was Ratzinger mit der Formulierung “Ich traue den Evangelien” denn genau aussagen möchte, dem wird vielleicht die folgende Stelle zu mehr Klarheit verhelfen.

    Jesus versteht sich selbst als die Tora – als das Wort Gottes in Person. Der gwaltige Prolog des Johannes-Evangeliums “Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott” sagt nichts anderes, als was der Jesus der Bergpredigt und der jesus der synoptischen Evangelien sagt. der Jesus des vierten Evangeliums und der Jesus der Synoptiker ist ein und derselbe: der wahre “historische” Jesus. (S. 143)

    Dass Ratzinger das Wort “historisch” in Anführungszeichen setzt, ist wieder eine der feinen sprachlichen Nuancen, in denen er der historisch-kritischen Bibelforschung formal Rechnung trägt, die Konsequenzen, die sich daraus aber für das Jesus-Bild ergeben vollständig ignoriert.

    Denn was besagt die Stelle denn anderes, als dass der Jesus der, christologisch gelesenen, Evangelien eben der wahre Jesus ist. Daran hat sich in den letzten tausend Jahren offenbar nichts wesentliche geändert.

    Nebenbei bemerkt: Es ist auch nicht ohne Bedeutung, dass Ratzinger explizit aus dem Johannes-Evangelium zitiert. Dieses ist zeitlich (von der Entstehung) wie inhaltlich am weitesten vom Menschen Jesus entfernt. Es ist das Evangelium, in dem der Vergottungsprozess am weitesten fortgeschritten ist.

    Bis hierhin haben wir nun schon einiges über den “wahren” Jesus und seinen großen Widersacher, das moderne wissenschaftliche Weltbild (der Antichrist) erfahren.

  69. #69 georg
    März 11, 2010

    @Thomas J
    Heute habe ich mal Unfehlbarkeit gegoogelt:

    Die kirchenamtliche, geistliche Unfehlbarkeit bezieht sich nur auf als letztgültig (unwiderruflich) proklamierte Glaubens- (oder Moral-) Lehrentscheidungen. Sie wurde mit dem Konzilsdekret Pastor Aeternus auf dem Ersten Vatikanischen Konzil am 18. Juli 1870 unter Papst Pius IX. selbst als (unfehlbarer) Glaubenssatz verkündet. Die Definition lautet:
    „Zur Ehre Gottes, unseres Heilandes, zur Erhöhung der katholischen Religion, zum Heil der christlichen Völker lehren und erklären wir endgültig als von Gott geoffenbarten Glaubenssatz, in treuem Anschluss an die vom Anfang des christlichen Glaubens her erhaltene Überlieferung, unter Zustimmung des heiligen Konzils: Wenn der Römische Papst in höchster Lehrgewalt (ex cathedra) spricht, das heißt: wenn er seines Amtes als Hirt und Lehrer aller Christen waltend in höchster apostolischer Amtsgewalt endgültig entscheidet, eine Lehre über Glauben oder Sitten sei von der ganzen Kirche festzuhalten, so besitzt er aufgrund des göttlichen Beistandes, der ihm im heiligen Petrus verheißen ist, jene Unfehlbarkeit, mit der der göttliche Erlöser seine Kirche bei endgültigen Entscheidungen in Glaubens- und Sittenlehren ausgerüstet haben wollte.

    Dass der Papst nur dann unfehlbar ist, wenn diese für sich benaprucht (ex cathedra) war mir schon bekannt. Hübsch finde ich die Formulierung, dass die Unfehlbarkeit selber ein unfehlbarer Glaubenssatz ist.

    Für sein Jesus-Evangelium beansprucht er diese übrigens nicht. Dort heisst es:

    Gewiss brauche ich nicht eigens zu sagen, dass dieses Buch in keiner Weise ein lehramtlicher Akt ist, sondern einzig Ausdruck meines persönlichen Suchens “nach dem Angesicht des Herrn” (vgl. Ps 27,8). Es steht daher jedermann frei, mir zu widersprechen. (S. 22)

    Mir stellt sich hier die Frage, was es denn für Konsequenzen hätte, wenn er sein Evangelium zum “lehramtlichen Akt” (schönstes Bürokratendeutsch) erklären würde. Darf dann noch jemand widersprechen?
    Wie sieht man das in der Deutschschweiz?

    Abgesehen davon, wenn man sich in dieser Welt auf eines verlassen kann, ist es, dass wenn der amtierende Papst ein Buch über Jesus veröffentlicht, dass sich dessen Jesus-Darstellung im Rahmen der überlieferten katholischen Dogmatik hält.

    mfg georg

  70. #70 ali
    März 11, 2010

    Hübsch finde ich die Formulierung, dass die Unfehlbarkeit selber ein unfehlbarer Glaubenssatz ist.

    Vielleicht möchte er diesem Club beitreten. Oder aber vielleicht befolgt er ja Croucho Marxs Weisheit “I would not join any club that would have someone like me for a member.”

  71. #71 Andrea N.D.
    März 11, 2010

    @georg:
    Vielen Dank für Deine ausführlichen und zeitintensiven Erläuterungen. Damit ist der umständlich formulierte Satz von Jörg Friedrich “Es ist im Christentum nich üblich, die Bibel wörtlich als Bericht von tatsächlich stattgefundenen Wahrheiten zu lesen, sondern als Glaubensbekenntnis, bei denen überlieferte Geschichten aus der Sichtweise der jeweiligen Autoren und ihrer historischen Situation heraus aufgeschrieben wurden. ” endgültig widerlegt. Mir wurde jetzt auch klar, dass vor allem der letzte Nebensatz komplett falsch ist. Oftmals werden Dinge hier unbedacht schnell eingeworfen und kaum über den Sinn des ganzen nachgedacht; bei der unglaublichen Mühe, die Du Dir gemacht hast, habe ich auch immer im Hinterkopf, dass sich darüber vor allem Theologen seit Jahrhunderten streiten – selbstverständlich im Rahmen der päpstlichen Richtlinien :-).

  72. #72 Jörg Friedrich
    März 11, 2010

    Ich denke, dass die Zitate meinen Satz eher belegen als widerlegen, aber ich vermute, die unterschiedlichen Standpunkte dazu werden wohl kaum einander anzunähern sein.

    Wir hatten ja weiter oben bereits ein Beispiel. Hier möchte ich nur noch zwei Dinge beisteuern:

    – Allein die Tatsache, dass Benedikt die synoptischen Evangelien vom Johannesevangelium unterscheidet, zeigt, dass er diese eben als unterschiedliche Glaubenszeugnisse von Menschen auffasst. Was er nachzuweisen sucht ist, dass alle vier Bücher sich auf die gleiche Person Jesus beziehen, und dass diese tatsächlich gelebt hat. Was er ausdrücklich nicht tut ist, den Inhalt jedes Buches als buchstäblich wahren Bericht über wirklich stattgefundene Ereignisse aufzufassen.

    – das zeigt auch zweitens sein Hinweis, dass man ihm gern widersprechen möge. Wenn die Evangelien als wahre Berichte zu lesen wären, wie sollte man dann jemandem widersprechen.

    Auch ich danke georg für seine Mühe und kann seine Interpretation nun besser verstehen. Seine Schlussfolgerung kann ich aber leider nicht nachvollziehen.

  73. #73 Andrea N.D.
    März 11, 2010

    @Jörg Friedrich:
    “- das zeigt auch zweitens sein Hinweis, dass man ihm gern widersprechen möge. Wenn die Evangelien als wahre Berichte zu lesen wären, wie sollte man dann jemandem widersprechen.”

    Es ist nicht Ihr Ernst, den Hinweis DES Papstes, “man möge doch gern widersprechen”, ernst zu nehmen und darauf Ihr Argument aufzubauen? Entschuldigung, aber das klingt so seltsam, dass ich doch nachfragen muss.
    Vielleicht erhalten Sie durch diese Diskussionen ein Gefühl für die Hierarchien in der katholischen Kirche und für die Aussagen eine Papstes – für viele Kommentatoren wohl selbstverständliche Dinge, mit denen wir jahrzehntelang aufgewachsen sind. Vielleicht erhalten Sie auch ein Gefühl für das Verhältnis zwischen Offenbarung und Historie in der Bibel/Bibelgeschichte, deren Komplexität nicht in einem Schachtelsatz abhandelbar ist. Vielleicht können Sie dann auch Aussagen von Mixta und Co. besser in den “Zeitgeist” einordnen.

  74. #74 Thomas J
    März 11, 2010

    @georg

    Dem Papst (dem Vatikan?) wird auch in”lehramtlichen Akten” widersprochen.
    Oder meinst du, Theologinnen findens ganz toll und wunderbar, dass sie sozusagen Priester 2. Ranges sind und z.B. keine Wandlung vollziehen können?

    Vielleicht ganz allgemein an dieser Stelle:

    Als rational denkender Mensch kann man eigentlich nicht Katholik sein, ohne einen Teil seines Gehirns abzuschalten. Zuviel muss einfach geglaubt werden.
    Genau das ist aber ein Grundpfeiler. Man einigt sich auf Glaubensgrundsätze, die dann als wahr gelten.
    Wenn du hier mit raiotnaler Kritik kommst, bist du sozusagen fehl am Platz. Du kannst nur innerhalb des Systems Kritik üben. Von aussen betrachtet macht eh alles keinen Sinn 😉

    Dass die katholische Kirche und der Papst aber die historische Bibelforschung ablehnen, kann ich aus deinen Zitaten nicht herauslesen. Im Gegenteil, ich sehe es, wie Jörg Friedrich gut erklärt hat.
    Vielleicht hast du auch ein anderes Verständnis eines “lebendigen Gottes”. Da gibt es ganz verschiedene Vorstellungen davon und ich bin nicht sicher, ob du dasselbe meinst, wie der Papst (im Hinblick auf Eingebung beim Schreiben der Evangelien).

  75. #75 Andrea N.D.
    März 11, 2010

    @Thomas J.
    Ratzinger schreibt – wenn vielleicht auch unter dem Deckmantel – sicherlich unter dem Aspekt der Rationalität. Vielleicht definiert er Rationalität anders als beispielsweise die Wissenschaft. Das macht ihn ja so interessant. Dass auch er dabei im System bleiben muss, ist eine triviale Tatsache. Dass die Kritik von außen schwierig ist, mag richtig sein. Kritik von Innen ist meines Erachtens nicht möglich bzw. eine Tautologie. Von der Tatsache, dass Glaubensgrundsätze gar nicht rational kritisiert werden können, kann man aber nicht schließen, dass Kritik von Innen erfolgt.

    Offensichtlich konnte ich der Diskussion nicht richtig folgen. Ich bin von folgendem Satz ausgegangen:
    “Es ist im Christentum nich üblich, die Bibel wörtlich als Bericht von tatsächlich stattgefundenen Wahrheiten zu lesen, sondern als Glaubensbekenntnis, bei denen überlieferte Geschichten aus der Sichtweise der jeweiligen Autoren und ihrer historischen Situation heraus aufgeschrieben wurden. ”
    Ganz allgemein verstehe ich diesen Satz noch immer so, dass zu verschiedenen Zeiten verschiedene Autoren die Bibel “als Glaubensbekenntnis” nach ihrem Sachstand interpretiert haben und deshalb die Bibel so zu lesen ist. Das ist meines Erachtens nach immer noch falsch. Die Bibel gilt bei den Gläubigen als Offenbarung, die direkt von Gott vorgegeben wurde, und deren Inhalt absolut und wahr ist. Es werden – leider Gottes – keine Inhalte aus der Bibel historisch relativiert. Ich sehe es eher so, dass in der theologischen Bibelforschung eher alles danach ausgerichtet wird, die von den Evangelien weitergegebenen unumstößlichen und offenbarten Wahrheiten gegenüber späteren Interpretationen so umzudeuten, dass sie ins Konzept passen. Vielleicht sind die Meinungsverschiedenheiten aber auch darin begründet, dass zunächst einmal geklärt werden sollte, was “die Bibel” ist (immerhin haben wir in der heutigen Fassung ja auch Luther einiges zu verdanken) bzw. was mit Bibelforschung oder “Sichtweise der jeweiligen Autoren” gemeint ist. Dass die Evangelisten nicht immer unisono identischen Inhalt verkünden ist ja bekannt; trotzdem gibt es seit ca. 1700 Jahren keine echte historische Kritik darüber innerhalb des Systems.

  76. #76 Jörg Friedrich
    März 11, 2010

    Vielen Dank Thomas J. Vielleicht ganz allgemein mal ein paar Worte zum Jüdisch-Christlichen Verständnis des Verhältnisses von Gott zu den Menschen. Ich werde dazu demnächst noch mal ausführlicher schreiben, weil ich immer wieder feststelle, dass viele Nicht-Christen eine sehr merkwürdige Vorstellung davon haben, wie dieses Verhältnis aussieht. Ich muss dazu sagen, dass ich selbst Agnostiker bin. Ich spreche also nicht als Betroffener.

    Wenn man die Bibel liest wird von den ersten Absätzen an klar (spätestens ab dem Sündenfall) dass in der jüdisch-christlichen Tradition der Mensch als fehlbar und seinem Gott gegenüber eigenständig (und recht ungehorsam) angesehen wird. Die Fehlbarkeit bezieht sich auch und insbesondere auf die Fähigkeit der Menschen, die Absichten und die Worte ihres Gottes zu verstehen.

    Der Gott des Alten Testaments ist ein wütender, strafender Gott, der die Menschen dafür hin und wieder fast vollständig vernichtet.

    Das Verständnis des Neuen Testaments ist ein anderes: Gott straft nicht, sondern liebt seine (nicht ganz gelungene) Schöpfung.

    Dass diese Umdeutung überhaupt möglich ist, liegt daran, dass die aufgeschriebenen Worte eben von Menschen festgehalten sind – die eben fehlbar sind in dem, was sie von Gottes Wort verstanden haben.

    Das gilt auch für die “Inspiration”: Natürlich werden die Evangelisten als inspiriert, als erleuchtet angesehen. Aber das heißt nicht, dass sie ein 100%ig funktionierendes, perfektes Schreibwerkzeug Gottes sind. Sie bleiben fehlbare, begrenzte Menschen, was auch erklärt, warum sie nicht alle das Selbe aufgeschrieben haben. Der göttliche Beistand war da, aber da die Autoren Menschen sind, war das, was sie aufschrieben, nicht perfekt.

    Es ist so ähnlich, wie wenn ich meinem Sohn bei der Klausurvorbereitung helfe: Meinen Beistand hat er, aber ob er die gleiche Note bekommt wie ich sie bekommen würde, kann man nicht garantieren.

    Was für den Beistand gilt, gilt auch für das “Trauen”: Die Geschichtsforschung hat ein geflügeltes Wort: Der Zeitzeuge ist der Feind des Historikers. Zeitzeugen lügen im allgemeinen nicht, wir können ihnen in diesem Sinne “trauen”. Sie fügen nichts absichtlich hinzu weil sie eine eigene Geschichte erzählen wollen. Trotzdem ist nicht alles wahr, was sie erzählen.

    So ist es auch mit den Evangelisten. Selbst wenn sie unter göttlichem Beistand schrieben, sie bleiben fehlbare Menschen. So ist es – wie gesagt – im Grundverständnis des jüdisch-christichen Bildes vom Verhältnis Gott-Mensch angelegt. Das ändert sich auch nicht dadurch dass es Phasen in der Geschichte gab, in denen eine dogmatische Kirche als Institution anderes gepredigt hat, und auch nicht dadurch, dass es auch heute radikale Gruppierungen gibt, die das anders sehen. Das wird schon gar nicht dadurch geändert dass es außerhalb der Kirche und des Christentums Menschen gibt, die sich ein sehr einfaches Bild von Gläubigen allgemein und von Christen insbesondere als dummen, hörigen Trottel geschaffen haben um sich mit der Komplexität der Realität nicht beschäftigen zu müssen.

  77. #77 Andrea N.D.
    März 11, 2010

    Ich habe noch vergessen, dass ich von Anfang an nicht verstanden habe, wie ein Glaubensbekenntnis eine (Geschichte aus einer) Sichtweise sein kann (immer bezogen auf die Bibel) und zweitens was die Bibel mit einem Glaubensbekenntnis zu tun hat, wenn damit nicht DIE Offenbarung gemeint ist. Die Bibel ist doch kein Fortsetzungsroman.

  78. #78 Andrea N.D.
    März 11, 2010

    @Jörg Friedrich:
    “So ist es auch mit den Evangelisten. Selbst wenn sie unter göttlichem Beistand schrieben, sie bleiben fehlbare Menschen. So ist es – wie gesagt – im Grundverständnis des jüdisch-christichen Bildes vom Verhältnis Gott-Mensch angelegt. ”
    Ich weiß nicht, von welcher Religion Sie sprechen. Ich spreche von der katholischen Religion, die eine Kirche und einen Papst hat. Die Evangelisten haben in der katholischen Lesart nicht einfach einen Beistand für eine Klausur vom Papa gehabt. Die Offenbarung wurde ihnen direkt von Gott eingegeben. Da kann man nichts falsch machen.
    Das jüdisch-christliche Bild oder Verhältnis Gottes zum Menschen greift hier meines Erachtens nicht, weil die Christen sich deutlich von den jüdischen Eigenheiten absetzten. Selbst wenn die Juden ein solches Verständnis vom Verhältnis haben, muss das nicht für das Christentum gelten. Und selbst wenn die Christen das Jüdische Bild übernommen hätten, gilt dies definitiv nicht für die Evangelisten. An einer Offenbarung ist auch mit Fehlbarkeit nicht zu rütteln.
    Bleiben wir bei Ihrem Vergleich (der aus einigen Gründen hinkt): Wenn Sie in der Klausur direkt neben Ihrem Sohn sitzen und ihm den Text einflüstern – dann sind Sie Gott. Das ist das Verständnis der Katholiken von der Bibel und von Offenbarung – daran kann man mit gesundem Menschenverstand nicht rütteln.

  79. #79 Thomas J
    März 11, 2010

    @Andrea

    “Die Bibel gilt bei den Gläubigen als Offenbarung, die direkt von Gott vorgegeben wurde, und deren Inhalt absolut und wahr ist”

    Was (wer) sind Gläubige?

    “Es werden – leider Gottes – keine Inhalte aus der Bibel historisch relativiert.”

    Von wem nicht?

    “Ich sehe es eher so, dass in der theologischen Bibelforschung eher alles danach ausgerichtet wird, die von den Evangelien weitergegebenen unumstößlichen und offenbarten Wahrheiten gegenüber späteren Interpretationen so umzudeuten, dass sie ins Konzept passen.”

    Belege? 🙂

    Zu den Evangelien:

    Es gibt ja extra Ausgaben, wo man die vier Evanglien des NT nebeneinanders lesen kann. Ein Produkt der modernen Bibelorschung.
    Die Evangelien sind keine Tatsachenberichte, sondern politische Statements der Autoren.
    Dass der Papst das in in andere Worte kleidet als ich ist doch nur verständlich? Aber dass er etwas Anderes behaupten würde… würde ich so nicht interpretieren.

  80. #80 Andrea N.D.
    März 11, 2010

    @Thomas J:
    “Es gibt ja extra Ausgaben, wo man die vier Evanglien des NT nebeneinanders lesen kann. Ein Produkt der modernen Bibelorschung.
    Die Evangelien sind keine Tatsachenberichte, sondern politische Statements der Autoren.”
    Absolute Zustimmung – als Atheistin, von Außen.
    Belege dafür, dass die Bibel als Offenbarung gesehen wird? O je, Georg hat bereits nicht überzeugt mit dem Papst. Ich könnte Dir empfehlen eine katholische Messe am Sonntag zu besuchen, dem Priester genau zuzuhören und anschließend die “Gläubigen” befragen. Es wäre sicherlich auch möglich, den Ablauf der Messe inhaltlich zu analysieren.
    Neben der gelebten Praxis finde ich, dass Wiki bereits einiges hergibt
    https://de.wikipedia.org/wiki/Offenbarung
    Auf kath.net ist auch einiges zu finden.

    Tatsächlich beschäftigt doch die Katholiken gar nicht der Inhalt des unseligen Buches, sondern es werden nur “Formalien” bestätigt, nämlich:

    “Papst Benedikt XVI. hatte im Rahmen der Generalaudienz vom 23. August 2006 erneut bestätigt, dass die Apokalpyse dem Evangelisten Johannes geoffenbart wurde. (Vgl. Die Tagespost, 26. August 2006, Rede im Wortlaut) ”

    Tja, Pech für uns, also mir wurde jedenfalls nichts offenbart. An diesem Punkt reden wir aneinander vorbei: Wir sind uns einig, dass die Behauptung der Offenbarung Nonsens ist. Wer glaubt, glaubt jedoch daran, ja MUSS daran glauben, dass Gott Johannes die Offenbarung eingeflüstert hat und zwar genau so, wie es in der Bibel steht und nicht anders. Wir, von Außen, können historisieren, relativieren, hermeneutisch kritisieren. Gläubige und Theologen können das systemimmanent nicht.

    Ansonsten

  81. #81 Webbaer
    März 11, 2010

    Gläubige und Theologen können das systemimmanent nicht.

    Es ist jedenfalls bemerkenswert, dass es überhaupt eine Theologie gibt. Das Vorhandensein einer solcher wirkt natürlich zivilisatorisch positiv und nicht jede Religion hat eine Theologie. BTW, es gibt einige christliche Theologen, die nun wirklich über das, was die Bibel hergibt, weit hinaus gehen. Dezent formuliert – wer Lust hat kann sich mal mit Gerd Lüdemann beschäftigen, aber auch Uta oder Eugen Drewermann geben einiges her, mein lieber Scholli!

  82. #82 Thomas J
    März 11, 2010

    @Andrea

    Bin jede Woche in der Messe…
    Es tauchen aber (in Predigten, wie Gesprächen mit Gläubigen) doch oft Formulierungen auf wie: “wir glauben, dass dies und jenes so ist”
    Das heisst für mich eigentlich nur, dass man gemeinsam sich auf einen Konsens einigt. (Vielleich mit einem Parteiprogramm vergleichbar? Nagle mich aber nicht darauf fest, hab mir das noch nicht genauer überlegt)
    Kritisch hinterfragt wird, ändert aber nichts am gemeinsamen Konsens. Um mit diesem Zustand zu leben muss man wohl schizophren sein.

    Dass die Offenbarung überhaupt vom ollen Johannes ist, wusst ich nicht. Ist das katholische Lehrmeinung?

  83. #83 Thomas J
    März 11, 2010

    @Webbaer

    inwiefern wirkt Theologie zivilisatorisch positiv?

  84. #84 Webbaer
    März 11, 2010

    @TJ
    Eine Lehre von Gott erlaubt die Anpassung eben dieser Lehre.
    Wäre die Bibel als das unveränderliche Wort Gottes gegeben, eventuell noch mit klaren Sanktionierungsvorgaben, dann wäre das ungünstiger.
    War als Gegenrede zu verstehen zur “Systemimmanenzbehauptung” (“wie es in der Bibel steht und nicht anders”).

  85. #85 Webbaer
    März 11, 2010

    Wobei hier schon alles steht, so dass der Webbaer sich das oder den Post hätte sparen können.

    Aber OK, der dem Gläubigen abverlangte Glauben an die eine oder andere Sache steht nicht im Widerspruch zum Charakter des Neuen Testaments als fehlbare Berichtesammlung.

    Was den Webbaeren interessieren würde, ist woher die Abneigung einiger gegen die Bibel und das Christentum eigentlich kommt. In den revolutionären Zeiten vor einigen Jahrzehnten konnte die Erklärung noch recht einfach aus dem linksradikalen Gedankengut abgeleitet werden, aber heutzutage?
    Man versteht ja Juden- und Christentum oft als Fundament unserer heutigen Kultur, die Europäische Aufklärung ist dementsprechend rel. grundiert, hmm…

  86. #86 Thomas J
    März 11, 2010

    @Webbaer

    Einerseits die Abneigung gegen Religion allgemein?
    Anderseits gegen das Christentum im Speziellen, weil die meisten hier sich spezifisch von dieser Religion lösen mussten oder Kontakt mit unreflektierten Christen haben?

  87. #87 Webbaer
    März 11, 2010

    Gemeint: “die Abneigung einiger gegen die Bibel und das Christentum”.
    Das ist Old WB wirklich heutzutage ganz unverständlich.

    Auch “unreflekterierende Christen” gibt es wohl nicht so viele, man muss schon im Web suchen, um aggressive Fälle zu finden, kreuz.net beispielsweise, ansonsten sind Christen doch nett und oft auch zuverlässig i.p. Kooperation.
    Also die These ist, dass sich da welche “lösen mussten” und sie dazu ein Negativbild benötigten, gell. Hmm, sischer, aber irgendwie ist da mehr…

  88. #88 Thomas J
    März 11, 2010

    “irgendwie ist da mehr”

    ja… was?

    und mit unreflektierten Christen meint ich nicht Fundis sondern ganz einfach unbedarfte Mitmenschen, die auch z.B. an Homöopathie glauben, denen also eine gewisse Naivität innewohnt und sich nicht selbst kritisch in letzter Konsequenz mit ihrem Glauben auseinandersetzen.

  89. #89 H.M.Voynich
    März 11, 2010

    @Thomas J:
    “Dass die Offenbarung überhaupt vom ollen Johannes ist, wusst ich nicht. Ist das katholische Lehrmeinung?”
    Eigentlich dachte ich, alle heutigen Exegeten seien ziemlich einig darüber, daß der Evangelist nicht mit dem Autor der Offenbarung identisch ist. Aber Benedikt ist ja auch nicht ganz von heute …

  90. #90 H.M.Voynich
    März 11, 2010

    “… und mit unreflektierten Christen meint ich nicht Fundis sondern ganz einfach unbedarfte Mitmenschen …”
    Ich schätze, jeder außer dem Webbaer hat das auch so verstanden.

  91. #91 Thomas J
    März 11, 2010

    @Voynich

    Darum meine Frage, ob das Lehrmeinung ist… würde mich wundern.

  92. #92 Webbaer
    März 11, 2010

    Dann erklärt doch mal dem alten Webbaeren, warum mit dieser grossen Selbstverständlichkeit von “unreflektierten und unbedarften Christen” gesprochen wird, wenn damit einfach nur die normalen Gläubigen gemeint sind.
    Das wäre dann schon hinweisgebend und die o.g. Frage, äh, reflektierend.

  93. #93 Thomas J
    März 11, 2010

    @Webbaer

    Klar ist das ein starkes Stück Tobak, dem gemeinen Kirchgängerpöbel fehlende Reflexion vorzuwerfen.
    Letztendlich betrachte ich andere Weltanschauungen mit dem Anspruch, dass alle anderen zum gleichen Schluss kommen müssten, was natürlich überheblich ist.
    Aber gibts im 21. Jh. noch Argumente an einen lenkenden Gott zu glauben? (der von o.g. Christen eben noch dazugehört).
    Dass eben dieser spezifische Glaube zutiefst irrational ist, dürfte wohl dem einen und anderen zutiefst zuwider sein, nicht wahr?
    Womit wir wieder am Anfang wären.

    Was ist denn Ihre These zum “Hass auf die Bibel und Christentum”?

  94. #94 Webbaer
    März 11, 2010

    Der WB hat hier keine feste Theorie, vermutet aber ähnliche Ursachen wie Sie auflisten. Wobei aber jeder Mensch glaubt, und sei bspw. es an einen Fußballclub, an ein Wertesystem oder eine Geldanlageform; der Unterschied ist nicht so gross.
    BTW, ist der christliche Gott ein lenkender Gott? Ist das Christentum nicht vielleicht vernunftbasiert und gibt grosse Freiräume, auch beim individuellen Schuldigwerden?
    Aber keine Werbung an dieser Stelle, ;-), vermutlich hat der WB eine zu wohlwollende Sicht, da er den historischen Erfolg der Sache goutiert – man ist ja soz. hier und jetzt im Internet dank des Christentums.
    OK, bis auf weiteres, danke für die Reflektionen, WB

  95. #95 Thomas J
    März 11, 2010

    “Ist das Christentum nicht vielleicht vernunftbasiert und gibt grosse Freiräume, auch beim individuellen Schuldigwerden?”

    Grundsätzlich schon. Ich sehe genau darin auch die einzige Chance, dass das Christentum den Schritt ins Heute schafft, bin aber eher pessimistisch.

  96. #96 georg
    März 12, 2010

    @Thomas J

    Dass die katholische Kirche und der Papst aber die historische Bibelforschung ablehnen, kann ich aus deinen Zitaten nicht herauslesen. Im Gegenteil, ich sehe es, wie Jörg Friedrich gut erklärt hat.

    Offiziell wird die historisch-kritische Bibelforschung ja auch nicht abgelehnt. Sie wird aber als widerspruchsvoll relativiert und aus ihr folgt nichts. Stattdessen wird sie mit Hilfe einer “christologischen Hermeneutik” “organisch erweitert” und das Ergebnis dieser christologischen Erweiterung ist genau derselbe göttliche Christus der traditionellen katholischen Bibelexegese. Das ist der Trick an der Geschichte.

    Vielleicht hast du auch ein anderes Verständnis eines “lebendigen Gottes”. Da gibt es ganz verschiedene Vorstellungen davon und ich bin nicht sicher, ob du dasselbe meinst, wie der Papst (im Hinblick auf Eingebung beim Schreiben der Evangelien).

    Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich dasselbe meine, wie der Papst.
    Ich dachte eigentlich, das sei alles jetzt hinreichend klar geworden. Scheinbar aber nicht. Dann schreibe ich morgen oder übermorgen doch nochmal was zum Johannes-Evangelium.

    mfg georg

  97. #97 georg
    März 12, 2010

    @Jörg Friedrich

    – Allein die Tatsache, dass Benedikt die synoptischen Evangelien vom Johannesevangelium unterscheidet, zeigt, dass er diese eben als unterschiedliche Glaubenszeugnisse von Menschen auffasst. Was er nachzuweisen sucht ist, dass alle vier Bücher sich auf die gleiche Person Jesus beziehen, und dass diese tatsächlich gelebt hat.

    Alleine zu zeigen, dass es die gleiche Person ist und dass sie tatsächlich gelebt hat, wäre für die katholische Theologie völlig unzureichend. Entscheidend ist die Christologie, der göttliche Charakter, der aus den Evangelien heraus zulesen ist und der göttliche Auftrag den die katholische Kirche von Jesus erhalten habe. Und die Glaubwürdigkeit dessen hängt eben von der Glaubwürdigkeit der christologischen Deutung der Evangelientexte ab. Und diese wiederum von der Glaubwürdigkeit der Evangelisten, dass das, was sie schildern zuverlässige Schlussfolgerungen auf die christologischen Aussagen Jesus (die Aussagen über seinen göttlichen Charakter und seinen göttlicher Auftrag) zulassen.

    Was er ausdrücklich nicht tut ist, den Inhalt jedes Buches als buchstäblich wahren Bericht über wirklich stattgefundene Ereignisse aufzufassen.

    Tut er nicht, weil das heutzutage einfach zu unglaubwürdig wäre. Stattdessen fasst er aber seine christologische Evangeliendeutung als wahr auf. Und mit welcher Begründung? Eben weil diese göttlich inspiriert seien.

    – das zeigt auch zweitens sein Hinweis, dass man ihm gern widersprechen möge. Wenn die Evangelien als wahre Berichte zu lesen wären, wie sollte man dann jemandem widersprechen.

    Wenn er wirklich an Widerspruch zu seiner christologischen Evangeliendeutung interessiert wäre, würde er sich öffentlich und ernsthaft z. B. mit Gerd Lüdemann auseinandersetzen.
    Darauf kann man lange warten.
    mfg georg

  98. #98 Jörg Friedrich
    März 12, 2010

    Die Diskussion entzündete sich an meinem im zweiten Kommentar dieser Diskussion geäußerten Satz. Er bezog sich auf das Beispiel einer Formulierung von Margot Käßmann, einer evangelischen Bischöfin. Inzwischen erkennt auch georg mit seinem Satz “Tut er nicht, weil das heutzutage einfach zu unglaubwürdig wäre.” die Richtigkeit dieses Satzes an – und zwar selbst für den Papst.

    Ich finde diese Entwicklung der Diskussion erfreulich, natürlich einerseits, weil ich gerne Recht behalte, aber andererseits auch, weil gerade durch die Arbeit, die georg sich gemacht hat, auch die ganze Vielfalt und Komplexität des Umgangs der Christen mit ihren Glaubens-Urkunden deutlich geworden ist.

    Bevor nun die Diskussion auf den zweiten Halbsatz meines obigen Kommentars gelenkt wird, den vor allem Andrea N.D. des öfteren kritisiert hat, möchte ich auf das Feld der kontextuellen Theologie verweisen und die Kommentatoren bitten, unter diesem Stichwort zu recherchieren.

    Ich arbeite im Moment an einem Blog-Artikel unter dem Titel “Ist Theologie eine Wissenschaft?” in dem ich dieses Thema aufgreifen werde. Der Artikel wird Anfang nächster Woche erscheinen. Vielleicht sollten wir die Sache dort weiter diskutieren.

    Ein persönlicher Gedanke noch: Vielleicht ist es tatsächlich so, dass ich durch meine kirchenferne Erziehung ein entspannteres Verhältnis zu dieser Institution habe als andere. Für mich ist (vor allem die evangelische) Kirche immer auch z.B. der Ort des Widerstandes gegen die “sozialistische” Diktatur in der DDR. Heute lebe ich in einer äußerst katholischen Ecke Deutschlands und erlebe hier wiederum, dass die Kirche im Alltag vor allem als Organisation, die sich um viele alltägliche Dinge kümmert. Insofern kann ich mir die Phänomene Kirche und Religion ziemlich neutral, zunächst wertfrei und aufgeschlossen ansehen. Ich denke aber, dass so eine gewisse Leidenschaftslosigkeit und Distanz nicht schadet, wenn man etwas verstehen und seine Dynamik durchschauen will.

  99. #99 Webbaer
    März 12, 2010

    Für mich ist (vor allem die evangelische) Kirche immer auch z.B. der Ort des Widerstandes gegen die “sozialistische” Diktatur in der DDR

    Nicht nur für Dich, wenn auch der WB nur per “Zuzug” diesbzüglich eingestellt ist, MS und so ist sicherlich OK, grüsse mir bitte den Nordstern, die “Elisabeth zur Aa”, die Mensen mit ihren freundlichen Mitarbeitern und natürlich den Dom – das könnte hier noch weiter gehen. 🙂
    Der Sozialismus ist jedenfalls nicht ohne weiteres kirchenkonform.

    MFG
    WB

    PS: Also, bis denne, (WB muss denn doch dennwieder…) weiterhin Ohren steif halten, danke für Deine Arbeit.

  100. #100 Andrea N.D.
    März 12, 2010

    @Jörg Friedrich:
    “Die Diskussion entzündete sich an meinem im zweiten Kommentar dieser Diskussion geäußerten Satz. Er bezog sich auf das Beispiel einer Formulierung von Margot Käßmann, einer evangelischen Bischöfin. Inzwischen erkennt auch georg mit seinem Satz “Tut er nicht, weil das heutzutage einfach zu unglaubwürdig wäre.” die Richtigkeit dieses Satzes an – und zwar selbst für den Papst.

    Ich finde diese Entwicklung der Diskussion erfreulich, natürlich einerseits, weil ich gerne Recht behalte, aber andererseits auch, weil gerade durch die Arbeit, die georg sich gemacht hat, auch die ganze Vielfalt und Komplexität des Umgangs der Christen mit ihren Glaubens-Urkunden deutlich geworden ist.”

    Den Schluss im ersten Absatz kann ich nicht nachvollziehen. Eigentlich wurde in mühevoller Kleinarbeit gezeigt, dass Ihr Satz, bei aller Unverständlichkeit desselben (leider haben Sie ihn nie erläutert), größtenteils nicht nachvollziehbar ist. Insofern finde ich die Diskussion sehr unerfreulich, weil es offensichtlich nur darum geht, dass Sie Recht behalten müssen und um dies in irgendeiner Form auch zu tun, einen Satz von Georg aus dem Zusammenhang reißen, um Ihr Rechthaben zu begründen.

    Ihrem weiteren Kommentar kann ich im Großen und Ganzen zustimmen. Es fällt Ihnen augenscheinlich leichter, auch die positiven Seiten der in Deutschland gelebten Religion zu sehen. Allerdings würde ich Entspanntheit nicht mit Unbedachtheit (wie der Artikel über Mixa gezeigt hat) verwechseln. Im Übrigen kann ich weder bei mir noch bei Georg oder einem anderen Leidenschaft feststellen. Rationales Argumentieren gegen Religion ist in meinen Augen lediglich verständlicher als undifferenziertes Nachbeten von von Theologen gemachten Äußerungen.

  101. #101 georg
    März 13, 2010

    @Jörg Friedrich

    Es ist im Christentum nich üblich, die Bibel wörtlich als Bericht von tatsächlich stattgefundenen Wahrheiten zu lesen, sondern als Glaubensbekenntnis, bei denen überlieferte Geschichten aus der Sichtweise der jeweiligen Autoren und ihrer historischen Situation heraus aufgeschrieben wurden.

    Ihrem Satz als Ganzes würde Ratzinger wohl kaum zustimmen. Vergleichen Sie den mal mit den folgenden Zitaten von Ratzinger zum Johannes-Evangelium.

    Der wirkliche Anspruch des Evangeliums ist es, den Inhalt der Reden, Jesu Selbstzeugnis in den großen Jerusalemer Auseinandersetzungen richtig wiedergegeben zu haben, so dass der Leser wirklich die entscheidenden Inhalten dieser Botschaft und in ihr der authentischen Gestalt Jesu begegnen. (S. 271)

    “Was wir gehört haben, was wir mit unsren Augen gesehen haben, was wir geschaut, was unsere Hände angerührt haben …” Das Subjekt des Erinnerns ist bei Johannes immer das Wir – er erinnert sich in und mit der Gemeinschaft der Jünger, in und mit der Kirche. Sosehr der Verfasser als Einzelner als hervortritt, sosehr ist das Subjekt des Erinnerns, das hier spricht, immer das Wir der Jüngergemeinde, das Wir der Kirche. Weil das Erinnern, das die Grundlage des Evangeliums bildet, durch die Einfügung in das Gedächtnis der Kirche gereinigt und vertieft wird, ist darin in der Tat das bloße banale Tatsachengedächtnis überschritten. (S. 273)

    Diese Erinnern ist kein bloß psychologischer oder intellektueller Vorgang, es ist ein pneumatisches Geschehen. Das Erinnern der Kirche ist eben nichts bloß Privates; es überschreitet die Sphäre des eigenen menschlichen Verstehens und Wissens. Es ist ein Geführtwerden durch den Heiligen Geist, der uns den Zusammenhang der Schrift, den Zusammenhang, von Wort und Wirklichkeit zieht und uns so “in die Wahrheit” führt. (S. 276)

    Es zeigt uns den wirklichen Jesus, und wir dürfen es getrost als Quelle über Jesus benutzen. (S. 277)

    Der wirkliche Anspruch des Evangeliums ist es, Jesu Selbstzeugnis richtig wiedergegeben zu haben, so dass der Leser in ihr der authentischen Gesalt Jesu begegnet
    das Subjekt des Erinnerns, das hier spricht, ist immer das Wir der Kirche
    Es ist ein Geführtwerden durch den Heiligen Geist
    Es zeigt uns den wirklichen Jesus

    Dass die Evangelien quasi vom heiligen Geist diktiert wurden, daher mit besonderer Glaubwürdigkeit versehen und daher den wirklichen Jesus zeigen, ist traditionelle katholische Theologie, weit entfernt von der historisch-kritischen Bibelforschung. Das ist der entscheidende Punkt. Der heilige Geist macht den Unterschied.

    In Ihrer Aussage ist von der Sichtweise des jeweiligen Autors die Rede. Da fehlt völlig die Führung durch den Heiligen Geist, das Wir der Kirche, das die Wahrheit der Evangelien verbürgt. Was Ratzinger ja behauptet, ist dass sich in den Evangelien nicht nur der individuelle Autor sondern ein überindividueller “das Wir der Kirche”, übermenschlicher “der heilige Geist” Akteur äußert. Wie Sie zu der Meinung kommen, dass sich Ihre Aussage mit Ratzingers Sichtweise deckt, kann ich nicht ganz nachvollziehen.

    mfg georg

  102. #102 georg
    März 14, 2010

    Das Evangelium nach Benedikt: Die Verklärung

    Ob der Autor des Johannes-Evangeliums Jesus auch nur ein einziges Mal persönlich gesehen hat ist, vorsichtig formuliert, zumindest umstritten. Das hindert Ratzinger aber nicht, den Anspruch zu vertreten, es würde den Inhalt der Reden Jesu und, daraus folgend, die authentische Gestalt Jesu richtig wiedergeben und begründet dies mit der altbekannten Behauptung, das “Erinnern” des Evangelisten sei vom heiligen Geist geleitet.

    Im Übrigen ist es für Ratzinger allerdings nichts Ungewöhnliches, dass sich Autoren zu Jesus äußern, die nach unserem heutigen Verständnis (das moderne wissenschaftliche Weltbild, “Der Antichrist”) nichts von ihm wissen konnten.

    Im Übrigen ist es allerdings nichts Ungewöhnliches, dass in Ereignissen des Weges Jesu unterschiedliche typologische Zusammenhänge zusammenfließen und so sichtbar wird, dass Mose und die Propheten insgesamt von Jesu reden. (S. 355 – 356)

    Katholische Theologie; heute wie vor tausend Jahren.

    Ratzinger erklärt uns den Begriff “Verklärung”:

    Die Verklärung ist ein Gebetsereignis; es wird sichtbar, was im Reden Jesu mit dem Vater geschieht: die innerste Durchdringung seines Seins mit Gott, die reines Licht wird. In seinem Einssein mit dem Vater ist Jesus selbst Licht vom Licht. (S. 357)

    Im Weiteren erfahren wir

    Nun erscheinen Mose und Elija und sprechen mit Jesus. Was der Auferstandene den Jüngern auf dem Weg nach Emmaus erklären wird, ist hier sichtbare Erscheinung. Gesetz und Propheten sprechen mit Jesus, sprechen von Jesus. Einzig Lukas erzählt uns – wenigstens in einer kurzen Andeutung -, wovon die beiden Gotteszeugen mit Jesus redeten: … (S. 358 – 359)

    Die Art und Weise, wie uns Ratzinger diese Textstellen vorträgt zeigen deutlich, dass er nicht den Hauch eines Zweifels daran hat, dass sich das Erzählte auch wortwörtlich so zugetragen hat, wie er es schildert.

    Jetzt verstehen wir zumindest, woher der Moses des alten Testaments vom Jesus des neuen Testaments weiß. Er weiß es aus seiner Begegnung mit Jesus im neuen Testament.

    Die Schrift musste mit dem leidenden Christus neu gelesen werden und muss es immer wieder. Immer wieder müssen wir uns vom Herrn in sein Gespräch mit Mose und Elija hineinführen lassen; immer wieder von ihm, dem Auferstandenen, her neu die Schrift verstehen lernen. (S. 360)

    Also, Vom Christus der katholischen Theologie die Schrift verstehen lernen.

    Dieser, nicht ganz neue, Ansatz beschreibt in etwa das genaue Gegenteil der historisch-kritischen Methode.

    Gegen Ende des Kapitels (S. 364 – 365) erfolgt dann noch eine Anwendung dieses Ansatzes auf den Spruch “Von denen, die hier stehen, werden einige den Tod nicht kosten, bis sie die Herrrschaft Gottes (das Reich Gottes) sehen, gekommen mit Macht” mit dem vorhersehbarem Ergebnis, welches man hier wohl nicht näher ausführen muss.

    mfg georg

  103. #103 georg
    März 14, 2010

    Das Evangelium nach Benedikt: Selbstaussagen Jesu

    Wenn uns Zeugen Jesu bekunden, dass Jesus, “der Sohn” ist, dann ist das nicht im mythologischen oder im politischen Sinne gemeint – die beiden Deutungen, die sich vom Kontext der Zeit nahe legen. Es ist ganz wörtlich zu verstehen: Ja in Gott gibt es ewig den Dialog von Vater und Sohn, die beide im Heiligen Geist wirklich ein und derselbe Gott sind. (S. 369)

    Es geht mir hier nicht um die Frage, wie man es sich vorstellen soll, dass zwei unterschiedene personale Wesen ein und dasselbe personale Wesen sein sollen, sondern um die Aussage: Wenn uns Zeugen Jesu bekunden, dass Jesus, “der Sohn” ist, dann ist das … ganz wörtlich zu verstehen.
    Mit der Formulierung “Wenn uns Zeugen Jesu bekunden” soll offensichtlich ausgedrückt werden, dass wir von der Wahrheit dieser Überlieferung auszugehen haben.

    Man betrachte im Kontrast dazu, die Aussage von Jörg Friedrich:

    Es ist im Christentum nich üblich, die Bibel wörtlich als Bericht von tatsächlich stattgefundenen Wahrheiten zu lesen, sondern als Glaubensbekenntnis, bei denen überlieferte Geschichten aus der Sichtweise der jeweiligen Autoren und ihrer historischen Situation heraus aufgeschrieben wurden.

    mfg georg

  104. #104 BreitSide
    März 14, 2010

    Vielen Dank, georg, dass Du die Dinge so schön auf den Punkt bringst und das auch so schön belegst. Du sprichst mir damit meistens genau aus der Seele.

    Jetzt aber genug von der Lobhudelei!

    Zumal ja momentan eher “der Andere” eher unter Beschuss ist. Soll er doch selbst einen Pädopriester eingesetzt haben…

  105. #105 Jörg Friedrich
    März 14, 2010

    @georg: Es ist wirklich schade, dass Sie meinen Vorschlag nicht aufgegriffen haben, die Diskussion um Ratzingers Jesus-Deutung in einem neuen, eigens dafür angelegten Ordner zu führen. Hier folgen ja leider nur noch zwei oder drei Leser.

    Sehen Sie, in meinem diskutierten Satz ging es um die Frage, ob die Ereignisse, die die Evangelien beschreiben, für Christen wirklich so stattgefunden haben. Wir hatten nun festgestellt, dass dies nicht der Fall ist. Die Evangelien sind Glaubensbekenntnisse, wir können auch sagen, Glaubens-Zeugnisse. Sie hatten völlig zu Recht den Aspekt angeführt, dass diese Zeugnisse aus Sicht der Kirchen jedoch durch göttlichen Beistand geschrieben wurden – dieser Aspekt war in meinem Satz zu kurz gekommen.

    Nun aber wechseln Sie den Gegenstand. Sie sprechen nicht mehr über die Ereignisse, von denen die Evangelien berichten, sondern über die Glaubens-Zeugnisse selbst – über die Frage des vater-Sohn-Verständnisses z.B. Sie verweisen darauf, dass Ratzinger diese selbstverständlich wörtlich nimmt und als wahr ansieht. Das aber habe ich nie bestritten, darin besteht gar kein Dissenz zwischen uns.

    Wie schon gesagt, ich kann Ihnen nur noch einmal danken für die Arbeit, die Sie sih hier gemacht haben. Ich hoffe, dass der eine oder andere doch noch in diesen Ordner findet und unsere Dskussion mit Gewinn liest.

  106. #106 BreitSide
    März 14, 2010

    @Jörg Freidrich:

    Sehen Sie, in meinem diskutierten Satz ging es um die Frage, ob die Ereignisse, die die Evangelien beschreiben, für Christen wirklich so stattgefunden haben. Wir hatten nun festgestellt, dass dies nicht der Fall ist.

    Wie bitte? Das hast Du so postuliert. Gegen erheblichen Widerstand. Und ohne irgendwelche Belege. Du hast nie dargelegt, woher diese Deine Meinung stammt.

    Meinst Du jetzt “die Christenheit”? Also die “Leute auf der Straße”? Da kenne ich selbst genügend, die diese “Wahrheiten” glauben. In D. Und wie sieht das in Italien aus? Oder gar in Spanien? Oder in Südamerika? Oder in Afrika? Oder in den USA? Oder in den Philippinen? Ich schätze, dass da hohe zweistellige Prozentzahlen rauskommen.

    Oder meinst Du die Amtskirche? Dann sagt ja georgs Antwort alles.

    Wie wäre ein ehrenhafter Rückzug?

  107. #107 S.S.T.
    März 14, 2010

    @Jörg Friedrich

    Ich habe hier alles verfolgt, bin ich jetzt der vierte Leser? Ich vermisse immer noch den Beleg, dass die Bibel nicht wörtlich zu nehmen ist. Was z.B. ist von den 10 Geboten nicht wörtlich zu nehmen, evtl. so wie bei der 1. Allgem. Verunsich.: “Du sollst nicht töten, außer wenn von Nöten”? Das Glaubensbekenntnis, eine Auslegungssache des Zeitgeists? Also die völlige Gleichberechtigung der Ansichten der RKK mit den diversen Reformierten und Orthodoxen?

  108. #108 ali
    März 14, 2010

    Auch Nummer 5 liest mit und hat seine Meinung zum umstrittenen Satz nicht geändert.

  109. #109 BreitSide
    März 14, 2010

    # 5 lebt? Input! Input!

  110. #110 Andrea N.D.
    März 15, 2010

    Ich nehme an, dass ich Nr. 2 oder 3 bin, aber ich bin auch der Meinung, dass es zumindest den Kommentatoren nicht ausschließlich um Auflagenzahlen oder “Rechtzubehalten” geht.

    Ich versuche es noch einmal mit dem “unseligen” Satz:

    “Es ist im Christentum nich üblich, die Bibel wörtlich als Bericht von tatsächlich stattgefundenen Wahrheiten zu lesen, sondern als Glaubensbekenntnis, bei denen überlieferte Geschichten aus der Sichtweise der jeweiligen Autoren und ihrer historischen Situation heraus aufgeschrieben wurden.”

    Langsam kommt es mir so vor, als ob dieser absichtlich so undeutlich formuliert wurde, damit sämtliche Auslegungsmöglichkeiten offen bleiben – eine Taktik, von der übrigens die Bibelgenese lebt. Der von Jörg Friedrich von Georgs Beitrag aus dem Zusammenhang gerissener Satz wies darauf hin.

    1. Argument: Die Bibel stellt keinen Bericht von tatsächlichen Ereignissen dar. Inwiefern “Wahrheit” hier mitspielt ist mir nach wie vor schleierhaft.
    2. Argument: Stattdessen beinhaltet die Bibel “temporäre, geschichtliche, autorenspezifische” Glaubensbekenntnisse.
    Das erste Argument wird schon sehr lange diskutiert und Einigkeit besteht zumindest darüber, dass die Bibel nicht Ereignisse auf dem Mars beschreibt, sondern auch auf geschichtliche Ereignisse referriert. Langsam beginne ich zu erahnen, mit welchen Problemen Jörg Friedrich kämpft. Das zweite Argument kann durchaus aus Sicht eines Atheisten mit einer guten Portion Ignoranz gegenüber Religion so gesehen werden. Bleibt bloß noch das Problem mit “Es ist im Christentum nicht üblich …”, wie von BreitSide zuletzt noch einmal erwähnt. Und hier genau ist der Knackpunkt, an dem georg von der Religion her angegriffen hat. Von dieser Seite her ist das zweite Argument leider komplett falsch.

    Ich rufe noch einmal in Erinnerung, wofür diese Argumentationskette eigentlich gedacht war: “Deshalb kann man aus heutiger Sicht Maria durchaus als eine Frau ansehen, die den Mut hatte, unverheiratet schwanger zu werden.”
    Also der Mut von Maria wird damit begründet, dass die Bibel “von dem Christentum” als temporäre, individuelle Glaubensbekenntnisse gelesen wird . Verstehe ich immer noch nicht.

  111. #111 Thomas J
    März 15, 2010

    Ich lese auch noch mit…
    Ich stimme aber Jörg Friedrichs Satz weiterhin zu. Es wurde eigentlich alles schon gesagt.

    Ein paar Kkleinigkeiten will ich noch festhalten:

    @georg
    Wenn der Papst von Wahrheiten spricht, ist das nicht gleich zu verstehen mit historisch “so isses gewesen”.

    @SST
    Du vermischst da zwei Sachen.
    Es ging um die Auslegung der Bibel als wörtlich zu nehmende historische Quelle und nicht um die wörtliche Befolgung von Gesetzen in der Bibel.

    @Andrea
    “Also der Mut von Maria wird damit begründet, dass die Bibel “von dem Christentum” als temporäre, individuelle Glaubensbekenntnisse gelesen wird . Verstehe ich immer noch nicht.”

    Verstehen kannst du das nicht, das musst du eben glauben. Und wenn du das glaubst, ist das eine tiefere Wahrheit, die du erkennst. 🙂

  112. #112 Jörg Friedrich
    März 15, 2010

    Ich lese auch noch mit 😉 habe aber momentan keine Zeit zu ausführlichen Antworten.

    Nur so viel: in meinem oft zitierten Satz ging es um den Umgang mit Berichten von Ereignissen in der Bibel. Es ging um die Frage, ob es im Christentum üblich ist, diese Berichte wörtlich zu nehmen. Es ging nicht um die Frage, ob es üblich ist, Glaubensbekenntnisse (Jesus ist Gottes Sohn) oder Handlungsanweisungen (die 10 Gebote) wörtlich zu nehmen. Falls das bisher nicht klar genug gesagt wurde, sei es hiermit definitiv klargestellt.

    Ansonsten denke ich auch, dass inzwischen alles gesagt und auch schon mehrfach wiederholt wurde. Ich hatte nicht die Hoffnung, irgend jemanden der Diskutanten hier von etwas zu überzeugen. Die Voraus-Setzungen sind doch zu verschieden. Gut ist in jedem Falle, dass die verschiedenen Standpunkte ausführlich dargelegt wurden. Vielleicht wurde der eine oder andere auch angeregt, sich auf lange Sicht mit dem tatsächlichte Bibel-Verständnis innerhalb des ganzen Christentums und nicht nur mit Extremformen religiöser Eiferer zu beschäftigen.

  113. #113 Andrea N.D.
    März 15, 2010

    @Thomas:
    Hm, aber dann ist es ja beliebig. Ich kann also das Glaubensbekenntnis von xy aus dem 3. Jh. nach Christus nehmen und es auf die eine Art auffassen oder ich nehme das Glaubensbekenntnis von yz aus dem 2. Jh. nach Christus und interpretiere dieses nach meinen Glaubensbedürfnissen um. Oder ich nehme gleich die Aussagen von Luther oder Frau Käßmann zum Thema (die stehen dann allerdings nicht zwingend in der Bibel).
    Diese Lesart hat georg definitiv widerlegt. Im Katholizismus ist es nicht den Gläubigen überlassen, was sie so glauben wollen. Was Maria angeht, wollte ich nur ausdrücken, dass ich nicht verstehe, was eine angebliche Lesart der Bibel mit dem Mut Marias zu tun hat.

  114. #114 Thomas J
    März 15, 2010

    @andrea

    ja, das ist auch nicht die lesart der katholischen Kirche, wurde nie behauptet, denn die hat auf die Interpretation die Wahrheit gepachtet. Es ging ja um den Umgamg mit der bibelforschung…

    Wegen deinem Marienproblem… ich glaube auch da wurde alles gesagt?
    Und bis froh, hast du noch keine Predigt von feministischen Theooginnen gehört… da werden dann noch ganz andere x-beliebige Gestaltinnen wahlweise mit heroischen Attributen beglückt 🙂

  115. #115 Andrea N.D.
    März 15, 2010

    @Thomas J.
    Als ich der Kirche (und damit der sonntäglichen Kirchrennerei) entfloh, gabs noch keine “Emanzipation”. Da fällt mir ein, in der katholischen Kirche gibt es nach wie vor keine Theologinnen, die etwas über mutige Frauen erzählen …

    Ich werde an dieser Stelle aussteigen. Mich nervt die Tatsache, dass es hier offensichtlich gar nicht darum geht, wenn ungenaue und falsche Dinge behauptet werden und diese minuziös berichtigt werden, dass dies dann angenommen werden kann, sondern um Klickzahlen und Rechtbehalten. Das ist keine Diskussion, die ich führen muss. Vielen Dank an Dich, BreitSide und vor allem georg, von dem ich viel über Benedikt erfahren durfte.
    N.B. Benedikt alias Ratzinger hat mich übrigens gefirmt. Ist das nicht ein Kompetenzbonus? :-).

  116. #116 Jörg Friedrich
    März 15, 2010

    Da fällt mir ein, in der katholischen Kirche gibt es nach wie vor keine Theologinnen, die etwas über mutige Frauen erzählen

    Sie unterschätzen die katholischen Theologinnen:
    Mit Leidenschaft leben und glauben: 12 starke Frauen Lateinamerikas

    Weitere Informationen finden Sie beim Forum Katholischer Theologinnen e.V.

  117. #117 Andrea N.D.
    März 15, 2010

    @Jörg Friedrich:
    Thomas J. und ich hatten von dem Besuch einer Messe hier gesprochen. Ich habe hier noch nicht erlebt, dass eine Frau priesterliche Tätigkeiten im Katholizismus übernehmen darf. Es wäre begrüßenswert, wenn dies zusammen mit der Abschaffung des Zölibats in Angriff genommen würde. Solange es aber immer noch Leute gibt, die – trotz außerhalb der Kirche stehend – derartige Dinge zwanghaft verteidigen, sieht es wohl eher schlecht aus, dass auch Frauen von der Kanzel etwas von “angeblich mutigem Verhalten der Eva” erzählen.

    Zudem hinkt der Vergleich mit Lateinamerika enorm, da dort die christliche Religion ja nun doch ein bisschen anders praktiziert wird als hier. Ich denke da spontan an die hysterischen Marienverehrungen und an die Wundergläubigkeit, beispielsweise in Mexiko.

    Und als letztes muss ich als Geschichtswissenschaftlerin nicht ausgerechnet in der Bibel (die ja nicht einmal als “historisches Zeugnis” gilt) nach “mutigen” Frauen suchen. Ich denke, dass dies von Theologinnen zwecks Anpassung der Religion an die geänderte Situation der Frau praktiziert wird. Mir wäre es lieber, gleich ein repressives und frauenverachtendes System zu eliminieren, als darin vermeintlich mutige Frauen zu hinein zu konstruieren. Nach dem Motto, wie oben bereits gesagt wurde, eine Verweigerung wäre mutig gewesen, nicht ungewollt schwanger werden und das Kind einem anderen anhängen. Vielleicht gab es ja schon unzählige Frauen vor Maria, die Gott die Stirn geboten hatten (und die er dann selbstverständlich mit einem Blitz niederstreckte) und Maria war die erste schwache unter Ihnen, die den Befehlen gehorchte?!? Das schöne an der Bibel ist doch die Spekulation darüber, was NICHT darin steht :-).

  118. #118 Thomas J
    März 15, 2010

    @Andrea

    “Solange es aber immer noch Leute gibt, die – trotz außerhalb der Kirche stehend – derartige Dinge zwanghaft verteidigen, sieht es wohl eher schlecht aus, dass auch Frauen von der Kanzel etwas von “angeblich mutigem Verhalten der Eva” erzählen.”

    Ich glaube, du verwechselst da was. Es gibt keine Priesterinnen, aber sehr wohl Frauen in der Position von Gemeindeleiterinnen, die Predigen und GD’s machen.

  119. #119 Andrea N.D.
    März 15, 2010

    @Thomas J.
    Oh, wie schön. Ändert aber nichts an meinem letzten Absatz.

  120. #120 BreitSide
    März 16, 2010

    Es gibt…Frauen in der Position von Gemeindeleiterinnen, die Predigen und GD’s machen

    Du hast das Wort “noch” in Deinem Satz vergessen. Diese Frauen sind dem derzeitigen Papst mW ein Dorn im Auge. Schon Ministrantinnen mochte/mag er nicht. Oder war das JPII?

    Was ist mit Jörgs Bild passiert?

  121. #121 Jörg Friedrich
    März 16, 2010

    Ich habe das Bild ausgewechselt, da das andere vier Jahre alt war. Die Zahl der grauen Haare stimmte nicht mehr und die Zahl der Brillengläser auch nicht. Ihr sollt euch doch ein zutreffendes Bild von mir machen können – wenigstens optisch.

  122. #122 BreitSide
    März 16, 2010

    Andrea N.D.·
    15.03.10 · 16:06 Uhr

    @Jörg Friedrich:
    Thomas J. und ich hatten von dem Besuch einer Messe hier gesprochen. Ich habe hier noch nicht erlebt, dass eine Frau priesterliche Tätigkeiten im Katholizismus übernehmen darf. Es wäre begrüßenswert, wenn dies zusammen mit der Abschaffung des Zölibats in Angriff genommen würde. Solange es aber immer noch Leute gibt, die – trotz außerhalb der Kirche stehend – derartige Dinge zwanghaft verteidigen, sieht es wohl eher schlecht aus, dass auch Frauen von der Kanzel etwas von “angeblich mutigem Verhalten der Eva” erzählen.

    Zudem hinkt der Vergleich mit Lateinamerika enorm, da dort die christliche Religion ja nun doch ein bisschen anders praktiziert wird als hier. Ich denke da spontan an die hysterischen Marienverehrungen und an die Wundergläubigkeit, beispielsweise in Mexiko.

    Und als letztes muss ich als Geschichtswissenschaftlerin nicht ausgerechnet in der Bibel (die ja nicht einmal als “historisches Zeugnis” gilt) nach “mutigen” Frauen suchen. Ich denke, dass dies von Theologinnen zwecks Anpassung der Religion an die geänderte Situation der Frau praktiziert wird. Mir wäre es lieber, gleich ein repressives und frauenverachtendes System zu eliminieren, als darin vermeintlich mutige Frauen zu hinein zu konstruieren. Nach dem Motto, wie oben bereits gesagt wurde, eine Verweigerung wäre mutig gewesen, nicht ungewollt schwanger werden und das Kind einem anderen anhängen. Vielleicht gab es ja schon unzählige Frauen vor Maria, die Gott die Stirn geboten hatten (und die er dann selbstverständlich mit einem Blitz niederstreckte) und Maria war die erste schwache unter Ihnen, die den Befehlen gehorchte?!? Das schöne an der Bibel ist doch die Spekulation darüber, was NICHT darin steht :-).

    Interessante Vorstellung, das mit den unbekannten Verweigerinnen! Und man sieht nur, die im Licht stehn, die im Dunkeln sieht man nicht… Bzw die stehen ja nach Deiner Vorstellung kurzfristig extrem im Licht.

    Erinnert an das anthropische Prinzip. Hm.

  123. #123 BreitSide
    März 16, 2010

    Jörg Friedrich·
    16.03.10 · 22:01 Uhr

    Ich habe das Bild ausgewechselt, da das andere vier Jahre alt war. Die Zahl der grauen Haare stimmte nicht mehr und die Zahl der Brillengläser auch nicht. Ihr sollt euch doch ein zutreffendes Bild von mir machen können – wenigstens optisch.

    Jaja, wir werden alle nicht jünger, nur reifer…:-)

  124. #124 Jörg Friedrich
    April 28, 2010

    @georg: Nun also hier weiter zu der Frage, ob auch Ratzinger zu kritisieren wäre wenn er seine Jesus-Deutung im Brustton der Überzeugung dargestellt hätte. Wie gesagt, er wäre natürlich dafür zu kritisieren. Wie Sie aber selbst in Ihrem Kommentar (georg· 11.03.10 · 11:24 Uhr) explizit schreiben, tut Ratzinger das gar nicht. Es ist doch gut, wenn man Diskussionen da führt, wo sie hingehören.

  125. #125 georg
    April 28, 2010

    @Jörg Friedrich
    ich habe mal das oben zitierte hierher kopiert.

    Jesus versteht sich selbst als die Tora – als das Wort Gottes in Person. Der gwaltige Prolog des Johannes-Evangeliums “Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott” sagt nichts anderes, als was der Jesus der Bergpredigt und der jesus der synoptischen Evangelien sagt. der Jesus des vierten Evangeliums und der Jesus der Synoptiker ist ein und derselbe: der wahre “historische” Jesus. (S. 143)

    Die Aussage z. B. “Jesus versteht sich selbst als das Wort Gottes in Person” empfinden Sie nicht als” im Brustton der Überzeugung” vorgetragen? Besonders, wenn man dazu berücksicht, dass die Deutung, dass Jesus sich selbst für göttlich gehaten hat, zumindest umstritten ist.
    Oder nehmen Sie diesen Brustton bei Theologen vielleicht grundsätzlich nicht wahr?

    mfg georg

  126. #126 georg
    April 28, 2010

    @Jörg Friedrich
    Da Sie nur zu meinem ersten statement etwas gesagt haben, kopiere ich den zweiten Teil auch noch hierher.

    Ich wüsste gern, warum Sie der Meinung sind, dass ich hinsichtlich theologischer Forschungen nicht die Forderung erheben würde, sie dürften nicht im Brustton der Überzeugung formuliert werden.

    Das kann ich Ihnen beantworten. Dahinter steckt ja die Frage nach der Sicherheit menschlicher Erkenntnis. Im ReligionsFred haben Sie das folgende geschrieben:

    Tatsächlich hat die Theologie die Existenz eines Gottes, von dem sie spricht (oder lehrt) vorraus. Aber sie will diese Existenz auch nicht beweisen – diese Existenz ist dem Theologen selbstverständlich.

    Wenn dem katholischen Theologen die Existenz des katholischen Gottes (allmächtig, allgütig, dreifaltig, inklusive Sohn und heiliger Geist) so selbstverständlich wäre, dass er die Forschung nach objektiven Belegen für überflüssig hielte, wäre es doch ziemlich seltsam von ihm zu erwarten, dass er sich diesbezüglich nicht “im Brustton der Überzeugung” äußert. Das ist doch widersprüchlich oder?

    mfg georg

  127. #127 Jörg Friedrich
    April 28, 2010

    @georg: niemand verlangt, dass ein Forscher (ich vermeide bewusst das Wort Wissenschaftler) jeden seiner Aussagesätze im Konjunktiv formuliert. Aber wenn er bereits im Vorwort mitteilt (wie Sie an der von mir angegebenen Stelle zitiert haben)

    Gewiss brauche ich nicht eigens zu sagen, dass dieses Buch in keiner Weise ein lehramtlicher Akt ist, sondern einzig Ausdruck meines persönlichen Suchens “nach dem Angesicht des Herrn” (vgl. Ps 27,8). Es steht daher jedermann frei, mir zu widersprechen. (S. 22)

    dann ist das für mich alles andere als “Brustton der Überzeugung.

  128. #128 georg
    April 28, 2010

    @Jörg Friedrich
    Dieser eine Satz im Vorwort, ändert nichts daran, dass er im Haupttext eine Reihe von zumindest strittigen Behauptungen in einer apodiktischen Weise ausführt, dass es für denjenigen, der nicht schon darüber informiert ist (dem einfachen katholischen Gläubigen “die Schafe”) möglichst nicht erkennbar wird, wie verwegen diese Behauptungen sind.
    Das ist ziemlich genau das was ich unter einem für Theologen üblichen “Brustton der Überzeugung” verstehe. Und das Zitat ist ein Beispiel dafür.

    Und dass dieser “Brustton der Überzeugung” auch genau zu dem von Ihnen skizzierten Verständnis des Theologen passt, dem das alles schon so selbstverständlich ist, dass er es schon gar nicht für nötig hält, nach objektiven Belegen zu forschen und das sogar angeblich nicht mal will, dazu haben Sie noch nichts gesagt.

    mfg georg

  129. #129 Jörg Friedrich
    April 28, 2010

    Dem Theologen ist ja nicht alles selbstverständlich, er nimmt nicht alles als fraglos hin, sondern nur die eine Setzung, nämlich dass Gott existiert. Selbst über die Frage ob Gott gütig oder allmächtig ist, kann man in der Theologie streiten.

  130. #130 georg
    April 29, 2010

    @Jörg Friedrich

    Hätten Sie Recht und nur die reine Existenz göttlicher Wesen wäre unhinterfragt vorausgesetzt, gäbe es folgerichtig unterschiedliche Vorstellungen über die konkreten Eigenschaften und man würde entsprechende argumentative Auseinandersetzungen erwarten können, z. B. über die Frage ob Gott gütig oder allmächtig ist, oder über die Frage ob Gott ein Wesen ist oder ob es mehrere götlliche Wesen gibt oder ob Jesus auch göttlich ist usw…

    Ja, wenn Sie mit Ihrer Ansicht Recht hätten, würde es so etwas geben, und zwar nicht selten.

    Können Sie hier ein (in Worten eins) Beispiel vorstellen, für eine öffentlich einsehbare Diskussion über den göttlichen Charakter Jesu (Gott und Mensch oder nur Mensch oder nur Gott oder …) zwischen katholischen Theologen, die an einer katholischen Fakultät tätig sind oder waren, in der die Kontrahenten wirklich ernsthaft unterschiedliche Auffassungen vertreten haben (nicht nur irgendwelche scholastischen Spitzfindigkeiten) ohne dass dies arbeitsrechtliche Konsequenzen hatte?

    Wenn Sie Recht hätten, sollte Ihnen das nicht schwerfallen.

    mfg georg

  131. #131 Andrea N.D.
    April 29, 2010

    @JF
    “Dem Theologen ist ja nicht alles selbstverständlich, er nimmt nicht alles als fraglos hin, sondern nur die eine Setzung, nämlich dass Gott existiert.”
    Kopfschüttel über so viel Ignoranz. Schade oder gut für Sie, dass kein Theologe mitliest.

  132. #132 Thomas J
    April 29, 2010

    @Andrea N

    “Schade oder gut für Sie, dass kein Theologe mitliest.”

    Ich finds ausgesprochen Schade.
    Zu oft wird hier um Halbgegartes rumgeredet (von beiden Seiten her, wies mich dünkt).

  133. #133 Andrea N.D.
    April 29, 2010

    @Thomas:
    Na ja, ich wollte JF hinsichtlich seiner ketzerischen Äußerungen nur das Fegefeuer ersparen …
    Tatsächlich argumentiert er hier aber hochnaiv gegen Georg und ich bin auf seine Antwort an Georg gespannt. Irgendwann wird sich schon einmal die göttliche Einsicht zeigen, dass man nicht in allem Recht behalten muss im Leben …

  134. #134 Thomas J
    April 29, 2010

    @Andrea N.

    Zur naiven Argumentationsweise ein Beispiel:

    JF:
    “Selbst über die Frage ob Gott gütig oder allmächtig ist, kann man in der Theologie streiten.”

    georg:
    “Können Sie hier ein (in Worten eins) Beispiel vorstellen, für eine öffentlich einsehbare Diskussion über den göttlichen Charakter Jesu (Gott und Mensch oder nur Mensch oder nur Gott oder …) zwischen katholischen Theologen, die an einer katholischen Fakultät tätig sind oder waren, in der die Kontrahenten wirklich ernsthaft unterschiedliche Auffassungen vertreten haben (nicht nur irgendwelche scholastischen Spitzfindigkeiten) ohne dass dies arbeitsrechtliche Konsequenzen hatte?”

    Man beachte die vorsichtige Formulierung JF’s mit “kann” und die Entgegnung georgs…

    Ich halte das für kontraproduktiv. Auch wenn ich mit vielen Formulierungen JF’s unglücklich oder nicht einverstanden bin, so wird auf diesem Blog sehr oft aneinander vorbeigeredet.
    (Konkrete inhaltliche Fehlleistungen JF’s, die es anscheinend (ich vermag das in den meisten Fällen nicht zu beurteilen) sind mit obiger Aussage ausgeklammert)

  135. #135 georg
    April 29, 2010

    @Thomas J
    Die vorsichtige Formulierung JF’s mit “kann” hatte ich durchaus zur Kenntnis genommen und mir so meine Gedanken darüber gemacht.

    Das ändert aber nichts daran, dass, wenn die einzige Glaubens”wahrheit” die unhinterfragt vorausgesetzt würde, die reine Existenz göttlicher Wesen wäre, wie von JF postuliert wird, hätte dies genau die von mir aufgezeigten (Diskussions-)Folgen.

    Gibt es diese Folgen nicht, dann stimmt irgendwas bei den postulierten Voraussetzungen nicht. Das ist nicht kontraproduktiv, das ist kritisches hinterfragen von Behauptungen.

    Ebenso wie Andrea bin ich gespannt auf JFs Ausführungen.

    mfg georg

  136. #136 Andrea N.D.
    April 29, 2010

    @Thomas J.
    Okay, dann guck doch einmal hinüber zu “Ist Theologie eine Wissenschaft” und zeige mir die explizite Formulierung, in der JF sagt, dass Theologie keine Wissenschaft ist. Für die Tatsache, dass er in seinem Artikel im “Brustton der Überzeugung ” gefordert hat, dass Theologie als Wissenschaft anzuerkennen sei (Konjunktiv der indirekten Rede), hat er dann aber ganz schön Probleme, seine vermeintlich geänderte Meinung deutlich und klar zu artikulieren. Das Aneinandervorbeireden scheint hier durch JF absichtlich zu erfolgen.

    Dein Argument gegen Georg kann ich nicht nachvollziehen. Wenn Du den gesamten Thread und die dazugehörigen Diskussion an anderen Orten aufmerksam verfolgt hast, ist Georgs Frage mehr als berechtigt.

    Was mich angeht, hätte ich mich auch nicht mehr eingemischt; was ich dann aber für wirklich komisch halte ist, wenn JF Wissenschaftlern Anweisungen gibt, wie sie sich zu verhalten haben, während er selbst für sich nicht einmal definieren kann, was er eigentlich unter Wissenschaft versteht, geschweige denn eine annähernde Übereinstimmung mit der allgemeinen Begriffsbestimmung in diesem Bereich findet.
    Dies jedoch in fast jedem Artikel zu wiederholen ist sehr ermüdend; trotzdem macht das die oftmals skurrilen Behauptungen in den Artikeln durch Wiederholung nicht besser. Manchmal ist es ja so, wenn man eine falsche Sache nur lange genug wiederholt, wird schon irgendwann niemand mehr widersprechen …

  137. #137 Thomas J
    April 29, 2010

    @georg

    “Gibt es diese Folgen nicht, dann stimmt irgendwas bei den postulierten Voraussetzungen nicht. Das ist nicht kontraproduktiv, das ist kritisches hinterfragen von Behauptungen.”

    Da habe ich leider zu wenig oder besser gesagt, gar keinen Einblick in den Unialltag an den theologischen Fakultäten.

    Um doch noch einen Versuch des Verständnisses zu wagen:

    Die Postulierung lautete: “Dem Theologen ist ja nicht alles selbstverständlich, er nimmt nicht alles als fraglos hin, sondern nur die eine Setzung, nämlich dass Gott existiert.”

    Die Trinitätslehre als Beispiel wird zwar sicher “als selbstverständlich”(weil man sich darauf geeinigt hat) angenommen, aber auch fraglos?
    Das wage ich zu bezweifeln.
    Deine Forderungen nach “aufgezeigten (Diskussions-)Folgen” sind vielleicht zu hoch gegriffen? Ich kann das nicht beurteilen. Vielleicht packt mich die Lust und ich Frage am Wochenende mal die Pfarrschaft, dann würde ich mich nochmals melden 🙂

  138. #138 Thomas J
    April 29, 2010

    @Andrea N

    Gerade der Artikel Theologie-Wissenschaft hat mir ziemlich abgelöscht.
    Deine Behauptung “Das Aneinandervorbeireden scheint hier durch JF absichtlich zu erfolgen.” unterschreibe ich zu 50%. Ich würde es eher als unabsichtliche Absicht formulieren. An einem Vorbeireden hat niemand ernsthaftes Interesse.

    “Dein Argument gegen Georg kann ich nicht nachvollziehen. Wenn Du den gesamten Thread und die dazugehörigen Diskussion an anderen Orten aufmerksam verfolgt hast, ist Georgs Frage mehr als berechtigt. ”

    Vielleicht hat meine 2. Antwort für Klarheit gesorgt?

  139. #139 georg
    April 29, 2010

    @Thomas J
    Du musst unterscheiden zwischen dem was nach JFs Aussage von der Theologie als (angeblich einzige) nicht hinterfragbare Setzung vorausgesetzt wird (die reine Existenz) und zwischen dem was an katholischen theologischen Fakultäten in Wirklichkeit alles als Glaubenswahrheiten vorausgesetzt wird.

    Es ist ja gerade so, dass ich die Aussage von JF, dass es “nur die eine Setzung, nämlich dass Gott existiert” ist, eben nicht für korrekt halte.

    Mein Argument ist einfach: Hätte JF Recht, gäbe es entsprechende Diskussionen, die sich auch in Journalen, Zeitschriften, Büchern usw. niederschlagen würden. Gibt es dies nicht ist JFs postulierte Voraussetzung so nicht korrekt.

    Die von dir angesprochene Trinitätslehre ist gerade ein Beispiel für eine der katholischen Glaubenswahrheiten, die von einem katholischen Theologen nicht grundsätzlich in Frage gestellt werden dürfen. Und damit schon ist JFs Formulierung so nicht haltbar.
    Mal sehen, wie ihm sich das und er das uns darstellt.

    mfg georg

  140. #140 Thomas J
    April 29, 2010

    @georg

    “Hätte JF Recht, gäbe es entsprechende Diskussionen, die sich auch in Journalen, Zeitschriften, Büchern usw. niederschlagen würden. Gibt es dies nicht ist JFs postulierte Voraussetzung so nicht korrekt.”

    Genau da seh ich den Haken.
    Wie stellst du dir das vor, einen wissenschaftlichen(!) Diskurs über etwas, was man nicht anfassen, nicht belegen, nicht widerlegen kann?

  141. #141 Wb
    April 29, 2010

    Mein Argument ist einfach: Hätte JF Recht, gäbe es entsprechende Diskussionen, die sich auch in Journalen, Zeitschriften, Büchern usw. niederschlagen würden. Gibt es dies nicht ist JFs postulierte Voraussetzung so nicht korrekt.

    LOL
    Dementsprechende Diskussionen gibt es ja, sollten diese von Ihnen nicht zK genommen worden sein, so liegt das möglicherweise an der Medienlage, am Dissenz zwischen öffentlicher und veröffentlichter Meinung und an Ihrem Konsumverhalten.
    Das ist ganz einfach.

    Ob die Theologie Wissenschaft ist, ist Definitionssache, auch marxistisch inspirierte Sichtweisen haben es so zu sagen in die Wissenschaft (zuvor auch national-sozialistische) geschafft, wirtschaftswissenschaftliche liberale oder soz-angehauchte sind allgemein anerkannt, eben als Wissenschaft.

    Man kann hier durchaus ein wenig lockerer sein, was die Sichten (“Theorien”) und deren Bestimmung als Wissenschaft betrifft, selbstverständlich wird immer auch gemessen (vgl. Sie gewerkschaftlich oder kirchlich in Auftrag gegebene Studien), aber am Schluss gilt dann doch: Wissenschaft ist Gesinnung.

    Muss sie in Teilen auch sein, in der Mathematik oder Physik natürlich bestmöglich nicht, aber auch dort soll es Besonderheiten geben.

    MFG
    Wb

  142. #142 georg
    April 29, 2010

    @Thomas J
    Ich habe ja gerade nicht behauptet, dass es sich bei katholischer Dogmatik, und die ist ja auch Tel der katholischen Theologie, um einen wissenschaftlichen Diskurs handelt, unabhängig davon ob die an der Uni betrieben wird oder wo anders.

    Gerade weil man in diesem Bereich nichts belegen kann, enstünden solsche Diskussionen, wenn sie ncht durch dogmatische Festlegungen von vornherein unterbunden würden, wie das eben in der Realität geschieht.

    Genau meine Rede.

    Es ist an JF deine und meine Frage zu beantworten.

  143. #143 Wb
    April 29, 2010

    @georg:
    Welche Frage? Die nach der Wissenschaftlichkeit? – Die dbzgl. Antwort könnte klar sein.

    Anders bestellt ist es, ob und wann man welche Wissenschaften ablehnen sollte. Diese Frage ist mit einem bedingten ja (für das ob) und einem dann (wenn die gesellschaftlichen Normen angegriffen werden und diese als erhaltenswert eingestuft werden) zu beantworten.

    Isch doch ganz einfach. Beim Christentum sind dbzgl. Fragen oft nicht eindeutig zu beantworten, man ist diesem ja durchaus als Zivilisationsgrund gewogen, aber bei anderen Religionen – bei denen der Wahnsinn offenbar wird – sehr viel leichter.

    MFG
    Wb

  144. #144 Jörg Friedrich
    April 29, 2010

    Ich bin im Moment unterwegs, kann deshalb die Kommentare zwar per Mail lesen aber leider nicht ausführlich antworten. Deshalb nur so viel.

    georg verlangt ein Beispiel für eine theologische Debatte um ein zentrales Thema. Das Theodizee-Problem hat er ja selbst schon angesprochen, da kann man bei Wikipedia einsteigen und sehen, wie viele unterschiedliche Standpunkte verschiedene Theologen dazu öffentlich einnehmen.

    Nun schränkt georg diese Frage nach einem Beispiel weiter ein, zunächst auf katholische Theologen, dann auf die Frage nach der göttlichkeit Jesu oder auf die Trinität. spätestens hier wird es m.E. merkwürdig, weil ich ja gesagt hatte, dass Gott natürlich ungefragt vorrausgesetzt wird, und das heißt für den Katholiken natürlich Trinität und Jesus als Sohn Gottes.

  145. #145 georg
    April 30, 2010

    @Jörg Friedrich

    Eben!

    Die katholische Theologie setzt nicht nur die reine Existenz eines göttlichen Wesens voraus, wie Ihre obige Aussage fälschlicherweise impliziert, sondern das ganze katholische Gottesbild mit seinen Verwandtschaftsbeziehungen, dem heiligen Geist, dem göttlichen Status Jesu, bis hin zur exklusiven Übertragung der “Schlüsselgewalt” an die katholische Kirche und der Inthronisierung des Papsttums usw..

    Sind wir uns an dieser Stelle jetzt soweit einig?

  146. #146 Jörg Friedrich
    April 30, 2010

    @georg: Natürlich setzt jede Theologie nicht die Existenz irgendeines göttlichen Wesens voraus, sondern die Existenz ihres Gottes. Wenn ich das nicht präzise genug gesagt habe, bitte ich um Entschuldigung.

  147. #147 georg
    April 30, 2010

    @Jörg Frieidrich
    Wir können also davon ausgehen, dass der Begriff “Existenz Gottes” für den katholischen Theologen hier die gesamte katholische Gottesvorstellung umfasst.
    In dem Fred Ist die Theologie eine Wissenschaft? haben Sie die Theologie im Haupttext u. a. folgendermaßen charakterisiert:

    Tatsächlich hat die Theologie die Existenz eines Gottes, von dem sie spricht (oder lehrt) vorraus. Aber sie will diese Existenz auch nicht beweisen – diese Existenz ist dem Theologen selbstverständlich.

    Angenommen, diese Charakterisierung sei so korrekt:
    “sie will diese Existenz auch nicht beweisen”
    und
    “diese Existenz ist dem Theologen selbstverständlich”
    Unter Existenz hat man sich dabei, wohlgemerkt, immer das gesamte Gottesbild vorzustellen.

    Ist das nicht geradezu ein Gegenentwurf zur Wissenschaft?

    mfg georg

  148. #148 georg
    April 30, 2010

    Und: Von einem Theologen, auf den diese Charakterisierung zutrifft, kann man wohl kaum erwarten, dass er sich zu Themen, die sein Gottesbild betreffen anders, als im “Brustton der Überzeugung ” äußert, dieses ist ihm schließlich selbstverständlich.

  149. #149 Jörg Friedrich
    April 30, 2010

    Nun, ich habe in jenem Text zu zeigen versucht, dass die Tatsache, dass Grundlegendes fraglos voraus gesetzt wird, noch kein Unterscheidungskriterium zwischen Wissenschaft und Nicht-Wissenschaft ist. Jede Wissenschaft hat solche Grundlegenden Voraus-Setzungen: Die Physik z.B. die, dass die Welt mathematisch beschreibbar ist, die Biologie die, dass das Leben in Typologien eingeordnet werden kann usw.

    Die Wissenschaft aber kann grundsätzlich anerkennen, dass diese Voraussetzungen tatsächlich eigene Setzungen sind, dass sie nichts über die Welt selbst aussagen, sondern nur etwas über die Denkweise des Forschers. Da dies der Theologie nicht möglich ist, da ein Theologe niemals sagen kann: “Dieser Gott, den ich in meiner Theologie voraus-setze, könnte auch meine eigene Konstruktion sein”, deshalb bin ich letztlich zu dem Schluss gekommen, dass die Theologie eben keine Wissenschaft ist (auch wenn dem Theologen Forschungen möglich sind, die dem Maßstab der Wissenschaftlichkeit genügen).

  150. #150 georg
    Mai 3, 2010

    @Jörg Friedrich
    Dass auch Wissenschaft letztlich nicht völlig ohne Voraussetzungen auskommt sollte mittlerweile eigentlich bekannt sei. Ob das die von Ihnen benannten sind, sei mal dahingestellt.
    Ein konkretes Gottesbild (inklusive Verwandtschaftsbeziehungen und Kirchenstiftung) welches aus heiligen Texten abgeleitet wird und möglichst unverändert durch die Jahrhunderte tradiert wird, hat da aber eine ganz andere Qualität.

    Aber darum geht es mir an dieser Stelle nicht. Ratzinger schreibt in seinem Jesus-Buch (S. 18)

    Gewiss, die christologische Hermeneutik, die in Jesus Christus den Schlüssel des Ganzen sieht und von ihm her die Bibel als Einheit zu verstehen lernt, setzt einen Glaubensentscheid voraus und kann nicht aus purer historischer Methode hervorkommen.

    Es handelt sich dabei also um eine Setzung, die ihm offenbar auch bewusst ist. Wenn man Ihr Unterscheidungskriterium hier zur Anwendung bringt, würde Ratzingers Theologie aufgrund dieses Eingeständnisses unversehens zur Wissenschaft mutieren, oder nicht?

    Und kurioserweise gerade wegen einer Stelle, an der Ratzinger die historisch-kritische Bibelforschung, die sich an der wissenschaftlichen Methode orientiert und deren Ergebnisse für seine Zwecke unzureichend sind, durch seine theologische Hermeneutik überformt.

    Wäre das nicht paradox?

  151. #151 Wb
    Mai 3, 2010

    @georg
    Die bewusste Annahme einer Setzung macht die Sache wissenschaftlich. Muss man nicht gut finden. Man kann natürlich auch bewusst Wissenschaft ablehnen.

    Nicht die katholische Theologie ist paradox, sondern die Situation, in der sie lebt. 😉

    MFG
    Wb

  152. #152 MartinB
    Mai 4, 2010

    @JF
    Trotz Reise gerade einen Moment Zeit fuer die scienceblogs, und schon muss ich einspruch erheben:
    “Jede Wissenschaft hat solche Grundlegenden Voraus-Setzungen: Die Physik z.B. die, dass die Welt mathematisch beschreibbar ist”
    Nein. Das hat die Physik herausgefunden, nicht vorausgesetzt. Siehe die alte Diskussion.

  153. #153 georg
    Mai 4, 2010

    @MartinB
    Nicht vordrängeln!

    mfg georg

  154. #154 Jörg Friedrich
    Mai 4, 2010

    @MartinB: Etwas ketzerisch geantwortet: Die Theologen sagen wahrscheinlich auch, dass sie “herausgefunden” haben, dass es einen Gott gibt der die Menschen liebt.

    Im Ernst: Wie sollte man die mathematische Beschreibbarkeit der Welt denn herausgefunden haben? Außer dass man sie setzt und merkt dass man damit ganz gut zurecht kommt?

  155. #155 Wb
    Mai 4, 2010

    Es gibt halt die einen, nennen wir sie einmal Optimisten, die die Realität beobachten und dann meinen etwas herausgefunden zu haben, “das wirklich ist”, und die anderen, die “Realisten”, die meinen, dass es für unsereins (wir sind Systemteilnehmer, möglicherweise ohne Schnittstelle zur Betreiberschicht, d.h. wir würden dann nur auf den Betrieb schauen können) nichts herauszufinden gibt, sondern dass mit vernünftig erscheinenden Sichten zu hantieren ist. (Es gibt streng genommen noch eine dritte Sorte, die “Pessimisten”, die bleiben an dieser Stelle aber unskizziert.)

    Im Falle des wissenschaftlichen Irrtums passen die Optimisten das “Herausgefundene” an und machen dann weiter, die Realisten passen das an, mit dem sie bewusst hantieren, die pragmatische Sicht.

    Viel tut sich da nicht, allerdings sind die Realisten in der Praxis lockerer, neigen nicht mit sich und der Wahrheit zu kämpfen, können bspw. auch Esoterik leicht wegfrühstücken ohne dass der Kopf rot und der Hals dick wird.
    Zudem ist die Realistensicht offener, käme also bspw. mehr über den Systembetrieb (über den Betreiber/Motor) heraus, auch Unerfreuliches, dann wäre das recht schnell theoretisch einzuarbeiten; der Optimist dagegen hätte stark zu nagen, müsste sich schliesslich auflösen.

    Offensichtlich aus heutiger Sicht Nuancen, wenn auch nicht unwichtig – gelegentlich ist es aber ein wenig bitter, dass die beschriebenen Unterschiede hier nicht endlich einmal abgehakt werden können.

    MFG
    Wb

  156. #156 georg
    Mai 5, 2010

    @Jörg Friedrich
    Das Ausprobieren ob es funktioniert (die Beschreibung der Realität durch mathematische Modelle), so wie es der Physiker macht, ist doch eine ziemlich andere Vorgehensweise, als die, mit der der Theologe zu seinen Erkenntnissen kommt oder nicht?

    Aber das ist nicht meine eigentliche Frage. Und damit meine Frage zu dem Kriterium, mit dem Sie Wissenschaft und Theologie unterscheiden nicht in Vergessenheit gerät, poste ich sie hier nochmal.
    Ratzinger schreibt in seinem Jesus-Buch (S. 18):

    Gewiss, die christologische Hermeneutik, die in Jesus Christus den Schlüssel des Ganzen sieht und von ihm her die Bibel als Einheit zu verstehen lernt, setzt einen Glaubensentscheid voraus und kann nicht aus purer historischer Methode hervorkommen.

    Es handelt sich dabei also um eine Setzung, die ihm offenbar auch bewusst ist. Wenn man Ihr Unterscheidungskriterium hier zur Anwendung bringt, würde Ratzingers Theologie aufgrund dieses Eingeständnisses unversehens zur Wissenschaft mutieren, oder nicht?

    Und kurioserweise gerade wegen einer Stelle, an der Ratzinger die historisch-kritische Bibelforschung, die sich an der wissenschaftlichen Methode orientiert und deren Ergebnisse für seine Zwecke unzureichend sind, durch seine theologische Hermeneutik überformt.

    Wird also in diesem Fall gemäß Ihrem Kriterium, Ihrer Ansicht nach, Ratzingers Text gerade dadurch zur Wissenschaft, dass er bewusst an die Stelle der wissenschaftlichen Methode (der historisch-kritischen Bibelforschung) eine theologische Wünsch-dir-was-Methode (seine christologische Hermeneutik) setzt?

    Ist das nicht eine absurde Konequenz? Oder habe ich da irgendetwas falsch verstanden?

    mfg georg

  157. #157 Jörg Friedrich
    Mai 5, 2010

    @georg: Das von mir vorgeschlagene Kriterium ist ein Abgrenzungs-Kriterium das es ermöglicht, bei sonst erfüllten Bedingungen der Wissenschaftlichkeit (der Forschung, der Ausbildung, des Diskurses) zwischen einer Wissenschaft und einer Nicht-Wissenschaft zu unterscheiden.

    Ich kenne mich mit der christologischen Hermeneutik nicht aus.Ich weiß nicht wie man dort forscht, wie die Lehre und der Diskurs organisiert sind. Deshalb kann ich da kein Urteil abgeben.

  158. #158 Andrea N.D.
    Mai 5, 2010

    @Jörg Friedrich:
    Da Sie im anderen Thread nicht antworten und es hier so gut passt, noch einmal:

    “Ist das Kriterium “prinzipielle Voraus-Setzungslosigkeit” ein notwendiges oder hinreichendes Kriterium für Wissenschaft?

    Wenn es ein hinreichendes ist, dann bitte ich um Erläuterung, inwiefern dann Theologie wohl doch wieder als Wissenschaft von Ihnen definiert wird, oder welche weiteren hinreichenden/notwendigen Kriterien noch notwendig sind, um die Theologie als Wissenschaft zu begründen oder auszuschließen.
    Wenn es ein notwendiges Kriterium ist, dann frage ich mich, warum Sie einen wenn … dann-Satz bilden. Dann kann Theologie niemals eine Wissenschaft sein.

  159. #159 Andrea N.D.
    Mai 5, 2010

    @Jörg Friedrich:
    “Ich kenne mich mit der christologischen Hermeneutik nicht aus.Ich weiß nicht wie man dort forscht, wie die Lehre und der Diskurs organisiert sind. Deshalb kann ich da kein Urteil abgeben.”
    Wenn ich Georg wäre, würde ich mich jetzt ein bisschen veräppelt fühlen. Er hat Ihnen eigentlcih schön erklärt, worum es geht. Sie müssen dazu nicht Theologie studiert haben oder sich in “christologischer Hermeneutik” auskennen. Sie müssten eigentlich lediglich IHR Setzungskriterium oder IHRE Setzungskriterien für die Bestimmung von Wissenschaft(lichkeit) überdenken.

  160. #160 Jörg Friedrich
    Mai 5, 2010

    @Andrea N.D.: Es ist ein notwendiges, kein hinreichendes Kriterium. Es gibt jedoch eine Reihe theologischer Disziplinen, die die übrigen Kriterien erfüllen. Ob das für “christologische Hermeneutik” gilt, weiß ich nicht.

  161. #161 georg
    Mai 5, 2010

    @Jörg Friedrich

    Ich kenne mich mit der christologischen Hermeneutik nicht aus.Ich weiß nicht wie man dort forscht, wie die Lehre und der Diskurs organisiert sind. Deshalb kann ich da kein Urteil abgeben.

    Ratzingers Jesus-Buch haben Sie auch gelesen, nehme ich an. Das ist doch ein konkretes Anwendungsbeispiel der christologischen Hermeneutik nach Ratzinger, der noch dazu der ranghöchsten katholischen Theologe ist. Trauen Sie sich da keine Einschätzung zu?

    Und, wie Andrea zu Recht feststellt, war die Frage, ob Ratzingers Text gemäß Ihrem Unterscheidungskriterium, eben weil er sich einer grundlegenden Setzung bewusst ist, Ihrer Ansicht nach zu einem wissenschaftlichen Text wird.

    WB hat Sie ja auch so verstanden.

    Wb· 03.05.10 · 18:41 Uhr @georg
    Die bewusste Annahme einer Setzung macht die Sache wissenschaftlich.

    Nicht dass ich darauf viel gebe. Deshalb frage ich ja Sie, ob Sie aus Ratzingers Formulierung entsprechend Ihren Kriterien denselben Schluss ziehen.

    mfg georg

  162. #162 Jörg Friedrich
    Mai 5, 2010

    @georg: Ratzingers Jesus-Buch ist natürlich kein wissenschaftlicher Text.

    Ratzinger ist übrigens auch nicht der “ranghöchste katholische Theologe”. Katholische Kirche ist ja nicht gleichzusetzen mit katholischer Theologie.

  163. #163 Andrea N.D.
    Mai 5, 2010

    @Jörg Friedrich:
    “Es gibt jedoch eine Reihe theologischer Disziplinen, die die übrigen Kriterien erfüllen.”

    Die Frage nach den übrigen Kriterien habe ich Ihnen jetzt wiederholt gestellt. Es wäre schön, wenn Sie diese Kriterien endlich nennen würden.

    Eine Aufzählung der Reihe theologischer Diziplinen, die dann diese Kriterien (welche?) erfüllen, würde mich auch sehr interessieren – vor allem, da Sie sich ja in “christologischer Hermeneutik” nicht so auskennen.

    Festzustellen, dass Ratzinger nicht der ranghöchste katholische Theologe ist etc. war übrigens definitiv keine Antwort auf die (mindestens letzten zwei) Kommentare von Georg. Eine fundierte Antwort darauf wäre nach den Diskussionen und der Zeit, die mehrere Personen bereits hineingesteckt haben, schon sehr wünschenswert.

    Ich würde mich auch nicht ausschließlich auf die Theologie versteifen. Es geht hier, denke ich, grundsätzlich um IHR Verständnis von Wissenschaft.

  164. #164 georg
    Mai 5, 2010

    @Jörg Friedrich

    Katholische Kirche ist ja nicht gleichzusetzen mit katholischer Theologie.

    Nach gängiger Rechtsprechung aber hat die katholische Kirche ein Primat gegenüber der Theologie und der Papst spielt in der Kirche ja eine besondere Rolle.

    Ratzingers Jesus-Buch ist natürlich kein wissenschaftlicher Text.

    Da sind wir mal einer Meinung.
    Daraus folgt dann aber doch auch, dass das Faktum, dass sich der Autor einer grundlegenden Setzung bewusst ist, als vorrangiges Kriterium der Abgrenzung von Wissenschaft zu Theologie nicht gerade besonders gut bewährt. Denn, wenn schon der Papst eine solche Setzung eingesteht, warum sollte ein normaler Theologe das nicht auch tun?
    Dies ist dann ja wohl kaum als Abgrenzungskriterium geeignet. Man stelle sich vor, man kopiere Ratzingers Formulierung in das Vorwort beliebiger theologischer Schriften und aufgrund dessen soll das dann alles als Wissenschaft sein.

    Das passt doch so nicht.

    mfg georg

  165. #165 Wb
    Mai 5, 2010

    Dies ist dann ja wohl kaum als Abgrenzungskriterium geeignet.

    Die bewusste Annahme einer Setzung ist sicherlich ein sehr brauchbares Merkmal i.p. Wissenschaftlichkeit, alleine wegen solcher feststellungen lohnt es sich gelegentlich bei JF reinzulesen.
    Es bleibt unklar, was die Feststellung, dass Ratzingers Buch kein wissenschaftlicher Text ist mit der Sache zu tun hat, es bleibt unklar, warum daraus wieder zu folgen scheint, dass das o.g. bewusste Setzen nicht geeignet sein soll als Merkmal der Wissenschaftlichkeit. Ist Ihnen klar, dass es nicht in allen Religionen Theologie gibt und dass erst die o.g. Setzung diese anerkennenswert macht?

  166. #166 Wb
    Mai 5, 2010

    Man stelle sich vor, man kopiere Ratzingers Formulierung in das Vorwort beliebiger theologischer Schriften und aufgrund dessen soll das dann alles als Wissenschaft sein.

    OMG, jetzt ahnt der Wb zumindest die Logik.

    Nee, die kath. Theologie wird durch die bewusste Annahme der Setzung Wissenschaft – wenn man das Kriterium denn annimmt.

    Nicht aber jeder Text, der auf die o.g. Annahme verweist. D.h. das o.g. Kriterium ist nicht hinreichend [1], LOL.

    [1] jetzt nicht wieder fluffy werden:
    “(um die Publikation wissenschaftlich zu machen)” ist (gedanklich) zu ergänzen

    MFG
    Wb

    PS: Den ges. Betreeungsaufwand berücksichtigend erlaubt sich der Wb den Rat auf Einkehr, so wird das nämlich nüscht mit der Debatte.

  167. #167 Wb
    Mai 5, 2010

    WB hat Sie ja auch so verstanden.

    Wb· 03.05.10 · 18:41 Uhr @georg
    Die bewusste Annahme einer Setzung macht die Sache wissenschaftlich.

    Als “Abgrenzungskriterium”, also wenn andere Kriterien ebenfalls erfüllt sind, da hat JF wieder mal recht, das verdient es ergänzt zu werden. Man kanns halt eben nicht immer vollständig ausdrücken, d.h. es gibt eigentlich immer Randbedingungen und ungenannte Aspekte. Da muss einfach mal mitgedacht werden und da darf nicht immer wieder dort herumgestochert werden, wozu nichts ausgesagt worden ist.

    Immer sollte versucht werden zu verstehen, was der andere meint.

  168. #168 MartinB
    Mai 5, 2010

    “Im Ernst: Wie sollte man die mathematische Beschreibbarkeit der Welt denn herausgefunden haben? Außer dass man sie setzt und merkt dass man damit ganz gut zurecht kommt?”
    Ja genau. Und wenn es nicht geklappt haette, dann haette man eben herausgefunden, dass die Welt nicht mathematisch beschreibbar ist.
    Wenn Sie sagen: “ich habe herausgefunden, dass um 8Uhr der Bus am Bahnhof abfaehrt”, dann kann ich auch nicht sinnvoll antworten: “Ach was, Sie sind zur Haltestelle gegangen, weil Sie schon vorausgesetzt haben, dass der Bus faehrt, und haben festgestellt, dass Sie damit ganz gut zurechtkommen.”
    Der Bus faehrt, und dass er das tut haben Sie durch probieren ermittelt. Genauso mit Naturbeschreibung und Mathematik.

  169. #169 Wb
    Mai 5, 2010

    Und wenn es nicht geklappt haette, dann haette man eben herausgefunden, dass die Welt nicht mathematisch beschreibbar ist.

    Man hätte herausgefunden, dass man die Welt nicht richtig mathematisch beschrieben hat, aber eben nicht, dass sie nicht mathematisch beschreibbar ist.

    🙁

  170. #170 georg
    Mai 5, 2010

    @Jörg Friedrich
    Damit das nicht wieder untergeht, wiederhole ich den Kern meiner Fragestellung nochmal:
    Denn, wenn schon der Papst selbst eine solche Setzung macht und diese auch eingesteht, warum sollte ein normaler Theologe das (die Anerkenntnis einer grundlegenden Setzung) nicht auch tun?
    Damit wäre das dann ja wohl kaum als generelles Abgrenzungskriterium zwischen Wissenschaft und Theologie geeignet.

    Man stelle sich z. B. vor, man kopiere Ratzingers Formulierung in das Vorwort beliebiger theologischer Schriften. Wären diese dann Ihrer Ansicht nach, schon aufgrund dessen (der Anerkenntnis einer grundlegenden Setzung), als Wissenschaft anzusehen?.

    Wenn ja, ist dieses Kriterium offenkundig kein sehr überzeugendes generelles Abgrenzungskriterium, weil es von Theologen (Bsp. Ratzinger) so einfach zu unterlaufen wäre.

    Wenn nein, sollte es offenkundig andere, geeignetere geben.

    Wie stehen Sie dazu?

    @WB
    Herr Friedrich ist durchaus in der Lage für sich selbst zu sprechen und deine Äußerungen, soweit verständlich, sind ja auch abweichend.

  171. #171 Wb
    Mai 5, 2010

    @georg
    Wb für sich sprechen, nicht für andere, unbedingt mal am Textverständnis arbeiten oder zumindest immer prüfen, wie der Aussagende genau zu verstehen ist, möglichst vermeiden Projektionen zu liefern und/oder zu bearbeiten.
    Zudem keine Dialoge unter Ausschluss anderer anstreben, dafür sind Webmedien dieser Art (Feedback-/Kommentarmöglichkeit) nicht geeignet.
    Ihre immerwährenden sich im Kreis drehenden Fragen mit ihren einhergehenden Behauptungen (Sie können noch so viele “offenkundig” einsetzen), was erwarten Sie denn allen Ernstes als Antwort zu bekommen?
    Soll sich der Antwortende in einen “normalen Theologen” hineinversetzen, dann unter weiteren Annahmen den wissenschaftlichen Charakter der kath. Theologie nochmals prüfen?

    Und dann schon wieder diese Frage:
    “Man stelle sich z. B. vor, man kopiere Ratzingers Formulierung in das Vorwort beliebiger theologischer Schriften. Wären diese dann Ihrer Ansicht nach, schon aufgrund dessen (der Anerkenntnis einer grundlegenden Setzung), als Wissenschaft anzusehen?.”

    Sie können sich sicherlich zumindest vorstellen, dass – Juniorentum hin oder her – so Interesse an dieser Debatte sehr zuverlässig abgewürgt wird.

  172. #172 Jörg Friedrich
    Mai 5, 2010

    MartinB: Die Voraus-Setzung beim Bus ist der Fahrplan. Leider hält der Bus sich zumeist nicht daran. Die Setzung (meine Art, die komplexe Welt auf meine geistigen Fähigkeiten zu reduzieren) ist, dass er es doch tut, in der Realität liege ich damit meist um 5-10 min daneben. Deshalb nutze ich in Münster immer den Bus.

    @georg: Ich hatte schon weiter oben gesagt, dass das vorgeschlagene Abgrenzungskriterium nur notwendig, nicht hinreichend ist. Die weiteren Kriterien (@Andrea N.D.) hatte ich um 8:28 Uhr aufgeführt, außerdem in dem text, zu dem die Diskussion eigentlich gehört, dargestellt.

  173. #173 georg
    Mai 5, 2010

    @Jörg Friedrich
    In dem text, zu dem die Diskussion eigentlich gehört, hatten Sie zuerst mal die These aufgestellt, dass Theologie eine Wissenschaft ist.

    Und zu dem Abgrenzungskriterium auf das Sie im Verlauf der Diskussion verfallen sind (Anerkenntnis einer Setzung), sollte doch jetzt deutlich geworden sein, dass, wenn selbst der Papst (!) seine christologische Hermeneutik als Setzung eingesteht, dies (Anerkenntnis einer Setzung) als Abgrenzungskriterium Theologie vs. Wissenschaft offensichtlich eben nicht besonders geeignt ist.

    Wenn Sie das anders sehen wollen, bitte.
    Wundern Sie sich immer noch, warum Ihnen dabei außer WB niemand folgt?

    mfg georg

  174. #174 Andrea N.D.
    Mai 5, 2010

    @JF
    Der Kommentar von 08.28 Uhr lautet:
    “@georg: Das von mir vorgeschlagene Kriterium ist ein Abgrenzungs-Kriterium das es ermöglicht, bei sonst erfüllten Bedingungen der Wissenschaftlichkeit (der Forschung, der Ausbildung, des Diskurses) zwischen einer Wissenschaft und einer Nicht-Wissenschaft zu unterscheiden. Ich kenne mich mit der christologischen Hermeneutik nicht aus.Ich weiß nicht wie man dort forscht, wie die Lehre und der Diskurs organisiert sind. Deshalb kann ich da kein Urteil abgeben.”

    Jetzt schreiben Sie:
    “Die weiteren Kriterien (@Andrea N.D.) hatte ich um 8:28 Uhr aufgeführt, außerdem in dem text, zu dem die Diskussion eigentlich gehört, dargestellt.”

    Irgendwie sind in dem Kommentar von 08.28 genau KEINE Kriterien angegeben. Könnten Sie sich nicht etwas mehr Mühe geben? Schließlich sind wir ja keine Kindergartenkinder und das hier ist kein Kindergarten sondern SB. Wenn Sie diese Kriterien bereits wasserdicht dargestellt haben, dürfte es Ihnen ja keine Mühe bereiten, diese zumindest schlagwortigartig zu wiederholen.

    Mir stellt sich die Situation so dar: Sie haben irgendetwas auf diese Seite gestellt, das Sie weder geprüft haben, noch haben Sie Belege dafür. Auf Nachfrage weichen Sie aus oder veräppeln die Leser. Deshalb für Sie noch einmal im Klartext: Sie haben genau ein Kriterium genannt, nach dem für Sie ein Fachbereich als Wissenschaft zu bestimmen ist und das ist das Setzungskriterium, dass Sie sich mühselig im Theologie=Wissenschaft-Thread herausgeleiert haben (vor dem 150igsten Kommentar oder so waren Sie dieser Meinung noch nicht; und da haben Sie die Dreistigkeit, auf Ihren Ursprungsartikel zu verweisen? Kopfschüttel)

    Mittlerweile haben wir in mühseliger Kleinarbeit (mühselig deshalb, weil Sie im Ursprungsthread bei Nichtweiterwissen nicht mehr antworten) festgestellt, dass dies ein notwendiges Kriterium ist und dass es nicht das einzige zu sein scheint. Was halten Sie davon, wenn Sie endlich Ihre Gedanken ordnen würden (anstatt wieder einen abgeänderten Artikel über Wissenschaft(lichkeit) zu schreiben) und darin genau erläutern (nicht allgemein, da haben Sie bereits in zig Artikeln versagt, sondern vielleicht genau an Georgs Beispiel), warum mit Ihrem notwendigen aber nicht ausschließlichen Wissenschafts-Bestimm-Kriterium Ratzingers Theologie eine Wissenschaft sein muss? Und wenn Sie nicht dieser Meinung sind, könnte dann vielleicht Ihr “Setzungskriterium” noch einmal überdacht werden?

    Im Prinzip ist es doch ganz einfach: Man nehme ein paar Lexikaartikel, bastle sich daraus eine Definition von Wissenschaft und prüfe, ob die angeführten Kriterien für beispielsweise Theologie gelten.
    Diese Definition fand ich schon immer witzig: “Hauptziel der W. ist die rationale, nachvollziehbare Erkenntnis der Zusammenhänge, Abläufe, Ursachen und Gesetzmäßigkeiten der natürlichen wie der historischen und kulturell geschaffenen Wirklichkeit; neben der Erweiterung des Wissens über die Welt liefern vor allem Naturwissenschaft und Technik die Mittel zu vorausschauender Planung und gezielter Veränderung der Wirklichkeit Als Hauptmerkmal der Wissenschaft wird (außer im Marxismus) eine von Wertungen, Gefühlen und äußeren Bestimmungsmomenten freie, auf Sachbezogenheit gründende Objektivität angesehen, welche neben dem methodischen Konsens die Verallgemeinerungsfähigkeit und allgemeine Nachprüfbarkeit wissenschaftlicher Aussagen begründet.” (zitiert aus der Def. von Brockhaus, 1988)

    Witzig deshalb, weil der Marxismus hier extra benannt wird. Könnte das vielleicht in Ihrem Wissenschaftsverständnis eine Rolle spielen?

  175. #175 Wb
    Mai 5, 2010

    Wundern Sie sich immer noch, warum Ihnen dabei außer WB niemand folgt?

    Höhö, Argumentum ad populum, auch das noch.

    Der Grund, warum hier ausser dem Webbaeren von den normal aufgestellten typischen Debattenteilnehmern keiner mehr mitliest, dürfte ausschliesslich im pathetisch-rekursiven Vortragsstil der Gegenrede zu finden sein.

    So, Wb auch endgültig weg, also, weitermachen, äh, weiterhacken, LOL, wenns Spass macht…

    MFG
    Wb

  176. #176 MartinB
    Mai 5, 2010

    @JF
    “MartinB: Die Voraus-Setzung beim Bus ist der Fahrplan. ”
    Och noe – ich umschreibe das, was ich meine, mit nem Beispiel, und Sie greifen das Beispiel an?
    Also gut, nochmal anders:
    Sie sagen “Ich habe festgestellt, dass dinge nach unten fallen.” und ich sage
    “Naja, indem Sie etwas hochgehobenund losgelassen haben, haben Sie das Runterfallen ja schon vorausgesetzt.”

  177. #177 Wb
    Mai 5, 2010

    @MartinB
    Das sind Uralt-Diskussionen, sowas sollte hier schnellstmöglich mit Konsens (ggf. Konsens bzgl. Dissenz 🙂 gegessen werden.

    Mit freundlichen Grüßen
    Wb

  178. #178 Jörg Friedrich
    Mai 6, 2010

    @MartinB: Sie haben mich missverstanden, ich fand Ihre Fahrplan-Analogie ganz treffend: Der Bus ist die Realität, der Fahrplan ist meine mathematische Beschreibung (mein theoretisches Modell). Der einzige Unterschied zwischen Bus-Analogie und Wissenschaft ist, dass der Bus von einem gesteuert wird, der den Fahrplan ebenfalls kennt – aber das können wir hier mal außen vor lassen)

    @Andrea N.D. Ich hoffte, dass Sie (die Sie des öfteren auf Ihr abgeschlossenes Philosophie-Studium verwiesen haben) die Diskussion nicht auf auf der Ebene zusammengebastelter Lexikon-Artikel, sondern auf dem Niveau der wissenschaftsphilosophischen Debatte des 20. Jahrhunderts führen. Und wenn Sie die Philosophen, die dazu arbeiten, selbst nicht mögen, dann schauen Sie sich, wenn Sie mit Dawkins durch sind, die Beiträge von Physikern an.

  179. #179 Andrea N.D.
    Mai 6, 2010

    @Jörg Friedrich:
    “@Andrea N.D. Ich hoffte, dass Sie (die Sie des öfteren auf Ihr abgeschlossenes Philosophie-Studium verwiesen haben) die Diskussion nicht auf auf der Ebene zusammengebastelter Lexikon-Artikel, sondern auf dem Niveau der wissenschaftsphilosophischen Debatte des 20. Jahrhunderts führen. Und wenn Sie die Philosophen, die dazu arbeiten, selbst nicht mögen, dann schauen Sie sich, wenn Sie mit Dawkins durch sind, die Beiträge von Physikern an.”

    Nennen Sie mir bitte die Stelle, wo ich auf MEIN abgeschlossenes Philosophie-Studium verweise (nicht, dass dem nicht so wäre, aber im Gegensatz zu Ihnen muss ich damit nicht herumprotzen).

    DAS ist wirklich Ihre Antwort zu den ganzen unglaublich falschen Behauptungen, die Sie aufgestellt haben? Zu der naiven Wissenschaftsdefinition in “Setzungsform” von Ihnen? Das ist jetzt nicht Ihr Ernst, oder?

    DAS ist Ihre Antwort darauf, dass Sie nach Ihrer (neuen) Definition die katholische Theologie als Wissenschaft deklarieren?

    DAS ist Ihre Antwort auf georgs Fragen?

    DAS ist wirklich Ihre Antwort darauf, dass ich Ihnen klar dargelegt habe, dass Sie an den von IHNEN angegebenen Orten keine weiteren Kriterien aufgelistet haben? Im einzelnen weder in dem von Ihnen genannten Kommentar, noch in dem Theologie-Thread, in dem Sie tunlichst nicht mehr antworten?

    SIE schreiben einen Artikel mit unhaltbaren Behauputungen, winden sich dann herum, um angeblich die Hauptaussage dieses Artikels nach 100erten von Kommentaren zurückzunehmen und ein neues Kriterium einzuführen. Und wenn Ihnen wieder in mühevoller Kleinarbeit dargelegt wird, dass auch dieses kompletter Unsinn ist, dann fällt Ihnen nichts besseres ein, als mir wiederum Leseempfehlungen zu geben?

    Ich frage mich ernsthaft, WAS SIE hier wollen, wenn Sie nicht einfachste Definitionen aus Lexika auf ein bestimmtes Thema anwenden können.

  180. #180 Jörg Friedrich
    Mai 6, 2010

    @Andrea N.D.: Zuletzt am 23.03. in einem Kommentar zu meinem Eintrag “Mathematik und Physik”.

  181. #181 Andrea N.D.
    Mai 6, 2010

    @Jörg Friedrich:
    In dem von Ihnen genannten Kommentar vom 23.03. (man beachte Ihr “zuletzt”!) steht: “Deshalb fühle ich mich als Vertreterin der Philosophenzunft hier auch ständig blamiert.”
    Das ist für Sie dasselbe wie die von Ihnen gemachte Aussage: “die Sie des öfteren auf Ihr abgeschlossenes Philosophie-Studium verwiesen haben”. Na ja. Das kann exemplarisch für Ihre ungenaue und interpretatorische Art genommen werden. Und während Sie sich Ihr Zeugnis herauskramen und angucken (ich habe keine Lust das Zitat von Ihnen in den unendlichen weiten Ihres Blogs zu suchen), versuche ich Zusammenhänge richtig zu erfassen.
    Wenn Sie jetzt fertig sind mit Ihrem Ablenkungsmanöver und der persönlichen Argumentation, könnten wir uns ja wieder auf das Inhaltliche konzentrieren.

    Was IHRE Defintion der Wissenschaft und damit auch der Theologie angeht, sind Sie noch einige Antworten schuldig.

  182. #182 Jörg Friedrich
    Mai 6, 2010

    @Andrea N.D.: Ich bin Ihnen gar nichts schuldig. Sie sind weiterhin herzlich eingeladen, sich tatsächlich einmal inhaltlich zu beteiligen, so wie es andere Kommentatoren tun. Und wenn Sie weniger rhetorische, emotional aufgeladene Frage-Sequenzen (sie beginnen z.B. mit “Ist das wirklich Ihr Ernst” oder “Wollen sie XY veräppeln?”) posten würden, die nur ermüdend und zeitraubend sind, dann würde ich Ihnen, obwohl ich Ihnen nicht schuldig bin, gerne und geduldig die Stellen aufzeigen, an denen in meinem Kommentar und im Ursprungstext Kriterien von Wissenschaftlichkeit aufgeführt sind. Aber so geht die ganze Zeit und Kraft, die ich Ihnen als einzelner Kommentatorin widmen kann, leider für das Lesen Ihrer langen Kommentare drauf.

    @georg: Die Erfüllung eines Abgrenzungskriteriums allein reicht eben noch nicht aus, um etwas einer Klasse von Gegenständen zuzuordnen – es ist nur eine notwendige Bedingung, keine hinreichende. Ob andere, notwendige Bedingungen von der christologischen Hermeneutik erfüllt werden, z.B. die hinsichtlich eines wissenschaftlich strukturierten Diskurses, kann ich nicht einschätzen. Deshalb werden Sie von mir zu dieser Frage auch keine Beurteilung bekommen können.

  183. #183 Andrea N.D.
    Mai 6, 2010

    @Jörg Friedrich:
    Vielleicht lesen Sie einfach 5 unbeantwortete Kommentare weiter oben nach? Bevor Sie persönliche Angriffe starteten und versuchten vom Inhalt abzulenken? Dort fragte ich noch nicht, ob etwas Ihr Ernst ist. Das kam erst später, nachdem Sie immer und immer wieder auswichen und keine klare Antwort gaben. Bitte entschuldigen Sie, dass ich nach ständigem geduldigen Nachfragen einmal schrieb, ob das Ihr Ernst sei.

    Ihr “Wissenschaftsdiskurs” stellt sich jetzt so dar: Theologie ist eine Wissenschaft. Theologie ist keine Wissenschaft, weil ihr das Setzungskriterium fehlt. Darauf hingewiesen, dass dem nicht so ist, ist Theologie wieder doch eine Wissenschaft. Andere Kriterien haben Sie nirgends genannt und sind vermutlich gar nicht fähig dazu (das ist auch ein enorm großes Unterfangen, das lange recherchiert und bearbeitet sein will; deshalb erstaunt Ihre locker-flockige Bearbeitung auch immer wieder) – das ist der bittere Schluss einer extrem unbefriedigenden Diskussion, an deren Ende Ihnen nichts besseres mehr eingefallen ist, als Kommentatoren persönlich anzugreifen.

    Wenn Sie georgs und meine Erwiderung auf Ihren unpassenden Kommentar, doch im Ursprungstext nachzulesen, genau lesen, werden Sie feststellen, dass dieser inhaltlich übereinstimmt. Ich möchte Sie deshalb ganz herzlich bitten, doch zukünftig Ihre Anspielungen auf die angebliche Betreuung einer einzelnen Kommentatorin zu unterlassen.

  184. #184 Andrea N.D.
    Mai 6, 2010

    @Jörg Friedrich:
    “@georg: Die Erfüllung eines Abgrenzungskriteriums allein reicht eben noch nicht aus, um etwas einer Klasse von Gegenständen zuzuordnen – es ist nur eine notwendige Bedingung, keine hinreichende.”

    Das stammt übrigens von mir. Ich denke georg hat dies mitgelesen bzw. ich unterstelle, dass ihm dies vorher klar war. Insofern ist das keine Antwort auf seine Frage. Trotzdem freue ich mich, dass Sie dies letztendlich doch von mir annehmen konnten.

  185. #185 Jörg Friedrich
    Mai 6, 2010

    @Andrea N.D. Das ist von Ihnen? Soso. Das hätten Sie mir aber auch schon mitteilen können, als ich Sie in meinem Kommentar (Jörg Friedrich· 05.05.10 · 09:22 Uhr) darauf schon einmal hinwies.

  186. #186 Andrea N.D.
    Mai 6, 2010

    @Jörg Friedrich:
    “@JF:
    Ist das Kriterium “prinzipielle Voraus-Setzungslosigkeit” ein notwendiges oder hinreichendes Kriterium für Wissenschaft?
    Wenn es ein hinreichendes ist, dann bitte ich um Erläuterung, inwiefern dann Theologie wohl doch wieder als Wissenschaft von Ihnen definiert wird, oder welche weiteren hinreichenden/notwendigen Kriterien noch notwendig sind, um die Theologie als Wissenschaft zu begründen oder auszuschließen.”

    Dieser Kommentar von mir – auf den Sie übrigens nicht geantwortet hatten – war vom 29.04.. Nach dem gängigen Zeitempfinden war das vor dem 05.05. Soso.

  187. #187 Jörg Friedrich
    Mai 6, 2010

    Falls irgendjemand hier einmal vorbeikommt, der sich tatsächlich für den interessanten Kern der Diskussion interessiert: Die wichtigsten Punkte meiner Argumentation waren die folgenden:

    In meinem Text Ist die Theologie eine Wissenschaft hatte ich gleich zu Anfang ein paar Kriterien aufgeführt, nach denen man etwas als Wissenschaft bezeichnet. Ich schrieb dort, man kann es “an Universitäten studieren, man kann promovieren und sich habilitieren, es gibt Fachzeitschriften, Kongresse und Symposien”. Weiter unten habe ich dort unter Bezugnahme auf einen früheren Text ergänzt “dass als wissenschaftliches Werk anzuerkennen ist, was nach den unter Wissenschaftlern anerkannten Regeln der Systematik, der Logik, der Strenge entstanden, einen wissenschaftlichen Prüfprozess (z.B. den des peer review) durchlaufen hat und in einer anerkannten Zeitschrift veröffentlicht worden ist.” [1]

    In dieser Diskussion hier, die die frühere ohne Bezug auf das eigentliche Thema weiterführt, habe ich diese Kriterien zusammengefasst mit der Aufzählung der “Bedingungen der Wissenschaftlichkeit (der Forschung, der Ausbildung, des Diskurses)”.

    All das sind aus meiner Sicht notwendige Kriterien, um eine Disziplin als wissenschaftlich zu bezeichnen. Sie sind aber nicht hinreichend. Vielleicht gibt es sogar noch weitere, aber aus meiner Sicht kommt notwendig hinzu, dass eine Wissenschaft all ihre Voraus-Setzungen als eigene Setzungen, als durch die Wissenschaft eben definierte und gesetzte Bedingungen anzuerkennen bereit sein muss, dass sie selbst ihre selbstverständlichsten Grundannahmen infrage stellen können muss. Dieses Kriterium sehe ich als Abgrenzungskriterium an. Es setzt die übrigen nicht außer Kraft, es ersetzt sie nicht, aber es ermöglicht, Disziplinen, die im Alltag so aussehen wie Wissenschaft, weil sie eben all die oben genannten Bedingungen erfüllen, als Nicht-Wissenschaft einzuordnen.

    [1] Diese Form der Definition nennt man die “hinweisende Definition” – sie ist eine Alternative zu der von Aristoteles zuerst praktizierten “Wesensdefinition”, bei der sich im Verlauf der letzten 2.500 Jahre oft gezeigt wurde, dass sie auf reale Sachverhalte bei Verwendung der normalen Sprache nicht anwendbar ist.

  188. #188 Andrea N.D.
    Mai 6, 2010

    @Jörg Friedrich:

    Dank vieler Kommentare und Anregungen wurde aus dem Ursprungstext jetzt immerhin das:

    “All das sind aus meiner Sicht notwendige Kriterien, um eine Disziplin als wissenschaftlich zu bezeichnen. Sie sind aber nicht hinreichend. Vielleicht gibt es sogar noch weitere, aber aus meiner Sicht kommt notwendig hinzu, dass eine Wissenschaft all ihre Voraus-Setzungen als eigene Setzungen, als durch die Wissenschaft eben definierte und gesetzte Bedingungen anzuerkennen bereit sein muss, dass sie selbst ihre selbstverständlichsten Grundannahmen infrage stellen können muss. Dieses Kriterium sehe ich als Abgrenzungskriterium an. Es setzt die übrigen nicht außer Kraft, es ersetzt sie nicht, aber es ermöglicht, Disziplinen, die im Alltag so aussehen wie Wissenschaft, weil sie eben all die oben genannten Bedingungen erfüllen, als Nicht-Wissenschaft einzuordnen.”

    Das klingt schon viel akzeptabler. Allerdings bleibt noch georgs Frage, inwiefern die katholische Theologie (am Beispiel Ratzingers) durch ihre Setzung dann auch zur Wissenschaft zu zählen ist. Immerhin gibt es an den theologischen Fakuläten ja auch Forschung, Ausbildung und Diskurs (um den Bogen zu Ihrem Ursprungstext wieder zu schlagen).

  189. #189 Wb
    Mai 6, 2010

    … aber es ermöglicht, Disziplinen, die im Alltag so aussehen wie Wissenschaft, weil sie eben all die oben genannten Bedingungen erfüllen, als Nicht-Wissenschaft einzuordnen.

    Was erst einmal geschafft werden muss mit Hilfe einer ordentlichen Argumentation, schöne Zusammenfassung.
    Weiterhin viel Kraft! 😉

    MFG
    Wb

  190. #190 MartinB
    Mai 6, 2010

    @JF

    “Der einzige Unterschied zwischen Bus-Analogie und Wissenschaft ist, dass der Bus von einem gesteuert wird, der den Fahrplan ebenfalls kennt – aber das können wir hier mal außen vor lassen)”
    Na schau mal einer guck, und damit der Busfahrer das kann, muss es den Fahrplan wirklich geben, der ist nicht bloss ein Konstrukt oder eine unhinterfragte Setzung – sonst wurde es naemlich nicht klappen mit dem Bus…

    Aber ich glaube, das Pferd haben wir schon anderswo totgeritten…

  191. #191 MartinB
    Mai 6, 2010

    @JF
    Habe ich das richtig verstanden: Notwedige bedingung fuer die Wissenschatlichkeit ist, dass man die Disziplin an einer Uni studieren kann, dass es Konferenzen und Fachzeitschriften gibt etc.?
    Also war die Physik Newtons oder Galileis keine Wissenschaft?
    Und wenn sich Doc Brown in sein Labor einschliesst und ganz allein die Temporalphysik entwickelt, dann ist es solange keine Wissenschaft, bis sie veroeffentlicht ist und an unis gelehrt wird?
    In meinen Augen definieren Sie damit Wissenschaft als soziologisches Phaenomen. (Meinen Sie das mit “hinweisender Definition”?)

  192. #192 BreitSide
    Mai 6, 2010

    Wb·
    05.05.10 · 14:47 Uhr

    Wundern Sie sich immer noch, warum Ihnen dabei außer WB niemand folgt?
    Höhö, Argumentum ad populum, auch das noch.

    Der Grund, warum hier ausser dem Webbaeren von den normal aufgestellten typischen Debattenteilnehmern keiner mehr mitliest, dürfte ausschliesslich im pathetisch-rekursiven Vortragsstil der Gegenrede zu finden sein.

    So, Wb auch endgültig weg, also, weitermachen, äh, weiterhacken, LOL, wenns Spass macht…

    MFG
    Wb

    “Endgültig weg”, warum hältst Du das Versprechen nicht?

    Warum ich hier noch mitlese? Weil ich damit angefangen habe. Anfangs ist es noch ganz lustig, JFs argumentatorische Pirouetten nachzuverfolgen. Aber langsam wird es ätzend.

    Georg und Andrea, ich bewundere Euren Durchhaltewillen im Versuch, diesen Pudding endlich an die Wand genagelt zu bekommen.

    Vielleicht ist das ja hier auch nur ein Experiment “wie lange kann ich Leute – ganz ohne Sachargumente – ins Leere argumentieren lassen?” Ich suche schon ganz angestrengt nach der versteckten Kamera.

  193. #193 BreitSide
    Mai 6, 2010

    Wb·
    05.05.10 · 18:46 Uhr

    @MartinB
    Das sind Uralt-Diskussionen, sowas sollte hier schnellstmöglich mit Konsens (ggf. Konsens bzgl. Dissenz 🙂 gegessen werden.

    Mit freundlichen Grüßen
    Wb

    Dann tu es doch und sei gegessen! Und akzeptiere, dass andere nicht das tun, was Du meinst, dass sie tun sollen.

  194. #194 Wb
    Mai 6, 2010

    @BreitSide
    Konsequenz ist keine Tugend! Aus diesem Grunde verabschiedet sich der Webbaer gelgentlich und reagiert beizeiten doch noch.

    Schwer zu sagen warum, …, …, aber hat Sie die Sache mit dem Stein in der sich öffnenden interessiert? Ob der fallen wird und ggf. warum?
    Letztlich laufen viele dieser Diskussionen [1] in eine Ecke in der man den Sack zumachen kann oder zumachen könnte, wenn andere folgen könnten. Hier trennt sich so zu sagen Spreu und Weizen.

    All diese Gewissheitsfragen, Wahrheitsfragen, Systemfragen, Wissenschaftsfragen und was es da sonst noch gibt in diesem Zusammenhang, laufen mit der Frage nach dem voraussichtlichen Verhalten des Steins in der sich öffnenden Hand zusammen.

    MFG
    Wb

    [1] gerade der hiesigen, hö, hö

  195. #195 BreitSide
    Mai 6, 2010

    Konsequenz ist keine Tugend! Aus diesem Grunde verabschiedet sich der Webbaer gelgentlich und reagiert beizeiten doch noch.

    Nö, Du willst nur Aufmerksamkeit.

  196. #196 Wb
    Mai 6, 2010

    Die Sache mit dem Stein war schon interessant, also wenn Sie es vielleicht doch versuchen wollen?!
    Wb hält sich noch (aufmerksamkeitsheischend so zu sagen) ca. 40 Minuten am Gerät.

    MFG
    Wb

  197. #197 georg
    Mai 7, 2010

    @MartinB

    @JF
    Habe ich das richtig verstanden: Notwendige Bedingung fuer die Wissenschatlichkeit ist, dass man die Disziplin an einer Uni studieren kann, dass es Konferenzen und Fachzeitschriften gibt etc.?
    In meinen Augen definieren Sie damit Wissenschaft als soziologisches Phaenomen. (Meinen Sie das mit “hinweisender Definition”?)

    Guter Punkt.

    mfg georg

  198. #198 georg
    Mai 7, 2010

    @Jörgr Friedrich · 06.05.10 · 11:22 Uhr

    Ob andere, notwendige Bedingungen von der christologischen Hermeneutik erfüllt werden, z.B. die hinsichtlich eines wissenschaftlich strukturierten Diskurses, kann ich nicht einschätzen. Deshalb werden Sie von mir zu dieser Frage auch keine Beurteilung bekommen können.

    Sie überraschen mich doch immer wieder. Diese Aussage Ihrerseits finde ich nun wirklich höchst erstaunlich angesichts der Tatsache, dass Sie hier Posts zum Theme Theologie und Wissenschaft veröffentkichen und Ratzingers Jesus-Buch ja doch ebenfalls gelesen haben.
    Die christologische Hermeneutik verwendet er dort schließlich, um sich sein göttliches Christus-Bild von Jesus zu konstruieren.

    Die Frage nach der Wissenschaftlichkeit Ratzingers christologiescher Hermeneutik wird doch dankenswerterweise von Ratzinger selbst, durch den Verweis auf den dafür erforderlichen Glaubensentscheid, deutlich genug beantwortet.

    Es ist doch klar, dass wenn die Ratzingersche Hermeneutik Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erheben könnte, dies erstens dem katholischen Chef-Theologen bekannt wäre und er zweitens, nicht ohne Not auf den Bonus verzichten würde, den der Begriff Wissenschaft mit sich bringt.

    Gerade die katholische Kirche legt ja bekanntermaßen großen Wert auf die angebliche Vereinbarkeit ihrer Lehre mit Vernunft und Wissenschaft.

    Mit diesem Eingeständnis des für den Einsatz seiner christologischen Hermeneutik erforderlichen Glaubensentscheids gesteht Ratzinger doch gleichzeitig deren mangelnde Wissenschaftlichkeit ein (sonst wäre ja kein Glaubensentscheid erforderlich) und führt damit Ihr Abgrenzungskriterium ad absurdum.

    mfg georg

  199. #199 georg
    Mai 7, 2010

    Ich habe bei Diax’s Rake einen Fred gefunden (Wissenschaft und Dogmatik ), der m. E. eher geignet ist Fragen, nach der Abgrenzung von Wissenschaft zu klären. da heißt es u. a.:

    Gerade für empirische Wissenschaften können einige erkenntnistheoretische Prämissen angeführt werden, die heute gelten. Dazu gehört ein minimaler Realismus, der von irgendwelchen realen Entitäten ausgeht, die unabhängig von den Erkenntnismitteln existieren. Über die Erkennbarkeit dieser Entitäten entscheidet die empirische Forschung und Wahrheit hängt von der strukturellen Übereinstimmung von wissenschaftlicher Satzbehauptung und Entsprechung in der „Realität” ab. Ebenso ist auf die bereits angesprochene epistemische Fallibilität zu verweisen, von der ausgehend jede wissenschaftliche Aussage als fallibel angesehen wird und die somit nie als „vollständig” sicher angesehen werden kann. Allerdings lässt sich der Verlässlichkeitsgrad der Hypothesen empirisch prüfen. Ein weiterer Punkt ist das Streben nach Objektivität. Das bedeutet, dass wissenschaftliche Wahrheit und die Verlässlichkeit der Hypothesen objektiv gelten sollen, also unabhängig von den Einstellungen und Wertungen des Erkenntnissubjekts. Die intersubjektive Objektivierbarkeit im Sinne überzeugender Begründungen gilt für jede kompetente und entsprechend informierte Person. Ebenso eine erkenntnistheoretische Prämisse ist der minimale Empirismus, der eine empirische Zugänglichkeit und Überprüfbarkeit der Gegenstandsbereiche wissenschaftlicher Disziplinen bedeutet, wobei gleichzeitig Empirie losgelöst von allem nicht ausreicht. Als letzte Prämisse kann noch die logische Klarheit angeführt werden, welche die Anwendung logischer Methoden fordert. Dazu gehört, dass die Konsequenzen von Hypothesen empirisch prüfbar sein sollen. Zu diesem Zweck müssen die Konsequenzen von Argumenten genau bekannt sein und folglich die Argumente kontrollierbar korrekt sein. Das wiederum bedeutet, dass die Behauptungssätze präzise Bedeutungen haben müssen und die Begriffe kontrollierbar präzise sein müssen.

    Zu diesen erkenntnistheoretischen Prämissen kann man noch einige methodologische Merkmale anführen, an Hand derer eine Überprüfung des Wissenschaftscharakters entsprechender Disziplinen möglich ist. Dazu zählt eine hypothetische Generalisierung als Grundlage für Erklärungen bzw. Prognosen. Dies bedeutet, dass möglichst allgemeine hypothetische Satzbehauptungen zu Gesetzen und Theorien führen. Ein weiterer methodologischer Aspekt ist die empirische Ausschöpfung, womit das Suchen nach möglichst vielen aktualen Beobachtungssätzen – resultierend aus Beobachtungen, Experimenten und Messungen – gemeint ist. Abschließend sind die vermutlich bekanntesten und offensichtlichsten Aspekte wissenschaftlicher Methodologie zu nennen, die da wären: Erklärung und Prognose sowie empirische Überprüfung.

    mfg georg

  200. #200 Wb
    Mai 7, 2010

    @georg
    Der werte Physikus aus Jülich gehört halt zu den “wissenden” Wissenschaftlern, der stellt so zu sagen die natürlich Gegenposition dar.

    Es springen Forderungen wie bspw. Die nach dem “minimalen Realismus” und dem ebenfalls “minimalen Empirismus” ins Auge, nichts gegen derartige Vorstellungen, nur kann man damit arbeiten? Was hat der Kollege eigentlich genau gesagt?

    Dann haben wir noch das “Streben nach Objektivität” und Sätze wie “Das bedeutet, dass wissenschaftliche Wahrheit und die Verlässlichkeit der Hypothesen objektiv gelten sollen, also unabhängig von den Einstellungen und Wertungen des Erkenntnissubjekts.”, weiß jemand genau was gemeint ist? [1]

    Das moderne Wissenschaftsbild ist jedenfalls ein anderes, das oben Genannte scheint bis ca. 1905 gegolten zu haben, zurzeit ist man wesentlich skeptischer beschreiben zu können, was Wissenschaft genau ist – oder wichtiger! – sein sollte.

    Irgendwo hier wurde die Frage gestellt, ob Fußball Wissenschaft ist, was meinen Sie?
    Oder was halten Sie von den Sozialwissenschaften, die lange Zeit nicht den Wissenschaftsstatus hatten? Oder von der Wirtschaft/Ökonomie [2] ?

    Eigentlich ganz schön, dass die Betonköpfe nicht mehr vollständig ernst genommen werden, das Wissenschaftsbild hat sich gewandelt, wohlmeinende Skepsis seitens der Gesellschaft ist angebracht, man ist halt vorsichtig, gerade wenn die Betonköpfe offen politisch sind.

    MFG
    Wb

    [1] Den Satz betreffend, falls Sie es nicht wissen: Keiner weiß das.
    [2] Bei der schon der Name falsch ist, es geht eben nicht nur um Wirt-Kundenverhältnisse. Und wenn Sie bspw. einen Herrn Bofinger, einen Herrn Hickel und einen Herrn Sinn reden hören, ist das dann (von Ihrem Empfinden her) wirklich wissenschaftlich? – Butterwegge und Benz auf Seiten der Sozerei wären auch gute Beispiele.

  201. #201 georg
    Mai 7, 2010

    @Wb· 05.05.10 · 14:47 Uhr

    So, Wb auch endgültig weg,

    Versprechen mit leider sehr kurzer Halbwertszeit.

    Dann haben wir noch das “Streben nach Objektivität” und Sätze wie “Das bedeutet, dass wissenschaftliche Wahrheit und die Verlässlichkeit der Hypothesen objektiv gelten sollen, also unabhängig von den Einstellungen und Wertungen des Erkenntnissubjekts.”, weiß jemand genau was gemeint ist?

    Wenn du Verständnisprobleme bzgl des Begriffs Objektjektivität hast, sind die scienceblogs definitiv kein geeigneter Spielplatz für dich.

    Das moderne Wissenschaftsbild ist jedenfalls ein anderes, das oben Genannte scheint bis ca. 1905 gegolten zu haben, zurzeit ist man wesentlich skeptischer beschreiben zu können, was Wissenschaft genau ist – oder wichtiger! – sein sollte.

    Ob sich diesbezüglich 1905 etwas geändert hat, solltest du am besten Jörg Rings in dem von mir verlinkten Fred fragen. Ich bin überzeugt, der kann dir das klar und deutlich erklären.

    Eigentlich ganz schön, dass die Betonköpfe nicht mehr vollständig ernst genommen werden

    Und das ist einfach nur Trollerei.

    mfg georg

  202. #202 Jörg Friedrich
    Mai 7, 2010

    @MartinB: Ich betrachte hier Wissenschaft nicht als soziologisches, wohl aber als ein soziales Phänomen. Ja. Welche Idee, einen Begriff von Wissenschaft zu finden, hätten Sie?

    Eine “hinweisende Definition” ist eine, bei der man auf etwas zeigt und sagt: “Das ist ein XY”. Wittgenstein hat in seinen Philosophischen Untersuchungen das Konzept der Familienähnlichkeiten vorgeschlagen: Man kann verschiedene Objekte vorzeigen, die bestimmte Attribute mehr oder weniger gemeinsam haben, und dann sagen “Das und ähnliches nennt man …” Ich hatte darüber schon mal hier geschrieben.

    Zu Zeiten von Galilei und Newton waren die Diskursformen andere, aber ohne den Diskurs und die Lehre wäre auch zu ihren Zeiten keine Wissenschaft möglich gewesen. Tatsächlich ist ein einzelner Denker, der für sich lauter Wahrheiten produziert, noch kein Wissenschaftler, denn dass das, was er sich da ausdenkt, Wissenschaft ist, muss sich ja im wissenschaftlichen Diskurs erst bewähren. Ganz davon abgesehen ist es auch äußerst unwahrscheinlich dass der einsame Denker ohne wissenschaftliche Ausbildung und abgeschnitten vom wissenschaftlichen Diskurs etwas schafft, das sich irgendwann einmal als wissenschaftliche Leistung herausstellt.

    @georg: Sehen Sie, ich erlaube mir kein Urteil über eine Disziplin, wenn ich mal ein Buch gelesen habe. Wenn Sie die angegebenen Kriterien ansehen werden Sie verstehen, dass das auch gar nicht möglich ist. Ich weiß nicht, welche Diskussionen es in der christologischen Hermeneutik gibt, wie dort gelehrt wird usw usf.

    Sie verweisen auf einen Text bei Jörg Rings der in der Tat den Diskussionsstand der eines kleinen Teils der Wissenschaftsphilosophischen Debatte der 1930er bis 1950er Jahre darstellt.

    Allein die Frage nach einem “minimalen Realismus” ist höchst strittig. Nach meiner Erfahrung ist der Realismus unter den hysikern selbst sehr unterschiedlich ausgeprägt (ich hatte darüber schon einmal geschrieben). Man muss schon sehr genau hinsehen um herauszufinden, was genau dieser “minimale Realismus” ist. Ähnlich ist es mit dem Wahrheitsbegriff, auch hier zeigt sich, dass man mit einem Korrespondenzbegriff nicht weit kommt.

  203. #203 Andrea N.D.
    Mai 7, 2010

    @georg
    “solltest du am besten Jörg Rings in dem von mir verlinkten Fred fragen.”
    Das kann er nicht, er ist glücklicherweise dort nicht erwünscht.

    @Jörg Friedrich:
    Gibt es noch eine ernsthaften Beitrag zu der Diskusison von Ihnen? Es ist noch einiges offen, was leider immer wieder durch Zootiere verdrängt wird.

  204. #204 MartinB
    Mai 9, 2010

    @JF
    So, nun bin ich wieder im Lande und kann wieder mitmischen.
    Danke für die Erklärung, wenn ich es richtig verstehe, ist eine “hinweisende” Definition also so eine Art Erkennungsschema, in der Art von “if it quacks like a duck…”.

    Das wirft zwei Probleme für mich auf:
    1. ich bin nach wie vor der Meinung, dass ich Wissenschaft genau dann betreibe, wenn Ihre Definition nicht greift, wenn ich nämlich an meinem Schreibtisch sitze und die wissenschaftliche Methode anwende, um Probleme zu lösen, beispielsweise indem ich was ausrechne, programmiere, ein Experiment entwerfe (Zum Durchführen gibt’s zum Glück Doktoranden…) etc.
    Was ich später in papers und auf Konferenzen tue, ist, die Ergebnisse dieser Tätigkeit zu vermitteln. Ihre Definition kommt mir so vor als würden Sie sagen, Politik ist das, was auf Pressekonferenzen passiert, weil es das ist, was man öffentlich mitbekommt.

    2. Ihre Definition selbst bedeutet, dass man nur die Form kopieren müsste, um selbst wissenschaftlich zu sein – deshalb sagen Sie ja selbst, dies sind notwendige, nicht hinreichende Kriterien. Insofern empfinde ich sie als unbefriedigend, denn sie hört genau da auf, wo es anfängt, interessant zu werden (wie unterscheide ich eine Wissenschaft von einer Pseudowissenschaft oder etwas anderem wie Theologie oder Philosophie?).

    Meiner Ansicht nach sollte man, wenn man denn Wissenschaft definieren muss, versuchen, dies methodisch zu tun – etwas in der Art von “Wissenschaft ist das Erstellen von Hypothesen und ihre systematische Überprüfung bzw. Widerlegung durch eigens hierfür entworfene Experimente bzw. Beobachtungen.” (Nein, mir ist klar, das dass in dieser Form noch keine taugliche Definition gibt, es soll die Richtung zeigen.) Wenn ich mich an meine Philosophie-Seminare erinnere, war so in etwa der Ansatz von Poincare.

  205. #205 georg
    Mai 10, 2010

    @Jörg Friedrich

    @georg: Sehen Sie, ich erlaube mir kein Urteil über eine Disziplin, wenn ich mal ein Buch gelesen habe.

    Auf was stützt sich denn Ihre Einstufung der Theologie, einmal als Wissenschaft und dann vielleicht doch nicht, denn im Einzelnen, wenn man fragen darf?

    Sie verweisen auf einen Text bei Jörg Rings der in der Tat den Diskussionsstand der eines kleinen Teils der Wissenschaftsphilosophischen Debatte der 1930er bis 1950er Jahre darstellt.

    In dem von mir verlinkten Fred hatten Sie sich ja auch an der Diskussion beteiligt. Hätten Sie sich dort gleich mit dieser Aussage zu Wort gemeldet, wäre daraus sicher eine interessante Diskussion entstanden.

    “Diskussionsstand eines kleinen Teils der Wissenschaftsphilosophischen Debatte der 1930er bis 1950er”
    Können Sie diese Behauptung auch irgendwie belegen?

    Es gibt mindestens eine wissenschaftsphilosophische Richtung, die mit diesem Text konform geht, nämlich den Kritischen Rationalismus. Haben Sie für Ihre Sichtweise Vergleichbares zu bieten?

    mfg georg

  206. #206 georg
    Mai 10, 2010

    @Jörg Friedrich
    “mal ein Buch”

    Ich stütze mich bei meiner Argumentation bzgl. der christologischen Hermeneutik immerhin auf den amtierenden Papst mit einer beeindruckenden akademischen Vita. Aus Wikipedia:

    Akademische Laufbahn
    Im Jahre 1953 wurde Ratzinger mit der Arbeit Volk und Haus Gottes in Augustins Lehre von der Kirche an der Universität München zum Doktor der Theologie promoviert. 1957 habilitierte er sich an der Ludwig-Maximilians-Universität München gegen den Widerstand des dort hoch angesehenen Dogmatikers Michael Schmaus bei Gottlieb Söhngen im Fach Fundamentaltheologie mit der Schrift Die Geschichtstheologie des Hl. Bonaventura.

    1958 trat der damals 31-Jährige eine Professur für Dogmatik und Fundamentaltheologie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Freising (heute Teil der Ludwig-Maximilians-Universität München) an. 1959 wurde er an die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn auf den Lehrstuhl für Fundamentaltheologie berufen. Seine Antrittsvorlesung hielt er am 24. Juni 1959 über das Thema „Der Gott des Glaubens und der Gott der Philosophen“. Nach einem kurzen Aufenthalt im Theologenkonvikt Collegium Albertinum wohnte er in seiner Bonner Zeit in Bad Godesberg; seine Schwester Maria führte ihm den Haushalt.[1] Den Bonner Lehrstuhl hatte er inne, bis er 1963 dem Ruf an das Seminar für Dogmatik und Dogmengeschichte der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster folgte. Seine Antrittsvorlesung Offenbarung und Überlieferung hielt er vor einem überfüllten Hörsaal.

    1966 erhielt Ratzinger auf Empfehlung von Hans Küng einen Lehrstuhl für Katholische Dogmatik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen,[2] Aus Vorlesungen aus dieser Zeit für die Hörer aller Fakultäten entstand sein 1968 veröffentlichtes Buch Einführung in das Christentum. Unmittelbar betroffen von den Studentenprotesten der ausgehenden 1960er-Jahre nahm er 1969 den Ruf an die Universität Regensburg an. Dort lehrte er Dogmatik und Dogmengeschichte. In dieser gründete er zusammen mit Alma von Stockhausen die Gustav-Siewerth-Akademie. Im Jahr 1976 wurde er Vizepräsident der Universität, ehe er 1977 zum Erzbischof ernannt wurde. Auch nach seiner Wahl zum Papst ist er weiterhin Honorarprofessor in Regensburg.

    Wenn der sich nicht mit katholischer Christologie auskennt, wer denn sonst?

    Worauf stützen sich denn Ihre theologischen Kenntnisse?

    mfg georg

  207. #207 Jörg Friedrich
    Mai 10, 2010

    @georg: Würden Sie akzeptieren, wenn jemand sich ein Urteil über die Physik erlaubte, der gerade einmal “Über die spezielle und die allgemeine Relativitätstheorie” von Albert Einstein gelesen hat?

    Dem kritischen Rationalismus, der auf Popper zurückgeht, stehen eine Vielzahl plausibler weiterer Ansätze gegenüber. Sie werden in unterschiedlichen Texten meines Blogs Hinweise finden, wenn Sie Wikipedia bevorzugen, schauen Sie zunächst unter Konstruktiver Empirismus oder Pragmatismus wobei jeweils die englischen Artikel zu bevorzugen wären.

    @MartinB: Es ist hier nicht der richtige Ort, und, ich muss das leider ergänzen, es ist auch nicht die richtige Zeit (für mich) um diese Fragen hier im Blog zu diskutieren. Die Kommentare der letzten Tage zeigen mir: Wenn ich Ihnen, woran ich durchaus Interesse hätte, meinen Standpunkt dazu darstellte, würden die üblichen Verdächtigen auf die übliche Weise darüber herfallen. Wenn Sie mögen, schicken Sie mir eine Mail, dann kann ich Ihnen gern schreiben was ich zu Ihrem Wissenschaftsbegriff denke.

  208. #208 georg
    Mai 10, 2010

    @Jörg Friedrich
    Physik ist eine Wissenschaft und Einstein daher kein Papst. Die katholische Christologie ist der Kern des katholischen Gottesbildes und Ratzinger ist schließlich der Papst.

    Dem kritischen Rationalismus, der auf Popper zurückgeht, stehen eine Vielzahl plausibler weiterer Ansätze gegenüber.

    Das klingt schon ganz anders.
    Wie relevant und wie überzeugend diese anderen Ansätze im Vergleich sind, wäre aber erst noch zu zeigen.

    mfg georg

  209. #209 MartinB
    Mai 10, 2010

    Lieber Herr Friedrich,
    schade, ich fände es öffentlich interessanter, aber gut, im Moment weht hier ein ziemlich heftiger Wind auf dem Blog, da verstehe ich schon, dass Sie nicht unendliche viele Diskussionen gleichzeitig führen wollen.

    Mir ist auch schon klar, dass meine “Definition” keine echte ist, dazu ist sie zu schwammig, wenn man anfängt, die Begriffe wie “methodisch” oder “prüfen” zu hinterfragen. Ich finde die Idee einer hinweisenden Definition (wenn jemand das und das tut, ist es wissenschaft) eigentlich ganz gut, ich würde sie nur gern auf etwas beziehen, was praktizierende Wissenschaftler tatsächlich als wissenschaftliche Tätigkeit ansehen. Philosophische Definitionen, die dem Alltagsgebrauch widersprechen, sind mir immer etwas suspekt…

    Falls Sie weiterdiskutieren wollen, meine mailadresse haben Sie ja im header – ansonsten vielleicht irgendwann anders auf diesem Blog, wenn das Thema mal wieder aufkommt.

  210. #210 georg
    Mai 11, 2010

    @Jörg Friedrich
    Zum konstruktiven Empirismus nach Bas Van Fraasen:

    Van Fraassen fasst die Hauptaussage seiner philosophischen Position so zusammen:
    Science aims to give us theories which are empirically adequate; and acceptance of a theory involves as belief only that it is empirically adequate. This is the statement of the anti-realist position I advocate; I shall call it constructive empiricism. (van Fraassen 1980, 12)
    [Wissenschaft hat zum Ziel, uns Theorien zur Verfügung zu stellen, die empirisch adäquat sind; und die Anerkennung einer Theorie beinhaltet nur die Überzeugung ihrer empirischen Adäquatheit. Dies ist die Formulierung der anti-realistischen Position, für die ich plädiere; ich werde sie konstruktiven Empirismus nennen.]

    Hätte Galilei um dieses Ziel der Wissenschaft (nicht Wahrheit im klassischen, korrespondenztheoretischen Sinne, sondern lediglich empirische Adäquatheit) gewusst, hätte er sich den Ärger mit der Inquisition sparen können.

    Das ist eine Wissenschaftstheorie, die Galilei vermutlich nicht überzeugt hätte, die aber den Vorzug hat, dass sie sich mit der katholischen Theologie arrangieren könnte. Das ergäbe dann in etwa folgende Rollenverteilung:
    Die Wissenschaft beschreibt die Oberfläche der Phänomene “empirisch adäquat”. Ein Schluss auf die zugrundeliegende Wirklichkeit ist nicht zulässig. Die Fragen nach dem tieferen Sinn obliegen der Theologie.

    Die Krönung ist dann erreicht, wenn die Theologie auch noch selbst zur Wissenschaft erklärt wird. Dann hätten wir eine Wissenschaft für die Phänomene, die normale Wissenschaft und eine Wissenschaft für den tieferen Sinn, Werte, Moral, Ethik usw., die Theologie.

    An einer derartigen Wissenschaftstheorie hätten die Theologen ihre Freude. Ein Galilei aber, macht da freiwillig nicht mit.

    mfg georg

  211. #211 Andrea N.D.
    Mai 11, 2010

    @Jörg Friedrich:
    Da Sie es vorziehen, auf die profunden Beiträge von georg nicht zu antworten, nehme ich an, dass georg auch zu den üblichen Verdächtigen gehört:

    “Wenn ich Ihnen, woran ich durchaus Interesse hätte, meinen Standpunkt dazu darstellte, würden die üblichen Verdächtigen auf die übliche Weise darüber herfallen.”

    Dabei sind georgs Ausführungen zum konstruktiven Empirismus doch sehr interessant und nicht üblich “verdächtig”. Da drängt sich der Eindruck auf, dass mit “üblich verdächtig” alle gemeint sein könnten, die nicht zwingend mit Ihrer persönlichen Meingung konform gehen und Ihre undifferenzierten Allgemeinaussagen in Frage stellen.

  212. #212 Jörg Friedrich
    Mai 11, 2010

    @georg: Galileis Problem war, dass er überhaupt nur realistisch argumentieren konnte weil die Empirie leider nicht auf seiner Seite war. Wir hatten das Thema schon mal und ich hatte Sie da schon einmal auf die historische Forschung hingewiesen die zeigt, wie der real existierende Galilei (nicht der Mythos, den Brecht und einige naturwissenschaftliche Geschichtenerzähler gern verbreiten) sich die empirischen Daten zurechgebogen hat. Hätte man den Standpunkt des konstruktiven Empirismus vertreten (wie es schon Andreas Osiander de facto im Vorwort von Kopernikus’ “De Revolutionibus Orbium Coelestium” gemacht hat) dann hätte Galilei nämlich ganz schlechte Karten gehabt. Das ist auch der Grund, warum er letztlich widerrufen musste. Aber diese schlichten historischen Tatsachen wollten Sie schon beim letzten Mal nicht zur Kenntnis nehmen.

    Heute können wir hinsichtlich der Planeten natürlich realistisch argumentieren – wir können hinfliegen und nachsehen. Bei den Theorien, auf die sich van Fraasen vor allem bezieht, ist das aber prinzipiell ausgeschlossen. Das zur Kenntnis nehmend vertreten viele Elementarteilchen-Physiker übrigens auch einen Standpunkt, der sich mit van Fraasens deckt.

    Interessant übrigens, wie Sie bei dieser Diskussion wieder die Theologie ins Spiel bringen. Sie haben natürlich Recht: Einen “tieferen Sinn” wird die Wissenschaft nicht erklären können, wenn sie nicht realistisch argumentiert. Aber will sie das denn? Soll sie das? Soll sie das Erbe der Religion antreten? Das würde den Eifer erklären, der einem hier entgegenschlägt, wenn man an einem solchen möglicherweise tatsächlich vorhandenen Anspruch zu kratzen wagt.

    Entschuldigen Sie bitte, dass ich im weiteren, gewandt an Andrea N.D. von Ihnen in der dritten Person spreche.

    @Andrea N.D. georg gehört ganz sicher nicht zu den üblichen Verdächtigen. Er argumentiert inhaltlich und man bemerkt, dass er sich mit den Argumenten, die ich bringe, tatsächlich auseinandersetzt. Deshalb antworte ich ihm auch, wenn Fragen gestellt werden, so schnell es geht. gestern hat es eine dreiviertel Stunde gedauert, heute waren es 5 Stunden. Welcher “Eindruck sich hier aufdrängt” ist eine Frage, die ich lieber nicht vertiefen möchte.

  213. #213 Andrea N.D.
    Mai 11, 2010

    @Jörg Friedrich:
    Ihre inhaltichen Beiträge sehen dann so aus? “@Andrea N.D. Das ist von Ihnen? Soso. Das hätten Sie mir aber auch schon mitteilen können, als ich Sie in meinem Kommentar (Jörg Friedrich· 05.05.10 · 09:22 Uhr) darauf schon einmal hinwies.”
    Und sind noch dazu falsche Behauptungen, da mein Beitrag vom 29.04. war.

    Und: Ist das dann keine inhaltliche Frage?
    “.. inwiefern die katholische Theologie (am Beispiel Ratzingers) durch ihre Setzung dann auch zur Wissenschaft zu zählen ist. Immerhin gibt es an den theologischen Fakuläten ja auch Forschung, Ausbildung und Diskurs (um den Bogen zu Ihrem Ursprungstext wieder zu schlagen). ”

    Wenn das keine “inhaltliche Argumentation” ist, und zudem keine “tatsächliche Auseinandersetzung mit den Argumenten, die Sie bringen” (das Setzungskriterium wurde von Ihnen genannt) darstellt, dann bitte ich um Erläuterung, warum das keine inhaltliche Argumentation ist. Sie haben auf die Frage nicht geantwortet.

    Hier “drängt sich der Eindruck auf”, dass Sie durchaus nicht-inhaltlich argumentieren bei gleichzeitiger Ablehnung der Beantwortung von inhaltlichen Fragen. Insofern ist Ihr letzter Kommentar extrem unglaubwürdig.

  214. #214 Jörg Friedrich
    Mai 11, 2010

    @Andrea N.D. Ich habe diese Frage mehrfach beantwortet. Es tut mir leid, dass Sie die Antwort nicht akzeptieren können. Aber ich sehe keine Möglichkeit, meine Antwort so zu formulieren, dass sich das ändert (und nein – ich werde jetzt nicht noch einmal auf die Stellen verweisen, und ich werde auch keine neue Zusammenfassung aufschreiben, all das ist bereits geschehen und hat nicht den gewünschten Erfolg gebracht.)

    Auf all das, was Sie zu dieser Tatsache jetzt noch äußern werden, gibt es nur eine Antwort. Ja – Andre N.D. – Sie haben recht.

  215. #215 Andrea N.D.
    Mai 11, 2010

    @Jörg Friedrich:
    Ich habe nicht den Eindruck, dass ICH irgendeine Antwort von Ihnen nicht akzeptieren könnte. Alleine in diesem Thread sind auch von anderen Kommentatoren viele Fragen und Anregungen, die für den Argumentationsfortgang wesentlich waren, von Ihnen unberücksichtigt geblieben. Und zwar immer dann, wenn Ihnen Schwachstellen oder Unrichtigkeit in Ihrer Argumentation aufgezeigt wurden.

    Ich sehe, um bei den letzten Kommentaren zu bleiben, auch keine wirkliche Antwort auf georgs Frage,

    “Auf was stützt sich denn Ihre Einstufung der Theologie, einmal als Wissenschaft und dann vielleicht doch nicht, denn im Einzelnen, wenn man fragen darf? ”

    darin, dass Sie Schlagworte in Wikipedia nachlesen lassen. Die Schlussfolgerung aus diesen Angaben von georg, “Die Krönung ist dann erreicht, wenn die Theologie auch noch selbst zur Wissenschaft erklärt wird. Dann hätten wir eine Wissenschaft für die Phänomene, die normale Wissenschaft und eine Wissenschaft für den tieferen Sinn, Werte, Moral, Ethik usw., die Theologie.”, die sicherlich auch auf Ihre mehrdeutigen Aussagen, ob Theologie jetzt eine Wissenschaft ist oder nicht, anspielte, wurde von Ihnen auch nicht beantwortet. Offensichtlich haben hier mehrere Kommenatoren das Problem, dass sie Antworten von Ihnen angeblich nicht akzeptieren können.

    Vielleicht liegt es an der Mehrdeutigkeit Ihrer Aussagen. Sie haben sich nach wie vor nicht klar geäußert, was in Ihren Augen die Theologie zur (Teil?)Wissenschaft (der Diskussion um das Setzungskriterium mit georg sind Sie ja ebenfalls ausgewichen) macht, Sie haben sich zu dem von Ihnen eingeführten Setzungskriterium nicht geäußert und Sie haben sich nicht klar dazu geäußert, warum die Theologie keine Wissenschaft ist. Ich ganz wirklich nicht nachvollziehen, wo das Problem liegt, dies so zu äußern, dass es andere Menschen auch verstehen.

    PS. Im Gegensatz zu Ihnen liegt mir die Rechthaberei gar nicht. Wenn ich mich derartig fundamental irren würde und ständig darauf hingewiesen würde, hätte ich sicherlich den Mut (den ich jetzt Maria eben genau nicht unterstelle), dies auch zu korrigieren. Ich täte mir ja selbst keinen Gefallen damit, weiterhin zu behaupten, dass alle anderen meine Antworten angeblich nicht akzeptieren könnten.

  216. #216 georg
    Mai 12, 2010

    @Jörg Friedrich

    @georg: Galileis Problem war, dass er überhaupt nur realistisch argumentieren konnte weil die Empirie leider nicht auf seiner Seite war. Wir hatten das Thema schon mal und ich hatte Sie da schon einmal auf die historische Forschung hingewiesen die zeigt, wie der real existierende Galilei (nicht der Mythos, den Brecht und einige naturwissenschaftliche Geschichtenerzähler gern verbreiten) sich die empirischen Daten zurechgebogen hat. Hätte man den Standpunkt des konstruktiven Empirismus vertreten (wie es schon Andreas Osiander de facto im Vorwort von Kopernikus’ “De Revolutionibus Orbium Coelestium” gemacht hat) dann hätte Galilei nämlich ganz schlechte Karten gehabt. Das ist auch der Grund, warum er letztlich widerrufen musste. Aber diese schlichten historischen Tatsachen wollten Sie schon beim letzten Mal nicht zur Kenntnis nehmen.

    Das Stück von Brecht kenne ich nicht. ich bin eh der Meinung, dass man solche Themen mit historischen Fakten und nicht mittels einer fiktiven Erzählung vermitteln sollte.

    Kopernikus und Galilei haben nicht realistisch argumentiert, weil sie dies “mussten”,
    sondern weil sie von der Wahrheit ihrer Aufassungen überzeugt waren. So wie die meisten Wissenschaftler und Philosophen zu allem Zeiten, und zwar Wahrheit im klassischen korrespondenztheoretischen Sinne.

    Und warum denn nicht? Man ist schließlich nicht verpflichtet, daran zu glauben, in dem Sinne wie Religionen die Menschen auf ihren Glauben verpflichtet haben wollen.

    Hätte man den Standpunkt des konstruktiven Empirismus vertreten … dann hätte Galilei nämlich ganz schlechte Karten gehabt. Das ist auch der Grund, warum er letztlich widerrufen musste.

    Eben! Argumentiern Sie eigentlich für den konstruktiven Empirismus oder dagegen?
    Wäre der konstruktiven Empirismus für Kopernikus und Galilei erkenntnisleitendes Paradigma gewesen, hätten sie sich die Arbeit gespart.
    Es gab ja schließlich eine “empirisch ädaquate” Theorie, die bei der Vorhersage der Planetenpositionen zu der Zeit auch noch genauer gewesen war.
    Und damit hätte sich der Fortschritt der Erkenntnis zumindest verzögert.

    Außerdem, mit welchem Recht maßt sich die Kirche an, unter Androhung von Folter und Mord, darüber zu entscheiden, was als wahr behauptet werden darf? Der Fall Giordano Bruno zeigt ja, dass es sich dabei nicht um eine leere Drohung handelt.

    Kopernikus hat aus Besorgnis vor den Reaktionen von religiöser Seite lange gezögert, sein Werk zu veröffentlichen. Und als er auf dem Totenbett lag und Osianders Vorwort gelesen hat, soll ihm dies den Rest gegeben haben, wie kolportiert wird. Damit wäre Kopernikus schon mal ein Todesopfer, das der konstruktive Empirismus gefordert hat, von der Verzögerung der Veröffentlichung mal nicht zu reden.

    Das sind die schlichten historischen Tatsachen: Ein konstruktiver Empirismus, der durch die Androhung von Folter und Mord zu seinem vermeintlichen Recht kommt und die Entwicklung der Wissenschaft behindert.

    Heute können wir hinsichtlich der Planeten natürlich realistisch argumentieren – wir können hinfliegen und nachsehen. Bei den Theorien, auf die sich van Fraasen vor allem bezieht, ist das aber prinzipiell ausgeschlossen. Das zur Kenntnis nehmend vertreten viele Elementarteilchen-Physiker übrigens auch einen Standpunkt, der sich mit van Fraasens deckt.

    Es ist natürlich nachvollziehbar, dass es schon aus psychologischen Gründen manchen schwer fällt, gegenüber den Erscheinungen der Quantenwelt einen realistischen Standpunkt einzunehmen, weil diese völlig anderen Regeln unterliegt, als wir es von den Objekten unserer unmittelbaren sinnlichen Wahrnehmung gewohnt sind. Trotzdem gibt es kein wirklich überzeugende Argument bestimmte physikalische Objekte wie z. B. Planeten, realistisch zu betrachten und andere nicht. Es dürfte Ihnen schwer fallen da eine überzeugende Grenze zu ziehen.

    Einen “tieferen Sinn” wird die Wissenschaft nicht erklären können, wenn sie nicht realistisch argumentiert. Aber will sie das denn?

    Warum soll sie denn nicht realistisch argumentieren? Das ist doch das Ziel der Erkenntnis: Wahrheit im klassischen, korrespondenztheoretischen Sinne.

    Das bedeutet natürlich nicht, dass Wissenschaft eine Pseudoreligion generieren soll oder kann, wie gerne unterstellt wird.

    mfg georg

  217. #217 El Webbaer
    Mai 12, 2010

    Das ist doch das Ziel der Erkenntnis: Wahrheit im klassischen, korrespondenztheoretischen Sinne.

    Eine lächerliche idealistische Sicht; Wissenschaft bemüht sich nicht um die Wahrheit, sondern um das Wissen.

    Versuchen Sie einmal das Wissen (vs. Wahrheit) zu verstehen, dann schmeckt auch der Schulkakao gleich ganz anders.

    MFG
    Wb

  218. #218 georg
    Mai 12, 2010

    wb ist heute unter pseudonym unterwegs.

    Dass dein “Wissen” wenig mit Wahrheit zu tun hat, habe ich schon lange vermutet. Trotzdem danke für die Bestätigung.

    mfg georg

  219. #219 Helmut E.
    Mai 12, 2010

    Hehe, der war gut. Er war es sogar wert, den Troll zu füttern. 😉

  220. #220 Jörg Friedrich
    Mai 12, 2010

    @georg: Konstruktiver Empirismus kommt also durch Androhung von Tod und Folter zu seinem Recht?! Kleiner haben Sie es nicht? Da Sie so abschließende Urteile über den konstruktiven Empirismus zu treffen fähig sind wüsste ich doch schon einmal gerne, wieviel Sie von van Fraasen außer den oben zitierten zwei Sätzen bereits gelesen haben. Nur damit ich weiß, auf welcher Ebene wir hier diskutieren. Ich bin nämlich gern bereit, bei wirklichem Interesse, die Argumente des konstruktiven Empirismus zu erläutern, aber wenn ich solche Urteile lese, vermute ich, Sie nur zu langweilen. Ein Urteil dieser Qualität setzt ja doch einige intensive Beschäftigung mit dem Thema voraus.

    Und wie halten Sie es mit den wissenschaftstheoretischen Positionen der Väter der Quantentheorie (Born, Bohr, Heisenberg)? Machen die vielleicht mit der katholischen Kirche gemeinsame Sache? Was denken Sie über die Debatte zur empirischen Gleichwertigkeit der Kopenhagener Deutung und der Bohm’schen Interpretation?

    Sie fragen, welchen Standpunkt ich selbst habe. Sie haben meine Beiträge zu jener alten Diskussion bei Jörg Rings ja gelesen. Dann wissen Sie, dass ich gerne eine realistische Position stärken würde. Sie haben ja selbst das Argument Feyerabends, das ich in dieser Diskussion eingebracht hatte, zitiert: Kopernikus und Galilei haben stark argumentiert, weil sie realistisch argumentiert haben, die empirischen Fakten sprachen gegen sie.

    Aber die heutige Wissenschaft ist in einer anderen Situation. Der katholischen Kirche ist die Existenz von Elektronen und Higgs-Teilchen herzlich egal – und selbst wenn es ihr nicht egal wäre, müsste die Wissenschaft sich nicht darum scheren.

    Deshalb stellt sich die alte Frage des Realismus-Antirealismus (die sich schon die alten Griechen stellten) heute neu – mit ihr auch die Frage, was Wahrheit ist. Ich denke, diese Frage wird nicht beantwortet, sie muss aber immer wieder gestellt werden, und die Argumente für die eine und die andere Seite werden uns weiter bringen.

  221. #221 Jörg Friedrich
    Mai 12, 2010

    Moderationshinweis: Ich glaube, dass hier niemand so sachlich argumentiert dass er berechtigt wäre, andere als “Troll” zu bezeichnen oder zu behandeln. In fast jeder aphoristischen Bemerkung steckt ein interessanter Gedanke, über den es nachzudenken lohnt.

    Noch einmal inhaltlich: Die überzeugende Grenze zwischen dem Existenz-Nachweis von Planeten und dem von Elektronen ist, dass ich die ersten prinzipiell mit unbewaffnetem Auge sehen kann, die zweiten aber niemals ohne zuhilfenahme von Instrumenten sehen oder überhaupt beobachten können werde.

  222. #222 El Webbaer
    Mai 12, 2010

    @JF
    Noch mal zum Wahrheitsbegriff, dieser zieht sich ja durch diese Diskussionen wie ein Bandwurm, was spricht gegen die Sicht, dass der Wahrheitsbegriff ein menschliches Konstrukt ist und der Mensch ungeeignet ist das, “was wirklich ist”, zu verstehen – zumal die Welt ja so angelegt sein kann, dass sie für einen Teilnehmer letztlich unverständlich sein muss.

  223. #223 Jörg Friedrich
    Mai 12, 2010

    Es spricht zumindest vieles für einen Wahrheitsbegriff der nicht auf Korrespondenz mit der objektiven Wirklichkeit angewiesen ist – da wir ja kein wirklich plausibles Kriterium haben um zu unterscheiden, wann wir über die Wirklichkeit “da draußen” sprechen und wann wir doch noch an unserem Bild von der Wirklichkeit festhängen. Wenn man akzeptiert, dass wir eigentlich immer, wenn wir von Wirklichkeit reden, über das Bild reden, das wir uns von der Welt da draußen machen, dass wir also streng genommen nie tatsächlich über diese Welt, die unabhängig von unseren Vorstellungen ist, reden können, dann ist es gut, sich nach einem Wahrheitsbegriff umzusehen, der ohne die Korrespondenz auskommt. Konsistenz und Rechtfertigung sind Konzepte, die dann ins Spiel kommen. Ich glaube es ist viel einfacher, auf deren Basis eine funktionierende Wahrheitstheorie zu bekommen – auch wenn die nicht ganz befriedigend ist. Aber so ost es ja oft: Was wirklich schön ist, funktioniert nicht, und was halbwegs funktioniert, ist nicht wirklich schön.

  224. #224 S.S.T.
    Mai 12, 2010

    Fünf ROPS für den WB.

  225. #225 El Webbaer
    Mai 12, 2010

    @JF
    Ja, gut, man kann sich jedenfalls dann das ganze Gewiggel [1] sparen, wenn man – Huch! – ohne Wahrheit auskommt; die Wissensstände bzgl. der Mikro- und der Makrowelt legen zudem nicht gerade nahe, dass der Mensch fähig ist das Funktionieren der Welt zu verstehen [2].

    Vermutlich sträuben sich viele aus einem gewissen religiösen Bedürfnis heraus ohne Wahrheit auszukommen, andere dagegen sehen die Wissenschaft (ungerechtfertigterweise [3]) in Gefahr entweder an sozialer Akzeptanz zu verlieren oder auf ein Anything-Goes zuzusteuern, wenn den Leuten gesagt wird, dass es in der Wissenschaft nicht um Wahrheit [4] geht.

    Was halt ein wenig blöde ist, ist dass einige der Kommentatorenkräfte nicht in der Lage sind eine Position ohne Wahrheit zu verstehen. Schwer zu sagen, woran es hier hapert; wenigstens der Konsens zum Dissenz könnte oder müsste eigentlich erreicht, naja…

    MFG
    Wb

    [1] die wenig seligen hiesigen Debatten mit den “üblichen Verdächtigen”
    [2] Zudem kann die Welt eben so beschaffen sein, dass sie für Teilnehmer unverständlich bleiben muss.
    [3] hier darf ein “vermutlich” ergänzt werden, ganz undenkbar ist ja nicht, dass sich auch in modernen aufgeklärten Systemen wieder der Wahnsinn ausbreitet, sei es durch Einfuhr, sei es durch Degeneration – insofern betrachtet der Webbaer die hiesigen kampagnenähnlichen Vortragsserien mittlerweile auch eher mit Milde
    [4] BTW: “auch wenn die nicht ganz befriedigend ist” – sieht der Wb “exakt” nicht so

  226. #226 BreitSide
    Mai 13, 2010

    S.S.T.·
    12.05.10 · 21:40 Uhr

    Fünf ROPS für den WB.

    Jaja, der putzige Petz…

  227. #227 krabat slalom
    Mai 13, 2010

    @wb und herr fridrich: *…wer kann schon für sich in Anspruch nehmen, die einzig wahre Wahrheit zu besitzen, die alles Anderslautende als Lüge ausschließt, wenn doch die Dinge vielflächig sind und die Ereignisse auch noch nach hundert Jahren sich nicht anders einfangen lassen als ein Bach, aus dem man mit einem Kruge schöpft: Der Krug ist voll Bachwasser, aber der Bach fließt* und kümmert sich nicht darum, ob der herr fridrich oder sonstbär mit einem runden oder einem eckigem, mit einem blauem oder einem gesprenkelten krug durch die gegend rennt. man kann das bachwasser im übrigen auch mit den händen schöpfen um den durst zu löschen. *Das Mädchen Aiku traf Krabat und wollte sich Geld auf die Augen legen, um blind zu sein. Im Wirtshaus der abtauschbaren Fröhlichkeiten warf Krabat den Schatten des Bettlers ins Feuer, und als er den Tresorgang der gefangenen Augen aufbrach floh ich, floh Aiku – alle meine Fehler … Aber ich sehe die Bilder jeden Tag, und sie sind Wahrheiten, ebenso wie ich eine Wahrheit bin und nun endlich weiß, das eine Wahrheit nur dann nichts von sich einbüßt, wenn sie den anderen Wahrheiten ihr Wahr-Sein beläßt und selbst nicht in ein buntes Flickenkleid vieler fremder kriecht*
    einmal und immer wieder freilich hat reissenberg versucht die wahrheit festzunageln am kreuz des immermehr und des niegenug, der anmaßung und der gier. er aber verließ das grab und brach mir das brot und reichte mir wein … und heute bruder ist himmelfahrt … solange ich er bin
    in diesem sinne
    gelebt und gestorben brüder

  228. #228 Le Webbaer
    Mai 13, 2010

    @ks
    Du sagst es, Bruder – auch wenn en detail nicht immer gefolgt werden konnte…
    BTW, warum “Fridrich” und wer “Reissenberg”?
    Und natürlich auch von hier ein Gelebt und gestorben und so,
    MFG
    Wb

  229. #229 Andrea N.D.
    Mai 13, 2010

    @Webbaer:
    “Was halt ein wenig blöde ist, ist dass einige der Kommentatorenkräfte nicht in der Lage sind eine Position ohne Wahrheit zu verstehen.”

    Ich bitte um mehrere einzelne Belege, mit der Du Deine Behauptung untermauerst. Ansonsten ist dies lediglich eine Unterstellung über den Verstehenszustand (Intelligenz? Verständnis? Gehirnkapazität?) Deinerseits, die ruhig von dem Blogbetreiber unterbunden hätte werden können. Da dieser sich ja ständig bemüht, Deinem “Huchgewiggel” (Dein eigener Ausdruck, kann also kaum eine Beleidigung für Dich darstellen) etwas abzugewinnen, kann er dies kaum überlesen haben.

    Äh und was wolltest Du uns sonst noch mitteilen?

    @Jörg Friedrich:
    Inhaltlich gebe ich auf, da wird das Denken zu schwer. Von der mutigen Maria über die Theologie als Wissenschaft oder nicht, über den durch den Zeitgeist verursachten Kindesmissbrauch von Mixa, über ein ominöses nicht hinreichendes Setzungskriterium zum konstruktiven Empirismus oder empirischen Konstruktivismus, locker-flockig werden hier (selbstverständlich wieder ausgehend von Feyerabend u.a.) Themen abgehandelt, für die dieses Blog offensichtlich nicht geeignet ist, will man sich ernsthaft damit beschäftigen.

  230. #230 georg
    Mai 14, 2010

    @Jörg Friedrich
    Erst mal nur kurz.

    @georg: Konstruktiver Empirismus kommt also durch Androhung von Tod und Folter zu seinem Recht?! Kleiner haben Sie es nicht?

    Das war ein bisschen satirisch. Gemeint habe ich natürlich die Anmaßung der Kirche und das Inquisitionsverfahren bzw. die Drohung mit der Inquisition. Die Vorlage für die Identifikation des Konstruktiven Empirismus mit der Kirche in diesem Fall hatten Sie ja geliefert:

    · 11.05.10 · 13:24 Uhr
    Hätte man den Standpunkt des konstruktiven Empirismus vertreten … dann hätte Galilei nämlich ganz schlechte Karten gehabt. Das ist auch der Grund, warum er letztlich widerrufen musste. Aber diese schlichten historischen Tatsachen wollten Sie schon beim letzten Mal nicht zur Kenntnis nehmen.

    Da konnte ich nicht widerstehen.

    Ich glaube auch nicht, dass Van Fraasen glücklich darüber wäre, wenn er wüsste, dass Sie mit seiner Position das Inquisitionsverfahren gegen Galilei quasi rechtfertigen: “Das ist auch der Grund, warum er letztlich widerrufen musste.” Zumindest macht es mir diesen Eindruck, als wäre das von Ihnen so gemeint.

    Deshalb stellt sich die alte Frage des Realismus-Antirealismus (die sich schon die alten Griechen stellten) heute neu – mit ihr auch die Frage, was Wahrheit ist. Ich denke, diese Frage wird nicht beantwortet, sie muss aber immer wieder gestellt werden, und die Argumente für die eine und die andere Seite werden uns weiter bringen.

    Da kann ich Ihnen im Prinzip zustimmen.

    Sie fragen, welchen Standpunkt ich selbst habe. Sie haben meine Beiträge zu jener alten Diskussion bei Jörg Rings ja gelesen. Dann wissen Sie, dass ich gerne eine realistische Position stärken würde.

    Wenn Sie “gerne eine realistische Position stärken würden”, verstehen ich nicht, warum Sie mit Van Fraasen eine dezidiert anti-realistische Position vertreten.

    Soviel an dieser Stelle.
    mfg georg

  231. #231 Jörg Friedrich
    Mai 14, 2010

    @georg: Meine Bemerkung zu Galilei haben Sie offenbar missverstanden. Die Original-Dokumente zeigen, dass die empirische Evidenz eben nicht so klar auf Galileis Seite war, wie man das im heutigen Mythos gern darstellt. Es ist eben nicht der Fall, dass die Inquisition sich geweigert hätte, durchs Fernrohr zu sehen. Nur: Galileis Berechnungen stimmten nicht mit den Beobachtungen überein, weil er Ellipsenbahnen für die Planeten ablehnte (deshalb erklärte er Kometen auch zu atmosphärischen Erscheinungen).

    Wer die damaligen Ereignisse verstehen will, sollte Galileis Schicksal mit dem Keplers vergleichen. Kepler entwickelte ein System mit elliptischen Planetenbahnen, das mit den Beobachtungen übereinstimmte. Er lebte zur gleichen Zeit wie Galilei, auch im Einflussbereich der katholischen Kirche, aber die Inquisition hat ihm kein Verfahren gemacht.

    Sie fragen, warum ich van Fraasens Position verteidige. In der Philosophie gibt es eine Grundregel: zunächst sollte man jede Postion, egal ob man sie verteidigen oder angreifen möchte, so stark wie möglich machen. Man sucht die starken Seiten jeder Position und setzt sich mit denen auseinander – die schwachen Seiten anzugreifen ist keine Kunst.

  232. #232 Le Webbaer
    Mai 14, 2010

    @JF
    Wie ist denn D.E. der konstruktive Empirismus (wenn es ihn nicht schon gäbe, täte der Wb ihn erfinden – streng genommen war der Wb bereits KE(ist) bevor es ihn gab 🙂 gesellschaftlich einzuordnen? Wenn davon geschrieben wird, dass (punktuell) eine realistische Position gestärkt werden soll, was war dann genau gemeint?
    Gehts in Richtung, van Fraasen hat recht (oder: “sinnvolle Annahme”), aber wir wollen schon am Nutzen orientieren?

    MFG
    Wb

  233. #233 georg
    Mai 14, 2010

    @Jörg Friedrich

    @georg: Meine Bemerkung zu Galilei haben Sie offenbar missverstanden. Die Original-Dokumente zeigen, dass die empirische Evidenz eben nicht so klar auf Galileis Seite war

    Ich meine Ihr Argument durchaus verstanden zu haben. Oben hatte ich geschrieben:

    ” Wäre der konstruktiven Empirismus für Kopernikus und Galilei erkenntnisleitendes Paradigma gewesen, hätten sie sich die Arbeit gespart.
    Es gab ja schließlich eine “empirisch ädaquate” Theorie, die bei der Vorhersage der Planetenpositionen zu der Zeit auch noch genauer gewesen war.

    Das ist doch Ihr Argument. Aber mir scheint, Sie haben meine Kritik an Ihrer Argumentation nicht richtig zur Kenntnis genommen. Die Tatsache, “dass die empirische Evidenz eben nicht so klar auf Galileis Seite war” rechtfertigt m. E. nicht im geringsten das Vorgehen der Kirche, Galilei mittels Inquisition zum Widerruf zu zwingen.

    Oben hatte ich auch geschrieben:
    “Kopernikus und Galilei haben nicht realistisch argumentiert, weil sie dies “mussten”, sondern weil sie von der Wahrheit ihrer Auffassungen überzeugt waren. So wie die meisten Wissenschaftler und Philosophen zu allen Zeiten, und zwar Wahrheit im klassischen korrespondenztheoretischen Sinne.
    Und warum denn nicht? Man ist schließlich nicht verpflichtet, daran zu glauben, in dem Sinne wie Religionen die Menschen auf ihren Glauben verpflichtet haben wollen. ”

    Ihre Formulierung liest sich doch so, als hielten Sie das Vorgehen der Kirche dadurch für gerechtfertigt, weil” die empirische Evidenz eben nicht so klar auf Galileis Seite war”, und das ganze dann auch noch unter Berufung auf den konstruktiven Empirismus.

    Sie fragen, warum ich van Fraasens Position verteidige. In der Philosophie gibt es eine Grundregel: zunächst sollte man jede Postion, egal ob man sie verteidigen oder angreifen möchte, so stark wie möglich machen. Man sucht die starken Seiten jeder Position und setzt sich mit denen auseinander – die schwachen Seiten anzugreifen ist keine Kunst.

    Die Regel, sich mit der starken Seite der Gegenposition auseinanderzusetzen finde ich gut. Soll das jetzt heißen, dass Sie sich erst in der Vorbereitungsphase befinden, in der Sie die Gegenposition (van Fraasen) erst stark machen, bevor Sie sich mit ihr kritisch auseinandersetzen. Habe ich Sie so richtig verstanden?

    mfg georg

  234. #234 Le Webbaer
    Mai 14, 2010

    Soll das jetzt heißen, dass Sie sich erst in der Vorbereitungsphase befinden, in der Sie die Gegenposition (van Fraasen) erst stark machen, bevor Sie sich mit ihr kritisch auseinandersetzen. Habe ich Sie so richtig verstanden?

    Wie der Wb den geschätzeten Inhalteanbieter kennt: Sicherlich nicht!
    Es sind Ergänzungen zu erwarten, aber schon ganz gut, so darf gerne vorgetragen werden.

    MFG!
    Wb

  235. #235 Jörg Friedrich
    Mai 14, 2010

    Ich denke, dass Wissenschaft manchmal besser vorankommt, wenn sie anti-realistisch (also z.B. konstruktiv-empiristisch) argumentiert und manchmal, wenn sie realistisch argumentiert. Kritisch sehe ich es eigentlich nur, wenn das eine für das andere ausgegeben wird.

    Ein schönes Beispiel ist die Quantenmechanik. Die Kopenhagener Deutung ist ja ganz eindeutig anti-realistisch und die Väter dieser Deutung haben das auch explizit so geschrieben. Bohm hingegen argumentierte eher realistisch. (“eher” deshalb, weil die realistische Interpretation seines Potentials ja auch nicht ganz einfach ist). Hier hat sich die anti-realistische Sichtweise eigentlich durchgesetzt, sie wird aber, auf ganz merkwürdige Weise, heute als realistische Sicht kommuniziert, dabei kommt es notgedrungen zu einer Bedeutungsverschiebung des Realismus-Begriffs. Das finde ich problematisch.

    Ich denke, dass es viele Fälle in der Wissenschaftsgeschichte gibt, die sich mit dem konstruktiven Empirismus verstehen lassen. Van Fraasen muss von mir nicht stark gemacht werden, er vertritt eine starke Position. Aber der konstruktive Empirismus kann eben nicht erklären, warum wir immer wieder dazu neigen, realistisch argumentieren zu wollen.

    Ich selbst neige momentan einem dritten Weg zu. Ich vermute, dass das ganze Problem des Widerspruchs zwischen realistischen und antirealistischen Positionen zum großen Teil darin begründet ist, dass wir die Wissenschaft als passives ansehen und theoretisches Erklären und nicht als praktisches Handeln und Eingreifen verstehen wollen. Es kann aber sein, dass sich dieser Weg als Sackgasse herausstellt, als weiterer Versuch der “Überredung” zum Realismus.

    @georg: Was den Galilei betrifft, haben wir tatsächlich ein wenig aneinander vorbeigeredet und ich hatte Sie, wie Sie in Ihrem letzten Kommentar richtig bemerken, tatsächlich falsch verstanden. Ihrem Satz “Die Tatsache, “dass die empirische Evidenz eben nicht so klar auf Galileis Seite war” rechtfertigt m. E. nicht im geringsten das Vorgehen der Kirche, Galilei mittels Inquisition zum Widerruf zu zwingen.” stimme ich selbstverständlich zu.

  236. #236 Le Webbaer
    Mai 14, 2010

    @JF
    Kann man den KE D.E. sinnvollerweise als Basis verstehen und das andere als darüberliegend und, nunja, als praktisch, aber nur bedingt wissenschaftlich greifbar?

    MFG
    Wb

  237. #237 georg
    Mai 14, 2010

    @Jörg Friedrich
    Von mir an dieser Stelle auch noch ein ganz kurzes Statement zur Kopenhagener Deutung und zu Bohm, obwohl ich da zugegebenermaßen kein Fachmann bin.
    Der bedeutsamste Unterschied ist, meines Wissens, nicht die Stellung zum Realismus, sondern zur Kausalität (“die verborgenen Variablen”).
    Einer zufallsgesteuerten Quantenwelt gegenüber, kann man m. E. durchaus auch eine realistische Sichtweise vertreten, auch wenn die Väter der Kopenhagener Deutung diese Sichtweise nicht bevorzugt haben.

    mfg georg

  238. #238 MartinB
    Mai 14, 2010

    Zur Quantenmechanik:

    @georg
    “Der bedeutsamste Unterschied ist, meines Wissens, nicht die Stellung zum Realismus, sondern zur Kausalität (“die verborgenen Variablen”).”

    Ja, schon, aber wenn der Zerfall eines Atomkerns eben *fundamental vollkommen zufällig* passiert, dann ist das ernsthaft betrachtet doch schon ein Problem für den Realismus – es gibt eben keinen Würfel oder sonst etwas, der da geworfen wird, also *wie zum henker* zieht denn der Urankern seine Zufallszahl? Ich sehe da schon ein gewisses Problem für den Realismus.

    @JF
    “Hier hat sich die anti-realistische Sichtweise eigentlich durchgesetzt, sie wird aber, auf ganz merkwürdige Weise, heute als realistische Sicht kommuniziert”

    Zumindest in einigen Büchern zur Quantenmechanik wird das Problem aber schon ziemlich klar dargestellt – mein Lieblingsbuch zum Thema (von Morrison) diskutiert die unterschiedlichen Interpretationen der QM sehr ausgiebig.
    Auch der vielzitierte Feynman sagte immerhin (sinngemäß) “Wer glaubt, die QM verstanden zu haben, hat sie nicht verstanden”.
    (Wenn ich mich recht erinnere, ist das Standardwekr von Schiff allerdings wesentlich weniger explizit, insofern haben Sie vielleicht recht – die Kommunikation könnte hier besser sein.)

    Man kann sich aber einigermaßen konsistent auf den Standpunkt stellen, dass die Wellenfunktion ein reales Objekt ist (das allerdings nie vollständig gemessen werden kann) – man muss dann halt “nur” die Nichtlokalität und den oben angeführten Zufallscharakter akzeptieren. Und die Frage, was tatsächlich einen Messprozess ausmacht (Stichwort Kollaps der Wellenfunktion), ist meines Wissens auch noch offen.

  239. #239 Jörg Friedrich
    Mai 14, 2010

    @Webbär: Ich bin nicht sicher ob man den Konstruktiven Empirismus als Basis, sozusagen als kleinsten gemeinsamen Nenner interpretieren kann. georg hat ja oben den Kernsatz aus “The scientific image” von van Fraasen zitiert: Wissenschaft zielt darauf ab, empirisch adäquate Theorien aufzustellen. Das kann man wahrscheinlich nicht als einen kleinsten gemeinsamen Nenner ansehen. Frag mich mal in einem Jahr wieder.

    @georg: Vielleicht sollten wir zur Quantenmechanik tatsächlich nicht viel weiter diskutieren. Ich selbst bin gerade dabei, unter Aufbietung all meiner Erinnerungen an Vektorräume, komplexe Zahlen und Matrizenrechnung und unter Zuhilfenahme zweier Physiker das Thema soweit zu durchschauen, dass ich mir ein Urteil bilden kann. Während ich dies schrieb hat MartinB, wie ich gerade im Posteingang sehe, dazu zentrale Fragen aufgeschrieben, die ich hier nicht wiederholen will.

  240. #240 MartinB
    Mai 14, 2010

    @JF
    Mein Lesetipp (oben schon kurz erwähnt):
    Morrison “Understanding quantum physics – a user’s manual” vol. 1
    Morrison ist das nahezu ideale Lehrbuch, detailreich, intelligent und manchmal ziemlich witzig. Schlägt alle anderen QM-Bücher, die ich je gesehen habe, um Größenordnungen und hat auch ein ausführliches Kapitel über Interpretationen der QM.

    Feynman ist natürlich in den Lectures auch inspirierend und immer lesenswert, aber die mathematischen Details finde ich ziemlich verwirrend aufgeschrieben, zum Lernen oder Rekapitulieren also nicht so geeignet. Die philosophischen Aspekte behandelt der anerkannte Philosophiehasser aber ziemlich gut…

  241. #241 Wb
    Mai 15, 2010

    Aber der konstruktive Empirismus kann eben nicht erklären, warum wir immer wieder dazu neigen, realistisch argumentieren zu wollen.

    Das will er ja auch nicht erklären.
    Die realistische Schicht liegt darüber, sie ist aber philosophisch [1] gut angreifbar.

    MFG
    Wb

    [1] und vermutich auch: sachlich – der Webbaer wird aber kein Quantenmechaniker mehr werden in diesem Leben

  242. #242 krabat slalom
    Mai 15, 2010

    @wb : warum fridrich? nunja, oft reicht es ein e-nig wegzulassen oder die eigene perspektive zu ändern, um gequake und geschnatter in etwas ganz wunderbares zu verwandeln: begegnung, dialog. der versuch ist es immer wert getan zu werden. der dialog das wunder das wir wirklichkeit nennen – alles andere ist illusion.
    wer reissenberg? *Der Bürgermeister zögert, soll er sagen, der letzte Reissenberg liegt unter der Grabplatte Misericordia, oder soll er reden von den Parabeln und ihrer Wahrheit? Er behilft sich und sagt, in den letzten hundert Jahren wurden hundert Millionen Menschen durch Menschen erschlagen: das ist Reissenberg.* manche nennen ihn den “herrn der welt” andere “the power”.
    @jf: ob krabat wirklich herrn fridrich schützen kann? krabat ist doch KEIN zauberer. nur ein wanderer und ein wunderer und oft ein wunder. aber wundenlecken, so notwendig und beruhigend es ist, wirkt niemals wunder. nicht die wunden, die die welt uns schlägt sind das wunder sondern was aus ihnen wächst: begegnung, dialog, wirklichkeit. hab ich mich jetzt wiederholt? … das all sind du ich und was wir eineinder geben…
    gelebt und gestorben brüder

  243. #243 Wb
    Mai 15, 2010

    @ks
    Webbaer hier mit Verfremdung arbeiten, JF hat irgendwo noch einen Hinweis auf die Krabat-Thematik gegeben, Wb jetzt besser einordnen können.

    Gute Arbeit + weiterhin viel Erfolg!
    MFG
    Wb

  244. #244 georg
    Mai 16, 2010

    @MartinB· 14.05.10 · 15:29 Uhr

    Zur Quantenmechanik:
    @georg
    “Der bedeutsamste Unterschied ist, meines Wissens, nicht die Stellung zum Realismus, sondern zur Kausalität (“die verborgenen Variablen”).”

    Ja, schon, aber wenn der Zerfall eines Atomkerns eben *fundamental vollkommen zufällig* passiert, dann ist das ernsthaft betrachtet doch schon ein Problem für den Realismus – es gibt eben keinen Würfel oder sonst etwas, der da geworfen wird, also *wie zum henker* zieht denn der Urankern seine Zufallszahl? Ich sehe da schon ein gewisses Problem für den Realismus.

    Klar, hat man Probleme, sich das realistisch vorzustellen. Das gilt aber z. B. auch für einen Raum mit mehr als drei Dimensionen und einiges anderes mehr. Ich sehe darin aber kein grundsätzliches Problem, für eine philosophische Position, nach der die Phänomene Ausdruck einer real existierenden Außenwelt sind und auch so zu interpretieren sind.

    mfg georg

  245. #245 georg
    Mai 16, 2010

    @Jörg Friedrich
    Zur Grenze (12.05.10 · 20:42 Uhr)

    Die überzeugende Grenze zwischen dem Existenz-Nachweis von Planeten und dem von Elektronen ist, dass ich die ersten prinzipiell mit unbewaffnetem Auge sehen kann, die zweiten aber niemals ohne zuhilfenahme von Instrumenten sehen oder überhaupt beobachten können werde.

    Sie meinen also tatsächlich, es sei eine überzeugende Abgrenzung genau das, was wir mit unserem biologischen optischen Instrument Auge innerhalb eines Frequenz- und Auflösungsbereich “prinzipiell” wahrnehmen können, realistisch deuten zu können oder zu sollen, aber nicht das, was wir vermittels technischer optischer Instrument erkennen, die diesen Wahrnehmungsbereich erweitern.

    Eine nicht unwesentliche Tendenz der Wissenschaft ist die Entanthropomorphisierung unseres Weltbildes. Sie jedoch halten die Reichweite der “unbewaffneten” menschlichen Sinneswahrnehmungen für geeignet eine entsprechend theoretische Einteilung der Erkenntnisobjekte vorzunehmen.

    Sind Sie ernsthaft der Meinung, es sei überzeugend zu fordern, das z. B. Läuse (aufgrund ihrer Größe) realistisch zu sehen sind und z. B. Hausstaubmilben nicht?

    mfg georg

  246. #246 georg
    Mai 16, 2010

    @Jörg Friedrich
    Zum Wahrheitsbegriff (12.05.10 · 21:26 Uhr)

    Wenn man akzeptiert, dass wir eigentlich immer, wenn wir von Wirklichkeit reden, über das Bild reden, das wir uns von der Welt da draußen machen, dass wir also streng genommen nie tatsächlich über diese Welt, die unabhängig von unseren Vorstellungen ist, reden können, dann ist es gut, sich nach einem Wahrheitsbegriff umzusehen, der ohne die Korrespondenz auskommt.

    Tatsächlich ist es weithin akzeptiert dass wir “nur” Modelle, aber keine 1:1 Abbildung der Wirklichkeit haben.

    Trotzdem macht es Sinn zu sagen, dass es Zweck dieser Modelle ist, die Wirklichkeit zu verstehen bzw. zu beschreiben bzw. zu erklären. Und Aufgabe der Wissenschaft ist es auch, dies zu überprüfen und ggf, nachzubessern.

    Experimentelle Grundlagenforschung (z. B. LHC) dient u. a. dazu, neue Phänomene zu generieren, um anhand dieser Theorien und Modelle zu überprüfen.
    Gemäß dem kohärenztheoretischen Wahrheitsbegriff macht das nicht so richtig Sinn, wenn man bereits eine “empirisch-adäquate” Theorie hat, die die bereits bekannten Phänomene hinreichend genau beschreibt.
    Gemäß dem korrespondenztheoretischen Wahrheitsbegriff macht das Sinn.
    Das Verständnis der Grundlagenforschung ist nur eines der Argumente, die für den kohärenztheoretischen Wahrheitsbegriff sprechen.

    Zum Wahrheitsbegriff (14.05.10 · 14:08 Uhr)

    Ich denke, dass es viele Fälle in der Wissenschaftsgeschichte gibt, die sich mit dem konstruktiven Empirismus verstehen lassen.

    Ich meine, dass es viele Fälle in der Wissenschaftsgeschichte gibt, die sich mit dem konstruktiven Empirismus nicht verstehen lassen. Das Bestehen auf der Wahrheit (korrespondenztheoretisch) des geozentrischen Weltbildes seitens Kopernikus und Galilei ist da nur ein Beispiel.
    Wäre der konstruktive Empirismus ihr erkenntnisleitendes Paradigma gewesen, hätten sie sich eher darum bemüht Ptolemäus mit weiteren Schnörkeln auszustatten.

    mfg georg

  247. #247 Wb
    Mai 16, 2010

    Nur hierzu etwas:

    Ich meine, dass es viele Fälle in der Wissenschaftsgeschichte gibt, die sich mit dem konstruktiven Empirismus nicht verstehen lassen.

    Nehmen wir mal an es würde sich jemand trauen das von Ihnen genannte Beispiel als völlig untauglich zu bezeichnen und um Ergänzungen zu bitten, fiele Ihnen dann ein weiteres Beispiel ein?

  248. #248 Wb
    Mai 16, 2010

    Zudem scheinen sich die Positionen anzunähern, höhö:

    Tatsächlich ist es weithin akzeptiert dass wir “nur” Modelle, aber keine 1:1 Abbildung der Wirklichkeit haben.

    Und auf diesem “empirischen Konstruktivismus” [1] liegt dann der “Realismus” [1], der den Menschen an Hand einer gegenständlichen und den Bedürfnissen entsprechenden Herangehensweise bei der Wissenschaftlichkeit anleitet.

    [1] natürlich, auch und gerade junge Leser werden es bereits ahnen, vereinfacht dargestellt – es scheint aber das Denken in Schichten klar angewiesen

  249. #249 georg
    Mai 17, 2010

    @Wb
    Ausnahmsweise eine Antwort, weil meine von dir zitierte Formulierung so nicht korrekt ist. Korrekt muss es heißen:
    Fälle in der Wissenschaftsgeschichte, die sich dadurch verstehen lassen, dass es Ziel der Wissenschaft (lediglich) sei, empirisch-adäquate Theorien zu finden (konstruktiver Empirismus), lassen sich auch dadurch verstehen, dass es Ziel der Wissenschaft sei, die wahre (korrespondenztheoretisch) Theorie zu finden.

    Aber umgekehrt gibt es Fälle in denen es bereits für praktische Zwecke hinreichend genaue empirisch-adäquate Theorien gibt und wo trotzdem weiter geforscht wird.
    Kopernikus und Galilei sind das Paradebeispiel und für die Grundlagenforschung (Bsp. LH)) gilt das oft auch.

    Osianders Vorwort mag als Beispiel für den konstruktiven Empirismus gelten, sicherlich nicht aber eines mit Vorbildcharakter.

    Und noch zu deinem höhö: Dass die physikalischen Theorien Modellcharakter haben und nicht die Wirklichkeit unmittelbar darstellen steht inzwischen selbst in Schulbüchern und ist keine ganz so neue Erkentnis, jedenfalls nicht für mich.

    mfg georg

  250. #250 georg
    Mai 17, 2010

    Und gerade habe ich auch noch eine Formulierung des Blogbetreibers gesehen, der ich doch tatsächlich zustimmen kann:

    Wissenschaft sucht etwas allgemein Wahres, was sich über Objektives sagen lässt.

    Klingt schön.

  251. #251 Wb
    Mai 17, 2010

    Dass die physikalischen Theorien Modellcharakter haben und nicht die Wirklichkeit unmittelbar darstellen steht inzwischen selbst in Schulbüchern und ist keine ganz so neue Erkentnis, jedenfalls nicht für mich.

    Ist doch schön, dass so etwas heutzutage schon in den Büchern für die Jungen steht: Theorien sind nicht wahr oder falsch, sondern tauglich oder untauglich oder was dazwischen ist – Theorien sind “nur” [1] Theorien.

    Wenn Sie sich noch ein wenig locker machen könnten, dann klappt es sicherlich auch irgendwann mit der Evidenz und der Wahrheit.

    MFG
    Wb (der dem Kollegen jetzt aber doch nahelegen möchte aus Gründen der Höflichkeit auf die Anrede in der 3.Person Plural überzugehen – Alter hin oder her)

    [1] mal etwas flapsig formuliert: das Erkennen des besonderen Wertes des “nur” macht die moderne Wissenschaftlichkeit aus

    PS: Inhaltemeister gerade i.p. Philosophie und Wissenschaft auf einem riskanten Trip, höhö.

  252. #252 Andrea N.D.
    Mai 17, 2010

    @Jörg Friedrich:
    Der webbär ist hier gerade zwar wieder zur Höchstform aufgelaufen, was das Pöbeln angeht, aber unabhängig von dieser unangenehmen Unterbrechung des Diskussionsflusses, wollte ich höflich anfragen, ob mit Ihrer Antwort zu Georgs Wahrheitsbegriff und Grenze gerechnet werden darf? Es wäre schade, wenn dieser hochspannende Dialog zwischen Ihnen und Georg, den sicherlich einige Leser mit großem Interesse verfolgen, wegen den Störungen untergehen würde.

  253. #253 Jörg Friedrich
    Mai 17, 2010

    Ich werde zu allen Fragen von georg antworten, kann aber noch nichts bezüglich des Zeitpunktes versprechen, sorry.

  254. #254 Wb
    Mai 17, 2010

    Der Webbaer fasst “die Fragen von georg” hilfsweise gerne kurz zusammen:
    1.) Sind Sie ernsthaft der Meinung, es sei überzeugend zu fordern, das z. B. Läuse (aufgrund ihrer Größe) realistisch zu sehen sind und z. B. Hausstaubmilben nicht?

    SCNR!
    Wb

  255. #255 Wb
    Mai 17, 2010

    Weil man sich gerade annähert und die Debatte erstmals seit längerem konstruktiv erscheint:

    Experimentelle Grundlagenforschung (z. B. LHC) dient u. a. dazu, neue Phänomene zu generieren, um anhand dieser Theorien und Modelle zu überprüfen.
    Gemäß dem kohärenztheoretischen Wahrheitsbegriff macht das nicht so richtig Sinn, wenn man bereits eine “empirisch-adäquate” Theorie hat, die die bereits bekannten Phänomene hinreichend genau beschreibt.
    Gemäß dem korrespondenztheoretischen Wahrheitsbegriff macht das Sinn.
    Das Verständnis der Grundlagenforschung ist nur eines der Argumente, die für den kohärenztheoretischen Wahrheitsbegriff sprechen.

    Sie meinen an letzter Stelle (aus Sicht des Wb: ganz vermutlich) “die für den korrespondenztheoretischen Wahrheitsbegriff sprechen”?

    Das wäre schon zustimmungsfähig.

    MFG
    Wb

  256. #256 Wb
    Mai 17, 2010

    Nachtrag:
    Es ist ja gerade kein “entweder – oder”, das hier angewiesen ist, sondern das Denken in Figuren oder Schichten.

  257. #257 Jörg Friedrich
    Mai 17, 2010

    @georg: Bei der Realismus-Antirealismus-Debatte geht es nicht um die Frage, ob es eine Außenwelt gibt oder nicht. Es geht auch nicht darum, ob da irgendwas ist, was kausal die von uns beobachtbaren Effekte hervorruft. Diesen sehr schwachen Realismus werden Ihnen die meisten Anti-Realisten zugestehen.

    Die entscheidende Frage ist, ob unsere Modelle eben in jenem korrespondenztheoretischen Sinne dieses Irgendwas abbilden, oder ob sie einfach Modelle sind, die funktionieren, die gute Instrumente sind, warum auch immer. An diesem “warum auch immer” unterscheiden sich die Anti-Realisten. Van Fraasen z.B. hat da eine darwinistische Vorstellung: Die Theorien überleben nicht, weil sie die Welt richtig abbilden, sondern weil sie im Kampf um die Nahrung, die hier empirische Adäquatheit heißt, einfach besser sind als die Wettbewerber. Überlebende Theorien haben eine größere Fittness.

    Das Bild, das wir von der Wirklichkeit haben, muss also überhaupt nicht mit dieser übereinstimmen, weder 1:1 noch zu 50% – es muss mir nur helfen, in begrenzter Zeit meistens eine richtige Entscheidung zu treffen.

    Auch bei einem Kohärenz-fundierten Wahrheitsbegriff macht weiter Forschung natürlich Sinn. Eine Theorie, die die bisherigen empirischen Befunde richtig beschreibt, wie es das Standard-Modell der Teilchenphysik tut, prognostiziert für neue Experimentieranordnungen neue Phänomene – und kann so auf ihre wirkliche empirische Adäquatheit geprüft werden.

    Sie schreiben, eine nicht unwesentliche Tendenz der Wissenschaft ist die Entanthropomorphisierung. Genau diese Tendenz wirft ja das Realismus-Problem in neuer Weise auf, es verschwindet dabei nicht, es wird dadurch neu erzeugt. Die Frage, ob Hausstaubmilben (im Gegensatz zu Läusen) realistisch oder antirealistisch zu behandeln sind, ist eine Frage der Entscheidung, nämlich einer Entscheidung darüber, ob ein Blick durch ein Lichtmikroskop noch eine Beobachtung ist. Diese Entscheidung zerfällt in zwei Teile: Ob es die Hausstaubmilben gibt und ob sie so aussehen, wie es das Mikroskop darstellt. Schauen Sie sich einmal an, was ein einfaches Lichtmikroskop alles macht, bevor das Licht in Ihr Auge fällt, dann werden Sie bei der zweiten Frage möglicherweise schon unsicher. So geht es weiter: Elektronenmikroskope, Nebelkammern, LHC. Immer treffen Sie eine Entscheidung, das, was dort geschieht, als Beobachtung einer Entität aufzufassen, die so “aussieht” wie das Bild, das Sie sich von ihr machen.

  258. #258 MartinB
    Mai 17, 2010

    “Immer treffen Sie eine Entscheidung, das, was dort geschieht, als Beobachtung einer Entität aufzufassen, die so “aussieht” wie das Bild, das Sie sich von ihr machen.”
    Aber, wie schon mal andiskutiert, die Konsistenz unterschiedlicher Messinstrumente und Beobachtungen legt schon nahe, dass es in der Realität etwas gibt, was unseren Modellen gut entspricht, siehe das alte Beispiel mit den Spektrallinien.
    Ähnliches gilt für die Hausstaubmilbe – wenn die im Elektronen- und im Lichtmikroskop gleich aussieht, dann ist das schon ein Hinweis darauf, dass ihre Form “wirklich” so ist wie sie erscheint.

  259. #259 georg
    Mai 18, 2010

    @Jörg Friedrich
    Wie MartinB erwähnt, hatten wir schon mal eine Diskussion zum Thema Konsistenz unterschiedlicher Messinstrumente und das Auge ist schliesslich auch eine Art optisches “Messinstrument” und da hatten Sie selbst zugestanden, wenn ich mich recht erinnere, dass sie diesbezüglich keine plausible Erklärung haben.

    Die entscheidende Frage ist, ob unsere Modelle eben in jenem korrespondenztheoretischen Sinne dieses Irgendwas abbilden, oder ob sie einfach Modelle sind, die funktionieren, die gute Instrumente sind, warum auch immer. An diesem “warum auch immer” unterscheiden sich die Anti-Realisten. Van Fraasen z.B. hat da eine darwinistische Vorstellung: Die Theorien überleben nicht, weil sie die Welt richtig abbilden, sondern weil sie im Kampf um die Nahrung, die hier empirische Adäquatheit heißt, einfach besser sind als die Wettbewerber. Überlebende Theorien haben eine größere Fittness.

    Es gibt eine einfache Erklärung dafür, warum, bestimmte Modelle bzgl “empirischer Adäquatheit” besser abschneiden, nämlich weil sie im korrespondenztheoretischen Sinne die Wahrheit besser treffen. Welche Erklärung gibt van Fraassen? Ich habe keine gesehen.

    Die Frage, ob Hausstaubmilben (im Gegensatz zu Läusen) realistisch oder antirealistisch zu behandeln sind, ist eine Frage der Entscheidung, nämlich einer Entscheidung darüber, ob ein Blick durch ein Lichtmikroskop noch eine Beobachtung ist.

    Ich glaube, wenn Sie das einem Biologen erzählen, guckt der Sie mit großen Augen an und denkt sich seinen Teil über dan praktischen Sinn von Philosophie. Überzeugend finde ich das nicht. Schauen Sie sich einmal an, wie aus der Lichtreizung der Sinneszellen des Auges eine optische Wahrnehmung wird, und was zu diesem Wahrnehmungsprozess durch die Verwendung eines Lichtmikroskops noch dazu kommt. Da eine derart gravierende Trennlinie zu ziehen überzeugt nicht.

    Auch bei einem Kohärenz-fundierten Wahrheitsbegriff macht weiter Forschung natürlich Sinn. Eine Theorie, die die bisherigen empirischen Befunde richtig beschreibt, wie es das Standard-Modell der Teilchenphysik tut, prognostiziert für neue Experimentieranordnungen neue Phänomene – und kann so auf ihre wirkliche empirische Adäquatheit geprüft werden.

    Die Formulierung wirkliche empirische Adäquatheit klingt nun fast genauso wie der korrespondenztheoretische Wahrheitsbegriff. Ob man nach der (korrespondenztheoreischen) Wahrheit strebt, oder nach der wirklichen empirischen Adäquatheit, macht kaum noch einen erkennbaren Unterschied. Nur korrespondenztheoretisch formuliert klingt das alles einfacher und überzeugender.

    Außerdem könnte man aus dem konstruktiven Empirismus genauso gut herauslesen, dass, wenn man bereits für praktische Zwecke hinreichend genaue empirisch adäquate Modelle hat, keine Notwendigkeit besteht öffentliche Gelder für Grundlagenforschung auszugeben, bzw. dass deren Nutzen im Sinnne empirischer Adäqutheit zuvor explizit begründet werden müsste.

    mfg georg

  260. #260 Wb
    Mai 18, 2010

    Außerdem könnte man aus dem konstruktiven Empirismus genauso gut herauslesen, dass, wenn man bereits für praktische Zwecke hinreichend genaue empirisch adäquate Modelle hat, keine Notwendigkeit besteht öffentliche Gelder für Grundlagenforschung auszugeben …

    Vermutlich liegen hier idT Ängste einiger orthogonaler und ehrlicher Wissenschaftler, die der reinen Freiheit der Wissenschaft verpflichtet sind und uneigennützig bis zum Geht-Nicht-Mehr Sacharbeit leisten! Sogar hier! Höhö.

    Nein, im Ernst, für das was Sie meinen ist der Realismus da (der bekanntlich auf dem KE liegt), und natürlich die Politik, die politischen Wissenschaftler.
    Wissenschaft unterliegt dem Primat der Politik, diese bestimmt u.a. auch was Wissenschaft (rechtlich und letztlich auch gesellschaftlich) ist und was nicht.

    BTW, der Webbaer trifft im korrespondenztheoretischen Sinne die Wahrheit oft sehr gut, höhö, Sie sicherlich bald auch.

    MFG
    Wb

  261. #261 Ockham
    Mai 18, 2010

    Faszinierend, wie sich an völliger Belanglosigkeit eine solche Diskussion entspinnt!

  262. #262 Jörg Friedrich
    Mai 19, 2010

    @georg: Wir sind weiterhin weit auseinander in unseren Ansichten. Ein paar Anmerkungen:

    Es gibt nunmal Theorien, und das sind die aktuellen zentralen Theorien der Physik ebenso wie einige ökonomische und soziologische Theorien, die ganz ohne korrespondenz-theoretischen Wahrheitsbegriff auskommen (müssen). Empirische Adäquatheit heißt eben nicht mehr als dass Messergebnisse richtig vorhergesagt werden, daraus folgt nicht, dass die Entitäten der Theorie irgendwelchen realen Objekten entsprechen. Auch ökonomische Theorien, die den homo oeconomicus benutzen, können empirisch adäquat sein, ohne dass auch nur ein Akteur rationale Nutzensentscheidungen trifft.

    Die Tatsache, dass das Elektonenmikroskop und das Lichtmikroskop in gleichen Situationen ähnliche Bilder produzieren (ich hab mir inzwischen eine Menge Hausstaubmilben in elektronenmikroskopischer und lichtmikroskopischer Darstellung angesehen und muss sagen, so ähnlich sind die gar nicht) ist auch bei einer rein konstruktivistischen Betrachtung erklärbar: Die Theorie des Lichtmikroskops ist mit der des Elektronenmikroskops ja durchaus verwandt.

    Schließlich: Wie groß die Augen sind, mit denen mich ein Biologe ansieht wenn ich seinen Beobachtungs-Begriff infrage stelle, ist eigentlich irrelevant. Ich kenne allerdings Biologen, die sich für die Fundamente ihrer Disziplin interessieren, und die interessiert eine solche Fragestellung durchaus.

  263. #263 MartinB
    Mai 19, 2010

    @JF
    “Empirische Adäquatheit heißt eben nicht mehr als dass Messergebnisse richtig vorhergesagt werden, daraus folgt nicht, dass die Entitäten der Theorie irgendwelchen realen Objekten entsprechen.”

    Nein, *folgern* kann man das natürlich nicht. Aber um bei der Milbe zu bleiben: wollen Sie sagen, dass sie vielleicht “in Wirklichkeit” 12Beine hat? Oder auf kleinen Düsen umherfliegt und durch unsere Anwendung der optischen Theorie und ihre Erweiterung auf Elektronenmikroskope werden daraus 8? Wie soll das denn funtkionieren? Verstehe ich nicht wirklich – es sei denn, wir landen bald bei Kant und den Dingen an sich, aber an Kant haben Sie ja nach eigenem Bekunden nicht so viel Interesse.

    Den Vergleich mit der Ökonomie finde unpassend: da Sie an anderer Stelle gerade argumentieren, dass Okönomie fundamental anders ist als die Physik, kann sie doch hier nicht plötzlich als Beispiel für untaugliche Theorien herhalten, wenn wir über physikalische Phänomene reden.

  264. #264 georg
    Mai 20, 2010

    @Jörg Friedrich

    Es gibt nunmal Theorien, und das sind die aktuellen zentralen Theorien der Physik ebenso wie einige ökonomische und soziologische Theorien, die ganz ohne korrespondenz-theoretischen Wahrheitsbegriff auskommen (müssen).

    Müssen schon gar nicht. Wenn man nicht behauptet, dass die Theorien vollständig und vollständig wahr sind, sondern dass diese Wahrheit ein (nicht verifizierbares) Ziel ist, muss man da gar nichts. Dass Modelle Modelle sind, hatte ich ja schon mehrfach gesagt.

    Ich kenne allerdings Biologen, die sich für die Fundamente ihrer Disziplin interessieren, und die interessiert eine solche Fragestellung durchaus.

    Ich gehe schon davon aus, dass es Wissenschaftler gibt, die sich für solche Fragestellungen interessieren. Das war nicht die Frage. Die Frage war ob ihre spezielle Antwort im konkreten Fall dem betreffenden Wissenschaftler überzeugend erscheint.

    Wie groß die Augen sind, mit denen mich ein Biologe ansieht wenn ich seinen Beobachtungs-Begriff infrage stelle, ist eigentlich irrelevant.

    Ich bin erstens der Meinung, dass eine gute Wissenschaftstheorie auch dem einzelnen Wissenschaftler der jeweiligen Fachdisziplin plausibel sein musss. Oder sehen Sie das anders?

    Zweitens, stellen Sie dessen Beobachtungsbegriff ja nicht allgemein in Frage, sondern machen eine für ihn schwerlich überzeugende Unterscheidung welche Beobachtung realistisch zu deuten ist und welche nicht. Oder haben Sie den Eindruck gewonnen dass die Ihrer Auffassung folgen und zwar auch an so einem ganz konkreten Beispiel ? Würde mich schon sehr wundern.

    Kennen Sie ein Buch über die “Philosophie der Biologie” in dem eine derartige erkenntnistheoretische Unterscheidung (direkte Beobacht vs. Instrument) vorgenommen wird? Ich kenne eins, in dem eine solche Unterscheidung nicht vorgenommen wird. Ich habe auch noch nie davon gehört, dass ein Biologe auf so eine merkwürdige Idee gekommen wäre.

    Einfach nur zu schreiben, dass es Biologen gibt, “die sich für solche Fragestellungen interessieren”, ist noch kein Argument dafür, dass Ihre diesbzgl. Unterscheidung für sie überzeugend oder auch nur plausibel ist.

    Haben Sie Argumente dafür, dass Biologen Ihre Unterscheidung – direkte Beobachtung = realistisch vs. Instrument = nicht realistisch – an meinem Beispiel überzeugend finden sollten und das tatsächlich auch tun ?

    Oder sind Sie vielleicht tatsächlich der Auffassung, das sei für Ihre Wissenschaftstheorie irrelevant?
    Das kann ich kaum glauben. Ist das denn so?

    mfg georg

  265. #265 georg
    Mai 21, 2010

    @Jörg Friedrich
    Noch eine ergänzende Fragestellung:
    Wer, wie Sie, anhand des Kriteriums, ob etwas “prinzipiell mit dem unbewaffneten (menschlichen) Auge” wahrgenommen werden kann oder nicht eine prinzipielle erkenntnistheoretisch Trennlinie zieht – im einen Fall kann die Beobachtung realistisch gedeutet werden, im anderen Fall nicht – ist dann natürlich auch gefordert, etwas zu den Folgerungen zu sagen, die sich aus einer derartigen Unterscheidung ergeben.

    Die Frage:
    Also, was folgt daraus konkret für unser Wissen bzgl. Läusen und Hausstaubmilben?
    Folgt daraus überhaupt irgendetwas oder ist diese Unterscheidung völlig bedeutungslos?

    mfg georg

  266. #266 Jörg Friedrich
    Mai 21, 2010

    Ich behaupte gar nicht, dass man Dinge, die man nicht mit unbewaffnetem Auge sehen kann, nicht realistisch deuten könnte. Ich weise nur darauf hin, dass diese realistische Deutung eine Entscheidung voraussetzt, nämlich die, dass Sie das, was Sie im Mikroskop sehen, als Beobachtung auffassen. Wenn Sie z.B. eine Fata Morgana sehen, oder eine optische Täuschung präsentiert bekommen, deuten Sie das im allgemeinen nicht realistisch, weil Sie den Mechanismus, der der Täuschung zugrunde liegt nicht als Beobachtung akzeptieren.

    Ich mache also nicht “eine Unterscheidung, welche Beobachtung realistisch zu deuten ist und welche nicht” sondern ich sage, Sie selbst entscheiden, was Sie als Beobachtung akzeptieren.

    @MartinB: Die Zahl der Beine der Hausstaubmilbe werden Sie möglicherweise, wenn Sie nur Bilder aus dem Lichtmikroskop und dem Elektronenmikroskop haben, gar nicht bestimmen können, weil sie erst mal entscheiden müssen (ja auch hier trifft der Forscher eine Entscheidung) was von den unterschiedlichen Auswüchsen als Bein anzusehen ist. Diese Entscheidung wird wahrscheinlich nicht anhand der Bilder sondern anhand der Klassifikation getroffen.

    Aber da Sie schon einmal von der Existenz der Entität zu ihren Attributen gewechselt sind: Was für eine Farbe hat eine Hausstaubmilbe?

  267. #267 georg
    Mai 21, 2010

    @Jörg Friedrich

    Ich behaupte gar nicht, dass man Dinge, die man nicht mit unbewaffnetem Auge sehen kann, nicht realistisch deuten könnte.

    Das klang weiter oben doch schon ein bisschen anders. Dann sind wir uns an dieser Stelle insoweit erst mal einig, dass man auch Dinge, “die man nicht mit unbewaffnetem Auge sehen kann” , also nur indirekt beobachten kann, prinzipiell auch realistisch deuten kann, oder?

    Ich weise nur darauf hin, dass diese realistische Deutung eine Entscheidung voraussetzt, nämlich die, dass Sie das, was Sie im Mikroskop sehen, als Beobachtung auffassen.

    Ich verstehe nicht, was es da für einer Entscheidung bedarf, die menschlichen Wahrnehmungsfähigkeiten mittels Instrumente zu erweitern. Ich glaube auch nicht, dass es Biologen gibt, die dabei irgendeinen Entscheidungsbedarf sehen.

    Wenn Sie z.B. eine Fata Morgana sehen, oder eine optische Täuschung präsentiert bekommen, deuten Sie das im allgemeinen nicht realistisch, weil Sie den Mechanismus, der der Täuschung zugrunde liegt nicht als Beobachtung akzeptieren.

    Das ist kein besonders gutes Beispiel, denn diese Täuschung passiert ja nicht aufgrund eines “künstlichen” Instruments.

    Ich mache also nicht “eine Unterscheidung, welche Beobachtung realistisch zu deuten ist und welche nicht” sondern ich sage, Sie selbst entscheiden, was Sie als Beobachtung akzeptieren.

    Darf ich das jetzt so verstehen, dass Sie mir zubilligen, dass ich selbst darüber entscheiden darf, mittels Instrumenten gemachte Beobachtungen realistisch zu deuten?
    Da ich bisher noch kein Abgrenzungskriterium für eine überzeugende Unterscheidung zwischen realistisch und nicht-realistisch zu deutenden Beobachtunge gesehen habe, gibt es für mich bisher auch noch keinen plausiblen Grund eine derartige Abgrenzung vorzunehmen. Oder sehen Sie das anders?

    Was dann noch zu tun verbleibt, wäre eine Gegenüberstellung zwischen einer grundsätzlich (hypothetisch)realistischen Sichtweise und einer nicht-realistischen, wie war das ansatzweise ( mit MartinB) zum Thema der Konvergenz der Messwerte schon hatten..

    mfg georg

  268. #268 MartinB
    Mai 21, 2010

    @JF

    “ie Zahl der Beine der Hausstaubmilbe werden Sie möglicherweise, wenn Sie nur Bilder aus dem Lichtmikroskop und dem Elektronenmikroskop haben, gar nicht bestimmen können, weil sie erst mal entscheiden müssen (ja auch hier trifft der Forscher eine Entscheidung) was von den unterschiedlichen Auswüchsen als Bein anzusehen ist. Diese Entscheidung wird wahrscheinlich nicht anhand der Bilder sondern anhand der Klassifikation getroffen.”

    Das gilt aber genauso für die Beobachtung einer mit bloßem Auge sichtbaren Milbe, hat also nichts mit dem Unterschied direkte/indirekte Wahrnehmung zu tun, den Sie hier postulieren.

    “Was für eine Farbe hat eine Hausstaubmilbe?”
    Auf die Fangfrage falle ich nicht herein. Farbe ist natürlich eine teilweise subjektive Sache, wie jeder Fotograf weiß, der sich schon mal mit unterschiedlichen Farbtemperaturen herumgeärgert hat. Wir können aber nen Absoprtionsspektrum der Kutikula messen, wenn Sie wollen, und dann überlegen, welchen Farbeindruck wir hätten, wenn wir ein makroskopisches Objekt mit diesem Spektrum vor uns hätten.

  269. #269 georg
    Mai 21, 2010

    @Jörg Friedrich

    @MartinB: Die Zahl der Beine der Hausstaubmilbe werden Sie möglicherweise, wenn Sie nur Bilder aus dem Lichtmikroskop und dem Elektronenmikroskop haben, gar nicht bestimmen können, weil sie erst mal entscheiden müssen (ja auch hier trifft der Forscher eine Entscheidung) was von den unterschiedlichen Auswüchsen als Bein anzusehen ist.

    Und wenn die Hausstaubmilbe 100 mal so groß wäre, und ich könnte sie mit bloßen Augen sehen. Worin bestünde denn der Unterschied?

    Oder, um meine Frage von vorhin zu wiederholen: Wenn ich mich entscheiden würde die Beobachtung mittels Lichtmikroskop nicht-realistisch zu deuten, was folgt daraus konkret für unser Wissen bzgl. Läusen und Hausstaubmilben?
    Folgt daraus überhaupt irgendetwas oder ist diese Unterscheidung völlig bedeutungslos?

    mfg georg

  270. #270 Jörg Friedrich
    Mai 21, 2010

    @georg: “Weiter oben” stand:

    Die Frage, ob Hausstaubmilben (im Gegensatz zu Läusen) realistisch oder antirealistisch zu behandeln sind, ist eine Frage der Entscheidung, nämlich einer Entscheidung darüber, ob ein Blick durch ein Lichtmikroskop noch eine Beobachtung ist. Diese Entscheidung zerfällt in zwei Teile: Ob es die Hausstaubmilben gibt und ob sie so aussehen, wie es das Mikroskop darstellt. Schauen Sie sich einmal an, was ein einfaches Lichtmikroskop alles macht, bevor das Licht in Ihr Auge fällt, dann werden Sie bei der zweiten Frage möglicherweise schon unsicher. So geht es weiter: Elektronenmikroskope, Nebelkammern, LHC. Immer treffen Sie eine Entscheidung, das, was dort geschieht, als Beobachtung einer Entität aufzufassen, die so “aussieht” wie das Bild, das Sie sich von ihr machen.

    Wo ist da der andere Klang gegenüber dem, was ich jetzt schrieb?

    @MartinB: “Das gilt aber genauso für die Beobachtung einer mit bloßem Auge sichtbaren Milbe, hat also nichts mit dem Unterschied direkte/indirekte Wahrnehmung zu tun, den Sie hier postulieren.” Eben. das entkräftet Ihr Argument, nicht meins.

    Die Frage nach der Farbe hat uns auf einen wichtigen Punkt geführt: Mit der indirekten Messung ist eine Neubestimmung der Begriffe der Beobachtung verbunden. Eine “Farbe” wäre vor der Mikroskopie etwas, was z.B. durch den Vergleich mit Farbtafeln gemessen wird. Nach dem Übergang zur instrumentellen Beobachtung ist “Farbe” eine Abkürzung für ein Frequenzspektrum.

  271. #271 georg
    Mai 21, 2010

    @Jörg Friedrich
    Haben Sie außer dem Unterschied direkte/indirekte Wahrnehmung noch etwas zu bieten, um eine anti-realistische Sichtweise zu motivieren?

    Und, wozu soll die eigentlich gut sein?

    Hat die auch irgendeinen Vorzug?

    mfg georg

  272. #272 MartinB
    Mai 21, 2010

    “Eben. das entkräftet Ihr Argument, nicht meins.”
    Verstehe ich jetzt nicht. Ihr Argument war doch, dass das beobachten durchs Mikroskop etwas anderes ist als das beobachten mit bloßem Auge. Als ich die Zahl der beine anführte, die ich mit dem Mikrsokop ja so sehe wie bei einem größeren Tier mit bloßem Auge, kamen Sie mit dem Klassifizierungsargument. Die Klassifizierung hat also mit der Unterscheidung Mikroskop–bloßes Auge nichts zu tun und ist deshalb auch kein Beispiel für einen fundamentalen Unterschied zwischen beiden.

    “Die Frage nach der Farbe hat uns auf einen wichtigen Punkt geführt: Mit der indirekten Messung ist eine Neubestimmung der Begriffe der Beobachtung verbunden.”
    Das gilt bei der Farbe, weil die ein partiell subjektives Phänomen ist. Die Zahl der Beine ist dagegen nicht subjektiv und braucht deshalb auch nicht neu bestimmt zu werden. Aber schon makroskopisch und mit bloßem Auge kann man leicht erfahren, dass der Farbeindruck vollkommen subjektiv ist, dazu gibt’s genügend optische Täuschungen. Auch hier also kein Unterschied zwischen bloßem Auge und Mikroskop.

  273. #273 Wb
    Mai 21, 2010

    anti-realistische Sichtweise zu motivieren?

    Und, wozu soll die eigentlich gut sein?

    Hat die auch irgendeinen Vorzug?

    Ja, die ist u.a. offener. Stellen Sie sich ruhig einmal unterschiedliche Weltsysteme vor, falls Sie das nicht vermögen, ruhig nachfragen :), man kommt als Realist oft in eine ungute Situation, wenn das Weltsystem Realismus als Hilfsmittel ausschliesst.

    Ansonsten, haben Sie mit dem Schichtenmodell (Konstruktiver Empirismus “liegt” unter Realismus) etwas anfangen können? Sehen Sie die Nicht-Widersprüchlichkeit, die so hergestellt werden kann? Verstehen Sie, dass niemand (der Anwesenden 🙂 etwas gegen den “Realismus an sich” hat?

    MFG
    Wb

  274. #274 georg
    Mai 21, 2010

    @Jörg Friedrich

    Wo ist da der andere Klang gegenüber dem, was ich jetzt schrieb?

    Jörg Friedrich (· 11.05.10 · 13:24 Uhr)

    Heute können wir hinsichtlich der Planeten natürlich realistisch argumentieren – wir können hinfliegen und nachsehen.

    Jörg Friedrich (· 12.05.10 · 20:42 Uhr)

    Die überzeugende Grenze zwischen dem Existenz-Nachweis von Planeten und dem von Elektronen ist, dass ich die ersten prinzipiell mit unbewaffnetem Auge sehen kann, die zweiten aber niemals ohne zuhilfenahme von Instrumenten sehen oder überhaupt beobachten können werde.

    Jörg Friedrich (19.05.10 · 18:34 Uhr)

    Es gibt nunmal Theorien, und das sind die aktuellen zentralen Theorien der Physik ebenso wie einige ökonomische und soziologische Theorien, die ganz ohne korrespondenz-theoretischen Wahrheitsbegriff auskommen (müssen).

    Und dann Jörg Friedrich ( 21.05.10 · 10:59 Uhr)

    Ich behaupte gar nicht, dass man Dinge, die man nicht mit unbewaffnetem Auge sehen kann, nicht realistisch deuten könnte.

    Auf der letzten Aussage kann man aufbauen.

    mfg georg

  275. #275 Jörg Friedrich
    Mai 21, 2010

    @Georg:
    1. Die Anti-Realistische Sichtweise hat den Vorzug, dass sie das, was die moderne Physik (seit der Quantenmechanik), die Ökonomie (z.B. beim homo oeconomicus und in der Prinzipal-Agent-Theorie), die Soziologie (methodologischer Individualismus) u.a. machen, hinsichtlich der Frage, warum es überhaupt funktioniert, erklärbar macht.

    2. Ich denke nicht, dass man auf die letzte Aussage aufbauen kann, wenn man die vorherigen nicht akzeptiert.

    @MartinB: Die Zahl der Beine haben Sie mit dem Blick durch verschiedene Mikroskope in Verbindung gebracht. Ich habe erwidert, dass das damit nichts zu tun hat. Deshalb entkräftet unser Konsens über diese Frage Ihr Argument, aus meiner Argumentation würde irgendwie folgen, dass die Milbe im Mikroskop mehr oder weniger Beine bekäme.

  276. #276 Jörg Friedrich
    Mai 21, 2010

    @Georg:
    1. Die Anti-Realistische Sichtweise hat den Vorzug, dass sie das, was die moderne Physik (seit der Quantenmechanik), die Ökonomie (z.B. beim homo oeconomicus und in der Prinzipal-Agent-Theorie), die Soziologie (methodologischer Individualismus) u.a. machen, hinsichtlich der Frage, warum es überhaupt funktioniert, erklärbar macht.

    2. Ich denke nicht, dass man auf die letzte Aussage aufbauen kann, wenn man die vorherigen nicht akzeptiert.

    @MartinB: Die Zahl der Beine haben Sie mit dem Blick durch verschiedene Mikroskope in Verbindung gebracht. Ich habe erwidert, dass das damit nichts zu tun hat. Deshalb entkräftet unser Konsens über diese Frage Ihr Argument, aus meiner Argumentation würde irgendwie folgen, dass die Milbe im Mikroskop mehr oder weniger Beine bekäme.

  277. #277 MartinB
    Mai 21, 2010

    @JF
    Die Zahl der BEine war ein beispiel – wie Sie inzwischen wissen, mag ich die Sachen immer lieber konkret. Wenn es also nicht die Zahl der BEine ist, *welche* Beobachtung könnte denn Ihrer Ansicht nach durch den Blick durch ein künstliches Instrument so verfälscht werden, dass dieser Blick keine Beobachtung mehr ist, während es der Blick durch eine evolutionär entstandene Linse doch ist? Wie stellen Sie sich das vor? Was passiert da?
    georg hat im Prinzip die gleiche Frage gestellt:
    “Wenn ich mich entscheiden würde die Beobachtung mittels Lichtmikroskop nicht-realistisch zu deuten, was folgt daraus konkret für unser Wissen bzgl. Läusen und Hausstaubmilben?”

  278. #278 Jörg Friedrich
    Mai 23, 2010

    Schon das Lichtmikroskop ist “nur ein Beispiel”. Das faszinierende an diesem Beispiel ist, dass sich zeigt, dass Sie schon hier Entscheidungen treffen. Sie akzeptieren etwas, was ein hochkomplizierter technischer und theorie-abhängiger Prozess ist, als Beobachtung. Dazu gehört nicht nur die optische Theorie (die, wie Sie sicherlich wissen, weit mehr ist als die einfache Optik der Lichtbrechung, die wir in der Schule gelernt haben), dazu gehören noch mehr notwendige Prozesse, Schneiden, Konserviere, Färben) dabei werden bestimmte Erscheinungen, die man sonst nicht sähe, sichtbar gemacht, andere werden unsichtbar gemacht. Es entstehen Arte-Fakte (das ist ein Grund, warum dieses Blog so heißt) – und die Wissenschaft entscheidet, was Artefakt ist, und was “wirklich da ist”.

    Das schöne am Lichtmikroskop ist, dass eine genauere Beschäftigung mit all diesen optischen, chemischen, mechanischen Voraussetzungen des Mikroskopierens, des “Erkennens” von Artefakten und des “Erkennens” von “echten” Objekten, zeigt, wie gut der soziale Prozess der Wissenschaftsvermittlung (sowohl im Studium gegenüber dem Nachwuchs als auch gegenüber Öffentlichkeit und Publikum) funktioniert: Wir haben durch unseren Biologie-Unterricht, durch Praktika und populärwissenschaftliche Sendungen durch das Mikroskop “sehen” gelernt, deshalb ist es uns selbstverständlich, dass wir da Milben sehen, Zellkerne, Mitochondrien. Und dieses “Sehen” erweitern wir dann sogar auf Prozesse, die gar keine Ähnlichkeit mehr mit dem Sehen haben, bis hin zum Feldelektronenmikroskop und bald werden wir auch sagen, wir “sehen” die Erzeugung des Higgs-Teilchens.

    Wenn Sie sich entscheiden, das alles als “beobachten” zu bezeichnen, dann sagen Sie, dass die Welt so ist, wie Sie sie beschreiben, dass Sie wissen, wie die Welt wirklich ist. Dann wird es jedoch schwieriger, dieses “Wissen” bei Notwendigkeit wieder infrage zu stellen.

  279. #279 MartinB
    Mai 23, 2010

    “Es entstehen Arte-Fakte (das ist ein Grund, warum dieses Blog so heißt) – und die Wissenschaft entscheidet, was Artefakt ist, und was “wirklich da ist”.”
    Ach so, und das ist beim Auge anders? Hox-gene, regulatorgene, diverse Proteine spielen zusammen, in Prozessen, die wir noch nicht mal voll verstehen, aber diese Wahrnehmung ist irgendwie “näher an der Wirklichkeit”? Warum? Da laufen dieselben prozesse ab, sogar noch mehr (ich sage nur “Lichtleiterzellen in der Netzhaut”, die kennt man erst seit ein paar Jahren). Trotzdem erkennen Sie das als gültige Wahrnehmung an?
    Wo ziehen Sie dann die Grenze? Wenn ich mir ne Brille aufsetze, ist dass dan schon ein Problem? Wenn nein, was ist mit einem fernglas? Einer Lupe? Einer künstlichen Augenlinse?

    “deshalb ist es uns selbstverständlich, dass wir da Milben sehen, Zellkerne, Mitochondrien.”
    Ja, was ist denn Ihre Alternative? Die sind Sie uns schuldig geblieben.
    Sie sind ein bisschen wie die – legendenhaften – Mönche, die sich weigerten, durch Galileios Fernrohr zu sehen – “wenn Gott gewollt hätte, dass wir Jupitermonde sehen, hätte er unsere Augen gut genug gemacht…”

  280. #280 Jörg Friedrich
    Mai 25, 2010

    @MartinB: Es ist jedenfalls erfreulich, dass Philosophen nicht so schnell wie Physiker dazu neigen, jemanden als Crank zu bezeichnen nur weil der sich erlaubt, seine philosophischen Gedanken zu äußern, ohne von all den philosophischen Diskussionen und Erkenntnissen der letzten 2.500 Jahren (und schon gar nicht von denen der letzten 100 Jahre) Kenntnis zu nehmen.

    Sie benötigen keine Theorie, um durch Ihr eigenes Auge etwas zu sehen, etwas zu erkennen. Wer aber durch ein Lichtmikroskop nicht nur irgendwas sehen, sondern etwas erkennen, etwas beobachten will, wer da was identifizieren und seine Eigenschaften beschreiben will, der braucht eine Theorie. Da ist der Unterschied.

    Die Diskussion um Lupe und Fernglas wurde im Anschluss an Grover Maxwells Aufsatz “The ontological status of theoretical entities” von 1962 ausgiebig geführt (Maxwell vertrat damals Ihre Argumentationsweise). Im Ergebnis stellt man eben immer wieder fest, dass es eine Entscheidung ist, etwas als Beobachtung zu akzeptieren, die Frage ist, wie man diese Entscheidung begründet. Beim Fernglas und bei der Lupe können Sie Ihre Entscheidung noch mit dem Vergleich mit der direkten Beobachtung begründen. schon beim Licht-Mikroskop geht das nicht mehr.

    Sie haben (ich hatte darauf gewartet) hier die Jupiter-Monde und in der anderen Diskussion die Venus-Phasen ins Spiel gebracht. Ich habe mir vor ein paar Jahren extra ein Fernrohr gekauft, was ungefähr der Stärke des Galileischen Fernrohrs entsprach (natürlich ist die Qualität der Linsen und die Präzision der Ausrichtung bei meinem Fernrohr weit besser). Ich sage Ihnen: bei einem solchen Gerät (ich habe das mit vielen Leuten getestet, die keine Ahnung von Astronomie haben) sieht man Venusphasen und Jupitermonde nur, wenn man weiß dass sie da sind, wenn man sie sehen will. Und mun bitte ich Sie, versetzen Sie sich in eine Zeit, in der die vorherrschende wissenschaftliche Meinung ist, dass es Jupitermonde und Venusphasen nicht gibt. Sie schauen durch so ein Teil (von dem es noch nicht mal eine Theorie gibt, warum es funktioniert), Sie sehen jede Menge Verzerrungen, Reflexionen (Artefakte eben) die dem aktuellen Stand der Fernrohr-Herstellungstechnik geschuldet sind. Und nun behauptet jemand, ein paar dieser Verzerrungen und Reflexionen wären Venusphasen und Jupitermonde. Würden Sie den nicht als Crank bezeichnen? Und wenn nein, warum nicht?

    Um es ganz klar zu sagen: ich bin ja froh, dass Galilei von einigen seiner Zeitgenossen nicht als Crank sondern als Visionär angesehen wurde. Ich hab nur was dagegen wenn man heute so schnell die Crank-Keule auspackt. Zumal heute eben ein paar Linsen, beim Linsenschleifer um die Ecke gekauft, nicht mehr reichen, um revolutionäre Weltsichten zu visualisieren.

  281. #281 Andrea N.D.
    Mai 25, 2010

    @Jörg Friedrich:
    “Es ist jedenfalls erfreulich, dass Philosophen nicht so schnell wie Physiker dazu neigen, jemanden als Crank zu bezeichnen nur weil der sich erlaubt, seine philosophischen Gedanken zu äußern, ohne von all den philosophischen Diskussionen und Erkenntnissen der letzten 2.500 Jahren (und schon gar nicht von denen der letzten 100 Jahre) Kenntnis zu nehmen.”

    Das ist wieder eine, aus der Luft gegriffene Behauptung von Ihnen, die Sie durch nichts beweisen oder belegen können und von der jeder der hier Mitlesenden das Gegenteil behaupten könnte (selbstverständlich ebenfalls ohne Belege). Immerhin haben Sie diesmal die Zuordnung hinbekommen: Philosophen machen sich philosophische Gedanken und Physiker machen sich Gedanken über Physik.

    Immerhin geben Sie mit dieser Aussage (wohl unfreiwillig) eine gute Definition für Ihr Verständnis von Philosophie ab. Damit ist zumindest klar, warum in Ihren Augen Philosophie keine Wissenschaft ist und vor allem ist klar, wie SIE Philosophie betreiben. Ob das mit dem Wissenschafts- und Selbstverständnis anderer Philosophen viel zu tun hat, wage ich zu bezweifeln.

  282. #282 roel
    Mai 25, 2010

    @Jörg Friedrich Um durch ein Lichtmikroskop etwas zu sehen brauchen Sie keine großartige Theorie und keine weiteren Hilfsmittel (außer das Mikrosop und Licht).

    Mit dem Fernrohr kann man sehr wohl die größten Jupitermonde erkennen…

    Aber es ist interessant wie eine Diskussion, die mit Ihrer Entdeckung des Buchs “Frauen schön und stark: Frauen von heute über die Schönen der Kunst” sich zu einen Disput über Cranks in Philosophie und Physik. Hausstaubmilben und Venusphasen inklusive.

  283. #283 Jörg Friedrich
    Mai 25, 2010

    @roel: Sie brauchen die Theorie nicht, um durch das Mikroskop irgendwas zu sehen, sondern um etwas zu erkennen und zu beobachten. Da ist das Lichtmikroskop den Aufzeichnungen aus einer Nebelkammer und aus den LHC-Detektoren ähnlicher als der Lupe.

    Ebenso verhält es sich mit dem Fernrohr: Natürlich können Sie die vier großen Jupitermonde durch ein handelsübliches Fernrohr sehen. Was sehen Sie da? Drei oder vier Punkte, schön in einer geraden Linie mit einem weiteren, größern Fleck (dem Jupiter selbst) Wenn Sie Glück haben, fällt Ihnen diese Regelmäßigkeit unter den vielen weiteren zufälligen Regelmäßigkeiten noch ganz ohne Theorie auf. Die Zeitgenossen Galileis hatten allerdings allen Grund, diese Punkte als weiteren Fall der vielen Brechungen, Spiegelungen und Verdoppelungen aufzufassen, die das unvollkommene Instrument selbst erzeugte. Aber wir haben inzwischen Instrumente, bei denen solche Störungen selten sind. Ob Sie ganz ohne Theorie auf die Idee kommen, am nächsten Tag nochmal nachzusehen ob die drei Punkte noch an der gleichen Stelle sind? Und ob Sie ohne Theorie auf die Idee kämmen, diese Punkte dann als Monde zu erkennen und ihre Positionsänderung als Bewegung um den Jupiter zu beobachten?

  284. #284 MartinB
    Mai 25, 2010

    “Ob Sie ganz ohne Theorie auf die Idee kommen, am nächsten Tag nochmal nachzusehen ob die drei Punkte noch an der gleichen Stelle sind? Und ob Sie ohne Theorie auf die Idee kämmen, diese Punkte dann als Monde zu erkennen und ihre Positionsänderung als Bewegung um den Jupiter zu beobachten?”
    Vielleicht nicht. Aber wenn ich die Theorie habe und nachgucke, dann stelle ich eben fest, dass sich die Punkte regelmäßig bewegen.

    Ich habe als Schüler mal Sonnenflecken beobachtet mit einem teleskop, das mehr Flecken auf meinen Schirm (bloß ein Blatt Papier) warf als die Sonne je hatte. trotzdem konnte ich die Sonnenflecken identifizieren, die waren nämlich jeden Tag woanders, nicht an allen Tagen gleich. Nach einigen Tagen konnte ich die rotationsgeschweindigkeit der Sonne abschätzen, die mit dem, was in Büchern stand, zusammenpasste. Klar, hätte ich keine Sonnenflecken erwartet, wären sie mir vermutlich auch entgangen, aber wären sie nicht da gewesen, hätte ich sie auch nicht gesehen.

    “Sie benötigen keine Theorie, um durch Ihr eigenes Auge etwas zu sehen, etwas zu erkennen. ”
    Stimmt. Die Theorie hat die Evolution für mich in die Hardware eingebaut, so dass sie mir nicht bewusst ist. Wie jede optische Täuschung beweist, ist sie extrem fehleranfällig. Wo ist also der Unterschied zum Mikroskop? Eigentlich ist es viel schlimmer als es laut Ihnen bei Galilei war: Man hat (oder hatte) keine Ahnung, wie das Gehirn die Bilder erzeugt, die wir sehen, trotzdem sind *die* Ihrer Ansicht nach real?

    Und am konkreten beispiel Mikroskop sind Sie uns die Antwort schuldig geblieben: Was ist die Alternative?

    “Ich hab nur was dagegen wenn man heute so schnell die Crank-Keule auspackt.”
    Na denn, viel Spass mit meiner Brot-Erkenntnistheorie…

  285. #285 Jörg Friedrich
    Mai 25, 2010

    Wenn Sie sich entscheiden, das, was Sie beim Blick ins Mikroskop sehen, nicht-realistisch zu deuten, dann passiert zunächst mal nicht viel. Es ändert sich zunächst mal nur die Sprechweise, sie wird etwas umständlicher. Sie sagen nicht mehr “Eine Zelle besteht aus einem Zellkern und aus Mitochondrien” sondern Sie sagen “Nach der Präparation einer Probe X mit dem Verfahren Y ensteht im Mikroskop ein Bild, das sich mit den Begriffen ‘Zelle”, ‘Zellkern’ und ‘Mitochondrien’ beschreiben lässt”. Der Vorteil ist, dass diese Aussae nicht einer anderen Aussage widerspricht die sagt, dass bei Präparation Z nichts zu sehen ist, was den Begriffen “Zelle”.. entspricht. Sie behaupten mit dieser Aussage auch nicht, dass Lebewesen aus Zellen bestehen.

    Das alles mag für Zellen von Lebewesen weitgehend irrelevant sein, deshalb setzt sich dort die einfachere, realistische Sprechweise auch durch, sie ist einfach ökonomischer. Für quantenmechanische Objekte ist es letztlich ökonomischer, die anti-realistische Sprechweise beizubehalten.

  286. #286 MartinB
    Mai 25, 2010

    Und dann kommen wir wieder zum alten Problem der Konsistenz: Wenn ich die Mitochondrien auch mit anderen Verfahren sehe, wenn ich sehe, dass ihr genetischer Code dem prokariotischer Lebewesen ähnelt, wenn ich sehe, dass eine Zelle geschädigt ist, wenn die wahrgenommenen Mitochondrien verformt sind, dann spreche ich ihnen eine Realität zu.

    Auch hier gibt es übrigens keinen Unterschied zur realen Welt – ich könnte mich auch hinstellen und sagen: ich sehe dort ein grünes Objekt mit vertikalem braunen Zentrum, das sich als Baum beschreiben lässt etc. etc. Auch hier kein Unterschied zum Mikroskopbild – den Baum in seiner dreidimensionalität sehe ich nicht, ich habe nur ein vom Gehirn heruntergerechnetes zweidimensionales Netzhautbild, mehr nicht. Dass ich dem Realität zubillige, hat auch was mit Konsistenz zu tun: Ich kann den Baum anfassen, riechen, rauschen hören, und weil diese unterschiedlichen Sinneseindrücke zusammengenommen konsistent sind, rede ich vom Baum.

    “Für quantenmechanische Objekte ist es letztlich ökonomischer, die anti-realistische Sprechweise beizubehalten.”
    Können Sie das belegen? Die meisten Physiker, die ich kenne, reden im täglichen (also ökonomisch dominierten) Sprachgebrauch direkt von der Wellenfunktion, nicht davon, dass sich das Elektron mit Hilfe einer Wellenfunktion beschreiben lässt.

  287. #287 Jörg Friedrich
    Mai 25, 2010

    Es ist natürlich wirklich fraglich ob es mir jemals möglich sein wird, mich jemandem verständlich zu machen, der meint sein Gehirn rechne ihm ein zweidimensionales Netzhautbild von einem Baum herunter und riechen, fühlen, rauschen hören zusammen mit sehen sei prinzipiell das gleiche wie das theoretische konsistente Zusammenfügen von Ergebnissen verschiedener theorie-basierter Beobachtungen.

    Damit rede ich nicht einer sentimentalen Naturbetrachtung das Wort. Die Wahrnehmung des Baumes ist die praktische Gesamtheit all Ihrer Sinneseindrücke, während die Erkenntnis der Mitochondrien Ergebnis einer theoretischen Synthese von verschiedenen theoretisch fundierten Messprozessen ist. Dass diese konsistent ist, das sagte ich schon einmal, ist das Ergebnis Ihres Erkenntniszieles, eben ein konsistentes Bild konstruieren zu wollen.

    Was die quantenmechanische Betrachtung betrifft: Die Ökonomie des alltäglichen Sprachgebrauchs der Physiker ist teuer erkauft. Auch davon war schon öfter die rede. Deshalb schrieb ich “letztlich”.

  288. #288 MartinB
    Mai 25, 2010

    “mich jemandem verständlich zu machen, der meint sein Gehirn rechne ihm ein zweidimensionales Netzhautbild von einem Baum herunter”

    Nun bin ich platt. Vollkommen platt
    Ja, was meinen Sie denn, was Ihr Gehirn macht?
    Was meinen Sie denn, was passiert, wenn Sie in den Garten hinausschauen und einen Baum sofort als Baum erkennen?
    Im aktuellen Spektrum der Wissenschaft gab es gerade einen interessanten Artikel – auf der Netzhaut kommen etwa 100Mio bit an (wenn ich die Zahl richtig im Kopf habe), nur 1% davon gelangt überhaupt per Vorverarbeitung ins gehirn, bewusst sind uns am Ende vielleicht ein paar hundert bit. Was passiert denn da Ihrer Ansicht nach, wenn es nicht das Gehirn ist, dass die Netzhautinformation verarbeitet?

  289. #289 Jörg Friedrich
    Mai 25, 2010

    Ich kann Sie nur bitten, einmal über den Unterschied nachzudenken zwischen den Vorgängen die abliefen, als Sie den Begriff Baum, den Begriff Zellkern und den Begriff verschränktes Quantensystem gelernt haben. Ich hoffe, Sie erkennen dann, dass es auch einen Unterschied gibt zwischen den Momenten, in denen Sie einen Baum, einen Zellkern und ein verschränktes Quantensystem erkennen oder beobachten.

  290. #290 georg
    Mai 26, 2010

    @Jörg Friedrich
    So, ich mache jetzt auch wieder ein bisschen mit. Vielleicht liegt ja hierin die Ursache unseres Problems:

    Jörg Friedrich · 23.05.10 · 12:23 Uhr: Wenn Sie sich entscheiden, das alles als “beobachten” zu bezeichnen, dann sagen Sie, dass die Welt so ist, wie Sie sie beschreiben, dass Sie wissen, wie die Welt wirklich ist. Dann wird es jedoch schwieriger, dieses “Wissen” bei Notwendigkeit wieder infrage zu stellen.

    dann sagen Sie, dass Sie wissen, wie die Welt wirklich ist

    Der moderne wissenschaftliche Realismus ist ein hypothetischer Realismus. Er sagt ausdrücklich nicht, dass wir “wissen” (im Sinne von sicherem Wissen), wie die Welt wirklich ist.
    Ihre Kritik des (modernen wissenschaftlichen) Realismus ist unzutreffend, weil Sie eine falsche Vorstellung davon haben.
    Ich hatte schon mal erwähnt, dass zu meinen Zeiten selbst schon in Schulbüchern zu lesen war, dass die Modelle der Physik “nur” Modelle sind und eben keine direkte Entsprechung der Realität.

    Und hier gibt es ein schönes Beispiel dafür, wie der Anti-Realismus seine Erklärung schuldig bleibt:

    Jörg Friedrich · 21.05.10 · 20:44 Uhr
    @Georg:
    1. Die Anti-Realistische Sichtweise hat den Vorzug, dass sie das, was die moderne Physik (seit der Quantenmechanik), die Ökonomie (z.B. beim homo oeconomicus und in der Prinzipal-Agent-Theorie), die Soziologie (methodologischer Individualismus) u.a. machen, hinsichtlich der Frage, warum es überhaupt funktioniert, erklärbar macht.

    Die Anti-Realistische Sichtweise hat den Vorzug, dass sie das, was die Ökonomie (z.B. beim homo oeconomicus) macht, hinsichtlich der Frage, warum es überhaupt funktioniert, erklärbar macht.
    homo oeconomicus: Das Brötchen
    Brötchen kann man mit unbewaffnetem Auge erkennen, Bäcker ebenfalls und auch Bäcker, die Brötchen backen und Kunden die Brötchen kaufen. Das sind selbst nach ihren Kriterien realistisch deutbare Phänomene. Die ökonomischen Theorien bzw. Modelle (homo oeconomicus) haben das Ziel, die ökonomische Seite dieser Tätigkeiten zu beschreiben und zu erklären.
    Ob sie das gut machen und diesem Ziel gerecht werden, ist eine Frage die man stellen kann. Es gibt aber keinen Grund korrespondenztheoretische Wahrheit als Ziel in Frage zu stellen. Und der Anti-Realismus erklärt hier nunmal wie sonst auch gar nichts.

    Und last but not least, zum wiederholten Male, wenn man ihrer Ausgangsthese folgt und die Beobachtungen über Hausstaubmilben mittels Instrumenten im Unterschied zu Läusen nicht-realistisch deutet, was macht das für einen Unterschied?
    Was unterscheidet nicht realistisch gedeutete Hausstaubmilben von realistisch gedeuteten Hausstaubmilben oder Läusen?

    mfg georg

  291. #291 MartinB
    Mai 26, 2010

    @JF
    Ja, der Unterschied ist der: Über die Begriffsbildungen und Konzepte, die beim Lernen der Begriffe Zellkern oder Quantensystem abliefen, bin ich mir teilweise bewusst, über die beim Lernen des Begriffs “Baum” nicht. Macht es den begriff “Baum” also konzeptionell klarer oder irgendwie realer als den der Zelle, weil ich keine Ahnung habe, wie ich ihn gelernt habe und was in meinem Kopf vorgeht, wenn ich ein Muster von Grün und Braun als “Baum” interpretiere? Warum?

    Ob ich durch meine Kontaktlinsen (ohne die ich den Baum eh nicht sehe) hindurch einen Baum ansehe oder durch ein Mikroskop eine Zelle macht für mich keinen qualitativen Unterschied.

  292. #292 georg
    Mai 26, 2010

    @Jörg Friedrich · 25.05.10 · 16:12 Uhr

    Es ändert sich zunächst mal nur die Sprechweise, sie wird etwas umständlicher. Sie sagen nicht mehr “Eine Zelle besteht aus einem Zellkern und aus Mitochondrien” sondern Sie sagen “Nach der Präparation einer Probe X mit dem Verfahren Y ensteht im Mikroskop ein Bild, das sich mit den Begriffen ‘Zelle”, ‘Zellkern’ und ‘Mitochondrien’ beschreiben lässt”.

    Ich nehme das mal als Antwort auf meine letzte Frage. Wissenschaftstheoretische Vorstelllungen, die bei den Vertretern der betreffenden Fachdisziplin (in diesem Fall Biologen) auf blankes Unverständnis treffen halte ich, wie gesagt, für nicht besonders plausibel.

  293. #293 georg
    Mai 27, 2010

    @Jörg Friedrich
    Jetzt habe ich noch eine ganz grundsätzliche Frage. Am · 19.05.10 · 18:34 Uhr haben Sie geschrieben:

    Die Tatsache, dass das Elektonenmikroskop und das Lichtmikroskop in gleichen Situationen ähnliche Bilder produzieren (ich hab mir inzwischen eine Menge Hausstaubmilben in elektronenmikroskopischer und lichtmikroskopischer Darstellung angesehen und muss sagen, so ähnlich sind die gar nicht) ist auch bei einer rein konstruktivistischen Betrachtung erklärbar: Die Theorie des Lichtmikroskops ist mit der des Elektronenmikroskops ja durchaus verwandt.

    Die Formulierung “in gleichen Situationen” ist schon mal herrlich vage.

    Es ist doch richtig, dass der Anti-Realismus (Konstruktivismus, Instrumentalismus, …) es für unzulässig erklärt, einen Bezug zwischen einem empirischen (Beobachtungs-)Phänomen (z. b. Bild eines Lichtmikroskop, Bild eines Elektronenmikroskops) und einem realen Objekt dahingehend herzustellen, dass die Bilder durch die Eigenschaften des (realen) Objektes und der (realen) Instrumente erklärt werden und damit einen Rückschluss auf das (reale) Objekt zulassen?

    Mit welcher Begründung bezeichnet der Antirealist, das was er auf den Bildern unterschiedlicher Instrumente sieht, mit einem, einheitlichen Begriff (z. B. Hausstaubmilbe)?

    Die Ähnlichkeit der Theorien der unterschiedlichen Instrumente alleine reicht als Erklärung hierfür nicht aus, solange es nicht das eine reale Objekt gibt, das mit beiden Instrumenten untersucht wird. Erst unter dieser Voraussetzung ist es begründet, beide (ähnliche) Bilder mit demselben Begriff zu bezeichnen. Der eine Begriff referiert dann nämlich nicht auf die zwei (Beobachtungs-)Phänomene sondern auf das eine reale Objekt der Beobachtung.

    Wäre der Konstruktivist konsequent, müsste er jedes Phänomen, das aus unterschiedlichen “Konstruktionen” (Beobachtungsinstrumente, die auf unterschiedlichen Theorien basieren) resultiert, auch mit unterschiedlichen Begriffen bezeichnen, da die Referenz auf das eine reale Objekt ja unzulässig ist.

    Er dürfte z. B. also nicht von Hausstaubmilben sprechen sondern, vielleich von Lichtmikroskopmilben und von Elektronenmikroskopmilben sprechen und sich jedesmal von neuem über die verblüffenden und unerklärlichen Übereinstimmungen wundern, da wie gesagt die Ähnlichkeit der Instrument alleine, ohne das ihnen gemeinsame (reale) Beobachtungsobjekt, nicht hinreicht diese zu erklären.

    Habe ich den Konstruktivismus so richtig verstanden?

    mfg georg

  294. #294 MartinB
    Mai 27, 2010

    @georg
    Es kommt sogar noch was hinzu:
    “Die Theorie des Lichtmikroskops ist mit der des Elektronenmikroskops ja durchaus verwandt.”
    Um also überhaupt die “vergleichbare Situation” erkennen zu können, braucht man dann ja schon die Theorie – aber konstruktivistisch gibt’s ja gar keine Strahlen oder Wellen.

    Ich denke, das liest sich leicht vereinfacht dann etwa so
    “Die im Lichtmikroskop und im Elektronenmikroskop aufgenommenen Bilder sind vergleichbar, weil das Lichtmikroskop und das Elektronenmikroskop beide so beschrieben werden können, dass sie, mit Hilfe von Dingen, die aus anderen Experimenten als sich wie Strahlen verhaltend angenommen werden können, so in Wechselwirkung mit etwas treten, das wir aufgrund der Art, wie wir es manipulieren können, als Objekt ansehen können, dass sich daraus eine Beeinflussung der sich wie Strahlen verhaltenden Dinge ergibt, die diese auf etwas lenkt, was wir so beschreiben können, als befinde sich dort eine Anordnung von Bauteilen, die sich unter dem Einfluss elektrischer Felder so verhalten, dass man sie als Halbleiter beschreiben kann, so dass sich dort eine Veränderung ergibt, die aufgrund einer messung mit einem Galvanometer so beschrieben werden kann, als würden sich elektrische Ladungen ansammeln, die dann in einen Computerchip (den darf ich direkt beschreiben, weil ich ihn ohne Hilfsmittel sehen kann) gelangen…”

    Ich glaube, Konstruktivismus ist für mich zu kompliziert…

  295. #295 georg
    Mai 28, 2010

    @MartinB
    Wenn’s jeder verstehen könnte, wär’s ja keine hochwertige, anspruchsvolle Philosophie 🙂

    Ich meine aber, dass JF noch versuchen wird, zu den aufgeworfenen Fragen plausible, auch für normale Menschen nachvollziehbare, Erläuterungen zu liefern.

    Und, falls ihm dies nicht gelingt, sich vielleicht irgendwann zu fragen beginnt, ob das möglicherweise auch an der Position liegt, von der aus er argumentiert.

  296. #296 Jörg Friedrich
    Mai 28, 2010

    @georg, MartinB: Es ist eigentlich ganz einfach: Der Begriff “Hausstaubmilbe” ist, (wie übrigens jeder Art-Begriff in der Biologie) eine theoretische Konstruktion, ein Element der Theorie. Mit diesem Begriff lassen sich empirische Befunde (Bilder aus verschiedenen Mikroskopen) konsistent beschreiben, und Vorhersagen für weitere empirische Arbeiten ableiten. Damit wird jedoch keine Aussage darüber getroffen, dass es tatsächlich ein Objekt der Realität gibt, welches exakt mit der Beschreibung der theoretischen Hausstaubmilbe korrespondiert. Das ist auch nicht entscheidend, entscheidend ist die empirische Adäquatheit der Theorie.

    Sie können, MartinB ist darin geübt, im vorstehenden Absatz “Hausstaubmilbe” durch “homo oeconomicus” ersetzen, dann sehen sie das Prinzip noch deutlicher.

  297. #297 MartinB
    Mai 28, 2010

    @JF
    Und wieder ignorieren Sie das Problem der Konsistenz verschiedener Messungen.
    Wie bereits angegeben können Sie sich kaum damit herausreden, dass ja die unterschiedlichen Mikroskope auf einer ähnlichen Theorie basieren, denn damit spannen Sie ja den Wagen vor’s Pferd. Und warum dem evolvierten menschlcihen Sinnesapparat in Ihrem Weltbild eine so besondere Bedeutung zukommt, ist auch offen.

  298. #298 Jörg Friedrich
    Mai 28, 2010

    @MatinB: Nein, das Problem ignoriere ich nicht, es scheint mir nur nicht zu gelingen Ihnen zu verdeutlichen, warum es dieses Problem gar nicht gibt. Auch der zweite Punkt nicht nicht “offen”. Wenn Sie das Thema wirklich interessiert, dann werden Sie aber sicherlich bei den Autoren, die hier zur Diskussion stehen, bessere Erläuterungen finden als ich sie geben kann. Auch eine physikalische Theorie kann nicht erschöpfend und für jeden einleuchtend in einem Blog erklärt werden, warum sollte das bei philosophischen Konzepten anders sein.

    Zum Higgs im Standard-Modell war ich Ihnen noch meine Quelle schuldig. Es war Lee Smolin, The Trouble with Physics. Im Kapitel “The Unfinished Revolution” finden Sie ab Seite 70 den Hintergrund zu meinen Anmerkungen.

  299. #299 MartinB
    Mai 28, 2010

    “Nein, das Problem ignoriere ich nicht, es scheint mir nur nicht zu gelingen Ihnen zu verdeutlichen, warum es dieses Problem gar nicht gibt.”
    Aha. Ich zitiere mal vom 26.3.
    “Auf die Frage nach der Konsistenz der Beschreibung komme ich bei Gelegenheit zurück, versprochen.”
    Hab ich den Blog-Post überlesen?

    “Auch eine physikalische Theorie kann nicht erschöpfend und für jeden einleuchtend in einem Blog erklärt werden, warum sollte das bei philosophischen Konzepten anders sein.”
    Erschöpfend nicht, aber ne Kurzfassung werden Sie mir doch geben können…?

  300. #300 georg
    Mai 30, 2010

    @Jörg Friedrich

    georg, MartinB: Es ist eigentlich ganz einfach: Der Begriff “Hausstaubmilbe” ist, (wie übrigens jeder Art-Begriff in der Biologie) eine theoretische Konstruktion, ein Element der Theorie. Mit diesem Begriff lassen sich empirische Befunde (Bilder aus verschiedenen Mikroskopen) konsistent beschreiben, und Vorhersagen für weitere empirische Arbeiten ableiten. Damit wird jedoch keine Aussage darüber getroffen, dass es tatsächlich ein Objekt der Realität gibt, welches exakt mit der Beschreibung der theoretischen Hausstaubmilbe korrespondiert. Das ist auch nicht entscheidend, entscheidend ist die empirische Adäquatheit der Theorie.

    Erstens, der (hypothetische) Realismus behauptet nicht, dass es Objekte in der Realität gibt, welche exakt mit den theoretischen Beschreibungen korrespondieren (sichere Erkenntnis). Das hatte ich schon mehrfach versucht Ihnen zu erklären, offenbar vergeblich.

    Zweitens. auf die naheliegende Frage, warum sich mit diesem Begriff, Bilder aus verschiedenen Mikroskopen konsistent beschreiben lassen, geben Sie keine Antwort (Konsistenz der Messwerte). Nimmt man Ihren Konstruktivismus ernst, müsste es noch nicht mal zulässig sein, die Bilder verschiedener Instrumente mit einem Begriff zu bezeichnen.

    @MatinB: Nein, das Problem ignoriere ich nicht, es scheint mir nur nicht zu gelingen Ihnen zu verdeutlichen, warum es dieses Problem gar nicht gibt.

    Allerdings nicht! Ich habe gehört, wenn man gewisse Kräuter raucht, dann verschwinden Probleme auch, zumindest zeitweise.

    Sie können, MartinB ist darin geübt, im vorstehenden Absatz “Hausstaubmilbe” durch “homo oeconomicus” ersetzen, dann sehen sie das Prinzip noch deutlicher.

    Das Prinzip der fehlenden Erklärungen sehe ich allerdings noch deutlicher! Ich dachte, ich hätte Sie so verstanden, dass alles was größer als eine Milbe ist, realistisch gedeutet werden kann?
    Soviel erstmal für heute, auf das Thema homo oeconomicus komme ich noch mal gesondert zurück.

    mfg georg

  301. #301 georg
    Mai 31, 2010

    @Jörg Friedrich
    MartinB und ich haben offensichtlich einige Schwierigkeiten der Logik Ihrer Argumentation bzgl. Ihres Konstruktivismus zu verstehen und inhaltlich nachzuvollziehen.

    Das könnte verschiedene Ursachen haben. Möglicherweise ist der Gegenstand den Ihre Theorie (Ihr Konstruktivismus) beschreibt dermaßen komplex, das selbst das Verständnis der grundlegendsten Zusammenhänge unsere derzeitigen Fähigkeiten übersteigt und die Vertreter alternativer, verständlicherer Konzeptionen haben dies nur noch nicht bemerkt haben.
    Es wäre aber auch denkbar, dass mit der Logik Ihrer Theorie irgendetwas im Argen liegt.

    Die Klärung dieser, bestimmt auch für Sie nicht uninteressanten, Fragestellung könnten wir, meiner Meinung nach, voranbringen, wenn Sie freundlicherweise einmal versuchen würden, die folgenden von mir schon mehrfach angesprochenen Fragen zu beantworten.

    Sie haben gesagt: “Die überzeugende Trennlinie zwischen einer realistischen und einer anti-realistischen Sichtweise ist, ob ich den betreffenden Gegenstand prinzipiell mit unbewaffnetem Auge sehen kann.

    Sie haben gesagt: “Die Anti-Realistische Sichtweise hat den Vorzug, dass sie das, was die Ökonomie (z.B. beim homo oeconomicus) macht, hinsichtlich der Frage, warum es überhaupt funktioniert, erklärbar macht”

    Menschliches Handeln ist, mit unbewaffnetem Auge beobachtbar. Gemäß Ihrer Klassifizierung gehört das Modell homo oeconomicus damit doch in den Bereich der realistisch zu deutenden Theorien, oder?

    Wieso soll dann hier, entgegen Ihrer Klassifizierung, hierbei überhaupt eine anti-realistische Sichtweise zum tragen kommen?

    Gibt es in Ihrer Klassifizierung (mit unbewaffneten Auge) irgendwelche Ausnahmeregelungen, die uns bisher entgangen sind?

    Worin genau besteht in diesem Fall der Vorzug der anti-realistischen Sichtweise (gegenüber einer realistischen Sichtweise), von dem Sie sprechen?

    Und, was genau macht die anti-realistische Sichtweise denn in diesem Fall denn erklärbar?

    Diese Fragen resultieren aus der, nicht näher ausgeführten, Behauptung, die Sie (21.05.10 • 20:44 Uhr) in einem Satz untergebracht haben. Ich meine, es würde unser Verständnis Ihres Konstruktivismus voranbringen, wenn Sie etwas eingehender ausführen, was diese (Ihre) Behauptung denn inhaltlich konkret besagt.

    mfg georg

  302. #302 MartinB
    Mai 31, 2010

    … und wenn ich darf, würde ich gern nochmal die Frage hinzufügen, was denn so besonders am Evolutionsprozess ist, dass gerade unsere optische Wahrnehmungsfähigkeit die Grenze zwischen realistisch und nicht-realistisch deutbar setzen soll. Zumindest mich überzeugt die Trennlinie in keiner Weise.

  303. #303 Jörg Friedrich
    Mai 31, 2010

    @MartinB, georg: zunächst einmal eine Meta-Anmerkung: Ich versuche immer wieder, Ihre Fragen zu beantworten, ich denke auf dem Fahrrad darüber nach,im Zug, manchmal sogar im Bett. Ich lese nochmal in Büchern nach usw. Die Diskussionen die in diesem Blog geführt werden, sind m.E. nicht so eilig, dass alle Fragen innerhalb von 24 Stunden beantwortet werden müssen. Manchmal ist eine Antwort auch in einem neuen Blogartikel enthalten und wenn ich sehe, dass jemand diesen neuen Artikel zwar liest, aber trotz Verwendung exakt des gleichen Beispiels nicht bemerkt, dass auch dort ein Versuch gemacht wird, die gleiche Fragestellung zu behandeln, dann werde ich allmählich ratlos. Des Weiteren: Wenn Sie so ausführliche Diskussionen führen möchten dann erwarte ich auch, dass bereits Gesagtes in folgenden Kommentaren berücksichtigt wird. Ich hatte beispielsweise schon mehrfach darauf hingewiesen, dass der Konstruktivismus nicht meinen Standpunkt wiedergibt. Mein Standpunkt ist jedoch nebensächlich solange die Argumente des Konstruktivismus nicht verstanden und damit erst recht nicht entkräftet sind. Es ist aber unnötige Polemik immer aufs Neue von mir zu verlangen, ich solle Fehler in meinem Konstruktivismus endlich eingestehen.

    So, dass musste vorab einmal gesagt werden. Nun zum Inhaltlichen.

    @georg: Der “homo oeconomicus” ist natürlich nicht unmittelbar beobachtbar. Sie müssen unterscheiden zwischen Einzeldingen, die Sie beobachten können, und Kategorien, denen Sie diese EInzeldinge zuordnen. Ob das, was SIe beobachten, tatsächlich einer Kategorie zuzuordnen ist, hängt von der Theorie ab. So können Sie z.B. die Venus beobachten, aber ob Sie dabei einen Planeten beobachten hängt von einer Entscheidung der Astronomen ab. Die Rechtfertigung dieser Entscheidung hat unendlich viele Möglichkeiten, bei unseren Alltags-Gegenständen können wir noch sagen, dass sie nur von unseren praktischen Erfahrungen und Zielen abhängt. Beispiel: die Wahrheit der Behauptung, dass da drüben ein Stuhl steht hängt natürlich von meinen praktischen Erfahrungen im Umgang mit Sitzgelegenheiten ab. Für jemanden, der nicht weiß, was ein Stuhl ist, ist der Wahrheitswert des Satzes schlicht unbestimmt. Beim homo oeconomicus ist die Sache weit komplexer, weil der homo oeconomicus eine theoretische Kategorie ist. Ein homo oeconomicus ist nicht beobachtbar wie ein Stuhl, sondern sie setzt komplexe theoretische Interpretationen von menschlichem Verhalten voraus. Man kann Meier und Müller beobachten, die ein Geschäft miteinander abwickeln, aber dass wir dabei zwei Exemplare der Kategorie homo oeconomicus beobachten, die nach den Prinzipien intendierte Rationalität und persönliche Nutzensmaximierung bei gleichzeitiger Stabilität der Präferenzen agieren, ist eine theoretische Konstruktion.

    @MartinB: Der Evolutionsprozess hat damit wenig zu tun. Die Auszeichnung der Beobachtung des Mittelgroßen Objekts mit unbewaffneten Auge hat damit zu tun, dass diese Beobachtung paradigmatisch für eine Beurteilung eines Gegenstands als wirklich, als real, angesehen werden kann. Wir beurteilen Dinge als “wirklich”, denen wir einen Ort, eine zeitliche Kontinuität zuordnen können, und auf die wir wegen dieser Zuordnung in irgendeinem Sinne zeigen können. Schon wenn Sie sich mikroskopische Verfahren ansehen bemerken Sie, dass wir, gerade um diesen Wirklichkeitsbegriff anwenden zu können, eine Reihe von Manipulationen an unseren Untersuchungsobjekten vornehmen: Fixierung, Färbung, Stabilisierung usw. Wir müssen immer und überall sehen, dass wir einen Prozess finden, der uns das Nicht-Beobachtbare auf eine mittlere Größe bringt, auf eine Dauer bringt, die wir wahrnehmen können, und auf die wir dann zeigen können.

    Das ist übrigens auch der Grund für den ersten Grundsatz der Kopenhagener Deutung der Quantentheorie, nach der, wie Sie sicherlich wissen, die Ergebnisse der Quantentheorie in klassischen Begriffen beschrieben werden müssen.

  304. #304 MartinB
    Mai 31, 2010

    @JörgFriedrich
    “Ich versuche immer wieder, Ihre Fragen zu beantworten”
    Wenn ich davon nicht ausgehen würde, dann würde ich inzwischen bestimmt keine Fragen mehr stellen.
    Die Antwort auf die Konsistenz-Frage ist mir aber wirklich entgangen, welcher Blog-Eintrag enthält denn die?

    “Die Auszeichnung der Beobachtung des Mittelgroßen Objekts mit unbewaffneten Auge hat damit zu tun, dass diese Beobachtung paradigmatisch für eine Beurteilung eines Gegenstands als wirklich, als real, angesehen werden kann.”
    Ich finde das ehrlich gesagt nicht so klar.
    Es bedarf ja schon einer Menge interner rechenoperationen, um aus dem 2D-Netzhaut-Bild tatsächlich zu rekonstruieren, welche Objekte denn wirklich real da sind. Zum Beispiel gibt es die hünsche optische Illusion mit dem Ames-Raum, bei dem uns das Auge ganz klar sagt, dass jemand vom Riesen zum Zwerg wird.
    Nehmen wir also an, dass ich Sie (ohne dass Sie so einen Raum kennen oder jemals gesehen haben) vor einen solchen raum setze. Wenn Sie sehen, wie jemand vom Riesen zum Zwerg schrumpft, dann müssten Sie nach Ihrem Verständnis doch folgern, dass das wirklich passiert. Das tun Sie aber nicht – vielmehr werden Sie sagen “Das ist ein Trick”!
    Ich denke, das zeigt schon, dass es mit dem unbewaffneten Auge nicht so einfach ist, wie man denkt. Ein Blick auf die vielen weiteren optischen Täuschungen, die es so gibt, zeigt, wie problematisch unsere Wahrnehmung wirklich ist. Ähnliches gilt auch für den tastsinn (da gibt’s z.B. die Phantom-Hand-Illusion).
    Man kann vielleicht argumentieren, dass (ala evolutionärer Erkenntnistheorie) unsere Sinne sich schon so entwickelt haben, dass sie mit den Objekten der realen Welt meist korrekt korrellierende Konzepte entwickeln; deshalb ja auch meine Frage nach der Evolution. Selbst dann muss man aber erklären, warum wir überhaupt in der Lage sind, optische Täuschungen als solche zu erkennen, denn wenn das primat der Wahrnehmung vor der Theorie gälte, dann dürften wir dazu nicht in der Lage sein.

    “Das ist übrigens auch der Grund für den ersten Grundsatz der Kopenhagener Deutung der Quantentheorie, nach der, wie Sie sicherlich wissen, die Ergebnisse der Quantentheorie in klassischen Begriffen beschrieben werden müssen.”
    Sehe ich etwas anders, da spielt nämlich die Frage des Messprozesses (Kollaps der Wellenfunktion) die entscheidende Rolle. In der Kopenhagener Deutung bedeutet makroskopisch eigentlich ja nur “Mit den Regeln der klassischen physik beschreibbar” also “Ohne Überlagerungszustände von Eigenfunktionen beschreibbar”.
    Im übrigen kann unsere Netzhaut meines Wissens nach unter geeigneten bedingungen einzelne Photonen detektieren, da verschwimmt dann die Grenze auch ziemlich.

  305. #305 georg
    Mai 31, 2010

    @Jörg Friedrich

    @georg: Der “homo oeconomicus” ist natürlich nicht unmittelbar beobachtbar. Sie müssen unterscheiden zwischen Einzeldingen, die Sie beobachten können, und Kategorien, denen Sie diese EInzeldinge zuordnen. Ob das, was SIe beobachten, tatsächlich einer Kategorie zuzuordnen ist, hängt von der Theorie ab.

    Da die interessanten wissenschaftliche Aussagen sich auf Kategorien beziehen haben wir damit wohl die Trennlinie “prinzipiell mit unbewaffnetem Auge beobachtbar” stillschweigend verabschiedet.
    Ich habe schon geahnt, dass es daruf hinaus laufen wird. Die diesbezügliche Frage zur Trennlinie (aber nur die) ist damit natürlich obsolet.

  306. #306 georg
    Mai 31, 2010

    Der “homo oeconomicus” ist ein Modell und als solches selbstverständlich in der Realität nicht “unmittelbar” beobachtbar. Das war nicht die Frage. Ein Modell ist immer ein Modell von etwas.

    Die Frage war, worin konkret der diesbezüglich (homo oeconomicus) von Ihnen behauptete Vorzug einer anti-realistischen Sichtweise besteht.

  307. #307 Wb
    Mai 31, 2010

    Nur mal so als Idee, wäre es vielleicht eine Idee irgendwann den kritischen Punkt zu isolieren und a) als Konsens zum Dissens abzuhaken oder b) (an JF gerichtet) diesem einen Artikel zu widmen (gerne auch zeitversetzt)?

    Wenn es grundsätzlichen Erörterungsbedarf gibt, auch dafür hätte der Webbaer eine Idee: Hier könnte ein Artikel mit beiliegendem “Low Content”-Kommentarstrang eingerichtet werden. Das “Low” soll hier nicht abwertend verstanden werden. 🙂
    Üblich ist so etwas jedenfalls.

    Nur ein paar Ideen!

    MFG
    Wb

  308. #308 Wb
    Mai 31, 2010

    Nachtrag:
    Q: Warum? A: Damit allgemein besser gefolgt werden kann.

  309. #309 Jörg Friedrich
    Mai 31, 2010

    @Georg: Auch “Hausstaubmilbe” ist ein Modell, und auch “Stuhl”. Einen Gegenstand, den ich als “Stuhl” bezeichne, werden Sie vielleicht als “Sessel” oder als “Kiste” bezeichnen, trotzdem ist das Ding, das wir beide bezeichnen, unmittelbar beobachtbar. Das gilt aber weder für den homo oeconomicus, noch für die Milbe.

    Der Vorteil der anit-realistischen Sichtweise auf den homo oeconomicus ist, dass sich kein einziger Mensch auf der Welt wirklich auch nur annähernd intendiert rational verhalten muss, dass kein einziger stabile Präferenzen haben muss und auch niemand jemals auf Nutzensmaximierung ausgerichtet sein muss, trotzdem haben Theorien, die den homo oeconomicus verwenden, eine große Erklärungskraft.

    @wb: das versuche ich immer mal wieder, aber Blogs haben, wir wir gut sehen können, eine Eigendynamik, die man als Blogger nur bedingt steuern kann. Aber Danke für die Ideen, als Ansatz werd ich sie im Kopf behalten.

  310. #310 georg
    Mai 31, 2010

    @Jörg Friedrich
    Ihr Vorteil einer anti-realistischen Sichtweise ist in Wirklichkeit keiner, jedenfalls keiner gegenüber einer realistischen Sichtweise.

    Denn auch wer davon ausgeht, dass Beobachtungen (mit oder ohne Instrument) auf reale Objekte referieren ist nicht zwingend darauf angewiesen, dass seine Modelle in der Realität eine “unmittelbare” Entsprechung haben müssen, sowenig es in der Realität z. B. Punktmassen gibt.

    Der Unterschied ist der, dass der Realismus eine echte Erklärung für die Beobachungen (mit oder ohne Instrument) liefert, nämlich, dass da etwas Reales ist, das beobachtet wird.

    Und diese Erklärungsleistung ist etwas, das der Realismus dem Anti-Realismus voraus hat.

    Sie haben noch keinen überzeugenden Grund genannt, warum man auf diese Erklärungsleistung verzichten müsste oder sollte.

    MartinB und ich hatten Ihne aber schon ein paar Punkte genannt, die man ohne diese Erklärungsleistung eben nicht besonders gut oder gar nicht erklären bzw. verstehen kann. Die Konvergenz der Messungen mittels unterschiedlicher Instrumente war einer davon.

    Also, welchen Vorteil hat eine anti-realistische Sichtweise?

  311. #311 Wb
    Mai 31, 2010

    @georg

    Also, welchen Vorteil hat eine anti-realistische Sichtweise?

    Es kann sein, dass das Gegebene irreal ist oder scheint, zumindest für den Menschen, es gibt dbzgl. Anzeichen, eine Mehrschichtigkeit wäre dann hilfreich bei der Theoretisierung.

    Das ist dann auch der Punkt, an dem viele abbeißen (“abbeißen”), denken Sie mehr in Systemen, halten Sie sich nicht am anscheinend oder scheinbar Gegegeben fest.

    Und lassen Sie uns erlauben diesen Punkt anderweitig und außerweitig (auf diesen Kommentarstrang bezogen) bearbeiten, ja?

    MFG
    Wb

  312. #312 Jörg Friedrich
    Mai 31, 2010

    @georg: Wenn Sie auf das “unmittelbare entsprechen” verzichten (auch wenn Sie das “Referenzieren” merkwürdigerweise beibehalten wollen) dann ist Ihr Realismus sehr schmal geworden. Mich würde interessieren, was dieses “referenzieren aber nicht unmittelbar entsprechen” bedeutet. Ist es sowas wie “idealisieren” (darauf verweist ihr Punktmasse-Beispiel). Aber der homo oeconomicus ist keine “Idealisierung” des richtigen Menschen, weil es hinsichtlich der Attribute, die den homo oeconomicus ausmachen, keine Annäherung des wirklichen Menschen an dieses Idealbild gibt. Und die Modelle der Quantenmechanik sind erst recht keine Idealisierung der Wirklichkeit.

    Was also ist “referenzieren”?

  313. #313 Andrea N.D.
    Mai 31, 2010

    @Jörg Friedrich:
    Es fällt wirklich nicht leicht, den Argumentationsfaden hier zu behalten. Sie haben auf den Kommentar von georg nur unvollständig geantwortet, indem Sie einen unwesentlichen Punkt herausgegriffen haben. st der Exkurs über “referenzieren” ein unerfreuliches Ablenkungsmanöver oder haben Sie – abgesehen von phänomenologischen Spitzfindigkeiten – noch etwas zur Debatte Realismus – Antirealismus beizutragen?

  314. #314 Jörg Friedrich
    Mai 31, 2010

    Ich halte die Frage nach der Bedeutung von “Referenzieren” hier für zentral. Gerade am Wochenende las ich noch mal einen Text von Hilary Putnam, der schrieb: “Zu sagen, Wahrheit sei ‘Übereinstimmung mit der Realität’, ist nicht falsch, sondern leer, solange nichts darüber gesagt wird, was die ‘Übereinstimmung’ ist. Nimmt man an, die ‘Übereinstimmung’ sei völlig unabhängig von den Weisen, in denen wir unsere Behauptungen bestätigen, dann ist die ‘Übereinstimmung’ geheimnisvoll und unser vermeintliches Verständnis von ihr auch.”

    Ich werde darüber in den nächsten Tagen noch mal ausführlicher schreiben. Beim Lesen von Georgs Kommentar wurde mir aber klar, dass genau in dieser Unklarheit, was “Übereinstimmung” ist (referenzieren, aber nicht unmittelbar entsprechen?) das Grundproblem liegen dürfte. Der Realismus setzt eben voraus, dass dieses “Übereinstimmen” irgendwie schon klar ist, aber man weiß nicht, was es wirklich bedeutet.

  315. #315 MartinB
    Mai 31, 2010

    “Der Realismus setzt eben voraus, dass dieses “Übereinstimmen” irgendwie schon klar ist, aber man weiß nicht, was es wirklich bedeutet.”
    Gegenfrage: Was bedeutet es denn für makroskopische Gegenstände, die Sie ja als real ansehen (siehe meinen Kommentar vom Mittag)?
    Wie ist es möglich, dass wir Täuschungen wie den Ames-Raum überhaupt als solche erkennen? Meiner Ansicht nach nur dadurch, dass wir ein (unbewusstes) Theoriengebäude im Kopf haben, das uns sagt, dass gegenstände nicht einfach größer oder kleiner werden. Diesem Theoriengebäude trauen wir mehr als unseren Sinnen.

  316. #316 georg
    Juni 1, 2010

    @Jörg Friedrich

    Wenn Sie auf das “unmittelbare entsprechen” verzichten (auch wenn Sie das “Referenzieren” merkwürdigerweise beibehalten wollen) dann ist Ihr Realismus sehr schmal geworden. Mich würde interessieren, was dieses “referenzieren aber nicht unmittelbar entsprechen” bedeutet. Ist es sowas wie “idealisieren” (darauf verweist ihr Punktmasse-Beispiel).

    Schmal oder nicht schmal, es bleibt immer, dass der Realismus besagt, dass die empirischen Beobachtungen ihre Ursache in den (realen) Eigenschaften realer Entitäten (z. B. Hausstaubmilben) haben und die wissenschaftlichen Theorien sich letztlich auf diese realen Entitäten beziehen, was ich hier als referenzieren bezeichnet habe (referieren ist, glaube ich der richtige Ausdruck).

    Der Begriff “Idealisierung” besagt ja nicht, dass man eine ideale Beschreibung im Sinne des “bestmöglichen” realen Objekts anstrebt, sondern, dass man von der Realität abstrahiert um ein mathematisches beschreibbares Modell zu erhalten, das trotz der Abstraktion eine Beschreibung des betrachteten realen Gegenstandes erlaubt.

    Und genau dies ist der “homo oeconomicus”, eine Abstraktion mit dem Ziel ein mathematisch handhabbares Modell zu erhalten, das geeignet ist, die reale ökonomische Aktivität zu beschreiben und zu erklären. Man kann berechtigterweise darüber diskutieren, ob das Modell “homo oeconomicus” seiner Aufgabe gerecht wird, am Prinzip ändert das nichts.

    Der Realismus setzt eben voraus, dass dieses “Übereinstimmen” irgendwie schon klar ist, aber man weiß nicht, was es wirklich bedeutet.

    Der Realismus setzt voraus, dass die Beobachtungen von den Eigenschaften realer Entitäten verursacht werden (referieren) und dadurch am besten erklärt werden, wie z. B. die Konvergenz von Beobachtungen/Messungen eines Objekts mittels unterschiedlicher instrumente.

    mfg georg

  317. #317 Jörg Friedrich
    Juni 1, 2010

    @MartinB:
    Sie haben einen sehr weiten Begriff von Theorie, so wie Sie einen weiten Begriff von Wissenschaft und Differenzialgleichungen haben. Da passt dann immer alles rein. Der, der da der optischen Täuschung nicht erliegt, hat keine Theorie, er hat praktische Erfahrung. Diese Erfahrung wird nicht nur durch hingucken und logisches Schließen gewonnen, sondern vor allem durch Handeln, durch Anfassen, Positionswechsel usw.

    @georg
    Nun sind wir an einer Stelle, an der wir schon vor Wochen waren und an der ich Ihnen gesagt habe, dass niemand, auch kein Instrumentalist, bestreitet, dass es da draußen Gegenstände gibt, die alles verursachen. Die Frage ist,ob unsere Theorien über diese Gegenstände sprechen, und ob sie darüber sprechen können und sollen.

    Ein Beispiel: Stellen Sie sich einen Wissenschaftler in Rente, der in seinem Wohnzimmer sitzt. regelmäßig samstags nachmittags fliegt ein Fußball gegen sein Fenster und die Scheibe zerspringt. Nun hat unser Wissenschaftler nie was von Fußball gehört, er ist auch zu langsam, um noch ans Fenster zu laufen und die Bösewichte zu erwischen.

    Er macht sich also eine Theorie, die einen Zusammenhang zwischen der Uhrzeit und den Balleinschlägen herstellt und beschließt, samstags nachmittags immer die Fenster zu öffnen. Zukünftig bleiben Schadensereignisse aus.

    Nun kommt sein Enkel Georg zu Besuch und fragt, warum die Fenster offen stehen. Nach der Erklärung des Großvaters fragt Georg, warum er nicht die Ursache, die Kinder, die den Ball abschossen, gesucht hat. Darauf antwortet der Großvater: “Welche Kinder? Ich weiß nichts von Kindern, die Fußball spielen. Die Ursache war der Ball, der immer Samstags gegen die Scheiben flog, das ist alles, was ich wissen kann, und es ist auch alles, was wichtig ist, denn meine Theorie hat mir geholfen, das Problem zu lösen.”

  318. #318 MartinB
    Juni 1, 2010

    Ich zitiere mal die Quelle allen Wissens (mangels besserer Möglichkeiten im Moment):
    “Eine Theorie ist ein vereinfachtes Bild eines Ausschnitts der Realität, der mit diesem Bild beschrieben und erklärt werden soll, um auf dieser Grundlage möglicherweise Prognosen zu machen und Handlungsempfehlungen zu geben.”
    Meiner Meinung nach ist das genau das, was unser Hirn tut, wenn es interpretiert: “Dieser grüb-braune Netzhautklecks ist ein Baum”, oder “Dieser Mensch schrumpft nicht wirklich, das muss eine Täuschung sein.”

    Diese Erfahrung wird nicht nur durch hingucken und logisches Schließen gewonnen, sondern vor allem durch Handeln, durch Anfassen, Positionswechsel usw.”

    Genau. Und was dann aus der Erfahrung herauskommt ist ein gedankliches Modell, wie die Dinge in der Welt sind. Wenn Beobachtungen nicht damit in Einklang zu sein scheinen, dann wird nach Gründen gesucht, das Modell aber nicht sofort fallengelassen.
    Sie müssen das von mir aus nicht Theorie nennen, wenn Sie nicht wollen, aber dass in unserem Hirn abstrakte Konzept existieren, darüber sind wir uns doch vermutlich einig.

    Und es besteht hier eben eine genaue Analogie zwischen unserer Wahrnehmung der makroskopischen Welt und der mikroskopischen. Sie sagen es ja selbst: “Positionswechsel, Handeln, Anfassen.”
    Was ist das anderes als das Durchführen von Beobachtungen mit verschiedenen Mitteln und die Feststellung, dass diese Beobachtungen *konsistent* durch ein Modell (im makroskopischen Fall von Gegenständen) beschrieben werden können.
    Im mikroskopischen Bereich mache ich exakt dasselbe: Ich mache Beobachtungen mit REM und LiMi, manipuliere das Objekt mit einer Pinzette und schlussfolgere daraus auf die Existenz eines Objekts “Hausstaubmilbe”, das gewisse Eigenschaften hat.

    Vielleicht ist das ein Kernpunkt unseres Disputs, den wir hier immer wieder führen: Sie staunen darüber, wie es Wissenschaftlern gelingt, trotz aller Unzulänglichkeiten erfolgreich Theorien zu bilden und zu verbessern.
    Ich staune schon darüber, wie es unserem Gehirn im Alltag gelingt, dasselbe zu tun. Meiner Ansicht nach muss jede Wissenschaftstheorie schon hier ansetzen.

    Wenn ich aber akzeptiere, dass es das kann, dann ist die Wissenschaft sozusagen nur noch die “Fortsetzung des gesunden Menschenverstands mit anderen Mitteln”. Für mich ist die Theoriebildug konzeptionell zunächst dieselbe.
    Später kommen dann natürlich noch andere Aspekte hinzu (z.B. Mathematisierung).

    (Es gibt eine Analogie zu zwei Denkschulen in der Künstlichen Intelligenz – die einen sagen, dass die interessanten Fragen all die sind, die sich oberhalb der Zeit abspielen, die man braucht um ein Objekt zu erkennen, die anderen, dass alle interessante Phänomene sich darunter abspielen – siehe Hofstadter “Metamagical Themas”.)

  319. #319 georg
    Juni 1, 2010

    @Jörg Friedrich

    Die Frage ist,ob unsere Theorien über diese Gegenstände sprechen, und ob sie darüber sprechen können und sollen.

    Es stellt sich u. a. die Frage, ob man über die Konvergenz von Beobachtungen/Messungen eines Objekts mittels unterschiedlicher instrumente (z- B. Lichtmikroskopmilbe und Elektronenmiroskopmilbe überhaupt sinnvoll reden kann, wenn man nicht davon ausgeht, dass unsere Theorien über diese Gegenstände selbst sprechen.
    Ihre diesbezüglichen Versuche waren bisher nicht wirklich überzeugend.

    Diese Konvergenz der Messungen ist selbst ja auch ein Beobachtungsphänomen, und der Realismus liefert dafür eine “empirisch-adäquate” Erklärung, die eine anti-ralistische Sichtweise konsequenterweise schuldig bleiben muss.

    Oder etwa nicht?

    Außerdem würde ich ganz klar eine wissenschaftliche Einstellung bevorzugen, die versucht zu verstehen, warum die Fußbälle zu einer bestimmten Zeit fliegen. Zu verstehen, was die Phänomene wirklich verusacht war ja auch die Motivation von Galilei.

    Jetzt fällt mir gerade diese Formulierung auf:

    Nun sind wir an einer Stelle, an der wir schon vor Wochen waren und an der ich Ihnen gesagt habe, dass niemand, auch kein Instrumentalist, bestreitet, dass es da draußen Gegenstände gibt, die alles verursachen.

    Wenn Sie jetzt tatsächlich sagen, dass die Phänomene (alles) durch die Gegenstände verursacht werden, dann stellt sich auch nicht mehr ganz so gegensätzlich dar. Ich war bisher davon ausgegangen, eine anti-realistische Sichtweise verbiete eine solche Aussage. Der Begriff Anti-Realismus ist dann fast schon ein bisschen irreführend.

  320. #320 georg
    Juni 1, 2010

    Sie sagen jetzt also, dass es reale Gegenstände “da draußen” gibt, die die Phänomene “alles” verusachen. Das ist inhaltlich der Kern des Realismus.

    Ich frage mich an dieser Stelle jetzt nur noch, weshalb Sie ein Problem damit haben, wenn man sagt, dass wir mit unseren Beobachtungsinstrumenten diese realen Gegenstände beobachten und mit unseren Theorien versuchen diese zu beschreiben.

  321. #321 georg
    Juni 2, 2010

    @Jörg Friedrich
    Ich versuche mal für mich den aktuellen Stand Ihrer Argumentation zusammenzufassen.

    Sie teilen also die zentrale Annahme des Realismus, dass die Phänomene von realen Dingen verusacht werden ( 01.06.10 · 09:09 Uhr).

    Das wäre dann vielleicht auch eine Erklärung dafür, dass es das Problem konvergierende Messwerte unterschiedlicher Instrumente nicht verstehen bzw. nicht erklären zu können, welches ein konsequenter Anti-Realismus hat, zumindest nach Ihrer Aussage (vom · 28.05.10 · 15:30 Uhr ) für Sie nicht gibt. Das sei mal so dahingestellt.

    Sie halten es jedoch für sinnvoll, eine antirealistische Sprechweise zu verwenden, wie z. B.:

    ( · 25.05.10 · 16:12 Uhr) Wenn Sie sich entscheiden, das, was Sie beim Blick ins Mikroskop sehen, nicht-realistisch zu deuten, dann passiert zunächst mal nicht viel. Es ändert sich zunächst mal nur die Sprechweise, sie wird etwas umständlicher. Sie sagen nicht mehr “Eine Zelle besteht aus einem Zellkern und aus Mitochondrien” sondern Sie sagen “Nach der Präparation einer Probe X mit dem Verfahren Y ensteht im Mikroskop ein Bild, das sich mit den Begriffen ‘Zelle”, ‘Zellkern’ und ‘Mitochondrien’ beschreiben lässt”. Der Vorteil ist, dass diese Aussae nicht einer anderen Aussage widerspricht die sagt, dass bei Präparation Z nichts zu sehen ist, was den Begriffen “Zelle”.. entspricht. Sie behaupten mit dieser Aussage auch nicht, dass Lebewesen aus Zellen bestehen.

    Der Vorteil dieser Sprechweise erschließt sich mir an diesem Beispiel so wenig wie sonst auch.

    Das heisst, Sie wissen dass die Beobachtung durch ein reales Ding verursacht wurde (s. o.), bei der Beschreibung der Beobachtung aber ignorieren Sie dieses Wissen und tun so als wüssten Sie dies nicht.

    Worin soll denn der Vorteil bestehen “nicht zu behaupten dass Lebewesen aus Zellen bestehen” ?
    Vielleicht der: “Wer nichts sagt, sagt auch nichts Falsches”. In der ganzen Diskussion ist dies bisher der einzige “Vorzug”, den ich erkennen konnte.

    Oder habe ich irgendwo etwas übersehen?

    mfg georg

  322. #322 Jörg Friedrich
    Juni 2, 2010

    Auch wenn wir uns in dieser unendlichen Diskussion wiederholen und immer wieder wiederholen:
    Die anti-realistische Sicht macht einfach keine Aussage darüber, ob da etwas ist, was wirklich so aussieht wie die Theorie es sagt. Auf Ihre Frage, ob da nicht ein unsichtbarer Fußballspieler sein muss, der den Ball geschossen hat, sagt der Anti-realist: “Mag sein. Aber da ich den sowieso nie zu Gesicht bekommen kann, warum soll ich die Existenz eines solchen Dings in meine Theorie einbauen? Entscheidend ist doch, dass die Scheiben nun heil bleiben.” Darauf werden Sie vielleicht antworten: “Aber wenn Du wüsstest dass es da böse spielende Kinder gibt, dann würdest du vielleicht nicht die Fenster aufmachen, sondern zur Polizei gehen.” Der anti-realistische Großvater antwortet darauf: “Die Kinder, wenn es sie gäbe, sind aber meiner Beobachtung nicht zugänglich. Wie soll mir die Polizei da helfen?”

    Nehmen wir mal die Quantenphysik: Da haben Sie einen mathematischen Apparat, der die Messergebnisse zutreffend beschreibt. Sie können nun sagen: “Aber dass das so ist, das liegt daran, dass es da irgendwas gibt, was dafür sorgt, dass die Messergebnisse so sind.” Darauf antwortet der Anti-Realist: “Mag sein. Aber was ist damit mehr gesagt, als ich schon sagte? Kannst du mir die Dinger irgendwie zeigen außer in den Messergebnissen, die mit meiner Theorie übereinstimmen?”

    Die Aussage, dass da Dinge sind die sich irgendwie wirklich so verhalten wie die Theorie es sagt, ist entweder völlig leer und damit verzichtbar, oder metaphysisch. Wenn die Aussage metaphysisch gemeint ist, müsst man angeben, warum die Aussage hilfreich fürs Denken ist.

  323. #323 MartinB
    Juni 2, 2010

    Zumindest mir ging es aber um die Behauptung, dass die Dinge fundamental anders gelagert seien, wenn wir über Beobachtungen mit Geräten gegenüber “direkten” beobachtungen reden. Das sehe ich hier immer noch nicht – ich könnte jetzt Ihren zweiten Absatz so umschreiben, dass er sich auf die Konzepte in unserem Gehirn bezieht, die wir aus unseren Sinneseindrücken ableiten, aber das überlasse ich diesmal Ihnen.

    Ansonsten ist es eine Frage der Ökonomie – wenn es keinen beobachtbaren Unterschied macht, ob ich annehme, dass die Entitäten meiner Theorie wirklich sind oder nicht, dann kann ich die Annahme machen, die einfacher ist. Und das ist nicht die anti-realistische, siehe den Eintrag MartinB· 27.05.10 · 17:43 Uhr
    Es ist eben “hilfreich fürs Denken”, wenn ich annehme, dass es Hausstaubmilben wirklich gibt, nicht bloß unidentifizierte Objekte, die im Mikroskop Eindrücke hervorrufen, die etc.etc.

    Wenn ich es richtig sehe, ist das doch auch georgs Punkt gewesen, der immer wieder fragt, was denn die anti-realistische Sichtweise nun konkret ändert.

  324. #324 georg
    Juni 2, 2010

    Die Aussage, dass da Dinge sind die sich irgendwie wirklich so verhalten wie die Theorie es sagt, ist entweder völlig leer und damit verzichtbar, oder metaphysisch. Wenn die Aussage metaphysisch gemeint ist, müsst man angeben, warum die Aussage hilfreich fürs Denken ist.

    Ich weiss nicht, wieso Sie immer wieder darauf verfallen, man würde behaupten, dass sich die Dinge, oder auch nur die Beobachtungs-Phänomene, nach unseren Theorien richten würden. Ich jedenfalls sehe das nicht so. Vielleicht benötigen Sie aber diese Vorstellung, um Ihre eigene Sichtweise gut zu finden.

    Immerhin sind wir ja inzwischen zu der gemeinsamen Erkenntnis gelangt, dass wir die zentrale Annahme des Realismus, dass die (Beobachtungs-)Phänomene durch reale Dinge verursacht werden, teilen. Das ist doch schon ein Fortschritt.

    Warum die Aussage hilfreich fürs Denken ist? Wie soll man das jemandem erklären, der meint mit folgendem Beispiel für eine nicht-realistische Sprechweise werben zu können:

    Sie sagen nicht mehr “Eine Zelle besteht aus einem Zellkern und aus Mitochondrien” sondern Sie sagen “Nach der Präparation einer Probe X mit dem Verfahren Y ensteht im Mikroskop ein Bild, das sich mit den Begriffen ‘Zelle”, ‘Zellkern’ und ‘Mitochondrien’ beschreiben lässt”. Der Vorteil ist, dass diese Aussae nicht einer anderen Aussage widerspricht die sagt, dass bei Präparation Z nichts zu sehen ist, was den Begriffen “Zelle”.. entspricht. Sie behaupten mit dieser Aussage auch nicht, dass Lebewesen aus Zellen bestehen.

    Da kann ich mich MartinB anschliessen. Ich finde es für mein Denken ausgesprochen hilfreich, nicht so zu denken.

    mfg georg

  325. #325 Jörg Friedrich
    Juni 3, 2010

    “Ich weiss nicht, wieso Sie immer wieder darauf verfallen, man würde behaupten, dass sich die Dinge, oder auch nur die Beobachtungs-Phänomene, nach unseren Theorien richten würden. ”

    Und ich weiß nicht, wie Sie darauf verfallen, dass ich darauf verfallen würde. Sie haben gesagt, und nicht nur einmal, dass unsere Theorien die Dinge so beschreiben, wie sie (die Dinge) sind und wie sie (die Dinge) sich verhalten.

  326. #326 georg
    Juni 4, 2010

    @Jörg Friedrich
    Habe ich mich tatsächlich irgendwo so missverständlich ausgedrückt, dass man zu dem Schluss kommen kann, ich würde die Meinung vertreten, dass die Dinge oder auch nur die Beobachtungs-Phänomene sich so verhalten, wie die Theorien es ihnen vorschreiben?

    Tatsächlich habe ich aber mehrfach gesagt, dass es das Ziel der Wissenschaft ist, die realen Dinge zu beschreiben und dasss sich dies aber nicht verifizieren lässt. Beispielhaft zitiere ich eine Aussage von mir zum homo oeconomicus:

    georg· 01.06.10 · 08:22 Uhr
    Der Begriff “Idealisierung” besagt ja nicht, dass man eine ideale Beschreibung im Sinne des “bestmöglichen” realen Objekts anstrebt, sondern, dass man von der Realität abstrahiert um ein mathematisches beschreibbares Modell zu erhalten, das trotz der Abstraktion eine Beschreibung des betrachteten realen Gegenstandes erlaubt.
    Und genau dies ist der “homo oeconomicus”, eine Abstraktion mit dem Ziel ein mathematisch handhabbares Modell zu erhalten, das geeignet ist, die reale ökonomische Aktivität zu beschreiben und zu erklären. Man kann berechtigterweise darüber diskutieren, ob das Modell “homo oeconomicus” seiner Aufgabe gerecht wird, am Prinzip ändert das nichts.

    Bei mir verstärkt sich immer mehr der Eindruck, dass Sie sich ein naives Zerrbild des modernen wissenschaftlichen Realismus zu eigen gemacht haben (“dass unsere Theorien die Dinge so beschreiben, wie sie (die Dinge) sind und wie sie (die Dinge) sich verhalten”), dass es Ihnen ermöglicht Ihrern eigenen Standpunkt als vorteilhaft anzusehen.

    Zum besseren Vertsändnis: Wenn ich sage, jemand hat ein Ziel, dann sage ich damit nicht gleichzeitig, dass er dieses Ziel schon erreicht hat, noch nicht einmal, dass er es mit Sicherheit jemals vollständig erreichen wird.