Seit der Konferenz von Kopenhagen ist fast ein viertel Jahr vergangen. So groß die Enttäuschung über das ergebnislose Treffen der Regierungen war, neue Ideen wie die Probleme des Klimawandels angegangen werden sollen, sind nirgens zu erkennen. Dabe hat das Scheitern von Kopenhagen vor allem eines gezeigt: Es ist höchste Zeit, radikal umzudenken.
Gerade einmal 7 % der Weltbevölkerung leben in der Europäischen Union. Tendenz fallend. Wir Europäer machen uns diese simple Tatsache viel zu selten bewusst. Wir sind auf dem Wege zur Randgruppe, im deutschen Wahlsystem würden wir bald unter die 5%-Hürde der Bedeutungslosigkeit fallen.
Aber seien wir einen kleinen Moment lang optimistisch und stellen wir uns vor, diese 7% wären wenigstens einig darin, dass der CO2-Ausstoß unserer Maschinen, Fahrzeuge und Anlagen drastisch gesenkt werden muss. Wen würde das interessieren? Wen müsste das interessieren?
Niemand interessiert sich für die Angst der Europäer
Die CO2-Emissionen eines Deutschen sind vier mal höher als die eines Chinesen, Ein Schwede erzeugt fünf mal mehr CO2 als ein Inder und ein Grieche produziert das dreifache von dem an CO2, das ein Kubaner erzeugt.
Wer sich diese Zahlen vor Augen führt sieht schnell ein, dass jede Selbstverpflichtung eines europäischen Landes, den CO2-Ausstoß um 20 oder 30% zu reduzieren, für einen Bewohner Lateinamerikas oder Südostasiens lächerlich klingen muss – von Afrika, das auf der Karte der CO2-Produktion ein weißer Fleck ist, ganz zu schweigen.
Gleichzeitig wäre der Effekt einer europäischen CO2-Reduktion auf die Konzentration des Treibhausgases ist der Luft – sagen wir mal – überschaubar. Und wenn man sich klarmacht, welchen Nachholebedarf der “Rest der Welt” in Sachen Mobilität, Technologie, Wärmeversorgung und Klimatisierung von Häusern hat, kann man einfach nicht annehmen dass die Zunahme der CO2-Konzentration in den nächsten Jahren gestoppt werden kann.
Gestehen wir uns ein: Kein noch so schreckliches Szenario über die globale Erwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts, das die Klimaforschung uns ausrechnet, wird die Menschen in Indien und China zum Verzicht auf einen Wohlstand bewegen, den wir ihnen täglich vorleben und von dem sie sich Tag für Tag mehr über Medien und Internet ein Bild machen können.
Horrorszenarien helfen keinem
Deshalb können wir aufhören, immer genauer auszurechnen wie schrecklich die Welt in 50 Jahren aussehen wird. Die Forscher sollten sich auf anderes konzentrieren:
Wo genau erwarten sie in den allernächsten Jahren welche Gefahren? Die Schwierigkeit, gerade die mittelfristige Entwicklung in den nächsten zwei oder drei Jahren vorherzusagen, muss endlich als dringeste Herausforderung verstanden werden. Für die Frage, welche Gegenden im nächsten Jahr vom Hochwasser, von Stürmen oder Dürren betroffen sein werden, werden sich auch die lokalen Regierungen interessieren.
Kann man die Bevölkerung bedrohter Inseln evakuieren? Sind Menschen bereit, bedrohte Gebiete zu verlassen? Welche politischen Gefahren bringt das mit sich? Und: Wie wird soetwas organisiert und finanziert?
Welche technischen Herausforderungen bringt der Klimawandel mit sich? Wo muss der Hochwasserschutz verstärkt werden, wo müssen Bewässerungssysteme geschaffen werden, wo müssen neue Pflanzensorten angebaut werden?
Viele weitere Fragen dieser Art lassen sich formulieren und müssen dringend bearbeitet werden. Es ist zu erwarten, dass kurzfristige Programme, die die bald zu erwartenden Klimaveränderungen aktiv angehen, sowohl politische als auch ökonomische Akteure zum Handeln bringen.
Der Mensch ist ein sehr anpassungsfähiges Wesen, er überlebte schon viele unwirtliche Zeiten und kann sich an viele extreme Bedingungen gewöhnen. Dass der Klimawandel die Menschheit zum Aussterben bringt, ist nicht zu erwarten. Jetzt geht es darum, dass wir und unsere Kinder die kommenden stürmischen Zeiten halbwegs trocken überstehen.
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