Samstag war wieder einmal eine Sternstunde der Symbolischen Basisdemokratie. Für eine Stunde wurde die Beleuchtung zentraler Bauwerke ausgeschaltet. Das Brandenburger Tor in Berlin “versank im Dunkel” (tatsächlich war die Quadriga nicht mehr zu sehen, das Tor selbst bekam noch genug Licht ab) und auch dem Eiffelturm in Paris (wenn auch nur für fünf Minuten) wurde sein strahlender Glanz genommen.
Primaklima berichtete ausführlich.
Gezeigt hat die Aktion eigentlich vor allem, dass man die berühmten Bauwerke in der Nacht auch ohne Scheinwerfer gut sieht. Ein wirkliches Zeichen wäre es gewesen, wenn man die Lichter ausgelassen hätte. Aber so weit wollen wir mit dem Klimaschutz nun auch nicht gehen, dass wir auf die strahlenden Fassaden unseres Wohlstandes verzichten würden.
Da kommen wir lieber pünktlich zu Event mit unserem PKW, selbstverständlich mit Kat und schadstoffarm, sonst kämen wir ja nicht mehr in die “Umweltzone” hinein, packen, damit es schön symbolisch und romantisch wird, die Kerzen (aus was werden die noch mal hergestellt?) aus und demonstrieren unsere Betroffenheit über das Scheitern der letzten Klimakonferenz.
Wenn wir dann wieder zu Hause sind, den tollen Moment, wo die Scheinwerfer wieder die Monumental-Architektur erstrahlen ließen, haben wie genossen, da ist uns ordentlich kalt geworden. Aber was tut man nicht alles für den Klimaschutz. Mach noch mal die Kerzen an, sagen wir, und dreh die Heizung ein bisschen auf, damit wir an diesem bewegenden Tag nicht frieren.
Derweil brennen in China und Indien die Kohlenflöze weiter. Allein in China verbrennen jährlich 20 Mio. Tonnen Kohle einfach so, unter der Erde. Zum Vergleich: in Deutschland werden jährlich 17,7 Mio. Tonnen Kohle abgebaut.
Bei diesen Bränden gelangen jedes Jahr 30 Mio Tonnen CO2 in die Luft, das ist etwa genauso viel wie der gesamte Straßenverkehr in Deutschland und Frankreich erzeugt.
In Indien bedrohen die Brände den Lebensraum der Landbevölkerung, nirgends ist die Luftqualität schlechter als hier und das Feuer bedroht die Dörfer ganz unmittelbar, deren Bewohner doch gleichzeitig vom illegalen Bergbau, der die Brände immer neu entfacht, leben.
Gut zu wissen, dass wenigstens in China angestrebt wird, mit Hilfe deutscher Geologen und Ingenieure die Brände bis 2020 zu löschen. In Indien jedoch ist ein solches Programm noch nicht einmal auf den Weg gebracht.
Was hat nun die symbolische Geste in den westlichen Metropolen mit den Kohleflözen der Dritten Welt zu tun? Richtig: Nichts. Weil vor den Höllenfeuern in China, Indien und anderswo der Kerzenschein in Paris und Berlin nur eines ist: lächerlich.
Ein wirkliches Zeichen, wenn auch immer noch nur ein Symbol, wäre es, auf die anachronistische Effektbeleuchtung ganz zu verzichten. Das wäre für den Rest der Welt das Signal, dass wir tatsächlich bereit sind, auf einen ganz kleinen, wirklich unbedeutenden Teil unseres Wohlstands-Lebens zu verzichten.
Das ist auch der Grund, weshalb es – unabhängig von der Klimawirkung – sinnvoll ist, aufs Fahrrad umzusteigen und das Auto stehen zu lassen. Erst wenn wir so viel Fahrrad fahren wie die Chienesen und die Inder haben wir das Recht, ihnen Vorschläge zu machen, wie sie ihre Umweltprobleme in den Griff bekommen und dabei auch noch Lebensqualität und politische Stabilität gewinnen.
Wenn die westlichen Industrienationen sich dann noch zu einer Umverteilung der Forschungsmittel durchringen könnten, bei denen Technologien absolute Priorität gewinnen würden, die die Probleme der dritten Welt bei Energiebedarf und Umweltschutz bearbeiten, dann wäre auch der Boden für einen Konsens bei Klimakonferenzen bereitet.
Wirklicher Verzicht auf Luxus – nicht nur für fünf Minuten – und Priorisierung der angewandten Umweltforschung – das wäre der Moment, wo Licht-aus-für-den-Klimaschutz und Flözbrände in China etwas miteinander zu tun hätten.
Kommentare (5)