Was passieren wird, wenn der Klimawandel durch den Anstieg des Meeresspiegels und die zunehmende Häufigkeit von Stürmen und Fluten tatsächlich zu drastischen Maßnahmen bei den Bewohnern von Küstenregionen führen wird, kann man derzeit an der französischen Atlantikküste beobachten. Das, was für die Betroffenen ein schmerzhafter Einschnitt in ihr Leben, ein Verlust ihrer Heimat und des Ortes ihrer Erinnerungen ist, kann aus sicherer Entfernung als eine Art makaberer Feldversuch für den Umgang einer westlichen Industrienation mit den Auswirkungen der Klimaveränderungen angesehen werden.
Nachdem ein Sturm im Februar 53 Menschen das Leben gekostet hat, sollen an der französischen Atlantikküste nun 1.500 Häuser abgerissen werden. Die Eigentümer sollen entschädigt werden, im Durchschnitt sollen sie 250.000 € von der Regierung erhalten. Bei einer Weigerung droht die Zwangsenteignung.
So eine Aktion geht natürlich nicht ohne Klagen ab, wobei das Wort “Klage” in seiner Doppeldeutigkeit schon das besondere Dilemma einer westlichen Demokratie deutlich macht. Denn nicht das laute und schmerzvolle Wehklagen über das harte Schicksal ist hier gemeint, sondern das Beschreiten des Rechtsweges der Marsch durch die Instanzen (der allerdings auch in den letzten 40 Jahren einen enormen Bedeutungswandel erfahren hat).
Die Regierung solle lieber Dämme bauen, schlagen die Betroffenen nun vor. Dieser Vorschlag verdeutlicht in nicht zu übertreffender Klarheit unsere Vorstellung von der Art, wie in einer modernen Gesellschaft Probleme zu lösen sind: Nicht, dass der Einzelne sein Leben ändert, dass er die Herausforderungen des Schicksals selbst in die Hand nimmt und sich neu unter veränderten Bedingungen einrichtet, wird als selbstverständlicher Umgang mit Herausforderungen gesehen – nein, der Staat soll uns die Probleme gefälligst vom Leibe halten (wofür bezahlen wir ihn sonst?).
Wird eine so aufgestellte Gesellschaft in der Lage sein, einen Wandel des Klimas zu überleben? Oder wird sie sich in einem neuen Rüstungswettlauf, diesmal nicht gegen die zweite Welt, sondern gegen die Um-Welt, selbst zugrunde richten?
Kommentare (32)