Die Stringtheorie ist in die Kritik geraten, seitdem auch theoretische Physiker wie Lee Smolin (The Trouble with Physics deutsch: Die Zukunft der Physik) und Peter Woit (Not Even Wrong) in allgemeinverständlichen Büchern darüber geschrieben haben, dass sie sich möglicherweise zu weit von empirisch belegbaren Aussagen entfernt hat und dass sie sich vielleicht in einer Sackgasse befindet, die nicht nur die Arbeit der unmittelbar beteiligten Wissenschaftler sondern vielleicht sogar den Fortschritt der Physik als Ganzer gefährdet.
Nun erwacht in mir immer der Beschützerinstinkt wenn die Kritik an einer Sache zur verbreiteten Mode zu werden droht, und auch wenn die Stringtheorie vielleicht nichts weniger nötig hat als den Schutz eines Philosophen der sich gern wissenschaftskritisch äußert sei hier einmal ein Argument zugunsten der Stringtheorie vorgetragen.
Am Ursprung der Stringtheorie steht eine Existenzaussage: Die elementaren Bestandteile der Materie sind keine punktförmigen Gebilde, sondern eindimensionale Fäden – Strings, schwingende Saiten. Diese Saiten können offen oder geschlossen sein. Das ist eine realistische Aussage, eine Behauptung über die Existenz und das Verhalten tatsächlicher, vorhandener Gebilde. Das ist weit mehr als eine Theorie, die ausschließlich eine mathematische Konstruktion zur Vorhersage von Messungen bereitstellt.
Man kann versuchen, aus der Annahme, dass die Welt aus solchen Strings aufgebaut ist, Konsequenzen abzuleiten, die sich empirisch überprüfen lassen. Es ist so etwas wie der Versuch einer kopernikanischen Revolution. Wir werfen eine bisher ganz klare Vorstellung über den Haufen und ersetzen sie durch eine radikal andere. Wie können wir prüfen, ob diese andere Vorstellung wahr sein könnte? Indem wir zeigen, dass wir etwas beobachten können, was durch die neue Vorstellung erklärbar wird, durch die alte aber nicht.
Mit den Strings ist das nicht ganz einfach. U.a. muss man weitere Existenz-Annahmen machen z.B. die, dass sich die Strings nicht in einem dreidimensionalen Raum bewegen sondern in einem Raum mit höherer Dimensionalität. Bestimmte dieser Dimensionen müssen vielleicht aufgewickelt werden, so wie man ein zweidimensionales Blatt Papier im dreidimensionalen Raum aufwickelt oder einen eindimensionalen Wollfaden zum dreidimensionalen Wollknäuel wird.
Ist das vorstellbar? Warum nicht? Es ist zwar nicht anschaulich, aber vorstellbar für den menschlichen Geist ist es.
Bei der Aufgabe, sich die Bewegung eines schwingenden Strings in einem vielleicht neundimensionalen Raum vorzustellen, hilft die Mathematik. Mathematisch ist es kein Problem, die Bewegung eines solchen Objektes zu beschreiben. Diese Bewegung dann auch vorstellbar zu machen, ist nur eine Frage der Übung. Das einzige Problem ist, dass man diese Vorstellung, die dann nur jeder einzelne in seinem Geist haben kann, in der Kommunikation mit anderen dreidimensional veranschaulichen muss. Auch das ist eine Frage der Übung. Jeder weiß aus dem Mathematikunterricht dass es möglich ist, aus zweidimensionalen Zeichnungen (Veranschaulichungen) eine dreidimensionale Vorstellung von einem Objekt zu bekommen.
Die Stringtheorie ist also im Kern eine realistische Theorie:Sie enthält Existenzbehauptungen über Objekte und über deren Eigenschaften, die über kausale Beziehungen Ursache für beobachtbare Phänomene sein können. Darin besteht, trotz aller Schwierigkeiten, die Stärke der Theorie, das macht sie stärker als jede Theorie, die nur Mathematik ist und bei der in die Mathematik im Nachhinein etwas (weitgehend beliebiges) realistisch hineingedeutet wird.
Mag sein, dass die Stringtheorie niemals zur Empirie findet, dass sie zwar realistisch gemeint ist, aber dass sich irgendwann herausstellt, dass sie die Realität nicht zutreffend beschreibt. Aber vom Tisch gewischt wird sie wahrscheinlich nur durch eine neue realistische Theorie.
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